Titel: | Berechnung der Granaten-Derivationen des gezogenen Vierpfünders aus den durch Beobachtung festgestellten Derivationsverhältnissen des gezogenen Sechspfünders. |
Autor: | D......y |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LXXIV., S. 283 |
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LXXIV.
Berechnung der Granaten-Derivationen des
gezogenen Vierpfünders aus den durch Beobachtung festgestellten Derivationsverhältnissen
des gezogenen Sechspfünders.
Uebertragung der Geschoß-Derivationsbeträge von einem
Kaliber auf das andere.
Da es bisher unmöglich war, die Derivationsbeträge der cylindroogivalen Geschosse
gezogenen Geschützes, ebenso wie z.B. deren Schußweiten, aus gegebenen
Schuhverhältnissen berechnen zu können, die Wichtigkeit,
Philosophisch-Transscendentes des mechanischen Theiles der
Artillerie-Wissenschaft immer mehr auf Mathematisch-Greifbares und
Bestimmtes zurückführen zu können, aber auf der Hand liegt, so möge es gestattet
seyn, hier, nachdem bereits
1) die Verhältnisse, welche zwischen den Derivationsbeträgen und den verschiedenen
Pulverladungen, womit ein und dasselbe Geschoß dieselbe Schuh- oder Wurfweite
erreicht, bestehen, und
2) auch die relativen Derivationsbeträge von Granate und Shrapnel des gezogenen 6
Pfünders mit Hülfe der vom Referenten verfaßten Schrift: „Die Derivation
der Spitzgeschosse als Wirkung der Schwere, zweite Auflage, Cassel
1865“ einer mathematischen Berechnung unterworfen worden sind, nun
auch noch
3) die Uebertragung der Geschoß-Derivationsbeträge von einem Kaliber auf das
andere
vermittelst dieser Theorie in einem Zahlenbeispiele auszuführen, indem dadurch die
Derivationsbeträge der mit Feldladungen von 1 Pfd. Pulver abgeschossenen Granaten
des gezogenen 4 Pfünders einfach aus den durch Schießversuche bereits praktisch
festgestellten Derivationsverhältnissen der Granaten des gezogenen 6 Pfünders
herausgerechnet, und so abermals Anknüpfungspunkte dargeboten werden, diese
Resultate rein theoretischer Forschungen mit den Erfahrungen, welche das praktische
Leben machen läßt, vergleichen zu können.
Betrachtet man zu dem Ende wieder den Ausschlagswinkel ψ, welchen das im Fluge befindliche Langgeschoß durch Einwirkung
der Schwere auf seine
Rotationsbewegung mit der Schußebene macht, nach Seite 105 der oben angegebenen
Schrift, als eine Function des Ausdruckes:
Mgγ/Cw [t – A/Cw sin (t Cw/A)],
in welchem M die Geschoßmasse, g die Beschleunigung der Schwere, γ die Entfernung des Schwerpunktes von der Spitze des Geschosses
als Angriffspunkt des tangentialen Luftwiderstandes, t
die Flugzeitdauer, w die Rotationsgeschwindigkeit, C das Trägheitsmoment um die Längenachse und A das Trägheitsmoment um die
Schwerpunkts-Querachse des Geschosses bedeuten, so stehen hiernach für mit
Feldladung abgeschossene Granaten der gezogenen 6- und 4 Pfünder bei
Anfangsgeschwindigkeiten von beziehungsweise
1060 und 1200 Fuß pro Zeitsecunde,
Rohrdrall-Längen von beziehungsweise
15 und 12 Fuß,
Entfernungen zwischen Geschoßspitze
und Geschoßschwerpunkt von
beziehungsweise
3,95 und 3,56 Zoll,
Kaliberdurchmesser von beziehungsweise
3,6 und 3 Zoll,
und bei der Annahme, daß die relativen
Tangentialgeschwindigkeiten dieser ähnlich construirten Geschosse deren
Anfangsgeschwindigkeiten proportional sind: die, gleichen
Schußweiten entsprechenden Geschoßausschlagswinkel
ψ und ψ₁ in dem Zahlenverhältnisse:
Textabbildung Bd. 180, S. 284
wenn man auch in diesem Falle die in obigem Ausdrucke
vorkommende Sinusfunction der Geschoßflugzeit vernachlässigt, Ausschlagswinkel und
Flugzeiten der Granaten also einfach proportional setzt, und ferner auch die
Flugzeiten der ähnlich construirten Geschosse beider Kaliber für gleiche
Schuß- oder Wurfweiten sich umgekehrt wie deren Anfangsgeschwindigkeiten
verhalten läßt.
Dann stehen aber weiter die Kräfte K und K₁,
welche 6- und 4 Pfünder Granaten vermöge des, parallel zur Schußebene
wirkenden Luftwiderstandes, senkrecht zu dieser Ebene, nach derjenigen Richtung hin
seitwärts treiben, wohin die jedesmal eben obersten Geschoßpunkte rotiren, nach der
mechanischen Formel:
K = c²f sin² ψ cos ψ,
worin c die
Geschoßanfangsgeschwindigkeit und f die, dem parallel
zur Schußebene wirkenden Luftdrucke unter dem Winkel ψ dargebotene Geschoßseitenfläche bedeuten, in der Proportion:
K : K₁
= 1060² . 1,8² . 172² . 1200² . 1,5².
147²
= 1 : 0,65,
wenn man den Cosinus der kleinen Ausschlagswinkel ψ und ψ₁ gleich Eins, die Sinus derselben aber diesen Winkeln selbst
und die Seitenflächen f und f₁ der ähnlich construirten Granaten von 6- und 4 Pfündern
den Quadraten der zugehörigen Kaliberradien proportional setzt.
Hiernach verhalten sich dann ferner die Derivationsbeschleunigungen der, beziehungsweise 13,7 und 8,5 Pfund
schweren, mit Feldladungen von 1,2 und 1 Pfund Pulver abgeschossenen Granaten der
gezogenen 6- und 4 Pfänder zu einander wie:
1/13,7 : 0,65/8,5 = 1 : 1,05,
und daraus folgt endlich für die Derivationsbeträge
D und D₁ selbst,
welche durch Einwirkung der Schwere auf das um seine Längenachse rotirende
Spitzgeschoß bei den Granaten der gezogenen 6- und beziehungsweise 4 Pfünder
entstehen, die Proportion:
D : D₁ = t² : 1,05 t₁²,
in welcher die, gleichen Schußweiten angehörenden Flugzeiten
t und t₁ den
zugehörigen Geschoßanfangsgeschwindigkeiten umgekehrt proportional zu setzen sind,
im vorliegenden Falle also:
t₁²/t₂ = 1060²/1200² = 0,77
und demnach
D₁ = 0,8085 D
ist.
Die Derivationen der mit 1 Pfd. Ladung abgeschossenen 8,5 Pfd.
schweren Granaten des gezogenen 4 Pfünders betragen für gleiche Schußweiten nach
dieser Theorie also nur das 0,8085 fache von den Derivationen der mit 1,2 Pfd.
Pulverladung abgeschossenen 13,7 Pfd. schweren Granaten des gezogenen 6
Pfünders.
Ueberträgt man, um die Prüfung dieses Theorieresultates durch den Schuß zu
erleichtern, dasselbe auf die zur Derivations-Correctur anzuwendenden
Seitenverschiebungen S und S₁ der Visiraufsätze beider Geschütze, so würde für gleichlange Visirlinien derselben auch:
S : S₁ = 1 : 0,8085
sich verhalten müssen; bei
beziehungsweisen Visirlinienlängen
der gezogenen 6-
und 4 Pfünder von 77 und 37,66
Zoll verhält sich aber dann:
S : S₁
= 77 : 0,8085 . 37,66
= 1 : 0,396
und es werden also, der größeren Einfachheit wegen 0,4 anstatt
0,396 gesetzt, die Seitenverschiebungen des Visiraufsatzes von
gezogenen 4 Pfündern unter den oben angegebenen Schußverhältnissen und
Annahmen, sowie nach der Theorie: „Die Derivation der Spitzgeschosse als
Wirkung der Schwere“
nur das 0,4 fache der betreffenden
Seitenverschiebungen des gezogenen 6 Pfünders zu betragen haben.
Da nun bei Zielentfernungen von:
800, 1200, 1700, 2100, 2500, 2800, 3000, 3300 und 3500
Schritt,
dem gezogenen 6 Pfünder an
Visiraufsatz-Seitenverschiebungen zu geben sind beziehungsweise:
1/2
1
2
3
4
5
6
7
und 8 1/16 Zoll,
so würde der gezogene 4 Pfünder auf diese Distanzen an
Seitenverschiebung also erhalten müssen:
0,2
0,4
0,8
1,2
1,6
2
2,4
2,8
und 3,2 1/16 Zoll,
Beträge, welche geringer sind als diejenigen, welche dem
Vernehmen nach für dieses Geschütz vorläufig vorgeschrieben worden sind, und um
deren thunlichste Prüfung durch die Schießpraxis hiermit gebeten wird.
D......y,
Major im Generalstabe in Cassel.