Titel: | System der Heizung von Backöfen und anderen Apparaten, von A. C. Joly de Marval in Paris. |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XCVIII., S. 354 |
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XCVIII.
System der Heizung von Backöfen und anderen
Apparaten, von A. C. Joly de
Marval in Paris.
Aus Armengaud's Génie industriel, Mai 1866, S.
142.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Joly de Marval's Heizsystem für Backöfen etc.
Das von Joly de Marval vorgeschlagene System der Heizung
von Oefen verschiedener Art, namentlich aber der Backöfen für die Brod- und
Kuchenbäckerei,
bezweckt eine bedeutende Ersparniß an Handarbeit wie an Brennmaterial,Nach der Berechnung des Erfinders ist diese Arbeits- und
Brennstoffersparniß so bedeutend, daß das Packen von 4 Kilogr. Brod bei
Anwendung des neuen Systems nicht mehr kostet, als das Backen von 1 Kilogr.
nach dem alten Verfahren. sowie eine größere Regelmäßigkeit der Temperatur, folglich auch im Backen
selbst, ferner größere Reinlichkeit und Beschleunigung der Arbeit, dann aber auch,
was sehr beachtenswerth ist, eine vollständige Salubrität für die Arbeiter und
gleichzeitig eine größere Sicherung gegen Feuersgefahr.
Die Uebelstände, welche man dem jetzigen Heizverfahren beim Brodbacken zum Vorwurfe
macht, sind allgemein bekannt.
Zunächst gehört dahin die Unregelmäßigkeit des Backens, die Ungleichheit der
Backwaare, dadurch bedingt, daß die mit Holz, welches direct auf der Ofensohle
verbrannt wird, geheizten Backöfen an manchen Theilen eine weit höhere Temperatur
erlangen, als an anderen. In Folge davon erhält der Bäcker häufig in einem und
demselben Einschusse zu stark gebackene, an der Oberfläche gewissermaßen verkohlte
Brode, während andere nicht genügend ausgebacken sind und ein unschönes Aussehen
zeigen.
Ein zweiter Uebelstand ist die sehr große Unreinlichkeit, über welche bei den meisten
Brodfabrikanten unaufhörlich geklagt wird, ungeachtet der Sorgfalt, welche diese auf
das Reinigen ihrer Oefen verwenden. Es ist auch einleuchtend, daß, da das Holz
unmittelbar auf der Sohle des Ofens verbrennt, unvermeidlich Asche, Kohlenstückchen
oder andere fremde Körper sich dem Teig anhängen und die Güte des Brodes
beeinträchtigen.
Ein dritter Uebelstand liegt in dem Umstand, daß man den Ofen nach jedem Ausschießen
nachheizen muß, weil sonst derselbe für das nächste
Einschießen zu kalt seyn würde. Dadurch wird aber ein mehr oder weniger bedeutender
Zeitaufwand verursacht und der Bäcker kann daher in einem und demselben Ofen nicht
oft genug einschieben.
Da überdieß die Bäcker zum Heizen der Backöfen sehr häufig feuchtes Floßholz oder
Reisig anwenden, so müssen sie dieses Brennmaterial erst trocknen, was gleichfalls
in den Backöfen geschieht; dadurch wird nicht allein Zeitverlust verursacht,
insofern die Zwischenzeiten zwischen den verschiedenen Einschüssen verlängert
werden, sondern auch zur Bildung von Rauch, zur Entwickelung brenzlicher Gase Anlaß
gegeben, welche für die Gesundheit der Arbeiter sehr schädlich sind. Außerdem sind in Folge der
schlechten Anordnungen, welche man in fast allen Bäckereien antrifft, beständig
Feuersgefahren zu befürchten.
Allerdings hat man diese verschiedenen Uebelstände zu vermeiden gesucht, indem man
den Backöfen andere Einrichtungen gab, z.B. durch Einführung der sogen. Aërothermen mit Circulation und beweglicher
Sohle.Rolland's Backofen mit beweglicher Sohle ist im
polytechn. Journal Bd. CXXV S. 303
beschrieben. Allein derartige Oefen sind nicht allein weit kostspieliger und schwieriger
herzustellen und zu unterhalten, sondern sie haben auch noch andere Uebelstände, die
wir nicht näher erörtern wollen, welche aber wahrscheinlich die wesentlichste
Ursache ihrer so seltenen Benutzung sind.
Mittelst des im Folgenden beschriebenen Systems ist die besprochene mehrfache Aufgabe
in der Bäckerei gelöst, und zwar nicht allein in Bezug auf Reinlichkeit, auf
Zeit- und Kostenersparniß und auf Regelmäßigkeit des Betriebes, sondern auch
in Bezug auf Sicherheit und Salubrität. Der Apparat von Joly
de Marval läßt sich zu verschiedenen Zwecken benutzen, z.B. zum Heizen der
Dampfkessel, zum Trocknen des Dampfes bei
Locomotiven, Schiffs- und stehenden Dampfmaschinen etc.
Fig. 4 stellt
eine Totalansicht des vollständig zusammengestellten Apparates in seiner Anwendung
auf einen Backofen dar; Fig. 5 ist eine Ansicht
desselben von oben, in welcher der Ofen selbst nur angedeutet ist.
Wie man aus diesen Figuren ersieht, beruht das System auf der Anwendung eines langen,
mehrfach schlangenförmig gebogenen dicken eisernen Rohres, welches mit Wasser
gefüllt und auf eine sehr hohe Temperatur erhitzt wird.In unserer französischen Quelle wird die Anwendung des
Heißwasser-Circulationssystems zum Heizen der Backöfen als
eine neue Erfindung bezeichnet. Bekanntlich ließ sich dieselbe der Ingenieur
A. M. Perkins in London schon im Jahre 1851
patentiren; man s. die Beschreibung der Construction seiner Backöfen im
polytechn. Journal Bd. CXXIII S.
431.Im Jahre 1855 ließ sich derselbe Ingenieur die Anwendung des
Wassercirculationssystems zum Heizen der Dampfkessel Patentiren; man s. die Beschreibung seines
Dampferzeugungsapparates im polytechn. Journal Bd. CXLIII S. 81.Die Maschinen- und Röhrenfabrik von Civilingenieur Joh. Haag in Augsburg hat in der neuesten Zeit die
Heißwasser-Heizung vielfach für Dampfgeneratoren angewandt; man s.
die Mittheilung von Joh. Haag
„über Anwendung der Heißwasser-Heizung zur Vermehrung der
Dampfkessel-Heizflächen und zur Herstellung unexplodirbarer
Dampfkessel“ im polytechn. Journal Bd. CLVII S. 161.Anm. der Redact.
Gestützt auf den bekannten physikalischen Satz: „wird eine Flüssigkeit der
unmittelbaren Einwirkung der Wärme unterworfen, so werden die erwärmten
Wassertheilchen in Folge ihrer geringeren Dichte nach und nach durch die kälteren
Theilchen der Flüssigkeit verdrängt,“ construirte der Erfinder diesen
Apparat, welcher sehr verschiedenartige Einrichtungen erhalten kann. Die hier als
Beispiel gewählte und abgebildete Modification seines Apparates besteht aus einem
einzigen endlosen, aus mehreren übereinander liegenden und mit einander
communicirenden Schlangenröhren zusammengesetzten Rohre; nämlich:
1) Das erste Schlangenrohr A, das Herdrohr, hat mehrere über einander liegende spiralige Windungen und liegt
in einem besonderen kleinen Herde, welcher, der Oertlichkeit oder dem Zwecke
entsprechend, entweder mit Kohks, oder mit Steinkohlen, Torf etc., oder durch die
Ueberhitze irgend eines Ofens oder sonstigen Heizapparates geheizt wird.
Dieses erste Schlangenrohr füllt sich mit Wasser durch das obere Ende des verticalen,
seine Verlängerung bildenden Rohres a, welches sich
außerhalb des rechtwinkeligen, von den den Mantel des ganzen Ofens bildenden
Ziegelsteinmauern umgebenen Raumes befindet.
2) Das zweite Schlangenrohr B ist spiralig in einer und
derselben Horizontalebene gewunden und bildet die Decke oder das eigentliche Gewölbe
des Ofens. Es communicirt direct mit dem ersten Schlangenrohre A, und zwar durch den an seine letzte Windung
angeschraubten Theil c.
3) Das dritte Schlangenrohr C, welches in derselben Weise
gebogen ist wie B, mit dem es durch den verticalen
Schenkel d in Verbindung steht, befindet sich in einer
Horizontalebene unter der aus dünnen, die Wärme leicht hindurch lassenden Fliesen
bestehenden Ofensohle. Der mittlere Theil dieses Schlangenrohres C endigt in einem horizontalen Rohre e, welches durch die Ziegelsteinmauerung hindurch geht,
in der Nähe des Herdes an der Mauer hinabläuft, und dann mittelst eines
angeschraubten Kniees mit dem Schenkel g des ersten
Schlangenrohres A verbunden ist.
In Folge dieser Anordnung bilden sämmtliche Schlangenrohre einen einzigen Canal,
welcher in allen seinen Theilen vollständig mit Wasser gefüllt ist, und zwar von dem
ersten senkrecht stehenden Rohre a, durch welches
dasselbe eingegossen wird, an, bis zu dem letzten Schenkel g, durch welchen es beständig zum Herd gelangt.
Ist das in den letzteren gebrachte Brennmaterial angezündet, so stellt sich in dem
endlosen Rohre eine continuirliche und sehr rasche Circulation des erhitzten Wassers ein, und
zwar findet dieselbe in der Richtung vom höchst gelegenen Theile des Apparates auf
dem kürzesten Wege nach dem Herde zu statt, durch dessen Feuerung sie unaufhörlich
erneuert wird; dadurch wird das Innere des Ofens erwärmt, und zwar um so stärker, auf eine
je höhere Temperatur das Röhrensystem erhitzt, oder je mehr die Anzahl seiner
Windungen vermehrt, damit also die Oberfläche des Röhrensystemes vergrößert wird.
Bei der Anwendung des Apparates auf einen Backofen geht das Backen um so rascher vor
sich, da die Wirkung der Wärme auf die Brode eine ganz directe ist, ein sehr
beachtenswerther Umstand, welcher bei den Aërothermen-Systemen nicht
stattfindet.
Ein derartiges System muß sich offenbar in der Praxis als sehr vortheilhaft erweisen,
weil es nicht nur einen ununterbrochenen Fortgang der Arbeit ermöglicht, was für die
Brod- und Kuchenbäckerei von großer Wichtigkeit ist, sondern auch die
vollkommenste Sicherheit gegen Feuersgefahr gewährt und gleichzeitig die Arbeit für
die mit derselben beschäftigten Menschen weit weniger ungesund macht.
Seit fast einem Jahr steht der beschriebene Apparat in der Bäckerei des
Scipion-Hospitals zu Paris in versuchsweiser Anwendung; mit demselben ist
eine bis 60 Proc. betragende Ersparniß an Brennmaterial und eine noch bedeutendere
an Handarbeit erzielt worden. Ueberdieß ist dieser Ofen nach der Versicherung des
Directors jener Bäckerei besonders auch in Bezug auf die Gesundheit der Bäcker zu
empfehlen.
Zur Erzielung der erforderlichen Dichtheit sind die einzelnen Theile des Rohres auf
die in Fig. 7
dargestellte Weise mit einander verbunden. Die beiden an einander zu stoßenden Enden
werden nämlich auf eine ziemliche Länge mit einem rechten und mit einem linken
Schraubengewinde versehen, und auf jedes derselben wird eine Gegenmutter i, i' gepaßt, welche man zunächst um die nöthige Länge
zurückschraubt, damit die längere Hauptmutter h Platz
findet, die den beiden zu verbindenden Röhrenenden entsprechend in ihrer ersten
Hälfte mit einem rechts, und in ihrer zweiten Hälfte mit einem links geschnittenen
Gewinde versehen ist. Dann werden die beiden vorher abgerichteten Enden des Rohres
nach dazwischen gelegter dünner Kupferscheibe zusammen gestoßen, und hierauf die
beiden Muttern i, i' gegen die beiden Seiten der
Hauptmutter angezogen, nachdem zwischen jede eine Schicht Mennig- oder
Gußeisenkitt gebracht worden ist.
An seinem höchsten, dem Herde zunächst gelegenen Theile ist der Apparat mit einem Compensator
D versehen, welchen der Erfinder am oberen Theile des
Verbindungsrohres c (Fig. 4) anbringt. Wie Fig. 6 zeigt,
besteht dieser Compensator aus einem oben und unten geschlossenen Cylinder D, welcher einen mit Metallgarnitur versehenen Kolben
E enthält, dessen hohle Stange in einer Stopfbüchse
gleitet. Dieser Compensator dient zur Aufnahme von einem Theile des Wassers, welches
in Folge seiner
Volumvergrößerung durch eine zu starke Temperaturerhöhung über das Rohr c hinaus aufsteigt und dann den Kolben E hebt; der Hub dieses Kolbens läßt sich mit Hülfe einer
außen angebrachten Scala leicht erkennen.
Der Mechanismus könnte auch so eingerichtet werden, daß das Wasser, sobald es sein
Temperaturmaximum erreicht hat, das Ventil des Reservoirs öffnet, um einen Strahl
kalten Wassers in den Herd selbst zu treiben.
Der außerhalb des Ofens befindliche Theil des aufsteigenden Rohres ist mit einem
Blechmantel H umgeben, um sein Erkalten zu verhüten.
Ueberdieß läßt man den absteigenden Theil des Rohres durch eine mit Wasser gefüllte
Pfanne g gehen, um einen Theil der Wärme noch zu
benutzen und heißes Wasser oder Dampf zur Verfügung zu haben.
Schließlich wollen wir noch hervorheben, daß ein solches Heizsystem neben den
genannten Vorzügen für Brod- und Kuchenbäckereien auch den Vortheil besitzt,
daß es leichter und mit geringeren Kosten als die jetzt gebräuchlichen Oefen
hergestellt werden kann.