Titel: | Ueber ein neues Verfahren zur Aufschließung der Knochen für landwirtschaftliche Zwecke; von Professor Ilienkoff in Moskau. |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LXXXVI., S. 318 |
Download: | XML |
LXXXVI.
Ueber ein neues Verfahren zur Aufschließung der
Knochen für landwirtschaftliche Zwecke; von Professor Ilienkoff in Moskau.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1866, Bd.
CXXXVIII S. 119.
Ilienkoff, über eine neue Knochendüngerbereitung.
Ich theile im Folgenden eine Art der Knochendüngerbereitung mit, welche mir als neu
und für einige, namentlich russische Verhältnisse als praktisch erscheint.Es dürfte wohl kaum nöthig seyn, die Aufmerksamkeit der Landwirthe noch
besonders auf das Verfahren des Hrn. Professors Ilienkoff zu lenken, welches sich durch seine Einfachheit und
Zweckmäßigkeit für Gegenden, wo Holzasche noch leicht und wohlfeil zu haben,
so sehr empfiehlt. Für die vollständige Erweichung der Knochen ist es
wichtig, das Gemenge von Kalk, Asche und Knochen stets feucht zu erhalten,
und ein Zusatz von Gyps dürste diesen Dünger für manche Früchte vielleicht
wesentlich verbessern.Justus v. Liebig.
Im Winter 1864 war ich eingeladen, einige populäre Vorträge über die wichtigsten
Fragen der Pflanzenernährung und über die Bedeutung der Düngemittel für Pflanze und
Boden im landwirtschaftlichen Museum zu Petersburg zu halten. Indem ich über die
Wichtigkeit der Phosphate für unsere ausschließlich dem Kornbau gewidmete
Dreifelderwirtschaft mit besonderem Nachdrucke zu sprechen beabsichtigte und auf
diesen Gegenstand meine Gedanken richtete, kam ich zur Ueberzeugung, daß in Rußland
die Nichtanwendung der Knochen als Düngemittel, trotzdem daß dieselben fast überall
zu sehr billigen Preisen zu haben sind, hauptsächlich darin ihren Grund hat, daß der russische
Landwirth keine Mittel besitzt, dieselben im passenden Zustande bequem zu erhalten.
Die Anzahl der Knochenmehlbereitungsfabriken ist verschwindend klein, und die
Entfernungen so entsetzlich groß, die Geldausgabe für einen Gegenstand, dessen
Nützlichkeit einem ungebildeten Landwirth noch zweifelhaft ist, erscheint so
verschwenderisch, daß man sich nicht wundern kann, daß ungeheure Massen von Knochen
unbenutzt verloren gehen, und daß die Knochendüngung in Rußland fast ganz unbekannt
bleibt, nur die Ostseeprovinzen ausgenommen. Die Quantität Knochen, welche in's
Ausland ausgeführt wird oder in der einheimischen Zuckerindustrie eine nützliche
Anwendung findet, ist höchst gering für das ganze Reich.
Mir schien es wichtig, ein Mittel zu finden, welches jedem kleinen Landwirthe
zugänglich wäre, um den Knochen, die er in seiner Umgebung sammeln kann, einen zur
Düngung geeigneten Zustand zu geben. Da bei unseren klimatischen Verhältnissen in
jeder Haushaltung große Quantitäten Holzasche sich anhäufen, so fiel es mir ein, die
Zersetzung der Knochen durch Alkalien zu versuchen. Mein erster Versuch bestand
darin, daß ich einige Knochen in einer Aetzkalilösung von 10 Proc. Kaligehalt liegen
ließ. Nach einigen Tagen waren die Knochen sehr stark angegriffen und mit einem
Holzspatel konnte man von ihrer Oberfläche eine weiche, dem frisch geronnenen
Caseïn ähnliche Masse abschaben; diese weiche Masse mit größeren Quantitäten
Wasser versetzt bildete eine Emulsion; sie bestand aus einer kalischen
Osseïnlösung, in welcher der phosphorsaure Kalk im feinsten Zustande
suspendirt war. Eine Woche reichte hin, um die Knochen vollständig in solchen
Zustand überzuführen. Aehnliche Wirkung leistete ein Gemisch von kohlensaurer
Kalilösung und Aetzkalk in passenden Quantitäten genommen, und ich konnte erwarten,
daß eine Mischung von Holzasche und Aetzkalk zu einem Brei mit Wasser versetzt auch
zersetzend auf die Knochen wirken wird. Bei meinem Vortrage theilte ich diese
Thatsachen mit, zeigte auch einige Präparate, und ersuchte, in dieser Richtung
weitere Versuche anzustellen, um ein für die Praxis geeignetes Verfahren zu finden.
Mein Freund Alexander Engelhardt, dem ich schon früher
meine Idee mitgetheilt habe und der auch meinem Vortrage beiwohnte, hat nun wirklich
sehr viele Versuche in dieser Richtung angestellt, und ihm gebührt die Ehre, den
russischen Landwirthen eine sehr einfache, für jede kleine Wirtschaft ausführbare
Zubereitungsmethode der Knochen gezeigt zu haben. Engelhardt hat seine Versuche und die auf denselben begründete
Zubereitungsmethode in russischen landwirtschaftlichen Zeitschriften der
Oeffentlichkeit übergeben. Ich entnehme daraus folgendes Beispiel.
Enthält die Holzasche 10 Proc. kohlensaures Kali und will man 4000 Pfund Knochen in
Arbeit nehmen, so muß man dazu 4000 Pfd. Asche, 600 Pfd. Aetzkalk und 4500 Pfd.
Wasser verwenden. Dabei verfährt man auf folgende Weise: man gräbt eine 2 Fuß tiefe
Grube von solcher Länge und Breite, daß sie 6000 Pfund des Gemisches fassen könnte;
nebenbei wird eine zweite um 25 Proc. größere Grube gegraben. Die Gruben werden mit
Bretern ausgelegt. Zuerst löscht man den Kalk zu einem Pulver und vermischt ihn mit
der Holzasche; mit dieser Mischung werden 2000 Pfd. Knochen in der kleineren Grube
schichtenweise bedeckt, die Masse mit 3600 Pfd. Wasser versetzt und sich selbst
überlassen. Von Zeit zu Zeit setzt man kleine Quantitäten Wasser zu, um die Masse
feucht zu erhalten. Bemerkt man, daß diese erste Portion Knochen so weit zersetzt
ist, daß sie beim Reiben zwischen den Fingern wie eine schmierige weiche Masse sich
zertheilen lassen, so wird die zweite Hälfte der Knochen in der größeren Grube mit
dieser Masse schichtenweise bedeckt und der weiteren Zersetzung überlassen. Ist auch
diese zweite Portion Knochen zersetzt, so läßt man die Masse abtrocknen, indem man
dieselbe aus der Grube herausnimmt; zuletzt, um ihr eine pulverige Beschaffenheit zu
geben, setzt man 4000 Pfund trockenes Torfpulver oder trockene vegetabilische Erde
zu. Dieses Gemisch wird mehrere Male umgeschaufelt und kann in diesem Zustande auf
die Felder gebracht werden. Der auf diese Weise zubereitete Dünger wird circa 12 Proc. PO⁵, 3 CaO, 2 Proc. alkalischer
Salze und 6 Proc. stickstoffhaltige Substanz enthalten. In der erwähnten Schrift von
Engelhardt sind viele Versuche über die Wirkung der
Alkalien in ätzendem und in kohlensaurem Zustande auf die Knochen in der Kälte und
beim Kochen beschrieben, welche ich nicht weiter berühre, da diese Zeilen nur den
Zweck haben, über diese neue Zubereitung der Knochen auf chemischem Wege eine
Mittheilung zu machen.