Titel: | Die Fette im Zustande der Emulsion nach Mège-Mouriès und Bedeutung dieses Zustandes für die Verseifung; von Dr. Fr. Knapp. |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LXXXV., S. 309 |
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LXXXV.
Die Fette im Zustande der Emulsion nach Mège-Mouriès und Bedeutung dieses
Zustandes für die Verseifung; von Dr. Fr. Knapp.
Aus dem Laboratorium für technische Chemie in Braunschweig.
Knapp, über die Fette im Zustande der Emulsion nach
Mège-Mouriès und Bedeutung dieses Zustandes für die
Verseifung.
Im Jahre 1864 hat Mège-Mouriès der
Akademie der Wissenschaften in Paris Mittheilungen über gewisse Beobachtungen bei
der Verseifung der Fette gemacht.Polytechn. Journal Bd. CLXXIII. S.
66.
Darnach zeigen die Fette, mittelst Eigelb, Galle, eiweißartiger Körper oder Seife in
den Zustand einer Emulsion versetzt, ganz andere Eigenschaften. Er nennt diesen
Zustand, – bekanntlich eine Zertheilung der Fette in eine unendliche Menge
sehr kleiner Kügelchen – „état
globulaire.“ Der Talg zeigt in dieser Form nach Mège-Mouriès folgendes
Verhalten:
Während der Talg in Masse an feuchter Luft sehr bald ranzig wird, halte er sich im
état globulaire, sey es als milchige
Flüssigkeit, sey es trocken als weißes Mehl, sehr lange.
Im état globulaire mit Aetzlauge zusammengestellt,
gebe der Talg bei 45–60° C. sein Glycerin in Zeit von 3–4
Stunden vollkommen ab, jedes Talgkügelchen verwandle sich dabei in ein Kügelchen
vollkommener, je nach der Temperatur mit mehr oder weniger Lauge gefüllter Seife.
– Bei einer Temperatur über 60° C. würden diese Kügelchen
durchsichtig, halbflüssig und flößen dann zu einer über der das Glycerin
enthaltenden Lauge schwimmenden Schichte geschmolzener Seife zusammen.
Dieses in kurzen Zügen und einigermaßen dogmatischer Form niedergelegte Verhalten des
Talgs ist von Mège-Mouriès
vorzugsweise als Grundlage der Stearinfabrication empfohlen worden und hat in dieser
Richtung bekanntlich eine eingehende Discussion über seinen praktischen Werth
hervorgerufen.Man s. die Bemerkungen von de Milly und Legrand im polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 145 und 151. Jenes Verhalten ist aber zunächst für die Verseifung der Fette an sich und
für die Seifensiederei von großer Wichtigkeit. Es schien mir daher von Interesse,
den Begriff und das Wesen des état globulaire, sowie die Rolle, die ihm
bei der Verseifung zukommt, durch weitere Beobachtungen näher festzustellen, in
welchen mich Hr. Bosse im hiesigen technischen
Laboratorium vielfach unterstützt hat.
Insofern es sich um die Verseifbarkeit des Talgs handelte, war es angezeigt als
Mittel zur Herstellung der Emulsion Seife und andere Fette (des Eigelbs, der Galle)
auszuschließen. Man rieb daher den bei 45° C. im erwärmten Mörser
geschmolzenen Talg mit Stärkegummi zusammen und verwandelte die Mischung nach dem
bekannten pharmaceutischen Handgriffe, d.h. unter allmählichem Zusatz von Wasser der
gleichen Temperatur und stetigem Umrühren mit dem Pistill, welches bis zum
vollständigen Erkalten fortgesetzt wurde, in eine dünnflüssige Emulsion. Aus der
rein weißen, sehr gleichförmigen Flüssigkeit schied sich der zertheilte, inzwischen
starr gewordene Talg nach einigem Stehen ziemlich vollständig als ein dicker Rahm an
der Oberfläche ab. Durch Decantiren der darunter befindlichen Flüssigkeit, Schütteln
mit reinem Wasser, abermaliges Abscheiden des Rahmes und so fort, ließ sich das
Gummi wegschaffen, was durch Auswaschen auf dem Filter ungleich mühsamer und
schwieriger ist. Man erhält auf diese Art den feinzertheilten Talg in Wasser
aufgeschlämmt, in Form einer Emulsion.
Unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint diese Talgemulsion als ein Hauswerk von
kugelrunden durchsichtigen Körperchen mit einer (wohl in Folge ihrer
krystallinischen Beschaffenheit) etwas unebenen Oberfläche. Diese Kügelchen sind
zwar von verschiedenem Durchmesser, aber im Allgemeinen sehr klein und zwar
wenigstens so klein als die feinsten Stärkekörnchen von Hülsenfrüchten. Größere
Körnchen finden sich nur sehr vereinzelt. Eine Probe dieser Talgemulsion erhielt
sich – im Einklang mit Mège-Mouriè's Angabe – nach einer Aufbewahrung
von zehn Monaten noch vollkommen frisch und ohne allen ranzigen Geruch. Diese
Haltbarkeit verliert das Befremdende, wenn man erwägt, daß mit der Bildung der
Emulsion, diesem Pulverisiren auf nassem Wege, d.h. mit dem hohen Grade der
Zertheilung des Talgs, nothwendig auch eine ebenso gründliche Auswaschung des Talgs
Hand in Hand gehen muß. Die Kügelchen sind durch diese Auswaschung von denjenigen
Stoffen, welche die freiwillige Zersetzung der Neutralfette einzuleiten pflegen
(thierische Stoffe, Blutbestandtheile etc.), ganz oder nahezu befreit.
Die Versuche mit der Verseifbarkeit der Talgemulsion begannen mit der Wiederholung
des Versuches von M. M., und zwar mit einer Lauge, die durch Auflösen von 20
Gewichtstheilen geschmolzenem Aetznatron in 80 Gewichtstheilen Wasser erhalten war,
also der stärksten Feuerlauge der Seifensieder entsprach. Eine Portion der
Talgemulsion, oder vielmehr (um möglichst wenig Wasser mit einzuführen) des auf der
Oberfläche derselben abgeschiedenen Rahms, in einem Ueberschuß dieser Lauge
zertheilt und bei einer Temperatur zwischen 45° C. und 60° C. der Ruhe
überlassen, bildet nach einigen Stunden eine zusammenhängende, über der Lauge
schwimmende Schichte, die sich nach dem Erkalten in eine feste Decke verwandelt.
Nach dem Abziehen der Lauge und Abspülen zergieng die Masse mit kaltem Wasser zu
einem weißlichen Brei. In der Siedhitze löste sie sich bis auf eine schwache Trübung
auf und gestand nach dem Erkalten zu einer weißlichen undurchsichtigen Gallerte.
Diese Gallerte, in der Wärme geschmolzen und mit Kochsalz versetzt, schied sich in
eine klare Salzlösung und eine darauf schwimmende zähe Schicht, die mit dem Erkalten
zu einer festen Gallerte gestand. In Alkohol löste sich die aus der Emulsion unter
dem Einflüsse der Lauge entstandene Masse ebenfalls; die Lösung gestand zu einer
durchsichtigen Gallerte. Säuren schieden aus der wässerigen Lösung eine in Alkohol
lösliche Fettschichte. Kalkwasser, ebenso essigsaures Blei, gaben mit der wässerigen
Lösung jener Masse unlösliche Niederschläge. Kurz, das Product der Einwirkung der
Lauge auf die Talgemulsion verhielt sich in allen Stücken in Uebereinstimmung mit M.
M's Beobachtung als Seife.
Bei 45° C. ist der Talg eben flüssig; es fragte sich daher, ob diese oder
überhaupt höhere Temperatur und der tropfbar flüssige Zustand des emulsirten Talgs
Bedingung seiner Umsetzung in Seife sey. Eine Mischung jener Lauge im Ueberschuß mit
Talgrahm, durch Rühren gemischt und ohne Erwärmung bei der gewöhnlichen Temperatur
des Laboratoriums im Winter über Nacht stehen gelassen, hatte am Morgen einen
Seifenkuchen von gleicher Art wie im vorhergehenden Versuche, nur von etwas mürberer
Beschaffenheit gebildet. Die Verseifung des Talgs in feinzertheiltem Zustand findet
daher nicht weniger statt, wenn derselbe der Lauge in fester Form und bei
gewöhnlicher Temperatur geboten wird.
Eine weitere Frage, die sich hieran knüpft, ist die, ob die Verseifung des Talgs, in
festen Kügelchen zertheilt, nur mit Lauge von 20 Procent oder auch mit schwächerer
Lauge stattfindet. Zu dem Ende verdünnte man 5 Kub. Cent, der 20procentigen Lauge
nacheinander mit:
5
10
20
zuletzt 50 K.-C. Wasser
und
erhielt so Laugen von respective:
11,1
7,7
4,9 und
2,3 Procent
Aetznatron. Jede dieser Laugen wurde, in derselben Weise wie
die anfängliche stärkste, im Ueberschuß mit Talgrahm in der Kälte zusammengestellt.
Die drei ersten Laugen verhielten sich wie die 20procentige, die Talgemulsion war in einen
Seifenkuchen verwandelt; bei der 2,3 proc. Lauge dagegen war nur ein wenig mit
Weingeist ausziehbarer Seife gebildet. Demnach ist ein Gehalt der Laugen bis herab
zu 3 Procent noch hinreichend, Talgemulsion in einigen Stunden und in der Kälte zu
verseifen.
Zu den bis dahin beschriebenen Versuchen ist zu bemerken, daß die gebildete Seife
nach dem Abscheiden der Lauge und Auflösen in kochendem Wasser in keinem Fall einen
völlig klaren Seifenleim bildete. Stets erschien der Seifenleim durch eine sehr
kleine Menge unverseiftes Fett schwach getrübt. Höchst wahrscheinlich rührt dieser
Umstand von den gröberen Talgkügelchen her, welche sich in der Emulsion vertheilt
finden.
Durch den ganzen Vorgang der Verseifung des festen Talgs in Kügelchen bei
gewöhnlicher Temperatur war es nahe gelegt, den Proceß der mikroskopischen
Beobachtung zu unterwerfen. Zu dem Ende muß man sich so einrichten, daß die Lauge
auf dem Objectträger sich weder durch Eintrocknen noch durch Anziehen von
Kohlensäure verändert. Dazu genügt es, den zu beobachtenden Tropfen Lauge auf dem
Objectglas mit einem Ring von Paraffin zu umgeben und auf diesen das erwärmte
Deckelgläschen aufzukitten. Ferner erleichtert man sich die Beobachtung sehr, wenn
man die Emulsion mittelst weiteren Laugezusatzes soweit verdünnt, daß ein Tropfen
nur noch wenige Talgkügelchen enthält, die in dem Sehfeld getrennt und weit
auseinander liegen. So vorgerichtete Proben wurden von Stunde zu Stunde untersucht.
– Anfangs zeigten sich die Talgkörperchen in der Lauge unverändert, wie sie
oben beschrieben wurden, als kugelige, etwas krystallinisch-höckerige, aber
in der Projection gesehen im Allgemeinen ganz randige Körner. Nach 4 bis 6 Stunden
erschien die Kugelform weniger regelmäßig und die Grenze zwischen dem Rand der
Körner und der umgebenden Lauge weniger scharf. Dieser Mangel an scharfer Begrenzung
nimmt mehr und mehr zu, bis die Talgkörnchen am anderen Morgen statt der Kugelform
eine unregelmäßige Gestalt angenommen haben. Sie erscheinen dann im Sehfeld nicht
mehr ganz randig, sondern mehr buchtig, von undeutlicher Begrenzung und zugleich mit
einem in der Lauge entstandenen Hof umgeben, dessen Breite etwa dem Radius der
Körnchen gleichkommt; dieser Hof vergrößert sich noch eine Zeit lang, während die
Form des Talgkörnchens verschwommener wird. Am zweiten Tag ist in der Regel keine
Aenderung mehr wahrnehmbar.
Wie man sieht, findet ein lebhafter Austausch der Bestandtheile des Talgkörnchens mit
denen der Lauge statt; die Verseifung greift in jedem einzelnen Korn Platz, sie geht
in allen Talgkörnchen gleichzeitig vor sich. Man begreift damit leicht die große Wirksamkeit der
„Pulverisirung“ des Talges auf dem nassen Wege der Emulsion
und die Umwandlung der Talgkügelchen in Seife ohne daß sie den festen Zustand
verlassen. Bei den mikroskopisch kleinen Talgkügelchen reicht der Angriff der Lauge
bis in den Mittelpunkt, denn die anfangs gebildete Seifenhülle, bekanntlich in
stärkerer Lauge unlöslich, ist stets dünn genug um auch das letzte Fettpünktchen im
Innern für die Lauge auf dem Weg der Diffusion erreichbar zu machen. Ein größerer
Klumpen Talg würde sich unter den Bedingungen des Versuchs, d.h. in der Kälte mit
einer Lage Seife umgeben, die alsbald eine hinreichende Dicke annimmt, um den
Zutritt der Lauge zu dem unveränderten Fett im Innern unmöglich zu machen. Diese
Wahrheit läßt sich sehr gut aus folgendem Versuch erkennen. Man ließ Baumöl mittelst
einer Pipette vorsichtig auf Aetznatronlauge von 20 Proc. laufen, so daß beide ohne
sich zu mischen zwei getrennte Schichten bildeten; so blieb das Gefäß ruhig in der
Kälte stehen. Am anderen Tag fand sich zwischen dem obenaufschwimmenden Oel und der
darunter befindlichen Lauge eine dünne harte Seifenkruste als feste Zwischenwand.
Diese Seifenkruste nahm mit der Zeit noch etwas an Dicke zu, aber die Oelschichte
blieb von da ab mehrere Wochen unverändert und war selbst nach Monaten noch
vorhanden. Als man die Seifenkruste zuletzt mittelst eines Glasstabes durchstieß,
zerbrach sie in Scherben wie hartes Wachs. Ganz so wie Baumöl verhielt sich
Mandelöl.
Die große Wirksamkeit des état globulaire beruht
demnach nicht sowohl in der Kugelform der Talgtheilchen, sondern in der
mikroskopischen Kleinheit derselben. Eine Zertheilung z.B. in mikroskopische
Blättchen würde noch wirksamer seyn. In der That hat nicht bloß die Zertheilung der
Fette durch Emulsion, sondern auch die Zertheilung auf irgend beliebigem anderem Weg
den gleichen Erfolg, z.B. durch Auflösung. Als man eine Auflösung von Talg in Aether
mit Aetznatronlauge von 20 Proc. in der Kälte zusammenbrachte und unter öfterem
Umschütteln stehen ließ, hatte sich am andern Tag der Inhalt des Gefäßes in zwei
Schichten geschieden: die untere bestand aus der überschüssigen nunmehr
gelbgefärbten Lauge, die obere aus einer durchsichtigen Seifengallerte mit dem
Aether, der keinen unverseiften Talg mehr enthielt. Unmittelbar über der Lauge war
die Seifengallerte zu einer festen Haut verdichtet. Als man den Versuch wiederholte,
aber mit der Abänderung daß das Schütteln unterblieb und die ätherische Talglösung
unter Vermeidung jeder Vermischung auf die Lauge gebracht wurde, bildeten sich drei
Schichten: zu unterst die gelbe Lauge, darüber eine im Ansehen dem Opodeldoc
ähnliche warzige Zwischenlage, die dem Schütteln widerstand, ohne zu zerreißen; obenauf eine
Schicht Aether, reichlich Talg enthaltend,Es ist bemerkenswerth, daß dieser unverseifte Rückstand nicht mehr den
anfänglichen Schmelzpunkt des Talges sondern einen Schmelzpunkt besitzt, der
so tief unter dem des Talges liegt, daß der Rückstand kaum zum Gestehen zu
bringen ist. Werden die festen Neutralfette (Palmitin etc.) etwa früher
verseift als die flüssigen (Olein)? der auch nach längerer Zeit nicht verschwand. – Eine Lösung von Talg
in Benzol verhielt sich unter gleichen Umständen ebenso, nur daß zuletzt, auch wenn
nicht geschüttelt wurde, der Talg aus der Benzollösung ganz verschwand.
Daß die Zersetzung der Neutralfette bei den Versuchen mit emulsirtem Talg durch
ätzende Alkalien nicht plötzlich vor sich geht, wie die der kohlensauren Salze durch
Salzsäure z.B., sondern mehrere Stunden braucht, liegt lediglich darin, daß gleich
bei der ersten Einwirkung ein in der Lauge unlösliches, je nach ihrer Concentration
mehr oder weniger dichtes Product (die Seife) entsteht und das noch unzersetzte Fett
mit einer Hülle aus Seifen-Gallerte umgibt, durch welche hindurch das Alkali
nachher endosmotisch seinen Weg zu nehmen hat. Wählt man statt der Alkalien eine
Basis deren Seife nicht gallertartig auftritt sondern aus losen Flocken besteht,
durch deren Lücken und Zwischenräume die Lösung der verseifenden Base und das Fett
stets in Berührung bleiben, so fällt jenes Hinderniß weg. Schüttelt man z.B.
Talgemulsion einige Augenblicke mit einem Ueberschuß von klarem Kalkwasser, so
erfolgt sofort eine Art Gerinnung; statt dem milchartig vertheilten Talg sieht man
nur noch verhältnißmäßig große geschiedene Flocken von Kalkseife in der Flüssigkeit.
Dasselbe geschieht, wenn man das Kalkwasser durch eine Lösung von
basisch-essigsaurem Blei ersetzt, nur daß die Flocken orangegelb sind.
– Wenn es gelänge die Verseifung in einer Flüssigkeit vorzunehmen, welche
Fett, Lauge und Seife gleichmäßig auflöst, innerhalb welcher mithin jene den
Fortgang des Processes hemmende Hülle von Seifengallerte von vorn herein unmöglich
ist, so müßte die Seifenbildung ohne Verlust an Zeit stattfinden. In der That, wenn
man eine Lösung von Ricinusöl und von Aetznatron, beide in Alkohol, zusammengießt,
so hört das Gemisch sofort auf durch einen Ueberschuß von Wasser milchig zu werden,
enthält mithin kein unverändertes Ricinusöl mehr. Nach dem Verdunsten bleibt eine
glänzende durchsichtige Seifengallerte. Bei diesem Versuch wird also Ricinusöl
sofort und zwar vollkommen von dem Alkali in Seife und Glycerin umgesetzt, weil
jedes Atom Fett so zu sagen nackt dem Angriff der Lauge dargeboten, weil nichts
vorhanden ist, was sich
zwischen die angreifende Lauge und das Fett einschiebt wie bei jenen Versuchen mit
der Talgemulsion die im Anfang gebildeten die Kügelchen umgebenden Seifenhüllen.
Diese Seifenhüllen werden bei Anwendung von schwächerer Lauge viel Wasser aufnehmen
und dadurch zwar stärker aber auch lockerer und für die Lauge durchdringlicher; bei
stärkeren Laugen fallen sie dichter, weniger durchdringlich, aber auch viel dünner
aus. Die Stärke der Lauge ist daher auf Talgemulsion durchaus nicht so maaßgebend
und läßt einen weiten Spielraum zu, um so mehr als die Lauge in allen Fällen nur
einen mikroskopisch-kurzen Weg von der Oberfläche der Kügelchen bis zu ihrem
Mittelpunkt zurückzulegen hat.
Vergleicht man die Erscheinungen der Verseifung im Kessel des Seifensieders mit denen
der mitgetheilten Versuche, so erscheint die Schwierigkeit, die man bei der Arbeit
im Großen zu überwinden hat, und der große Aufwand an Zeit im ersten Augenblick
paradox. Der Stand der Dinge ist im Beginn des Processes auf beiden Seiten so
gleich, daß man keine größere Schwierigkeit im Großen erwarten sollte, wie bei den
Versuchen im Kleinen, denn der Seifensieder arbeitet ja im Grunde nie anders als mit
Fett –, oder um bei dem vorliegenden Beispiele stehen zu bleiben, mit
Talgemulsion. Denn mit den ersten Bewegungen des Rührscheites vermischt sich der
geschmolzene Talg mit der Lauge zu einer gleichmäßigen milchigen Masse, die nichts
weiter ist, als eine vollkommene Emulsion, welche dadurch vermittelt wird, daß sich
augenblicklich bei der ersten Berührung der beiden aufeinander wirkenden Körper ein
Antheil Seife bildet.
Talg mit viel Wasser, dem man etwas 20procentige Aetznatronlauge zugesetzt hatte,
erwärmt bis zum Schmelzen und einen Augenblick geschüttelt, gab eine völlig flüssige
gleichförmige Emulsion. Diese Emulsion, sogleich mit etwa dem gleichen Volum Aether
geschüttelt, schied sich in zwei Schichten: die obere ätherische enthielt den
unveränderten Talg, die untere mußte neben der noch unverbrauchten Lauge die Seife
enthalten, wenn sich solche gebildet hatte. Wirklich brachte Salzsäure durch
Uebersättigung eine Gerinnung hervor; das Gerinnsel schmolz beim Erwärmen zu
Fetttröpfchen zusammen.
Insofern nun bei der Verseifung im Großen im ersten Augenblick etwas Seife gebildet
und durch Vermittelung dieser der Talg mit der Lauge emulsirt wird, sind alle
Bedingungen für den Fortgang der Verseifung ohne weiteres Zuthun gegeben, wie bei
den Eingangs beschriebenen Versuchen. Um sich auch davon zu versichern, erwärmte man
Talg mit 20procentiger Lauge langsam bis zum Schmelzen, verwandelte das Gemisch durch Umschütteln in
eine gleichförmige Emulsion und ließ diese in der Kälte über Nacht stehen. Am
anderen Tag hatte sich die Emulsion in einen Kuchen oder feste Masse verwandelt;
diese Masse löste sich nach ihrer Trennung von der Lauge im kochenden Wasser (obwohl
etwas milchig getrübt), erstarrte beim Erkalten zu einer Gallerte, ließ sich mit
Kochsalz aussalzen, kurz, verhielt sich wie Seife. Genau dasselbe ergab sich bei dem
gleichen Versuch mit Baumöl, nur war die Lösung des Seifenkuchens in heißem Wasser
fast ganz klar und durchsichtig.
Wenn das Fett mit dem Beginn der Arbeit im Großen sich in Emulsion verwandelt, die
nach einigen Stunden in der Kälte von selbst zu Seife wird, so sollte man denken,
müßte die Verseifung im Kessel des Seifensieders unter dem Einfluß der mechanischen
Bewegung des Siedens und des Rührscheites, verbunden mit dem der Wärme, um so
rascher gehen. Dieß ist in der Wirklichkeit nicht gerade der Fall, aller
Wahrscheinlichkeit nach darum, weil die Siedhitze den eigentlichen durch die Bildung
von Emulsion errungenen Vortheil wieder aufhebt. In der kalten Mischung schwimmen
die Fettkügelchen der Emulsion isolirt, von ihren Seifenhüllen umschlossen, in der
Lauge; dem Angriff dieser letzteren sind daher jene Körperchen von allen Seiten frei
zugänglich. In der Siedhitze erweichen jene Seifenhüllen, verlieren die gallertige
Beschaffenheit, und vereinigen sich, in eine dickliche Seifenlösung übergehend, zu
einer einzigen Masse; die isolirte Lage der Fettkügelchen ist verloren gegangen.
Damit ist zunächst die vorher höchst ausgedehnte Berührungsfläche mit der Lauge
ebenso sehr verkleinert, aber unter den herrschenden Umständen tritt zugleich eine
andere Erscheinung ein, welche die Lage der Dinge wesentlich ändert. Seifenlösungen,
namentlich concentrirtere Seifenlösungen lösen in der Siedhitze eine erhebliche
Menge von Fett auf. In diesem Zustand muß die unvollkommene Seife durch Zusatz von
Lauge, also durch allmähliche Sättigung in neutrale verkäufliche Seife übergeführt
werden. Diese Sättigung kann nur allmählich und nur mit Lauge mäßiger Stärke
geschehen, weil die Seife in stärkerer Lauge unlöslich sich abscheidet und der
Einwirkung des Alkalis zu sehr entrückt wird. Wie man weiß, beruht der in der Praxis
im Großen erforderliche Aufwand an Mühe und Zeit wesentlich in der Nothwendigkeit
jener allmählichen Sättigung der Seife mit Alkali, der ersten Bedingung ihrer
Brauchbarkeit.
Welchen Werth die vorstehenden Beobachtungen über Fette im Zustand der Emulsion für
die praktische Seifensiederei haben, muß vorläufig dahin gestellt bleiben und läßt
sich nur durch Untersuchung der quantitativen Zusammensetzung der Producte aus
Laug- und Fettemulsion in der Kälte entscheiden, über die ich mir Näheres
vorbehalte. Allerdings scheint es Vortheil zu bieten, das Fett, nachdem es durch
Mischen mit der erforderlichen Lauge in Emulsion verwandelt ist, längere Zeit ohne
Erwärmung oder bei etwa 50° C. stehen zu lassen und die so auf kaltem Weg
vorgebildete Seife durch eine kurze nachträgliche Behandlung in der Siedhitze nur zu
vollenden.