Titel: Ueber den Entlastungsschieber von Beyer; Bericht von Victor Bois.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XXI., S. 95
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XXI. Ueber den Entlastungsschieber von Beyer; Bericht von Victor Bois. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, December 1865, S. 713. Mit Abbildungen auf Tab. II. Bois, über Beyer's Entlastungsschieber. Die Aufgabe, welche sich Hr. Beyer bei der Construction dieses Schiebers für Dampfmaschinen gestellt hatte, bestand darin, denselben dem Drucke des ihn umgebenden Dampfes zu entziehen, auf diese Weise die Reibung im Inneren zu vermindern und die Kraftverluste zu beseitigen, welche durch die Reibung in den Stopfbüchsen in Folge des Einpressens der Liderungen entstehen. Diese Idee ist nicht neu, was auch der Erfinder nicht behauptet, ihre Anwendung hat aber bisher nur Täuschungen verursacht; unser Bericht beschränkt sich daher auf die Eigenthümlichkeiten der Construction und wird hauptsächlich deßhalb erstattet, weil dieser Schieber mit einem gewissen Erfolge bereits bei einer älteren Dampfmaschine angewendet worden ist. Hr. Beyer beabsichtigt nämlich seinen Entlastungsschieber nicht nur bei neu zu erbauenden, sondern auch bei bereits vorhandenen Maschinen anzuwenden und will mittelst seines Systemes auch bei letzteren eine Verminderung des Dampfverbrauches sowie der Reibungen, und dadurch eine Ersparniß an Brennmaterial herbeiführen. Wir wollen nun die Principien in Betracht ziehen, auf welchen Beyer's Schieberconstruction beruht. In seinem Hauptpatente vom 1. August 1864 definirt derselbe seine Construction in folgender Weise: „Der Dampf soll vom Kessel in eine, am unteren Theile des Schiebers angebrachte Höhlung geleitet werden, um aus dieser in die Dampfwege des Cylinders vertheilt zu werden, und durch den atmosphärischen Druck soll der von dem Dampfe auf den Schieber von unten ausgeübte Druck aufgehoben werden.“ Bei diesem Systeme sind die Functionen der gewöhnlichen Schieber umgekehrt; der Dampf tritt nämlich durch die Canäle aus, durch welche er bei den gewöhnlichen Schieberconstructionen eingeführt wird, und strömt durch die Oeffnung ein, durch welche sonst sein Ausströmen stattfindet. Wie man sieht, wird bei dieser Anordnung der stärkste Druck auf die kleinsten Flächen ausgeübt, und umgekehrt; denn hier wird der Dampf bei seinem Austritte aus dem Kessel, wo er die höchste Spannung hat, in die Höhlung in der Schieberschale eingeführt und die Fläche, auf welche er drückt, ist eine sehr kleine; beim Austritt dagegen hat der Dampf offenbar eine geringere Spannung und drückt auf eine größere Fläche. Aber wie groß auch immer die inneren Flächen seyn mögen, auf welche der Druck des Dampfes stattfindet, nach Beyer's Ansicht muß der Druck der atmosphärischen Luft, da die äußeren Flächen viel größer sind als die inneren, den Druck des im Inneren befindlichen Dampfes wenigstens ausgleichen können, nach seinen eigenen Worten: „Bei einem Dampfe von fünf Atmosphären Spannung wird der Schieber in's Gleichgewicht gesetzt, wenn er der äußeren Luft eine fünfmal größere Oberfläche als dem Dampfe darbietet.“ Gegen diese Behauptung läßt sich vom theoretischen Gesichtspunkte aus nichts einwenden und in diesem Falle reduciren sich dann die sonst bei der Steuerung stattfindenden Widerstände und Kraftverluste auf die Reibung der glatten, sich über einander ohne Druck bewegenden Flächen, da der Schieber wie ein Schlitten in einem in's Gleichgewicht gesetzten Medium hin- und herbewegt wird und nur vermöge seines Eigengewichtes dem Cylinderspiegel anhaftet. Seit ungefähr dreißig Jahren ist dieses Princip in verschiedener Weise angewendet worden. Es wurde eine Anzahl von Constructionen veröffentlicht, bei denen der Schieber nicht unter dem Drucke des zu vertheilenden Dampfes steht, auf die wir hier aber nicht eingehen können. Dagegen müssen wir bei dieser Gelegenheit an die sich drehenden Ventile oder Vertheilungsscheiben erinnern, welche dem Drucke des Dampfes eine innere Fläche und dem atmosphärischen Drucke eine äußere Fläche darboten. Bei der Ausführung der letzteren Constructionen durch Hrn. Cavé wurde der Dampf durch einen von den an den Cylinder angegossenen Canälen eingelassen. Ein hohler, mit Scheidewänden versehener Schieber, welcher behufs der Dampfvertheilung in eine alternirende kreisbogenförmige Bewegung versetzt wurde, ruhte außerhalb unter dem Einflusse der atmosphärischen Luft auf dem Cylinderspiegel; derselbe war noch mittelst einer Art Druckschraube mit dem Cylinder verbunden. Diese Anordnung hat dem Zweck ihres Erfinders nicht entsprochen, weil im Gegensatze mit dem Hergange bei dem gewöhnlichen Schieber, wo der Dampf denselben kräftig auf den Cylinderspiegel drückt, dieser kreisbogenförmige Schieber sich durch den Druck des zwischen seinem Boden und dem Cylinderspiegel befindlichen Dampfes zu heben suchte. Es mußten daher von Außen Mittel angewendet werden, um diese Wirkung zu beseitigen und die Adhärenz der beiden Flächen zu vermehren. Hierbei tritt von zwei Uebelständen einer immer ein: entweder ist der Druck gering und dann sind die Dampfverluste bedeutend, oder der Druck ist zur Verhütung der Dampfverluste hinreichend und dann hört der Vortheil auf, welchen man durch Nichtanwendung der Stopfbüchsen erreichen will. Auf der allgemeinen Industrie Ausstellung im Jahr 1855 befand sich eine Maschine mit sogenannter rationeller Steuerung von Hrn. Maldant, bei welcher dasselbe Princip in Anwendung gebracht war; der Cylinder dieser Maschine hat seine beiden gewöhnlichen Oeffnungen an den Enden, aber es sind keine Dampfcanäle an der Seite angegossen; die beiden Oeffnungen an den Enden münden an der Oberfläche einer gehobelten Tafel, auf welcher zwei Schieber für jede Oeffnung gleiten, von denen der eine speciell das Einlassen des Dampfes, der andere das Auslassen desselben bewirkt; jeder dieser Schieber hat eine sehr kleine Berührungsfläche und zwei Dampfwege. Diese Schieber arbeiten nicht in vollem Dampfe; sie sind mit einem Hut oder Deckel überstülpt, welcher mit einem Dampfzuleitungs- und einem Ableitungsrohre versehen ist. Bei dieser Anordnung wird von den Schiebern während ihrer Bewegung ein Gewicht getragen, welches besteht: 1) aus dem Gewichte des mit Dampf gefüllten Kastens, welcher die Schieber überdeckt; 2) aus dem Dampfdrucke, welcher nur auf den Querschnitt der an den Enden befindlichen Oeffnungen von den Zuleitungsröhren des Dampfes ausgeübt wird; die Belastung im Ganzen ist somit offenbar kleiner als der Druck, welcher auf einen gewöhnlichen, in seinem Kasten unter Dampf befindlichen Schieber stattfindet. Die sinnreiche Erfindung des Hrn. Maldant besteht also in einem Vertheilungsschieber, welcher sich zwischen zwei Reibungsflächen bewegt und an seiner oberen Fläche den stärkeren Druck, nämlich den Druck des aus dem Kessel kommenden Dampfes, aufnimmt. Dieser Dampf drückt die Schieberschale auf den Cylinderspiegel und dadurch wird ein Heben des Schiebers verhindert, welches nur durch den abziehenden Dampf bewirkt werden könnte, der aber einen viel geringeren Druck ausübt. Auf die angegebene Weise hoffte Hr. Maldant durch das Gewicht des Schieberkastens und den Druck des ankommenden Dampfes die Schieber auf dem Spiegel zu erhalten; unseres Wissens entsprach jedoch der Erfolg den Hoffnungen nicht, die den Erfinder veranlaßt hatten, seinem Schieber den vielversprechenden Namen eines „rationellen“ zu geben. Hr. Mazeline in Havre hat denselben Weg eingeschlagen und verschiedene Versuche mit Schiebern angestellt, bei welchen der Dampfdruck, wenn nicht vollständig, doch theilweise ausgeglichen war. Er wandte seine Construction bei einer Maschine mit zwei (Mindern an; in Folge seiner Anordnungen hatte der Schieber nur einen Seitendruck auszuhalten, was durch eine keilförmige Gestalt bedingt wurde, die er dem Schieber und seinem Kasten gab. Diese Construction kommt jedoch derjenigen des Hrn. Beyer bei weitem nicht gleich, und wir verweilen daher nicht länger bei derselben. Wir erwähnen noch die von Hrn. Gilmer angewendeten Reibungsschieber, welche mit der Condensationsvorrichtung in directe Verbindung gesetzt sind. Die Entlastungsschieber von Jobin endlich, welche für Locomotiven construirt und auch bei einigen Maschinen der Ostbahn angewendet wurden, hat Hr. Tresca in seinem Berichte vom 21. Juli 1858 ausführlich beschrieben.Polytechn. Journal Bd. CLI S. 1. Die angeführten Beispiele genügen, um zu zeigen, daß vor Hrn. Beyer schon mehrere Ingenieure und Maschinenfabrikanten denselben Gegenstand bearbeitet haben und dabei ganz von derselben Idee ausgiengen, daß nämlich zur Verminderung der Schieberbelastung die innere, dem Drucke des Dampfes ausgesetzte Fläche verkleinert und dieser Druck entweder durch eine Druckschraube (wie es bei der Construction von Cavé der Fall war) oder durch das Gewicht der atmosphärischen Luftsäule in Verbindung mit einem constanten Gewichte ausgeglichen werden müsse; daß aber trotz der verschiedenen eingeschlagenen Systeme die Resultate für die Praxis nicht so günstig ausgefallen sind, als man zu erwarten berechtigt war. Wir wünschen, daß die Versuche, welche gegenwärtig Hr. Beyer anstellt, günstiger als die seiner Vorgänger ausfallen möchten; so viel können wir schon jetzt sagen, daß der Versuch, welchen er mit seinem Systeme bei der Maschine des Parfümeriefabrikanten Piver in Paris gemacht hat, einen großen Theil seiner Hoffnungen verwirklicht hat. Seit der Anwendung des Beyer'schen Entlastungsschiebers an der dortigen zwölfpferdigen Maschine, deren Steuerung in Unordnung gerathen war, ist der Betrieb dieser Maschine ein wirklich ökonomischer, wie von dem Maschinenfabrikanten, der den Schieber ausgeführt hat, sowie von Hrn. Piver selbst bezeugt wird. In Folge dessen und wegen der Einfachheit des Systems hat der Ausschuß unserer Gesellschaft es für angemessen gehalten, die Industriellen mit der Construction des Hrn. Beyer bekannt zu machen, dabei aber auch die Uebelstände anzuführen, welche allen derartigen Systemen anhaften. So sind bei den Entlastungsschiebern die Dampfverluste in der Regel sichtbar, während dieselben bei den gewöhnlichen Schiebern im Innern stattfinden. Der Maschinist ist daher bei den Entlastungsschiebern immer veranlaßt diese Verluste zu verhindern, und er wendet als Stopfmittel die zu seiner Verfügung stehenden an. Er preßt die Reibungsflächen stark aneinander, um sie dampfdicht zu machen; er bessert die Abnutzung aus, sobald sie sich zeigt, und indem er so verfährt, wendet er ein Hülfsmittel an, welches oft schlechter als das Uebel selbst ist, er erzeugt außergewöhnliche Pressungen. In dieser Weise verliert er als Reibung eine beträchtliche Nutzleistung und gelangt zu einem ebenso großen Drucke als der ist, welcher auf die Oberfläche eines in dem Schieberkasten unter dem Dampfe befindlichen Schiebers ausgeübt wird. Bei letzteren Schiebern sind, wie erwähnt, die Lecke nicht sichtbar; man verstopft sie daher nicht fortwährend, sondern muß den Schieber bloßlegen, um undichte Stellen etc. aufzufinden, und die Ausbesserung findet statt, ohne daß man einen zu großen Druck veranlaßt. Diese Ansicht, welche durch die Erfahrung gerechtfertigt ist, hat auch der geschickte Ingenieur Léon Thomas in den Vorträgen, welche er über die Dampfmaschinen in der École des arts et manufactures hielt, ausgesprochen. Derselbe erklärte, daß er jeden Schieber und jeden Kolben, bei welchem undichte Stellen (von außen) sichtbar sind, für einen schlechten halte, weil man anormale Pressungen erzeugt, indem man die Dampfverluste absolut vermeiden will. Der Genannte hat sich überzeugt, daß dieses übermäßige Zusammenpressen durch die entstehende Reibung einen Verlust an der Nutzleistung verursacht, welcher oft größer als derjenige ist, den man bei Anwendung eines im Schieberkasten unter Dampf befindlichen Schiebers erleidet. Er fügt hinzu, daß bei den gewöhnlichen Schiebern die theoretischen Berechnungen der Reibungen den durch dieselben veranlaßten Verlust viel größer ergeben, als er in Wirklichkeit ist, indem der angewandte Reductionscoefficient einer praktischen Arbeit entspricht, welche um die Hälfte geringer als die theoretische Arbeit ist, weil die Wasser- und Dampfschicht, welche sich zwischen den zwei Reibungsflächen befindet, die in Folge der Leitungsfähigkeit des Gußeisens heiß wurden, die Nachtheile der Reibung vermindert, indem sie das Gleiten gewissermaßen in ein Rollen über Dampf in bläschenartigem Zustande umwandelt, wodurch theilweise das Gleichgewicht zwischen dem auf die Oberfläche des Schiebers wirkenden Druck und dem unaufhörlich zunehmenden Druck der zwischen den beiden Reibungsflächen befindlichen Wasser- und Dampfschicht hergestellt wird. Diese Ansicht theilen wir völlig; wir haben uns bei Schiffsmaschinen selbst von den Vortheilen überzeugt, welche diese Dampfemulsionen zur Verminderung der Reibungen gewähren, weßhalb wir weit entfernt sind, die unter Dampf befindlichen Schieber zu verwerfen. Aber wir geben ohne Anstand zu, daß Hr. Beyer mit seinem Systeme aus dieser rollenden Reibung Nutzen ziehen kann, und eine Erfahrung von sechs Monaten hat gezeigt, daß die Dampfverluste so zu sagen gleich Null waren. Beschreibung des Entlastungsschiebers von Beyer, welcher bereits bei einer Dampfmaschine angewendet wurde. Fig. 30, Längendurchschnitt. Fig. 31, Querdurchschnitt nach der Linie XY der Fig. 30. A Cylinder. B Schieber. C Dampfzuleitungsrohr. D Höhlung im Schieber. E, E' Dampfeinströmungscanäle im Cylinder. F, F' Dampfauslaßcanäle im Schieber. G Dampfabströmungsrohr. H Rohrstück, an welches sich das Dampfabströmungsrohr G anschließt; dieses Rohrstück endigt in einen Flantsch, welcher auf den Schieber zu liegen kommt. I Halter oder Lagerstütze für das Rohr H und das Rohr G. J Kautschukring, welcher in dem Halter I (Fig. 31) angebracht ist und zur Abschwächung der Stöße dient, die das Condensationswasser bei der Ingangsetzung hervorbringt. K Excentricstange. Diese Schieberconstruction wurde bei der zwölfpferdigen Maschine ohne Condensation des Hrn. Piver angewendet. Wir lassen nun noch eine kurze Beschreibung der zweiten und dritten Schieberconstruction folgen, welche in dem Patente des Hrn. Beyer angegeben sind. Zweite Construction. Dieselbe unterscheidet sich von der vorhergehenden nur dadurch, daß das Ausströmen nicht über dem Schieber, sondern durch eine seitliche Oeffnung desselben in eine Höhlung des Cylinders stattfindet, welche mit einer Condensationsvorrichtung in Verbindung steht. Der Kantschukring ist hierbei durch Federn aus Stahlblättern ersetzt. Die Excentricstange endlich bewegt einen in der Mitte des Schiebers angebrachten Zapfen. Dritte Construction. Diese Construction ist für die Anwendung eines Vertheilungs- und Expansionsschiebers bestimmt. Hierbei bewegt sich der Vertheilungsschieber zwischen dem Cylinderspiegel und dem Expansionsschieber; letzterer bewegt sich an einer Stange, welche in einer horizontalen, zum Dampfcylinder festen Lage erhalten wird. Uebersicht der von dem Erfinder aufgezählten Vortheile seines Entlastungsschiebers. 1) Der Druck auf den Schieber (er mag auf Expansion eingerichtet seyn oder nicht), welcher durch den unter demselben befindlichen Dampf ausgeübt wird, beträgt in allen Fällen nur einen kleinen Theil von dem Druck, welcher auf die Rückseite des gewöhnlichen Schiebers stattfindet; derselbe wird überdieß einerseits durch den Druck der atmosphärischen Luft und durch die im Kondensator erzeugte Leere, andererseits durch die ziemlich bedeutende Adhärenz der mit dem Cylinderspiegel in Berührung befindlichen Schiebertheile aufgehoben (welche letztere durch den abziehenden Dampf geschmiert werden). 2) Die Stopfbüchse und die Schieberstange fallen weg, wodurch die Ausführung einfacher, leichter und billiger wird. 3) Vollkommene Conservirung des Cylinder- und Schieberspiegels, sowie der Bewegungsorgane für den Schieber. 4) Beim Betriebe der Maschine mit veränderlicher Expansion wird der Schieber durch den Regulator bewegt, ohne daß letzterer dabei den Widerstand zu überwinden hat, welcher sich bei den Stopfbüchsen in nachtheiliger Weise geltend macht. Ein weiterer Vortheil besteht noch darin, daß die Maschine durch den Vertheilungsschieber selbst in und außer Gang gebracht werden kann und das Admissionsventil deßhalb wegfällt. E. F.

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