Titel: | Chemische Untersuchungen über das Wachs; von Liès-Bodart. |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. CVII., S. 390 |
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CVII.
Chemische Untersuchungen über das Wachs; von
Liès-Bodart.
Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 749; März
1866.
Liès-Bodart, Untersuchungen über das
Wachs.
Seitdem aus Amerika große Mengen von mehr oder weniger paraffinirtem, d.h. mit Paraffin verfälschtem Wachse zu uns kommen, ist
eine genaue Methode zur Bestimmung des in dem Wachse enthaltenen Kohlenwasserstoffes
C⁵⁴ H⁵⁴ für die Consumenten ein wahrhaftes Bedürfniß
geworden. Eine solche Methode habe ich aufgefunden; sie beruht auf zwei chemischen
Vorgängen, auf einer Verseifung und einer Aetherbildung. Die Analyse selbst wird auf die im
Nachstehenden ausführlich mitgetheilte Weise ausgeführt.
Zunächst bemerke ich, um Wiederholungen zu vermeiden, daß ich ausschließlich mit aus
böhmischem (Kali-) Glase angefertigten Gefäßen arbeite, da dieselben, ohne zu springen oder
zu reißen, plötzliche Temperaturwechsel ertragen.
5 Grm. des paraffinirten Wachses löse ich in 50 Kub. Centimeter Amylalkohol auf,
indem ich beide Substanzen im Wasserbade auf 100° C. erhitze. Andererseits
erhitze ich 100 K. C. rauchende, vorher mit ihrem halben Volum Wasser verdünnte
Schwefelsäure gleichfalls auf 100° C., setze sie dem Amylalkohol zu und fahre
mit dem Erhitzen so lange fort, bis jede Blasenbildung gänzlich aufgehört hat; dann
lasse ich erkalten.
In dem Kochgefäße findet sich nun ein leicht herausnehmbarer Kuchen, dessen Gewicht
mehr als das Doppelte von dem angewendeten Wachse beträgt; derselbe besteht aus
einem Gemenge von Paraffin, Melylalkohol (Melisin), cerotinsaurem und palmitinsaurem
Amyloxyd, in welchem die drei letztgenannten Bestandtheile durch die Einwirkung der
überschüssigen Schwefelsäure bereits etwas verändert sind.
Diesen Kuchen behandle ich im Wasserbade bei 100° mit 50 K. C. englischer
Schwefelsäure (SO³, HO), und 25 Kubik-Centimeter Nordhäuser
Schwefelsäure; die Zersetzung, welche sehr ruhig vor sich geht, erfordert etwa zwei
Stunden Zeit. (Jedenfalls muß man so lange mit der Behandlung fortfahren, bis sich nicht die kleinste
Gasblase mehr bildet, selbst nicht beim Umrühren mit einem Glasstabe; es ist
wesentlich, daß Alles, mit Ausnahme des Paraffins, verkohlt wird.)
Nach dem Erkalten hat sich ein kohliger Kuchen gebildet, welcher ausgepreßt und bei
100° in 50 K. C. Amylalkohol gelöst, dann auf ein Filter gebracht wird,
welches sich in einem Glastrichter befindet, der mit einem mit kochendem Wasser
gefüllten Mantel von Weißblech umgeben ist (ohne diese Vorsicht würde die
Flüssigkeit nicht hindurchgehen); in diesem Trichter wird der Kuchen mit 50 K. C.
Amylalkohol und darauf mit derselben Quantität ausgewaschen, so daß im Ganzen 150 K.
C. Flüssigkeit erhalten werden. Diese Flüssigkeit wird auf 100° erhitzt und
dann mit 70 K. C. englischer Schwefelsäure, also mit beiläufig der zur Umwandlung
des Amylalkohols in Sulfamylsäure erforderlichen Menge versetzt; diese letztere
Säure löst, wie Roard zuerst beobachtet hat, das Paraffin
nicht; darauf erhitzt man das Ganze noch zehn Minuten lang.
Nach dem Erkalten erhält man einen Kuchen von noch unreinem Paraffin, welches man
nach dem Roard'schen Verfahren reinigt.
Ist die Verkohlung gut gelungen, so genügen zwei Reinigungen; das Gewicht des bei der
letzten erhaltenen Kuchens gibt genau die Menge des vorhandenen Paraffins an.
Bei diesem Verfahren wird das Paraffin nicht angegriffen, was dagegen bei Anwendung
von reiner Nordhäuser Schwefelsäure in merklichem Grade der Fall seyn würde, daher
die Methode von Landolt
Polytechn. Journal Bd. CLX S.
224. nicht hinlänglich genau ist.
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Will man die Producte der Verseifung des Wachses erhalten, so verfährt man in
folgender Weise:
20 Grm. reines Wachs löst man bei einer Temperatur von 100° im Wasserbade in
50 K. C. Amylalkohol und setzt 50 K. C. der Schwefelsäure, welche zu der ersten
Verseifung gedient hat und gleichfalls auf 100° erhitzt worden ist, hinzu.
Nachdem man kurze Zeit umgerührt hat, nimmt man das Gefäß vom Feuer und stellt es in
kaltes Wasser. Man erhält einen Kuchen A und einen
dicken Brei B. Ebenso behandelt man eine zweite Portion
von 20 Grm. Wachs, welche gleichfalls einen Kuchen A und
einen Brei B gibt.
Die Kuchen A löst man bei 100° in 50 K. C.
Amylalkohol und setzt, wie vorhin, 50 K. C. von derselben Schwefelsäure hinzu.
Diese dritte Operation gibt einen Kuchen A' und einen
Brei B'.
Den Kuchen A' behandelt man auf dieselbe Weise
wiederholt; nach fünf Operationen hat der letzte Kuchen sein Ansehen gänzlich
verändert; er ist weiß, seidenartig glänzend, sehr fettig anzufühlen und läßt sich
mit der größten Leichtigkeit kneten. Er besteht aus fast chemisch reinem
Melylalkohol, nur mit einer geringen Menge cerotinsaurem Amyloxyd verunreinigt, von
welchem er leicht befreit werden kann. Zu diesem Zwecke erhitzt man ihn mit
gewöhnlichem Alkohol bis zum Sieden, wobei der Melylalkohol in Lösung geht, während
ein schweres Oel zurückbleibt, welches beim Erkalten in oolithischer Form erstarrt
(die Größe der Kugeln variirt mit der Menge der Substanz; ich habe dieselben von
Haselnußgröße, ferner vom Volum kleiner Erbsen bis hinab zur Größe von klarem
Fischroogen erhalten). Jedenfalls ist dieser Körper, der bei 44° C. schmilzt,
cerotinsaures Amyloxyd.
Wenden wir uns nun zu dem vom kochenden Amylalkohol gelösten Antheile. Beim Erkalten
des Lösungsmittels gesteht das Ganze zu einer Art Kleister von glänzend weißer Farbe
und seidenartigem Glanze, welcher bei 86° schmilzt; es ist dieß der schöne,
von Brodie dargestellte und beschriebene Körper.
Man gießt die verschiedenen Breie B, B' u.s.f. zusammen
und bringt sie in eine große Menge Wasser, die ich mit C
bezeichnen will. An der Oberfläche erscheint eine starre Substanz und sobald sich
die Flüssigkeit C geklärt hat, zieht man sie ab und
bringt die erwähnte Substanz auf ein Filter, um sie von der ihr noch anhängenden
Schwefelsäure durch sorgfältiges Auswaschen zu befreien, schmilzt sie dann unter
Wasser und behandelt sie mit Aether, der das cerotinsaure und palmitinsaure Amyloxyd
löst, auf den Melylalkohol aber gar nicht oder nur sehr wenig wirkt.
Nach dem Verdampfen des Aethers bleibt in dem Glase ein Gemenge von Oel und einem
krystallisirten Körper zurück; man bringt dasselbe auf ein Filter, welches mittelst
der bereits erwähnten Vorrichtung auf mindestens 20° erwärmt erhalten wird,
wobei nur das Oel abfließt.
Dieser sonderbare Körper – Duffy's palmitinsaures
Amyloxyd – kann gewissermaßen als Thermometer dienen. Jeden Morgen,
wenn ich in das Laboratorium komme, finde ich dieses Oel starr; sobald aber die
Temperatur durch den Ofen über 14° C. gesteigert worden ist, wird es wieder
flüssig.
Ich behalte mir vor, der Akademie demnächst eingehendere Mittheilungen über diese
Verseifungs- und Aetherbildungsproducte des Wachses vorzulegen; wenn ich mir
erlaube, ihr hiermit eine unvollendete Arbeit zu übersenden, so geschieht dieß
deßhalb, um meine Ansprüche an diese Untersuchungen zu sichern; denn diese
Mittheilung bildet den Ausgangspunkt für zukünftige, sehr wichtige Arbeiten über das
Wachs und die Fettkörper im Allgemeinen. Es würde von großem Interesse seyn, auf
diese Körper in Gegenwart eines ätherisierenden Mediums den von Frémy aufgefundenen Verseifungsproceß mit
Schwefelsäure anzuwenden.