Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. , S. 320 |
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Miscellen.
Miscellen.
Ein Luftcompressions-Apparat für Brustleidende.
Seit Anfang dieses Jahres ist im Krankenhause zu Bremen ein
Luftcompressions-Apparat der Benutzung des Publicums übergeben worden und
wird eine kurze Mittheilung über denselben von Interesse seyn. Der Apparat selbst,
in einem geräumigen Zimmer des Krankenhauses aufgestellt, besteht aus einem 9 Fuß
hohen und 7 Fuß im Durchmesser haltenden, aus 1/4 Zoll dickem Schmiedeeisen
gefertigten Cylinder. In diesen Cylinder wird durch eine kleine Dampfmaschine,
welche in einem naheliegenden Oekonomiegebäude aufgestellt ist und mittelst einer
hermetisch verschlossenen eisernen Röhre mit dem Apparate in Verbindung steht,
frische Luft in der Menge von 50–90 Kubikfuß in der Minute hineingetrieben,
und zwar, um einen allzustarken Luftzug zu vermeiden, zunächst unter den im Inneren
des Cylinders befindlichen Fußboden. Von hier dringt sie durch zahlreiche, in dem
Fußboden angebrachte Löcher in den inneren Raum des Cylinders und entweicht in
demselben Zeit- und Mengenverhältniß, in dem sie eingetreten, durch ein an
der Decke angebrachtes Abzugsrohr. Im Inneren des Cylinders sind die Einrichtungen
für den Aufenthalt von drei Personen getroffen. Der Raum ist durch drei an
verschiedenen Stellen eingelassene starke Glasplatten erhellt und Abends durch außen
angebrachte Gasflammen erleuchtet. In der Thüre ist ein Doppelfenster angebracht,
mittelst dessen Gegenstände hinein- oder herausgereicht werden können.
Während einer halben Stunde wird die Luft zugepumpt, bis sie einen Druck von 6 Pfund
auf den Quadratzoll erreicht. In diesem Zustande wird der Apparat eine Stunde
erhalten und sodann während einer halben Stunde, bis die zweistündige Sitzung, für
welche jedesmal der Apparat von den Patienten benutzt wird, vorüber, die comprimirte
Luft wieder abgelassen. Ein Manometer gestaltet die In- und Abnahme des
Luftdruckes genau zu beobachten und zu reguliren, außerdem ist ein Sicherheitsventil
vorhanden, welches sich öffnet, sobald der Luftdruck die größte anzuwendende Höhe
übersteigt. An diesem Apparate ist ferner, im Vergleiche zu den in anderen größeren
Städten Deutschlands benutzten Apparaten, die nicht unerhebliche Verbesserung
angebracht, daß die comprimirte Luft, ehe sie in den Cylinder tritt, durch einen
Windkessel geht, in welchem sie mittelst eines mit heißem oder kaltem Wasser zu
füllenden Schlangenrohrs, je nachdem es erforderlich ist, um einige Grade erwärmt
oder abgekühlt werden kann. Die Lufttemperatur im Inneren des Cylinders ist die
gewöhnliche: 13 1/2 bis 14° R. Man mag den Aufenthalt darin während der
Kurstunden, wegen der Abgeschlossenheit von der äußeren Welt, mit einer Fahrt im
Coupè eines Eisenbahnzuges vergleichen. Der Preis einer zweistündigen Sitzung
ist 48 Grote für die Person (in Hannover 20 Sgr.). Die Kosten der Herstellung des
ganzen Apparates, welcher in einer durchaus gelungenen und tüchtigen Weise durch die
Eisengießerei des Hrn. C. Waltjen in Bremen angefertigt
winde, belaufen sich auf circa 2000 Thlr. und wurden
großentheils durch freiwillige Beiträge von Privaten zusammengebracht. Der Apparat
ist der sechste oder siebente größerer derart in Deutschland. Hinsichtlich der
Sicherheit und Zweckmäßigkeit des Apparates haben wiederholt Prüfungen durch
sachverständige Aerzte stattgefunden, so daß in dieser Beziehung nichts zu wünschen
übrig bleibt. Als Beweis für die fortwährende Erneuerung der Luft mag erwähnt
werden, daß, obwohl bei einer der Prüfungen alle drei in dem Apparat befindlichen
Personen Cigarren rauchten, nicht der mindeste Tabakqualm entstand. Die Benutzung
des Luftcompressionsapparates als Heilmittel hat sich in erster Linie bei
Krankheiten der Respirationsorgane und namentlich bei dem Asthma, sodann als
Erleichterungsmittel in verschiedenen anderen Leiden wirksam erwiesen. (Bayerisches
Kunst- und Gewerbeblatt, 1866 S. 188.)
W.
Wedding's Meßinstrument für Biegungs- und Bruchversuche mit
verschiedenen Materialien.
In der vorjährigen November-Versammlung des Vereins für Gewerbfleiß in Preußen
zeigte Hr. Fabrikbesitzer W. Wedding in Berlin ein von
ihm erfundenes Meßinstrument, welches dazu dient, bei Biegungs- und
Bruch-Versuchen verschiedener Materialien die Eindrücke und Biegungen genau
und sicher zu messen. Dasselbe besteht im Wesentlichen aus einem zweiarmigen Hebel,
dessen einer Arm unmittelbar in Berührung mit der zu messenden Linie gebracht wird,
während der andere Arm einen Kolben von mehreren Zollen Durchmesser trägt, der in
ein mit Quecksilber gefülltes Gefäß von unten eindringt. Dieses Gesäß läuft oben in
eine lange, enge, schneckenförmig in der Ebene gebogene und mit Theilung versehene
Glasröhre aus, in der bei geringer Hebung oder Senkung des ersten Hebelarmes das
Quecksilber sogleich einen bedeutenden Raum rück- oder vorwärts durcheilt.
Das vorgezeigte Instrument hatte solche Abmessungen, daß eine Bewegung des
Hebelarmes um ein tausendstel Zoll ein Voreilen des Quecksilberfadens um ein Zehntelzoll bewirkt,
also reichlich genau abzulesen ist. Ohne praktische Schwierigkeit können die
Dimensionen so gewählt werden, daß ein Millionstel Zoll noch mit Sicherheit
angegeben wird. Biegungs-Versuche von Stahlachsen, die der Hr. Vortragende
mit Anwendung dieses Instrumentes machte, ergaben so verschiedene Resultate von den
durch Rechnung voraus bestimmten, daß ihm gegründete Zweifel gegen die Richtigkeit
der angewendeten Coëfficienten erwuchsen, und nahm derselbe hierbei
Gelegenheit, den dringenden Wunsch auszudrücken, daß größere wissenschaftliche
Vereine oder Institute, wie in anderen Ländern, so auch in Preußen sich eingehend
der Untersuchung der für das öffentliche Wohl so wichtigen Festigkeit der Metalle
und anderer Materialien widmen möchten. (Verhandlungen des Vereins zur Beförderung
des Gewerbfleißes in Preußen, 1865 S. 129.)
Zurückbringen eines schiefen Schornsteines in die
Lothlinie.
Auf der Glashütte Neufriedrichsthal bei Schneidemühl war bei Einführung der Siemens'schen Oefen der zu dem einen Ofen gehörige
Schornstein, von 51 Fuß (16 Met.) Höhe und 2 1/2 Fuß (0,78 Met.) innerer Weite, von
dem ausführenden Ingenieur unbegreiflicher Weise einseitig auf das Fundament gesetzt
worden und hatte sich nach Verlauf eines Jahres allmählich nach der Hüttenseite
gesenkt, so daß die Spitze ungefähr 15 Millimet. aus der Senkrechten gewichen
war.
Mit dem Umbaue der Siemens'schen Oefen in Oefen nach
unserer Construction dort beschäftigt, bemerkte ich eine plötzliche, Besorgniß
erregende Veränderung der Neigung des Schornsteines. Derselbe wich innerhalb 2
Tagen, da durch andringendes Grundwasser der moorige Boden gelockert wurde, um
weitere 12 Zoll (314 Millimet.) aus der Lothlinie; ein Umsturz des Schornsteines war
zu befürchten.
Maurer und Schornsteinfeger, welche ich holen ließ, weigerten sich, vermittelst
Leitern oder durch Aufsteigen im Inneren des Schornsteines ein Abtragen desselben zu
bewerkstelligen.
Ich versuchte nun, durch vorsichtiges Untergraben des Fundamentes auf der der Neigung
des Schornsteines entgegengesetzten Seite denselben in die Lothlinie zurückzuziehen.
Einzelne Spatenstiche wurden gemacht, das Erdreich durch Einspritzen von Wasser
erweicht, und bald fieng der Schornstein an, eine kleine Bewegung nach der
gewünschten Richtung zu machen. Um eine zu plötzliche Bewegung zu verhindern, wurden
unter den Ausgrabungen, welche ich stollenartig unter das Fundament eintrieb,
Feldsteine in Cement gebettet, um schließlich dem Schornsteine ein neues festes
Fundament zu geben, und zugleich ein zu starkes Fortspülen des Erdreiches durch das
Spritzen zu verhindern.
Nachdem der Schornstein bis auf 2 Zoll (26 Millimet.) in die Lothlinie zurückgekehrt
war (ein in der Höhe von 25 Fuß (8 Met.) aufgehängtes Loth machte es möglich, die
kleinste Bewegung zu verfolgen), ließ ich mit den Arbeiten aufhören, die noch freien
Stellen unter dem Schornsteine solide in Cement untermauern und die entstandene
Grube auf der bearbeiteten Seite des Schornsteines mit starken Mauern einfassen.
Darauf wurde dieselbe vollständig mit Wasser angefüllt und konnte dasselbe während
dreier Tage auf das Erdreich wirken. Schon nach einem Tage war der Schornstein
vollkommen senkrecht und zeigte keine Abweichung mehr. Die Grube wurde schließlich
mit Erde gefüllt und zugestampft. H. Pütsch. (Zeitschrift
des Vereines deutscher Ingenieure, 1866, Bd. X. S. 209.)
Holzessig als Mittel gegen Kesselsteinbildung.
Dieses Mittel wird vom Werkmeister Friedrich empfohlen.
Die Holzgasfabrik in Darmstadt, die im Jahre 1854 in Betrieb gesetzt wurde, besitzt
eine Dampfmaschine, welche seit jener Zeit fast ununterbrochen im Gange ist, so daß
man gegen andere industrielle Anstalten, welche nicht die Nacht hindurch im Betriebe
sind, fast die doppelte Zeit annehmen kann, und in keiner Weise kann man dort über
Kesselsteinbelästigung klagen. Der Verf. wendet nämlich den Holzessig, sowie er im ganz rohen Zustande,
vermischt mit theerigen Theilen u.s.w., gewonnen wird, als Mittel gegen
Kesselsteinbildung an und setzt ihn im Vorwärmer dem Speisewasser zu. Seitdem dieß
geschehen, ist man nie mehr genöthigt gewesen, aus Veranlassung des Kesselsteines
das Dampfgetriebe zu unterbrechen. Alle Jahre im Sommer, wenn der Betrieb am
schwächsten geht, wird der Kessel einmal geöffnet, und es finden sich darin
höchstens ein paar Hände voll Kesselsteinblättchen, welche am Boden liegen. Es hat
noch niemals eines Hammerschlages bedurft, um denselben zu beseitigen. Die Quantität
des Zusatzes ist auch gar nicht groß, so daß man zu der Annahme verleitet werden
könnte, derselbe könne zerstörend auf das Eisen wirken; dafür kann der Verf. als
Beweis anführen, daß der Kessel erst zweimal sich in Reparatur befand. Die
Ansäuerung des Wassers ist so gering, daß kaum Lackmuspapier dadurch geröthet wird,
und sich solche nur im Geschmacke desselben besonders verräth. Die
Kesselsteinblättchen, welche man bei dem jährlichen Ausputzen fand, mögen ihr
Entstehen darin finden, daß manchmal das Speisewasser zu wenig angesäuert ist, und
bei mehr Ansäuerung die Kesselsteinblättchen zum Abfallen gezwungen werden. Freilich
darf man mit dem erwähnten Mittel nicht erst anfangen, wenn schon ein bedeutender
Ansatz von Kesselstein vorhanden ist, um denselben auf einmal beseitigen zu wollen;
sondern das Mittel muß stets und ständig angewendet werden. Man kann dann sicher
seyn, den großen Uebelstand der Kesselsteinbildung beseitigt zu sehen.
(Polytechnisches Centralblatt.)
Ueber die Siemens'schen Regenerativ-Oefen.
Im zweiten Aprilheft dieses JournalSeite 127 in diesem Bande. befindet sich ein Artikel vom Ingenieur Hermann Pütsch, welcher das Regenerativ-Ofensystem im Allgemeinen und
namentlich meinen Antheil daran im Besonderen zum Gegenstand seiner Kritik
macht.
Da Hr. Pütsch es sich zur Aufgabe gemacht hat, dieses
Ofensystem einführen zu helfen, und sich zu dem Zweck als Fach-Baumeister
etablirt hat, so kann es mir nur sehr erwünscht seyn, wenn er dazu beiträgt, meinem
Ofensystem allgemeinere Verbreitung zu verschaffen. Auch habe ich gar nichts
dagegen, wenn Hr. Pütsch, wie auch Andere vor ihm gethan,
versucht, sich als praktischer Regenerativ-Ofenbauer Geltung zu verschaffen.
Gegen die Mittel jedoch, zu welchen Hr. Pütsch zur
Erreichung seiner Zwecke greift, muß ich sehr entschieden Protestiren. Anstatt es
sich angelegen seyn zu lassen, mit der Zeit fortzuschreiten, indem er sich die
verschiedentlichen und vielseitig gemachten Verbesserungen und Vervollkommnungen des
Systems anzueignen und zu benützen sucht, zieht er es vor, seinen Ruf als Ofenbauer
dadurch zu befestigen, daß er mich persönlich angreift und vollkommen erfundene und
falsche Angaben in die Welt schleudert.
Ohne mich darauf einzulassen, alle die verschiedenen Angriffe und Angaben des Hrn.
Pütsch zu widerlegen, will ich mich darauf
beschränken, namentlich einen Punkt näher zu beleuchten, welcher gewissermaßen das
Hauptmoment des Artikels bildet, und gleichzeitig Licht auf das darin angeführte
Zeugniß wirft. Herr Pütsch sagt nämlich wörtlich: daß ich
(Friedr. Siemens) zwei Jahre laug auf der Glashütte
Neufriedrichsthal mit meiner Construction Versuche angestellt hatte, deren Resultate
so ungünstig waren, daß er (Pütsch und Comp.) mit dem Umbau nach seinem Systeme von den
Besitzern beauftragt wurde. – Das erwähnte Zeugniß ist nun von den Besitzern
dieser Hütte, den HHrn. Schönemann und Itzinger, unterzeichnet, ohne daß jedoch darin angegeben
ist, daß ich die früheren Oefen daselbst gebaut hätte. In
der That habe ich nie mit den HHrn. Schönemann und Itzinger einen Contract zur Erbauung von
Regenerativ-Oefen geschlossen, und mit der Ausführung in keiner Weise etwas
zu thun gehabt. Dieß geht schon aus der Betrachtung klar hervor, daß ich erst seit
etwas über zwei Jahren (im November 1863) nach Deutschland zurückgekehrt bin,
während Hr. Pütsch auf der betreffenden Hütte auch schon
mindestens zwei Jahre
operirt haben muß, da das erwähnte Zeugniß von Hrn. Pütsch schon über ein Jahr colportirt, und in jeder Richtung hin als
Geschäftsempfehlung benutzt worden ist. Darum fehlt auch wohlweislich das Datum in
dem Zeugnisse. Es ist also nicht abzusehen, wie ich zwei Jahre lang in
Neufriedrichsthal experimentirt haben kann, wenn dieß nicht gleichzeitig mit den
Experimenten des Hrn. Pütsch dort stattgefunden hätte,
was darum nicht möglich ist, weil Hr. Pütsch ja die von
mir dort ausgeführten Oefen nach seinem System umgebaut haben will.
Die Sache verhält sich einfach so, daß die HHrn. Schönemann und Itzinger ursprünglich mit dem
Agenten meines Bruders in London, dem Hrn. Winckler in
Hamburg, ein Abkommen geschlossen hatten, wornach mein Bruder Zeichnungen der in
England erbauten Regenerativ-Oefen liefern sollte, auch später einen
Ingenieur, den Hrn. Boëtius hinüberschickte, um
den Ofen in Gang zu setzen. Die Sache kam aber deßwegen nicht in Ordnung, weil der
Ofen, trotz er für englische Betriebsweise eingerichtet war, nach hiesiger Weise
betrieben wurde, und weil Hr. Boëtius den Dienst
meines Bruders verließ und auf eigene Rechnung den Ofenbau hier zu betreiben
anfieng. Allerdings war Hr. Itzinger kurz nach meiner
Rückkehr nach Deutschland häufig auf meinem Bureau in Berlin, und hat auch eine
Zeichnung von mir erhalten, ohne daß wir uns jedoch über die Bedingungen des
Contracts geeinigt hätten.
Aus Vorstehendem ist zur Genüge zu ersehen, mit welchen Mitteln Hr. Pütsch operirt, um seinem System (wie er es nennt)
Geltung zu verschaffen. Was nun sein System betrifft, so besteht es im Wesentlichen
in nichts Weiterem, als in den in der Glashütte meines Bruders Hans Siemens in Dresden schon vor mehreren Jahren in Anwendung gewesenen,
jetzt aber nach verbesserter Form umgebauten Regenerativ-Oefen. Dieß ist der
Zeitpunkt, zu welchem Hr. Pütsch den Dienst als
Ofen-Ingenieur bei meinem Bruder Werner Siemens
verließ, und der Zustand der Vervollkommnung, den das System zu jener Zeit erreicht
hatte, bezeichnet denn auch ziemlich genau das jetzige System des Hrn. Pütsch. Diesem einseitigen Standpunkte entsprechen auch
sämmtliche übrigen Entwickelungen des Hrn. Pütsch. Da er
sich das Regenerativ-Ofensystem nur in einer bestimmten Form denken kann,
gleichviel welcher Art die Umstände und Bedingungen sind, unter welchen dasselbe
benutzt werden soll, so schließt er auch aus einzelnen ihm zufällig zu Gesicht
gekommenen Ofenanordnungen ein für allemal auf meine Construction. Daher ist es auch
den Thatsachen durchaus nicht entsprechend, wenn Hr. Pütsch behauptet, daß ich eiserne Gasleitungsrohre, oder wie er sagt,
Kühlungsrohre anwende, damit die Ventile nicht verbrennen. Dieß geschieht vielmehr
nur in den wenigsten Fällen und unter gewissen Umständen, wodurch eine solche
Anordnung vortheilhaft wird, was Hr. Pütsch aber nicht zu
verstehen behauptet und ich ihm auch gerne glauben will.
Auch die vollkommene Mischung von Gas und Luft, so wie das beste Mischungsverhältniß
dieser Gase, hat von jeher unser Hauptaugenmerk gebildet, und haben in dieser
Beziehung außer uns namentlich ausgezeichnete Physiker und Techniker mitgewirkt; ich
will nur Professor Faraday und Dr.
Percy, sowie die Professoren Scheerer und Heeren nennen.
Allerdings wird mit jeder besonderen Anwendung des Ofensystems eine andere Anordnung
der Mischung nöthig, und dieß ist es, was Hr. Pütsch
wieder nicht begreifen kann, sonst würde er nicht behaupten können, daß ich diese
Hauptbedingungen gänzlich außer Acht lasse. Wenn es so gienge, wie Hr. Pütsch anzunehmen scheint, daß es nur nöthig sey, nach
einem vorhandenen Musterofen beliebig viele Oefen nachzubauen, um trotz der
veränderten Verhältnisse und Bedingungen gleichmäßig gute Resultate zu erzielen,
dann könnten wir die weitere Einführung des Regenerativ-Ofensystems getrost
Hrn. Hermann Pütsch überlassen.
Berlin, den 4. Mai 1866.
Friedr. Siemens.
Ueber die Graphite von Brunn-Taubitz bei Krems in
Niederösterreich; von Carl Ritter v. Hauer.
Ueber das Vorkommen der Graphite in Niederösterreich, auf denen sich zur Zeit ein
Bergbau mit etwa 30 Feldmassen Belehnung bewegt, hat bereits Czjzek ausführliche Mittheilungen gemacht. Was speciell die
Bergbau-Unternehmung bei Brunn-Taubitz anbelangt, ist hervorzuheben,
daß dieselbe zwei Hauptlager in Angriff genommen hat, deren Mächtigkeit
außerordentlich wechselt. Nicht selten übersteigt die Mächtigkeit eine Klafter, dann
verdrückt sich aber das Lager bis auf einige Zoll, oder zertrümmert sich in zahllose
kleine Adern, worauf oft wieder rasch eine bedeutende Mächtigkeit folgt. Eben so
wechselnd wie die Mächtigkeit ist auch die Beschaffenheit des Graphites. Von dem
feinsten, leicht zerreiblichen, fettig anzufühlenden Graphite kommt derselbe in den
mannichfaltigsten Varietäten bis zur größten Härte vor. Von letzterem wird
gegenwärtig in einem Versuchsstollen, wo der Graphit über eine Klafter mächtig
ansteht, mittelst Sprengarbeit gewonnen. Dieser sehr compacte Graphit ist aber nicht
wesentlich aschenreicher, sondern liefert nach dem Zerreiben und Schlämmen ein gut
brauchbares Product. Was den Gehalt an Kohlenstoff – die wichtigste Frage
bezüglich der Qualität – anbelangt, so beträgt er nach den angestellten
Versuchen 50–83 Procent in allen Abstufungen, und zwar bezogen auf den
Graphit in seinem natürlichen Zustande. Die meisten Sorten gleichen daher vollkommen
den besten böhmischen Graphiten.
Die durchschnittliche Zusammensetzung der Asche ist folgende:
51,49
Procent
Kieselerde,
17,63
„
Thonerde,
15,00
„
Eisenoxyd,
9,88
„
Kalkerde,
5,76
„
Magnesia.
–––––
99,76
Procent.
Ein Versuch, mit ungefähr zwei Pfunden ausgeführt, ergab, daß sich durch Salzsäure:
Eisenoxyd, Kalk und Magnesia, und durch nachherige Behandlung mit Aetznatron:
Thonerde und Kieselerde zum größten Theile leicht ausziehen lassen. Daraus geht
hervor, daß das Silicat, welches die Hauptmasse der Asche bildet, leicht zersetzbar
ist. Es ist damit die Möglichkeit gegeben, aus diesen Graphiten Raffinaden von
ausgezeichneter Reinheit darzustellen. Durch Schmelzen dieses Graphites mit
kohlensaurem Natron und Auslaugen mit Wasser und Salzsäure wurde ein Product
erzielt, dessen Kohlenstoffgehalt 98 Procent betrug. Um die Asche des Graphites so
weit zu extrahiren, bedarf es in der Regel weit schwierigerer Operationen und
kostspieligerer Reagentien. Nach den bisher gemachten Erfahrungen erfordert nämlich
die Darstellung eines Graphites von so hoher Reinheil eine Behandlung mit Chlorgas
in hoher Temperatur, und eine solche mit Flußsäure. Wenn statt dieser Agentien mit
Natron und Salzsäure ein ähnliches Resultat erzielt wurde, so ist dieß speciell der
günstigen Constitution der Aschen dieser Graphite zuzuschreiben. Es scheint demnach
für die Graphit-Industrie, wenn sie sich nicht wie bisher in Oesterreich
darauf beschränken will, den Graphit bloß zu zerreiben oder höchstens noch zu
schlämmen, wodurch für die Reinigung desselben wenig gewonnen wird, die Frage über
die leichtere oder schwierigere Zerlegbarkeit der Asche wichtiger, als die bezüglich
der absoluten Menge derselben in dem natürlichen Vorkommen. Die Localitäten, an
welchen sich Graphit von hoher Reinheit im Naturzustande vorfindet, sind wenig
zahlreich, und die zu erzielende Gesammtausbeute an allen Orten des Vorkommens sehr
untergeordnet. Für die Gewinnung größerer Quantitäten reinen Graphites erübrigt also
nur das Mittel, die minder reinen Sorten, welche in größeren Massen gewonnen werden
könnten, wirksameren Raffinirprocessen zu unterziehen als bisher, das ist, die
Reinigung nicht bloß auf mechanischem, sondern eine solche auch auf chemischem Wege
zu beginnen. Die Graphit-Industrie muß mit einem Worte es aufgeben, sich auf
den Verkauf von Roh- oder geschlämmter Waare zu beschränken, sondern muß
feinere Graphitsorten wirklich fabriciren. Je nach den Zwecken, zu welchen die
Sorten dienen sollen, ist selbstverständlich eine mehr oder weniger weit gehende
chemische Reinigung erforderlich. Es ist dieses der Weg, welchen neuerlichst die
Gewerke zu Brunn-Taubitz einzuschlagen versuchten, und damit ist eine
rationelle Industrie mit diesem Artikel im eigentlichen Sinne begonnen.
Durch den Schlämmproceß, welcher in manchen Fällen ganz Außerordentliches bezüglich
der Trennung von gemengten Bestandtheilen leistet, wird für die Reinigung des
Graphites aus mehrfachen Gründen wenig erzielt. Erstlich ist die Differenz in dem
specifischen Gewichte der Asche und jenem der graphitischen Kohle oft sehr gering.
Ferner ist die Mengung von Asche und Kohle häufig eine viel innigere, als im
Allgemeinen vorausgesetzt wird. Wird solcher Graphit auch auf das Allerfeinste zerrieben, so
hängt gleichwohl dem kleinsten Ständchen ein entsprechendes Quantum Asche an, und es
ist klar, daß in einem solchen Falle der Schlämmproceß völlig wirkungslos bleiben
muß. Directe Versuche zeigten, daß durch den allersubtilsten Schlämmproceß
Graphiten, denen Asche innig beigemengt ist, von letzterer auch nicht ein Procent
entzogen werden kann. Um viel weniger ist ein Resultat demnach von den im Großen
zumeist in höchst primitiver Weise ausgeführten Schlämmungen zu erwarten.
Die Anwendung chemischer Manipulationen zur Reinigung des Graphites wird den Export
in diesem Artikel, der bis jetzt fast allein von Böhmen aus betrieben wird, auch für
andere inländische Bergbau-Unternehmungen ermöglichen. Für die in Rede
stehenden Baue in Niederösterreich dürfte aber ein solches Unternehmen um so
leichter durchführbar seyn, da erstlich das natürliche Vorkommen theilweise von
Natur aus schon hochwerthig ist, anderseits aber die Raffinirung, wie gezeigt wurde,
sich als mit geringen Schwierigkeiten ausführbar zeigte. Durch Reinigung auf
chemischem Wege läßt sich endlich aus unseren österreichischen Graphiten mit nicht
allzu großen Kosten ein Product erzielen, welches sich wie irgend ein anderes zur
Bleistift-Fabrication eignet; seit dem Versiegen der Graphitgruben in
Cumberland bestand das Vorurtheil, daß für Bleistift-Fabrication nur mehr der
böhmische Graphit geeignet sey. Wie ungerechtfertigt diese Ansicht ist, zeigt aber
zur Evidenz das Resultat des angeführten Versuches mit den Graphiten von
Brunn-Taubitz, aus welchen mit Leichtigkeit die Äsche bis auf den
geringen Rückstand von 2 Proc. entfernt werden konnte. – Vorgetragen in der
Sitzung der k. k. geologischen Reichsanstalt am 6. Februar 1866. (Oesterreichische
Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1866, Nr. 12.)
Ueber einen in Oesterreich entdeckten Bauxit.
In der vorjährigen November-Versammlung des Vereins für Gewerbfleiß in Preußen
legte Hr. Berg-Assessor Dr. H. Wedding eine Probe des neuerdings in Oesterreich
entdeckten Bauxits, welche er durch die Gefälligkeit des Hrn. M. v. Lill in Wien erhalten, vor. Das Mineral tritt in einem
Lager in der Wochein (Krain) auf, 1500 Fuß über der Thalsohle. Es besteht aus einer
erdigen Grundmasse von schmutzig röthlich-gelber Farbe, welche von Adern
einer dichten rothbraunen Substanz mit muschligem Bruche durchzogen ist. Nach einer
in der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen (1865, Nr. 35)
mitgetheilten Analyse enthält:
Die Grundmasse.
Das rothbraune Material.
Kieselsäure
6,30
5,30
Thonerde
58,02
34,88
Eisenoxyd
8,80
40,62
Manganoxyd
Spur
Spur
Kalkerde
0,65
0,50
Magnesia
0,20
0,45
Schwefelsäure
0,49
0,11
Phosphorsäure
0,25
0,10
Wasser
25,20
17,75
–––––––––––
––––––––––––
99,91
99,71
Es ist ersteres daher hinsichtlich seines Thonerdegehalts dem französischen Bauxit
gleichstehend zu erachten, hat aber einen höheren Kieselsäuregehalt als dieser. Das
letztere bildet einen Uebergang zum Brauneisenstein und stellt sich dem irischen
Bauxit an die Seite. Obwohl wegen der örtlichen Lage die Entdeckung für Oesterreich
in nächster Zeit kaum eine große Bedeutung erlangen dürfte, so liegt ein großes
allgemeines Interesse in der abweichenden Structur. Während der (in diesem Verein
bereits früher von dem Vortragenden vorgelegte) Bauxit von Baux (Frankreich) und
Antrun (Irland) conglomeratartig ist, zeigt der vorliegende Bauxit reine erdige,
dichte Structur. Dieß dürfte ein Beweis seyn, daß die Structur allein nicht
maaßgebend ist, und die Hoffnung vergrößern, unter den preußischen Brauneisensteinen
gleichfalls Bauxit zu finden. (Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1865 S. 127.)
Metallisches Titan.
Nach dem Mining Journal sind in den letzten Monaten des
vorigen Jahres in Birmingham bedeutende Mengen Titanmetall producirt worden, und zwar durch Reduction mit Natrium. Das
dadurch erhaltene Metallpulver wurde zu compacten Massen von bedeutender Größe
zusammengeschmolzen. Die Aehnlichkeit zwischen diesem Metalle und Eisen soll
überraschend seyn. Ohne Zweifel wird man bald so weit kommen, das Titan zu dem
Preise des Silbers darzustellen; es würden sich dann sehr wahrscheinlich zahlreiche
Verwendungen für dasselbe finden. Bekanntlich ist das Titan in der Natur sehr
verbreitet, so daß, wenn es erst einmal in die Technik eingeführt worden, ein Mangel
an Rohmaterial zu seiner Gewinnung nicht zu befürchten wäre.
H.
Anilingelb, nach C. A. Martius und
P. Grieß.
Ein Anilinproduct, das durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Anilin dargestellt
wird und zuerst vor etwa zwei Jahren von Simson, Maule
und Nicholson in London unter dem Namen Anilingelb in den
Handel gebracht wurde, hielten diese Fabrikanten für identisch mit dem von Gries ausführlich beschriebenen Diazoamidobenzol
(C²⁴H¹¹N³). Um sich zu überzeugen, ob dem
wirklich so sey, untersuchten Martius und Grieß (Bericht über die Sitzung der Berliner Akademie vom
7. December 1865) das Verhalten dieses Körpers, den sie käuflich als ein
braungelbes, lockeres, krystallinisches Pulver erhielten, gegen kochende
Chlorwasserstoffsäure, durch welche das Diazoamidobenzol eine sehr charakteristische
Zersetzung nach der Formel
Textabbildung Bd. 180, S. 326
erleidet. Es fand aber dabei nicht die allergeringste
Gasentwickelung statt und ebenso wenig konnten in der tief roth gefärbten
chlorwasserstoffsauren Auflösung Phenol oder Anilin aufgefunden werden. Wurde
dagegen die salzsaure Lösung mit Ammoniak übersättigt, nachdem sie durch Filtration
von einer Spur eines löslichen Harzes befreit worden war, so entstand eine
reichliche Menge eines gelben krystallinischen Niederschlages, während sich in der
Mutterlauge beträchtliche Mengen Oxalsäure nachweisen ließen. Das Anilingelb ist,
abgesehen von der Spur harziger Substanz, das Oxalat einer organischen Base, des
Amidodiphenylimid (C²⁴H¹¹N³), die mit dem ihr
isomeren Diazoamidobenzol nichts gemein hat. Daß dieselbe in ähnlicher Weise wie das
Diazoamidobenzol durch Einwirkung von salpetriger Säure auf alkoholische Lösungen
von Anilin entsteht, haben M. und G. im Laufe ihrer Untersuchungen bestätigt
gefunden; es hängt nur von der Temperatur ab, ob der eine oder der andere dieser
beiden Körper gebildet wird; zur Bildung des Amidodiphenylimid ist eine höhere
Temperatur erforderlich.
Bei der Untersuchung eines anderen gelben Farbstoffes, der durch Einwirkung von
zinnsaurem Natron auf salzsaures Anilin entsteht und dessen Bildung zuerst in der
Fabrik von J. J. Müller und Comp. in Basel, später auch von H. Schiff
beobachtet wurde, fanden M. und G., daß derselbe mit dem Amidodiphenylimid identisch
ist.
Fast alle schwachsauren Auflösungen des Amidodiphenylimid färben Wolle und Seide
intensiv citronengelb. Aus einer Lösung der Pikrinsäureverbindung kann Wolle mit
einer Farbe gefärbt werden, die dem Cochenilleroth, was Schönheit und Tiefe des
Tones anlangt, wenig nachsteht. Dessenungeachtet haben diese Farben eine sehr
untergeordnete praktische Bedeutung, weil sie flüchtig sind und in Folge dessen von
den damit gefärbten Stoffen, namentlich in höherer Temperatur, nach und nach
wegsublimiren. (Deutsche Industriezeitung, 1866, Nr. 17.)
Explosion in einer Farbenfabrik durch pikrinsalpetersaures
Natron.
In der vorjährigen October-Versammlung des Vereins für Gewerbfleiß in Preußen
sprach Hr. Dr.
Weber über die vor einiger Zeit in einer Berliner
Farbenfabrik stattgefundene Explosion, bei welcher mehrere Personen getödtet und
andere schwer beschädigt worden sind. Aus Anlaß dieses Ereignisses sind die bei der
Fabrication verwendeten Stoffe einer Prüfung unterworfen worden, welche ergeben hat,
daß die sogenannte Pikrinsalpetersäure unter Umständen sehr gefährlich ist. Diese
Säure, in reinem krystallisirten Zustande, wie sie zum Färben der Wolle benutzt
wird, ist zwar eine brennbare Substanz, ohne jedoch eine Detonation hervorzubringen.
Dagegen sind im Handel unter der Bezeichnung „Pikrinsäure“
Präparate vorgekommen, die mit ungemeiner Heftigkeit detoniren. Diese sind
Verbindungen von Pikrinsäure mit Natron, billiger als Pikrinsäure und häufig als
Pikrinsäure den Färbern verkauft. Daß solches pikrinsalpetersaures Natron explosiv
ist, ist allgemein bekannt. Nichtsdestoweniger sind Tausende von Pfunden fabricirt
und wohl als Pikrinsäure declarirt, ohne Vorsicht auf Eisenbahnen versandt und in
Fabriklocalen wie ungefährliche Substanzen verwendet worden. In Anbetracht der
großen Gefahren, die hierdurch entstehen können, hat das königliche
Handelsministerium mittelst Erlasses vom 28. November 1865 vor diesen Stoffen
gewarnt. (Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen,
1865 S. 125.)
Neue Reaction auf Traubenzucker, von C. D. Braun.
Erwärmt man Traubenzucker-Lösung mit Kali- oder Natronlauge, mit
Baryt- oder Kalkwasser, oder endlich mit einer Lösung von kohlensaurem
Natron, so erhält man (in nicht sehr concentrirten Lösungen) eine citronengelb
gefärbte Flüssigkeit, die ihre Farbe beim Eintropfen von Pikrinsäure-Lösung
und bei erneuertem Erhitzen bis zum Kochen in tief Blutroth verwandelt. Von den
genannten basischen Agentien wirkt Natron- oder Kalilauge am kräftigsten;
mittelst Ammoniak konnte der Verfasser die Reduction der Pikrinsäure durch
Traubenzucker nicht ermitteln.
Wie die Metamorphose der Pikrinsäure in Pikraminsäure durch
Traubenzucker-Lösung erfolgt, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit als nach
folgender Betrachtung stattfindend annehmen. Reichardt
Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXVII S. 297. fand, daß bei der Einwirkung alkalischer Kupferlösung auf Traubenzucker,
Gummi und Gummisäure nebst Wasser gebildet werden und dieselben Producte vermuthet
der Verfasser bei der Einwirkung von Pikrinsäure auf Traubenzucker, worüber
eingehendere Experimental-Untersuchungen demnächst entscheiden sollen.
Für den praktischen Chemiker ergibt sich aus diesem Verhalten der Pikrinsäure eine
recht brauchbare Reaction zur Nachweisung des Traubenzuckers. Die
Pikrinsäure-Lösung bereitet man hierbei am besten von solcher Concentration,
daß auf 1 Theil Säure 250 Theile Wasser kommen. Man verfährt bei der Prüfung
zweckmäßig in der Weise, daß man in die mit etwas Natronlauge versetzte
Traubenzucker-Lösung, nachdem sie auf etwa 90° C. erhitzt worden ist,
ein paar Tropfen Pikrinsäure-Lösung gibt und dann zum Kochen erhitzt. War die
Traubenzucker-Lösung nur einigermaßen concentrirt, so erhält man jetzt eine
intensiv blutroth gefärbte Flüssigkeit, während die Farbe in verdünnten
Traubenzucker-Lösungen tief roth erscheint. Da Rohrzucker dieses Verhalten
durchaus nicht zeigt, so dürfte sich für den Praktiker hiervon ein einfaches Mittel
ableiten, um Traubenzucker in Rübenzucker u. dergl. zu erkennen.
Für den praktischen Arzt wird die neue Reaction ebenfalls von Interesse seyn, um in
gegebenen Fällen zu entscheiden, ob ein fraglicher Harn diabetisch sey oder
nicht.
Wie Traubenzucker zeigen auch Fruchtzucker und Milchzucker die schöne Reaction, nicht
aber Rohrzucker und Mannit. (Im Auszug aus der Zeitschrift für analytische Chemie,
Jahrgang IV., S. 187.)
Ueber Heinrich Völter's patentirte Darstellung von Papierstoff aus Holz.
In der vorjährigen November-Versammlung des Vereines für Gewerbfleiß in
Preußen besprach Hr. Professor Reuleaux eine Brochüre von
Völter in Heidenheim über die Darstellung von
Papierstoff aus Holz. Die Nothwendigkeit, einen Ersatz für die zur Papierfabrication
erforderlichen Hadern zu finden, hat zu vielfachen Versuchen Veranlassung gegeben,
welche das Holz als einen trefflichen und wohlfeilen Ersatz für Hadern haben
erkennen lassen. Von den verschiedenen Holzarten geben Fichten- und
Tannenholz das verfilzungsfähigste, Espen- und Lindenholz das weißeste Zeug.
Brauchbar sind auch Kiefern- und Pappelholz, in Belgien werden auch
Birken- und Buchenholz benutzt, obgleich diese Arten kürzere Fasern liefern.
Die Versendung des Zeuges geschieht im feuchten Zustande bei einem Wassergehalt von
50 bis 60 Proc. Für die Anlage einer Holzzeug-Fabrik ist eine Triebkraft von
25 bis 50 Pferdestärken erforderlich.
Nach den Angaben des Verfassers bestehen die Holzzeug-Maschinen für eine
Triebkraft von 40 bis 50 Pferdestärken aus: a) dem
Zerfaserungs-Apparat, einem rotirenden Stein mit horizontaler Achse und
stetigem Zufluß von Wasser, dem das Holz durch ein selbstthätiges Getriebe mittelst
Schraubenspindel zugeführt wird; b) dem Verfeinerer,
welcher die gröberen Fasern verfeinert, reinigt und geschmeidiger macht, und c) dem Sonderungs-Apparat, welcher die Fasermasse
nach dem Feinheitsgrade zu sondern und als fertiges Holzzeug abzugeben hat. Auf je 4
Pferdestärken wird pro Arbeitstag von 24 Stunden 1
Zollcentner, mithin bei einer Triebkraft von 40 Pferden pro Tag 10 Centner fertigen Holzzeugs gerechnet, wobei zu 1 Ctr. Holzzeug,
lufttrocken gedacht, ungefähr 2 Centner lufttrockenes Holz erforderlich sind,
letzteres 3 bis höchstens 12 Zoll dick und nicht über 6 Monate geschlagen. An Wasser
zum Schleifen und Sondern des Holzes, beziehungsweise der Masse, wird 1 bis 1 1/4
Kubikfuß pro Minute und Centner gerechnet. Die
Arbeiterzahl richtet sich nach der Anzahl der Maschinen; für eine Maschine genügen 1
bis 2 Mann für eine zwölfstündige Arbeitszeit.
Außer der Holzzeugmaschine sind noch einige Hülfsapparate, als: eine Pumpe mit
Wasserbehälter, eine Kreissäge mit Bohrvorrichtung und eine Zeugpresse zum
Entwässern des Stoffs erforderlich.
Die Versendung des Holzzeugs geschieht in neuerer Zeit im trockenen Zustande in Form
von Pappen und Papier. Das dargestellte Holzzeug kann je nach der Güte des
Hadernzeuges und des anzufertigenden Papiers der Hadernmasse in Mengen von 15 bis 80
Proc. zugesetzt werden, unbeschadet der gleichzeitigen Anwendung von Kaolin,
Annaline, Blanc fixe etc.
Die größte Schwierigkeit besteht zur Zeit noch darin, das Bleichen des Holzzeugs
billig zu bewirken. Dessenungeachtet ist das Holzzeug von der theilweisen
Mitverwendung für Papiere von höherer Weiße nicht ausgeschlossen, indem eine
schwache Beimischung der vorgenannten Füllmittel, als Kaolin etc. gute Dienste
leistet.
Der Centner gutes lufttrockenes Holzzeug kostet 4 1/2–6 1/2 Thlr. und ersetzt
Hadernzeug im Werth von 8 1/2–10 Thlr. Die Erzeugungskosten belaufen sich auf
2 1/2–3 1/3 Thlr. pro Centner. (Verhandlungen des Vereines zur Beförderung
des Gewerbfleißes in Preußen, 1865 S. 128.)