Titel: | Ueber die Zerreißungsfestigkeit einiger Fasersubstanzen; von Prof. W. J. Macquorne Rankine. |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LXIX., S. 273 |
Download: | XML |
LXIX.
Ueber die Zerreißungsfestigkeit einiger
Fasersubstanzen; von Prof. W. J. Macquorne Rankine.
Nach dem Mechanics' Magazine, Januar 1866, S. 7; aus dem
polytechnischen Centralblatt, 1866 S. 315.
Rankine, über die Zerreißungsfestigkeit von Leinengarn, Seide
etc.
Um die Zerreißungsfestigkeit einer Substanz mit dem Gewichte derselben zu
vergleichen, hat man die Last, welche man anhängen muß, um einen gegebenen Stab oder
Faden zu zerreißen, mit derjenigen Länge des Stabes oder Fadens zu multipliciren,
welche die Schwere einer Gewichtseinheit hat. Das Product ist die
Zerreißungsfestigkeit, in Längeneinheiten des Materials ausgedrückt. Die folgenden
Beispiele sind den gewöhnlichen tabellarischen Angaben über Schwere und
Zerreißungsfestigkeit von Materialien entnommen:
ZerreißendeLast
Länge,welche
eineGewichtseinheitwiegt.
Zerreißungsfestigkeit,inLängeneinheiten.
Gußstahlstab von 1 Quadratzoll Querschnitt
130000
0,297
38610
Draht aus Holzkohleneisen von 1
Quadratzoll Querschnitt
100000
0,3
30000
Eisernes Drahtseil von 1,27 Zoll Durchmesser
44800
0,6
26880
Eisenstab von 1 Quadratz. Querschnitt
60000
0,3
18000
Kesselblech von 1 Quadratz. Querschnitt
50000
0,3
15000
Hartes Holz von 1 Quadratz. Querschnitt
15000
3,0
45000
Weiches Holz v. 1 Quadratz. Querschnitt
12000
0,4
48000
Hanfseil mit losem Schlag von 1
Zoll Durchmesser
1050
26,0
27300
Deßgleichen mit Kabelschlag
6720
2,79
18750
Wenn das nämliche Verfahren auf die Gewichte und Zerreißungslasten von Segeltuch, wie
dieselben von Carmichael angegeben werden, übertragen
wird, so erhält man im Durchschnitt
für Nr. 1 bis 6
für Nr. 7 bis 8
Zerreißungsfestigkeit
der Kette
21552
27200
„
des Schusses
30788
32000
Summe beider
52340
59200
Der Verfasser hat selbst auch einschlagende Versuche an Leinengarn und Seide
angestellt. Das untersuchte Leinengarn war ungebleicht und hatte auf 1 Pfd. Gewicht
eine Länge von 15833 Fuß. Seine Festigkeit war nicht überall gleich; die geringste
Last, welche es trug und welche für die Praxis besonders von Werth ist, betrug 6
Pfd.; hiernach ergibt sich die Zerreißungsfestigkeit zu 15833 . 6 = 95000 Fuß. Seide
wurde in zwei Sorten untersucht, mit 9417 und mit 19950 Fuß auf das Pfund. Die
Zerreißungsbelastung betrug bei der ersten 12 Pfd., bei der zweiten 6 Pfd. Hiernach
ergeben sich die Zerreißungsfestigkeiten zu 9417 . 12 = 113000 Fuß und zu 19950 . 6
= 119700 Fuß, also drei Mal so groß, als für Gußstahl. Bei diesen Versuchen ist das
Gewicht bis auf 1 Proc. und die Bruchlast bis auf 3 bis 4 Proc. genau bestimmt
worden. Wahrscheinlich ist Seide unter allen bekannten Substanzen diejenige, welche
im Vergleich mit ihrem Gewichte die höchste Zerreißungsfestigkeit hat.
Berücksichtigt man hierzu, daß das specifische Gewicht der Seide dem des Wassers
gleich ist, so würde sich hieraus vom rein mechanischen Standpunkte aus die Seide
als das zweckmäßigste Material für unterseeische Kabel erweisen. Leider steht der
hohe Preis derselben dieser Anwendung entgegen und macht dieselbe unmöglich.
Auch hinsichtlich der Dehnbarkeit hat der Verf. die Seide untersucht; die
Mannichfaltigkeit der hierbei sich kundgebenden Erscheinungen hat aber bisher
verhindert, sichere Schlußfolgerungen zu ziehen. Eine kleine Belastung bringt eine
Dehnung hervor, welche mit der Zeit zunimmt, aber nach Wegnahme der Last allmählich
wieder verschwindet. Eine Belastung von 5 1/2 Pfd. an einem Faden von der dickeren
Sorte, der ursprünglich 52,78 Zoll lang war, dehnte denselben im Ganzen um 3,56 Zoll
aus; sofort nach Wegnahme der Last betrug die Verlängerung nur noch 1,5 bis 1,6 Zoll
und dann kehrte nach und nach der Faden auf seine ursprüngliche Länge zurück. Hierzu
waren im Ganzen acht Stunden nothwendig; nach zwei Stunden betrug die Verlängerung
noch 0,75 bis 0,8 Zoll. Bei zunehmender Belastung war die einer bestimmten Last
entsprechende Dehnung um 0,1 Zoll kleiner, als bei abnehmender Belastung, eine Folge
der Erscheinung, welche Prof. W. Thomson als
Molecular-Reibung bezeichnet. Die Versuche entsprechen hiernach einem
Elasticitätsmodulus von 1'300000 Pfd. per Quadratzoll.
Im Nachfolgenden sind für einige Substanzen die Verhältnißzahlen der Elasticität
angegeben: Seide 473, sehr fester harter Stahl 60, fester harter Stahl 46, weicher
Stahl 31, guter Eisendraht 36, gutes Stabeisen 14, festes Kesselblech 12, festes
hartes Gußeisen 4. Es können wohl Fälle vorkommen, in denen man Seilwerk von
möglichst geringem Gewicht bei einer gegebenen Festigkeit oder bei einer gegebenen Elasticität braucht,
ohne daß die Kosten zu berücksichtigen sind. Dann ist nach beiden Beziehungen hin
Seide das beste Material.