Titel: | Ueber die giftige Wirkung des rohen Paraffinöls und seiner Rectificationsproducte auf Fische; von Dr. Stevenson Macadam. |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. LXXXVII., S. 315 |
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LXXXVII.
Ueber die giftige Wirkung des rohen Paraffinöls
und seiner Rectificationsproducte auf Fische; von Dr. Stevenson Macadam.
Vorgetragen in der Versammlung der British Association
zu Nottingham. –
Aus der Chemical
News, vol. XIV p. 110; September 1866.
Macadam, über die giftige Wirkung des rohen Paraffinöls auf
Fische.
Die große Ausdehnung, welche die mit der Darstellung sowohl von rohem, wie von
gereinigtem Paraffinöl sich beschäftigenden Fabriken (in England) in den letzten
Jahren genommen, hat die Aufmerksamkeit der Fachmänner auf die aus denselben
herrührenden Abfälle und Rückstände, namentlich auf jene Abgänge gerichtet, die
ihren Weg in die Flüsse finden, welche die natürlichen Abzüchte der betreffenden
Districte bilden. Die giftige Beschaffenheit dieser Substanzen hat sich bereits
durch die gänzliche Vertilgung des Fischstandes in mehr als einem unserer
schottischen Flüsse gezeigt; auch wurde häufig das Wasser mit Paraffinöl und den
Producten feiner Raffinirung oder Rectification in solchem Grade imprägnirt, daß es
den charakteristischen Geruch und Geschmack des Paraffinöls besitzt und für
häusliche Zwecke ganz untauglich ist. Ich hatte Gelegenheit, mit diesen Abfällen und
Rückständen, wie dieselben theils für sich allein, theils mit viel Wasser verdünnt
aufgefangen waren, eine große Anzahl von Versuchen anzustellen, um die giftige
Wirkung dieser Flüssigkeiten und Gemische auf das Leben der Fische nachzuweisen, und
theile die dabei erhaltenen Resultate im Nachstehenden mit.
Die Abgänge und Rückstände der Paraffinölfabriken sind folgende:
1) Rohes Petroleum und Schieferöl, welche aus den Rohölfässern auslaufen, und nicht
selten zum Theil in den umgebenden Boden und aus diesem in die Abzüchte
gelangen.
2) Das Condensationswasser aus den Kühlapparaten der zur Destillation und
Rectification des Oeles dienenden Destillirblasen, welches öfters mit Paraffinöl
imprägnirt abfließt.
3) Die ausgenutzte, von der Behandlung des rohen Petroleums oder Schieferöls
herrührende saure Flüssigkeit.
4) Die von der Entsäuerung des vorher mit Säure behandelten Oeles herrührende
alkalische (natronhaltige) Flüssigkeit.
Dazu kommt noch das Oel, welches bei der ersten Destillation des Rohöles, sowie beim
Umdestilliren des raffinirten Oeles aus den Retorten zuweilen überläuft, wogegen man
sich auch bei größter Aufmerksamkeit kaum schützen kann. Auch die Menge des aus den
entleerten und dann der Einwirkung der Sonnenwärme ausgesetzten Fässern abfließenden
Rohöles ist beträchtlich, sobald eine größere Anzahl von solchen Fässern an einem
Platze aufgestapelt ist, und dieses Oel durchdringt und inficirt nicht bloß den
Boden, sondern, sobald Regen fällt, steigt es an die Oberfläche, schwimmt auf dem
Regenwasser und gelangt auf diese Weise in die gewöhnlichen Abzüchte. Indessen läßt
sich der von dieser Ursache herrührende Nachtheil für die Bäche und Flüsse durch
Anlage von geeignet gedichteten, auf der Oberfläche des Bodens angebrachten
Abzüchten vermindern, wenn durch dieselben alles ölhaltige Wasser in Behälter
geleitet wird, in denen es sich sammelt, wornach das Oel von der Oberfläche
abgeschöpft werden kann, während das Wasser darunter abläuft.
Das Kühlwasser aus den Destillirapparaten kann in Folge von undichten Stellen der
Kühlröhren, welche bei Anwendung gußeiserner häufiger vorkommen als bei
schmiedeeisernen – gleichfalls mit Paraffinöl imprägnirt werden. Jeder
Fabrikant wird natürlich dafür sorgen, daß derartige, einigermaßen bedeutende Lecke
sofort verstopft werden, aber dennoch kommen von dieser Ursache herrührende
Infectionen des Wassers, welche, abgesehen von seinem, im Vergleich zu gewöhnlichem
Flußwasser sehr verminderten Gehalte an absorbirtem Sauerstoff dasselbe für das
Leben und die Gesundheit der Fische mehr oder weniger untauglich machen, häufig
vor.
Die schädlichsten Abfälle indessen, welche von den Paraffinölfabriken, entweder
regelmäßig oder nur dann und wann, in die Flüsse gelangen, bestehen aus den vorhin
erwähnten sauren und alkalischen Flüssigkeiten, deren Einfluß auf Gesundheit und
Leben der Fische weit entschiedener hervortritt, als derjenige des Paraffinöles
selbst. Die saure Flüssigkeit besteht aus der dem Rohöle zugesetzten Schwefelsäure,
nebst theerartigen Producten mit Pikolin und anderen basischen Oelen, denen durch
die Säure unzweifelhaft ein Theil ihrer giftigen Eigenschaften benommen ist. Wenn
man auch jetzt das in Rede stehende Material durch Abscheidung des Theers –
welcher dann mit ausgenutzter Gerberlohe oder mit Sägespänen gemengt und als
Brennmaterial verbraucht oder aber auf Pech destillirt wird – in ziemlich
ausgedehntem Maaßstabe verwerthet, so wird es doch immer noch zuweilen in ein in der
Nähe befindliches fließendes Wasser abgelassen. Es bildet eine schwarze, theerartige
Flüssigkeit von Syrupsconsistenz und schwefligem Geruche; eine kleine Menge
derselben, zu Wasser hinzugesetzt, ertheilt letzterem giftige Eigenschaften. In
einem Falle fand ich, daß diese ausgenutzte Flüssigkeit auf Fische die nachstehenden
starken Wirkungen ausübte: 1) Fische, in das nicht verdünnte Liquidum gebracht,
standen nach fünf Minuten ab. 2) Als Fische in die mit ihrem dreifachen Volum guten
Flußwassers verdünnte Flüssigkeit gebracht wurden, starben sie binnen zehn Minuten.
3) In einem Gemisch von 1 Theil der sauren Flüssigkeit und 20 Thln. Wasser waren die
Fische nach fünfzehn Minuten todt. 4) Ein Gemisch von 1 Thl. der ersteren und 100
Thln. Wasser tödtete die Fische binnen fünfzehn bis zwanzig Minuten. 5) 1 Thl.
Flüssigkeit, mit 1000 Thln. Wasser verdünnt, tödtete die Fische binnen zwei Stunden.
6) Fische, welche in ein Gemisch von 1 Thl. Säureflüssigkeit und 10000 Thln. Wasser
gesetzt wurden, waren nach vierundzwanzig Stunden nicht getödtet, augenscheinlich
aber sehr abgemattet und krank.
Die ausgenutzte Flüssigkeit (Natronlauge), welche von der Behandlung des vorher mit
Säure versetzten Oeles herrührt, ist natürlich von entschieden alkalischer und
caustischer Beschaffenheit. Sie enthält mehr oder weniger Carbolsäure und Homologe
derselben in Lösung, durch deren Gegenwart ihre giftigen Wirkungen ohne Zweifel
wesentlich verstärkt werden. Eine Probe dieser Lauge, welche mehr Wasser als
gewöhnlich enthielt, tödtete hineingesetzte Fische binnen zehn Minuten; mit 3 Thln.
Wasser verdünnt, übte sie ihre verderbliche Wirkung binnen zwanzig Minuten aus; in
der Verdünnung mit 20 Thln. Wasser binnen fünfundzwanzig Minuten; mit 100 Thln.
Wasser binnen dreißig Minuten, mit ihrem 1000fachen Volum Wasser verdünnt, nach
zwanzig Stunden; in der mit ihrem 10000fachen Volum Wasser verdünnten Lauge starben
hingegen die Fische nicht, wohl aber erkrankten sie.
Auch mit rohem Schieferöl und mit den aus demselben dargestellten raffinirten Oelen, sowie mit
pennsylvanischem Petroleum und den aus ihm gewonnenen gereinigten Oelen wurden
Versuche angestellt. Das rohe Schieferöl tödtete die Fische noch nach der Verdünnung
mit 1000 Thln. Wasser; es wirkte am stärksten; dann folgte in dieser Beziehung das
Schmieröl, darauf das Brennöl; am schwächsten wirkten die Leichtöle.
Das pennsylvanische Petroleum zeigte nicht so starke giftige Eigenschaften wie das zu
den Versuchen angewendete Schieferöl. Das rohe Schieferöl, mit seinem 1000fachen
Volum Wasser verdünnt, tödtete die hineingesetzten Fische binnen zwölf Stunden;
pennsylvanisches Rohpetroleum dagegen, in gleicher Verdünnung angewendet, erst
binnen vierundzwanzig Stunden. Die raffinirten Oele wirkten in entsprechender Weise;
die Fische starben in raffinirtem, mit 1000 Thln. Wasser verdünntem Schieferöl nach
vierundzwanzig, in gleich stark verdünntem, raffinirtem pennsylvanischem Oel erst
nach achtundvierzig Stunden.
Der hier in Rede stehende Gegenstand wird, aller Wahrscheinlichkeit nach, demnächst
eine größere Wichtigkeit gewinnen als er jetzt hat, da die mit
der Darstellung von Leuchtgas verbundene Fabrication von rohem Paraffinöl
bereits in einer unserer schottischen Gasanstalten eingeführt worden ist. Das dazu
verwendete Material ist die Newbattle Gas- oder Cannelkohle, welche bei der
Destillation in gewöhnlichen Gasretorten bei Hellkirschrothhitze ungefähr 11000
Kubikfuß Gas liefert, dessen Leuchtkraft vierunddreißig Normal-Wallrathkerzen
auf je fünf per Stunde verbrannte Kubikfuß Oelgas
beträgt. Wird dagegen diese Kohle bei niedrigerer Temperatur (bei
Dunkelrothglühhitze) in größeren Retorten destillirt, wie sie in gewöhnlichen
Paraffinölfabriken gebräuchlich sind, so gibt sie nur 3000 bis 3500 Kubikfuß Gas,
dessen Leuchtkraft der von dreißig Kerzen auf je fünf per Stunde verbrannte Kubf. Gas entspricht, so daß zwei Dritttheile der
gesammten Gasmenge, welche die Kohle zu liefern vermag, geopfert werden; dagegen
werden dann etwa sechzig Gallons rohes Paraffinöl vom specifischen Gewichte 0,900
bis 0,905 gewonnen. Die in Rede stehenden Gasanstalten sind eigentlich
Rohparaffinöl-Fabriken, in denen Gas verwerthet wird, und da diese Abänderung
in der Bearbeitungsweise der Kohle sich als vortheilhaft erweist, so werden
wahrscheinlich noch andere Gasanstalten diesem Beispiele nachfolgen und in
Wirklichkeit sich in Rohparaffinöl-Fabriken, welche mit Raffiniranstalten
verbunden sind, umwandeln.