Titel: | Ueber Sauerstoffdarstellung; von Dr. Cl. Winkler. |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XXXIII., S. 111 |
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XXXIII.
Ueber Sauerstoffdarstellung; von Dr. Cl. Winkler.
Aus dem Journal für praktische Chemie, 1866, Bd. XCVIII S.
340.
Winkler, über Sauerstoffdarstellung.
Die Untersuchungen, welche ich vor drei Jahren über die Existenz der Kobaltsäure zur
Mittheilung brachte, haben, obgleich sie, was Bildungsweise und Eigenschaften des
sonderbaren Körpers anbetrifft, dem Forscher noch ein weites Feld offen lassen, doch
unter Anderem eine Thatsache von nicht unerheblicher Wichtigkeit festgestellt. Es
besteht dieselbe in dem Verhalten der kobaltsauren Salze gegen Chlorgas, unter
dessen Einwirkung dieselben bekanntlich reinen Sauerstoff entwickeln.
Leitet man in die kalte alkalische Lösung des kobaltsauren Kalis- einen Strom
von Chlor, so beginnt, unter Abscheidung von schwarzem Kobaltoxydhydrat und Bildung
von Chlorkalium, augenblicklich eine lebhafte Sauerstoffentbindung, welche binnen
Kurzem heftiges Aufschäumen verursacht und mit der völligen Zersetzung der
Kobaltsäure ein Ende nimmt. Man erhält hierbei das zwanzig- bis dreißigfache
Volumen der angewendeten Flüssigkeit an Sauerstoffgas.
Anders gestaltet sich die Erscheinung, wenn man den Versuch bei höherer Temperatur
ausführt. Wie alle Kobaltverbindungen, so gibt auch das schwarze Kobaltoxydhydrat
beim Kochen mit Aetzkaliflüssigkeit die bekannte blaue Lösung des kobaltsauren
Kalis. Leitet man nun in eine siedende Kalilösung, welche Kobaltsäure enthält,
Chlorgas ein, so scheidet sich zwar unter Sauerstoffentwickelung sofort schwarzes
Oxyd ab; dasselbe löst sich aber in demselben Augenblick, in Kobaltsäure verwandelt,
wieder auf, um sich gleich darauf auf's Neue abzuscheiden und wieder zu lösen.
Dieser Wechsel tritt ohne Unterbrechung so lange ein, als sich noch freies Kali in
der Flüssigkeit befindet; er wird gemäßigt oder beschleunigt, je nachdem der Strom
des zugeführten Chlors ein langsamer oder rascher ist und demgemäß ist auch der Gang
der hervorgerufenen Sauerstoffentbindung vollständig von dem der Chlorentwickelung
abhängig.
Da selbst intensiv gefärbte Lösungen von kobaltsaurem Kali selten mehr als 0,6 Proc.
Kobalt enthalten, so beweist dieß, daß schon höchst geringe Quantitäten von
letzterem zur Uebertragung unendlicher Sauerstoffmengen genügen; denn einmal
gebildet, findet die Kobaltsäure nach ihrer Spaltung in Kobaltoxyd und Sauerstoff in
der Einwirkung des Chlors auf das freie Kali immer wieder Gelegenheit, sich zu
regeneriren, indem der aus dem Kali nascirende Sauerstoff, anstatt unterchlorige
Säure zu bilden, sich unablässig mit dem Kobaltoxyd zu Kobaltsäure vereinigt, die
durch fernere Mengen Chlor wieder zerlegt und wieder gebildet wird nach dem
Vorgange: 3 KO + 3 Cl + Co²O³ = 3 KCl + 2 CoO³ = 3 KCl +
Co²O³ + 3 O.
In der Absicht, das vorstehend beschriebene Verhalten technisch nutzbar zu machen,
versuchte ich das theure Aetzkali durch eine billige Basis, durch Kalkhydrat, zu
ersetzen. Es gelang dieß auf das Vollkommenste, und zwar verfuhr ich auf folgende
Weise:
Ein mit Braunstein und Salzsäure beschicktes Gefäß wurde mit einem Kolben in
Verbindung gebracht, auf dessen Boden eine durch die eine Durchbohrung des ihn
verschließenden Korkes geführte Schenkelröhre reichte, während die andere
Durchbohrung ein Abzugsrohr trug, welches das zu entbindende Sauerstoffgas in eine
mit Kalkmilch gefüllte Waschflasche und von da weiter in die pneumatische Wanne
führte. Der Kolben selbst wurde zu zwei Drittel mit dicker Kalkmilch gefüllt, dieser
wenige Tropfen Chlorkobaltlösung zugegeben und die Erhitzung eingeleitet. Bald
darauf wurde die Chlorentwickelung in Gang gesetzt und sogleich begann die Bildung
von Sauerstoffgas, deren Gang ein schnellerer oder langsamerer wurde, je nachdem man
viel oder wenig Chlor zuströmen ließ. Die Kalkmilch gerieth hierbei in ganz gelindes
Schäumen, ohne die geringste Neigung zum Uebersteigen zu zeigen; selbst wenn man die
Entbindung des Chlors und somit die des Sauerstoffgases bis zu rapider Schnelle
steigerte, gieng die Umsetzung ruhig und regelmäßig von statten. Gegen Ende des
Versuchs mischte sich dem Sauerstoff wenig Chlor bei, welches in der Waschflasche
zurückgehalten wurde, und zuletzt fand sich im Kolben eine klare Lösung von
Chlorcalcium und ein Niederschlag von Kobaltoxydhydrat, verunreinigt durch die im
Kalke enthalten gewesenen Beimengungen.
Die soeben beschriebene Methode zur Darstellung von Sauerstoffgas convergirt im
Principe mit dem Fleitmann'schen Verfahren, welches auf
der Zersetzung einer klaren Chlorkalklösung durch Kobaltoxydhydrat beruht, und sie
möge deßhalb auch nur als eine Verbesserung des letzteren hingestellt werden. Sie
gewährt den Vortheil, in Gefäßen von gleichem Rauminhalt bei weitem größere Mengen von Sauerstoff
entwickeln zu können, da man bei ihrer Ausführung statt der dünnen Chlorkalklösung
dicke Kalkmilch anwenden kann; sie hat ferner den Vorzug, den Gang der
Gasentwickelung beliebig regeln zu können, je nachdem man den Chlorstrom verstärkt
oder mäßigt, und endlich liegt ein Uebersteigen des Kolbeninhaltes ganz außer dem
Bereiche der Möglichkeit. Letztgenannter Mangel des Fleitmann'schen Verfahrens ist übrigens bereits durch Stolba
Polytechn. Journal Bd. CLXXX S. 388.
beseitigt worden und kommt daher nicht mehr in Betracht.
An Orten, wo Braunstein billig zu erlangen ist und Salzsäure als lästiges, beinahe
werthloses Nebenproduct fällt, wird sich die vorbeschriebene Methode, ihrer bequemen
Handhabung wegen, besser als irgend eine zur Gewinnung von reinem Sauerstoff im
Großen verwenden lassen, zumal das Gasausbringen, welches sie liefert, ein Drittel
mehr als dasjenige beträgt, welches man bei der Zerlegung des Braunsteins durch
Glühen erhält. Denn während letzteres Verfahren eine Ausbeute von nur 12 Proc.
Sauerstoff gibt, liefert das erstgenannte circa 18 Proc.
des angewendeten Mangansuperoxydes.
Bei Darstellung von Sauerstoffgas durch Erhitzen von Braunstein mit concentrirter
Schwefelsäure macht sich bekanntlich der Uebelstand bemerklich, daß das sich
unlöslich abscheidende schwefelsaure Manganoxydul die gläsernen Entwickelungsgefäße
sprengt. Diesem Hinderniß kann man leicht und erfolgreich begegnen, wenn man statt
des Schwefelsäurehydrats saures schwefelsaures Natron anwendet. Ein Gemenge von 3
Theilen geschmolzenem Natronbisulphat und 1 Theil Braunstein in eine Glasretorte
gebracht, schmilzt schon bei der gelinden Hitze einer Weingeistlampe leicht und
vollständig zu einer Flüssigkeit, welche continuirlich reines Sauerstoffgas
entwickelt. Das gebildete Doppelsalz von schwefelsaurem Natron und schwefelsaurem
Manganoxydul bleibt bis zum letzten Augenblicke flüssig und erstarrt nach Wegnahme
des Feuers, ohne dem Entwickelungsgefäße Schaden zu thun.
Da man bei diesem Verfahren ebenfalls das zweite Atom des im Braunstein enthaltenen
Sauerstoffs vollständig ausbringt, saures schwefelsaures Natron aber ein überaus
billiges Nebenproduct ist, so verdient genannte Methode ganz besonders die Beachtung
des Technikers. Die Austreibung des Sauerstoffs würde sich im Großen ohne
Schwierigkeit in ähnlichen Gefäßen ausführen lassen, wie man dieselben zur
Destillation der Salpetersäure anwendet.