Titel: | Ueber die Anwendung des Nitroglycerins in den Vogesensandstein-Brüchen bei Zabern (Elsaß); von E. Kopp. |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. LXVI., S. 238 |
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LXVI.
Ueber die Anwendung des Nitroglycerins in den
Vogesensandstein-Brüchen bei Zabern (Elsaß); von E. Kopp.
Aus den Comptes rendus, t. LXIII p. 189; Juli
1866.
Kopp, über Anwendung und Eigenschaften des
Nitroglycerins.
Die explosiven Eigenschaften des Nitroglycerins,
C⁶H⁵(NO⁴)³O⁶, und die übereinstimmenden Resultate
der mit diesem Präparate an verschiedenen Orten in Deutschland, Schweden und der
Schweiz abgeführten Versuche, veranlaßten die HHrn. Schmitt und Dietsch, Besitzer großer, im Zornthale
(Departement Niederrhein) gelegener Sandsteinbrüche, dasselbe bei dem Betriebe der
letzteren gleichfalls versuchsweise einzuführen.
Der erzielte Erfolg war, sowohl was Kostenersparniß als was Erleichterung und
Beschleunigung der Arbeit anbetrifft, so vollständig, daß der Gebrauch des
gewöhnlichen Bergpulvers wenigstens zeitweilig aufgegeben ward und daß diese
Steinbrüche seit etwa Anfang Juni d. J. nur mit Anwendung von Nitroglycerin
betrieben werden.
Es war von vornherein meine Ansicht, daß dieses Sprengpräparat an Ort und Stelle
dargestellt werden wüsse; der Wasser-, wie der Landtransport eines so
außerordentlich explosiven und so furchtbar stark wirkenden Körpers erschien mir
durchaus unzulässig. Die schweren Unglücksfälle von Aspinwall und
San-Francisco liefern den Beweis, daß diese Befürchtungen Grund haben und
daß der Transport von Nitroglycerin absolut verboten werden sollte.Wir verweisen auf die Beleuchtung der durch das
Nitroglycerin veranlaßten einzelnen Unglücksfälle in der Schrift:
„Das Nitroglycerin (Nobel's Patent-Sprengöl), seine gefahrlose
Aufbewahrung, Transport und Anwendung; von Carl Dittmar. Berlin 1866; Verlag von Julius Springer.“ A. d. Red.
Nachdem ich unter der Assistenz des Hrn. Keller in meinem Laboratorium die verschiedenen Methoden zur
Darstellung des Nitroglycerins (Behandlung von Glycerin mit einem Gemenge von
concentrirter Schwefelsäure und Kali- oder Natronsalpeter, oder direct mit
Salpetersäure von verschiedenen Concentrationsgraden) studiert hatte, blieben wir
bei der nachfolgenden Bereitungsweise stehen, welche in einem zu diesem Zwecke in
einem der Steinbrüche errichteten Holzschuppen zur Ausführung kam.
1. Darstellung des Nitroglycerins. – Zunächst
mischt man in einem in kaltem Wasser stehenden Ballon von Steinzeug rauchende
Salpetersäure von 49° bis 50° Baumé mit der doppelten
Gewichtsmenge möglichst stark concentrirter Schwefelsäure. (Beide Säuren waren für
diesen Zweck zu Dieuze auf Bestellung besonders dargestellt und nach Zabern gesendet
worden.) Andererseits dampft man in einem Topfe Glycerin, wie es im Handel vorkommt,
welches aber kalk- und bleifrei seyn muß, ab, bis es 30° bis
31° Baumé zeigt: nach vollständigem Erkalten muß dieses Glycerin
Syrupsconsistenz besitzen.
Der Arbeiter gießt nun 3300 Grm. des wohlerkalteten Gemisches von Schwefelsäure und
Salpetersäure in einen Glaskolben – anstatt dessen man auch einen Topf von
Steinzeug oder eine Steinzeug- oder Porzellanschale benutzen kaun, –
welches in einer mit kaltem Wasser gefüllten Wanne steht, und läßt dann langsam und
unter beständigem Umrühren 500 Grm. Glycerin hineinfließen. Von größter Wichtigkeit
ist es, eine merkliche Erwärmung des Gemisches zu vermeiden, indem sonst eine
stürmische Oxydation des Glycerins, mit Bildung von Oxalsäure, eintreten würde. Aus
diesem Grunde muß das Gefäß, in welchem die Umwandlung des Glycerins in
Nitroglycerin stattfindet, fortwährend durch kaltes Wasser von außen abgekühlt
werden.
Ist das Ganze innig gemischt, so läßt man es fünf bis zehn Minuten lang ruhig stehen,
und gießt es dann in das fünf- bis sechsfache Volum kalten Wassers, welches
vorher in rotirende Bewegung versetzt worden ist. Sehr rasch sinkt nun das
entstandene Nitroglycerin in Form eines schweren Oeles nieder; man sammelt dasselbe
durch Decantiren in einem mehr hohen als breiten Gefäße, wäscht es in demselben
einmal mit etwas Wasser, decantirt dieses und gießt das Nitroglycerin in
Flaschen.
Dasselbe ist jetzt zum Verbrauche fertig, wenn auch in diesem Zustand noch etwas
säure- und wasserhaltig; indessen bleibt dieß ohne Nachtheil, da das Präparat
bald nach seiner Darstellung verwendet wird, diese Beimischungen auch seinem
Detoniren keineswegs Eintrag thun.
2. Eigenschaften des Nitroglycerins. – Das
Nitroglycerin ist eine ölartige Flüssigkeit von gelber bis bräunlicher Farbe,
schwerer als Wasser. Im Wasser ist es unlöslich; löslich dagegen in Alkohol, Aether
etc. Einer selbst wenig intensiven, jedoch länger anhaltenden Kälte ausgesetzt,
krystallisirt es in langen Nadeln. Das beste Mittel, Nitroglycerin zur Detonation zu
bringen, ist ein recht kräftiger Stoß oder Schlag; übrigens läßt sich leicht und
ohne große Gefahr mit ihm umgehen. In dünner Schicht flach ausgegossen, läßt es sich
durch einen brennenden Körper nur schwierig entzünden und es brennt nur theilweise
ab; man kann ein Nitroglycerin enthaltendes Fläschchen gegen einen Stein werfen, so
daß es zerbricht, ohne daß das Präparat explodirt. Auch läßt es sich durch
vorsichtiges Erwärmen ohne Zersetzung verflüchtigen; fängt es aber dabei lebhaft an
zu kochen, so droht Detonation.
Läßt man einen Tropfen Nitroglycerin auf eine mäßig heiße Gußeisenplatte fallen, so
verflüchtigt er sich ruhig; ist die Platte rothglühend, so entzündet sich der
Tropfen unmittelbar und brennt ebenso wie ein Pulverkorn ohne Geräusch ab. Wenn
dagegen die Platte nicht rothglühend, indessen doch so heiß ist, daß das
Nitroglycerin sofort in's Kochen geräth, so zersetzt sich der Tropfen plötzlich
unter heftiger Detonation.
Uebrigens kann das Nitroglycerin, namentlich wenn es unrein und sauer ist, nach
Verlauf einer bestimmten Zeit eine freiwillige Zersetzung erleiden, welche von
Gasentwickelung und Bildung von Oxalsäure begleitet ist.
Dieselbe rührt wahrscheinlich von einer ähnlichen Ursache her, wie die freiwilligen
Explosionen des Nitroglycerins, deren beklagenswerthe Wirkungen uns durch die
Zeitungen bekannt geworden sind. Da das Nitroglycerin in sehr gut zugestopften
Flaschen eingeschlossen war, so konnten die bei seiner freiwilligen Zersetzung
entstandenen Gase nicht entweichen, übten folglich einen starken Druck auf das
Nitroglycerin aus, und unter diesen Verhältnissen war der geringste Stoß und die
schwächste Erschütterung hinreichend, die Explosion hervorzurufen.
Der Geschmack des Nitroglycerins ist zuckerartig, zugleich aber brennend und
gewürzhaft. Es wirkt giftig; schon in sehr kleinen Dosen verursacht es heftigen
Kopfschmerz. Sein Dampf wirkt ähnlich und dieser Umstand könnte der Verwendung des
Präparates in tiefen Stollen und auf wetternöthigen Strecken, wo die Dämpfe nicht so
leicht abziehen können, wie bei Steinbruchs- und Tagebauen, möglicherweise
hinderlich seyn.
Das Nitroglycerin ist keineswegs eine eigentliche nitrirte Verbindung, entsprechend
dem Nitro- und Binitrobenzol oder der Nitro-, Binitro- und
Trinitrophenylsäure; denn durch die Einwirkung reducirender Körper, z.B. von
Wasserstoff im Entstehungsmoment, von Schwefelwasserstoff etc. wird das Glycerin
wieder in Freiheit gesetzt, und von Aetzalkalien wird das Nitroglycerin in
salpetersaure Salze und Glycerin zersetzt.
3. Anwendungsweise des Nitroglycerins. – Nehmen wir
an, eine Gesteinsbank solle gewonnen oder losgebrochen werden. Ungefähr 2 1/2 bis 3
Meter vom äußeren Rande der Bank entfernt, wird ein 5 bis 6 Centimet. weites und 2
bis 3 Meter tiefes Loch abgebohrt und nach dem Reinigen von Bohrschwand, Wasser und
Sand, durch einen Trichter mit 1500 bis 2000 Grm. Nitroglycerin besetzt. Darauf
schiebt man in das Bohrloch einen mit gewöhnlichem Pulver gefüllten, aus Holz, Pappe
oder Weißblech angefertigten, etwa 4 Centimet. weiten und 5 bis 6 Centimet. hohen
Cylinder, an welchem ein gewöhnlicher Zünder sitzt, der bis zu einiger Tiefe in das
Pulver hineinreicht, um dieses um so sicherer zu entzünden. An diesem Zünder läßt
man den Cylinder in das Bohrloch hinabgleiten, und durch das Gefühl läßt sich der
Moment, in welchem der Cylinder die Oberfläche des Nitroglycerins berührt, leicht
erkennen. In diesem Augenblicke hält man den Zünder fest und läßt nun feinen Sand in
das Bohrloch laufen, bis dasselbe gänzlich damit gefüllt ist. Es ist unnöthig, den
Sand zusammenzudrücken oder gar festzustampfen. Dann schneidet man den Zünder
mehrere Centimeter oberhalb der Mündung des Bohrloches ab und steckt ihn an. Nach
Verlauf von acht bis zehn Minuten, sobald der Zünder bis an den Cylinder abgebrannt
ist, entzündet sich das Pulver; dadurch wird ein heftiger Stoß hervorgerufen und
dieser bringt das Nitroglycerin augenblicklich zum Detoniren. Die Explosion findet
so plötzlich statt, daß der Besatzfand niemals Zeit hat, herausgeworfen zu
werden.
Man kann sehen, wie die ganze Gesteinsmasse sich aus ihrer Lage hebt und sich dann,
ohne daß ein Theil von ihr fortgeschleudert wird, ruhig wieder setzt. Dabei hört man
einen dumpfen Knall. Von der gewaltigen Kraft der Explosion kann man sich aber erst
dann einen Begriff machen, wenn man an Ort und Stelle kommt. Mächtige Felsmassen
sind um ein Geringes aus ihrer Lage gehoben, nach allen Richtungen hin zerspalten/
und bereit durch mechanische Mittel beräumt und sofort abgefahren zu werden.
Der bedeutendste Vortheil liegt darin, daß das Gestein nur in geringem Grade
zertrümmert wird, daß somit nur wenig Abfall erfolgt. Mit den oben angegebenen
Nitroglycerinladungen lassen sich auf diese Weise 40 bis 80 Kubikmeter eines
ziemlich festen Gesteines auf einmal gewinnen.
Wie ich hoffe, ist durch die vorstehende Mittheilung die Möglichkeit dargethan, die
so vortheilhafte Anwendung des Nitroglycerins mit allen wünschenswerthen
Bürgschaften für die öffentliche Sicherheit verbinden zu können.