Titel: | Die elektromagnetische Bremsvorrichtung für Eisenbahnwagen, von August Achard. |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. C., S. 366 |
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C.
Die elektromagnetische Bremsvorrichtung für
Eisenbahnwagen, von August
Achard.
Aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und
Architektenvereins, 1866 S. 187.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Achard's elektrischer Eisenbahnwagenbrems.
Die kaum vierzig Jahre bestehenden Locomotiv-Eisenbahnen sind heute in allen
civilisirten Ländern das Haupttransportmittel, sowohl für Personen als auch für
Waaren.
Das Publicum kümmert sich daher mit Recht um die, in dieses Fach der Technik
einschlagenden Verbesserungen und Erfindungen, worunter diejenigen, welche auf
Sicherheit der Fahrt hinarbeiten, offenbar die erste Berücksichtigung verdienen.
Unter die Sicherheitsvorrichtungen für die Fahrten auf Eisenbahnen gehören nun auch
gut und solid construirte und schnell und sicher wirkende Bremsen oder
Hemmvorrichtungen. Eine große Anzahl von mechanischen Apparaten ist dafür in
Vorschlag gebracht worden, und die wenigen verwendbaren hatten einen mittelmäßigen
und nicht unbestrittenen Erfolg.
Eine vollkommene Construction einer Bremsvorrichtung ist erst dann erreicht, wenn
irgend eine Person auf dem dahineilenden Zuge die Bremse ohne Zeitverlust und ohne
viel Kraftaufwand kräftig wirken lassen kann. Wenn eine Gefahr eintritt, ist bei der
großen Schnelligkeit des Zuges schon eine Secunde Zeit mehr oder weniger ein
ungeheurer Gewinn oder Verlust.
Dieses Ziel hatte der Ingenieur Achard vor Augen, und hat das Problem auch nahezu gelöst, so daß die
Akademie der Wissenschaften in Paris sich bewogen fand, ihm den Monthyon'schen Preis von 2500 Franken zuzuerkennen.Der Hauptinhalt des Berichtes, welcher der
französischen Akademie über Achard's elektrische Bremsvorrichtung erstattet wurde, ist
im polytechn. Journal Bd. CLXXX S.
415 mitgetheilt. A. d. Red. Diese Zeilen haben nicht
den Zweck, die in Frankreich und Belgien angestellten Versuche anzuführen, da in
neuester Zeit auch österreichische Ingenieure auf einheimischen Bahnen die neue
elektromagnetische Bremsvorrichtung selbst untersucht und erprobt haben, und die
Veröffentlichung der gewonnenen Resultate wohl nur denjenigen zu überlassen ist,
welche mit wahrer Sachkenntniß diesen speciellen Theil des Eisenbahnwesens zu behandeln
verstehen. Es soll hier nur die neue elektromagnetische Bremsvorrichtung in Bild und
Beschreibung vorgeführt werden, unbeschadet, ob selbe sich wirklich in der Praxis so
vollkommen bewähren wird, als von vielen Seiten gehofft wird.
Das wesentliche Princip der Anwendung der elektromagnetischen Bremsvorrichtung an den
Eisenbahnwagen besteht darin, sich der bei der Umdrehung der Wagenräder sich
entwickelnden Kraft zu bedienen, theils um diese zum Hemmen und Aushemmen, theils
zur Hervorbringung der Warnungssignale zu benutzen.
Fig. 29 und
30
stellen die Seitenansicht und den Grundriß des elektromagnetischen Bremsapparates
dar.
Die Uebertragung der bei der Umdrehung der Räder entwickelten Kraft auf den jetzt
gebrauchten großen Hebel der Bremswelle ist durch eine excentrische Scheibe B bewirkt, die auf eine der Achsen befestigt ist und
durch einen Hebel C auf dem Gestelle schwingt, der
mittelst einer Feder H auf die excentrische Scheibe B gedrückt wird. Während der Umdrehung der Räder theilt
diese Scheibe B dem Hebel C
eine auf- und abgehende Bewegung mit. Der Hebel C
trägt einen Sperrkegel, welcher in das Sperrrad F
greift. Das Sperrrad F sitzt auf der Welle M fest. Auf der Welle M
sitzt ein mit Magneten versehener Cylinder N, bestehend
aus kreisförmigen und horizontalen elektrischen Bobinen.
Auf beiden Seiten des Elektromagnetes sind die gußeisernen Muffe O, O befestigt, welche durch die Scheiben 1, 1 aus
weichem Eisen mit den Polen des Elektromagnetes verbunden sind.
Diese beiden Muffe dienen auch als Aufwindwalzen für die dreiendige Kette 4.
Beim Aufwinden der Kette 4 hebt sich der Hebel 2, der seinen Stützpunkt an der
Querwelle 3 hat, und wirkt auf die Hemmschuhe 5.
Im normalen Zustande sind alle Theile schwebend gehalten und zwar durch die Wirkung
eines am Gestelle befestigten Elektromagnetes K mit vier
Polen und einer gleitenden Gelenkstange I, so daß sich
die excentrische Scheibe B drehen kann, ohne den Hebel
C zu berühren.
Die Hemmung.
Die elektrischen Drähte, welche auf den magnetischen Cylinder N, die Muffe O, O und den Elektromagnet K wirken, sind durch Kautschuk isolirt, und gehen nach
dem Tender, wo ein Commutator angebracht ist. Will der Maschinist bremsen, so bewegt
er eine kleine Handhabe des Commutators seitwärts. Durch diese Bewegung wird die
elektrische Strömung unterbrochen, der Hebel C fällt
sonach auf die Excenterscheibe
B und durch die auf- und absteigende Bewegung des
Sperrkegels wird dem Sperrrade eine rotirende Bewegung ertheilt. Das Sperrrad,
welches auf der Welle M festsitzt, auf welcher sich auch
die Muffe O, O befinden, windet sonach die Kette 4 auf,
hebt den Hebel 2, und drückt durch diesen Mechanismus die Hemmschuhe an die
Wagenräder.
Soll keine vollständige Hemmung stattfinden, sondern nur ein gewisser Druck auf die
Tyres ausgeübt werden, so genügt es, den Strom durch den Elektromagnet K nach seiner Unterbrechung wieder herzustellen, und ihn
in dem magnetischen Cylinder N circuliren zu lassen.
Um die Bremse wieder ganz außer Wirksamkeit zu setzen, bewegt man die obenerwähnte
Handhabe des Commutators in ihre frühere Stellung zurück; der Strom in dem
magnetischen Cylinder N wird dann unterbrochen, die
Anziehungskraft läßt nach, die Muffe O, O werden frei
und die Kette 4 entwickelt sich; die Hemmschuhe 5 entfernen sich folglich von den
Tyres, damit sich das Rad wieder frei bewegen kann.
Jos. Escha.