Titel: | Neuer Dicken- oder Taster-Zirkel; von E. Faivre, Civilingenieur zu Nantes. |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. CIII., S. 370 |
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CIII.
Neuer Dicken- oder Taster-Zirkel;
von E. Faivre,
Civilingenieur zu Nantes.
Im Auszuge nach Armengaud's Génie industriel, September 1866, S.
119.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Faivre's Taster-Zirkel.
Es ist hinlänglich bekannt, daß die mit den gewöhnlichen Mitteln ausgeführten
Messungen mit mannichfachen Fehlern behaftet sind und daß man, namentlich bei der
Ausführung von Präcisions-Apparaten, wo es sich oft, um den richtigen Gang
der einzelnen Maschinentheile zu erhalten, um Differenzen von einigen Hunderteln
eines Millimeters handelt, nur durch wiederholtes Probiren unter Aufwand von vieler
Mühe und Zeit zu einer gelungenen Arbeit kommen kann, wenn man den Apparat mit der
gehörigen Genauigkeit ausstatten will. Zu den Operationen, die hierher gezählt
werden dürfen, gehört namentlich die genaue Messung von kurzen Längen, der Dicke von
Wellen und Zapfen, des Durchmessers von Bohrungen u.s.w. – Das Princip,
welches dem Constructeur erst jüngst patentirt wurde, läßt sich in Wirklichkeit auf
alle Arten von Zirkeln und ähnlichen Instrumenten für genaue Messungen in Anwendung
bringen.
Wenn wir die von Faivre bei der Construction seines
Taster-Zirkels (von den französischen Arbeitern „Maître de danse“ genannt)
angewendete principielle Construction in ihrer größten Allgemeinheit bezeichnen
wollen, so müssen wir sagen, daß die neuen Anordnungen darin bestehen, daß der
Zirkel mit einer kleinen Theilmaschine versehen ist, bei welcher der eine Schenkel des
Zirkels mit der Schraube, der andere aber mit der drehbaren und progressiven
Schraubenmutter in geeigneter Weise verbunden, während die Schraube mit einer
mikrometrischen Vorrichtung versehen ist, welche noch die Messung von sehr kleinen
Bruchtheilen eines Schraubenganges gestattet. Wenn daher die Schraube ihrer ganzen
Länge nach genau geschnitten worden ist, und jeder Schraubengang einem kleinen
Theile der gebräuchlichen Längeneinheit, z.B. 1 Millimeter, 1 Linie u. dgl.
entspricht, und der Kopf des Mikrometers wird von einem hinreichend großen
Durchmesser gewählt, so kann man leicht noch die Hundertel eines Schraubenganges mit
der größten Genauigkeit messen. Ein auf diese Weise angeordneter Zirkel kann dann
nicht bloß zum genauen Messen kleinerer oder größerer Dimensionen dienen, sondern
auch, wenn man will, sogar als Theilmaschine functioniren; man braucht nur die
unteren Schenkel des Zirkels dazu in gehöriger Weise anzuordnen.
Der Dicken- oder Taster-Zirkel, welchen Faivre construirte und der präcis und rasch die Oeffnung der Enden der
Schenkel gestattet und anzeigt, ist in Fig. 1 in einer
Haupt-, in Fig. 2 in einer Seitenansicht, in Fig. 3 bis 10 in seinen Details
dargestellt. Hierin bedeutet Fig. 3 einen
Verticalschnitt des vorderen Theiles, an welchem die Verbindung der
Mikrometerscheibe mit der Schraube, und dieser mit dem einen Arm O des Zirkels, in Fig. 4 aber die
Verbindungsweise der hohlen Schraube C mit der
Hauptschraube durch einen Horizontalschnitt deutlich abgebildet ist; in Fig. 5 ist eine
obere Ansicht der Mutterschraube C in ihrer Verbindung
mit dem Maaßstabe E angegeben, während in Fig. 6 ein zur
Achse der Hauptschraube in der Richtung von 1–2 perpendiculärer Schnitt und
in Fig. 7 ein
Querschnitt nach der Richtung von 3–4 für die Mutterschraube dargestellt ist;
die Anordnung des Lagers bei x sieht man an dem nach der
Richtung 5–6 gelegten Querschnitte in Fig. 8. – Fig. 9 zeigt
die Verbindungsweise der beiden Zirkelarme, und endlich ist in Fig. 10 die Scheibe G, in welche das Zifferblatt eingesetzt ist,
angezeigt.
Die Hauptschraube oder Spindel A, welche, wie wir bereits
erwähnt haben, in der sorgfältigsten Weise geschnitten seyn muß, wird mittelst des
Schraubenkopfes B nach rechts oder links gedreht, je
nachdem die Enden des Zirkels von einander entfernt oder einander genähert werden
sollen; jeder volle Umgang des Schraubenkopfes entspricht dann bei der vorliegenden
Anordnung einem Millimeter. (Es dürfte übrigens zweckmäßig seyn, bei einer
wirklichen Einstellung, wobei alle Theile des Zirkels mit in Bewegung kommen, um den
sog. todten Gang zu vermeiden, die Bewegung des Schraubenkopfes bloß nach einem
Sinne, nämlich nach dem,
in welchem die Schraube selbst geschnitten ist, und eine entgegengesetzte Bewegung
nur dann vorzunehmen, wenn die Verbindung der einzelnen Organe unter sich vorher
gelüftet wurde; es ist dieß hier um so leichter auszuführen, als von dem
Constructeur, wie die detaillirten Abbildungen dieß zeigen, schon ohnehin hierfür
vorgesorgt ist.) Die Spindel ist mit der Schraubenmutter C so verbunden, daß letztere jeder, auch der geringsten Drehung folgend,
fortschreitend sich bewegen muß; einerseits steht die Mutterschraube mit dem
Zirkelarme D in zweckmäßiger Verbindung, so daß also
dieser, folglich auch das Ende desselben der Bewegung der hohlen Schraube in dem
entsprechenden Sinne folgt; andererseits finden wir, wie in Fig. 1, 5 und 7 dieß deutlich sichtbar
ist, an der Mutterschraube C einen Index d angebracht, welcher die Oeffnung des Zirkels an dem in
Centimeter und Millimeter eingetheilten Maaßstabe E
direct ablesen läßt. Jede volle Umdrehung der Spindel, sowie Bruchtheile eines
Millimeters werden an dem Zifferblatte, das hier als Mikrometer dient, abgelesen.
Die Verbindung des letzteren mit der Spindel (Fig. 1 und 3) läßt erkennen, daß das
Zifferblatt F, das bloß, wie der Minutenzeiger einer Uhr
über eine um den vorderen Theil der Spindel gelegte Röhre H mit der Scheibe G gesteckt ist, sowohl für
sich gedreht und in diesem Falle auf den fixen Pfeil g
eingestellt werden kann, als auch mit der Spindel sich drehen wird, wenn die
Manipulationen an dem Schraubenkopfe B vor sich gehen.
Mittelst der Schraube g' ist nämlich die Scheibe G (Fig. 3 und 10) an dem Stücke H befestigt, und auf den vorderen Theil der Welle ist
die an ihrer Außenfläche mit schraubenartigen Einschnitten versehene Röhre h gelegt, welche durch die Schraube m festgehalten wird; mittelst einer hohlen Schraube n wird das Zifferblatt F
gegen das Stück h gedrückt, und zwischen beiden befindet
sich zur Herstellung der sanften Bewegung bei der etwaigen alleinigen Umdrehung des
Blattes F der biegsame federnde Ring n'. Mittelst der hohlen Schraube n bleibt das Zifferblatt beständig gegen die Scheibe G gedrückt, so daß sie, wenn der Schraubenkopf B, der bloß eine Gegenmutter bildet, gedreht wird, ihre
gleichmäßige Umdrehung mit der Spindel annimmt. Da das Zifferblatt F in hundert gleiche Theile getheilt ist, so wird man,
wenn vor der auszuführenden Messung der Nullpunkt desselben auf den fixen Pfeil g eingestellt wird, an demselben die Zehntel und
Hundertel eines Millimeters angeben können.
Nachdem wir so die Einrichtung des sinnreichen Taster-Zirkels von Faivre hinreichend beschrieben haben, bleibt uns nur noch
übrig, zu erwähnen, in welcher Weise der Apparat behandelt werden muß, um die
Abnutzung der einzelnen Organe zu vermeiden. Vor Allem sehen wir (Fig. 4–7), daß die
Mutterschraube C in der Art mit der Spindel verbunden
ist, daß man nach Belieben die Enden des Zirkels einander nähern oder von einander
entfernen kann, und daß man ebenso den Zeiger d
einstellen kann, ohne daß hierbei die Schraube A gedreht
wird. Die Schraube C wird nämlich mittelst der Stücke
i, i, die mit den Hebeln j,
j in gegliederter Verbindung stehen, unter gewöhnlichen Umständen gegen die
Spindel A angedrückt, so daß sie mit dieser zum
Eingriffe kommt, da eine auf der abgewendeten Seite angebrachte Feder M jeden dieser um ihre Achse k drehbaren Hebel J beständig gegen das
zugehörige Stück i drückt. Werden hingegen die beiden
Knöpfe L, L gegen einander, nämlich nach A hingedrückt, so wird jene Verbindung gelüftet, die
Mutterschraube kommt außer Eingriff mit der Spindel A
und es kann daher jede Bewegung der einzelnen Organe vorgenommen werden, ohne daß
man die Schraube A dabei zu Hülfe nimmt. Hat man nun
während des Andrückens der beiden Knöpfe L, L die
willkürliche Einstellung der beiden Zirkelenden, sowie das Zurückführen des Index
d auf den Nullpunkt des Maaßstabes vorgenommen, so
wird der Apparat wieder für die Operationen vorbereitet seyn, sobald man auf die
Knöpfe L, L keinen Druck mehr ausübt; von diesem Momente
an kommt nämlich die Schraube mit der Spindel wieder zum Eingriffe, und die
Benutzung des Zirkels kann von Neuem beginnen.
Die sinnreiche Anordnung, welche Faivre dem Zirkel selbst
gegeben hat, ist aus Fig. 1, 2 und 9 zu erkennen. Jeder Arm des Zirkels besteht nämlich, wie man sieht,
oberhalb ihrer gemeinschaftlichen Drehungsachse q, aus
zwei Platten, deren gegenseitige Entfernung mittelst der zugehörigen Schraube P geregelt werden kann. Um ihre Achse q ist ein Muff Q gelegt, der
mit seinen conischen Zapfen durch die Doppelschenkel geht, und hier mittelst der
eingeschraubten Ansätze R und S und der an der Achse angebrachten Gegenmutter T die leicht zu corrigirende Verbindung der beiden Doppelschenkel
herstellt. Um das Entfernen und Annähern der beiden Arme des Zirkels beim Drehen der
Spindel A in sanfter Weise und stetig ausführen zu
können, ist um den Muff Q eine Spirale u gelegt, deren äußeres Ende an der Correctionsschraube
V festgemacht ist. Mittelst der letzteren kann die
Spirale u so weit verkürzt oder verlängert werden, daß
der Druck, mit welchem dieselbe gegen die beiden Schenkel des Zirkels wirkt, um
dieselben von einander zu entfernen, der Kraft nahezu gleich wird, mit welcher beide
Schenkel durch Anziehung der Schraube T an einander
gepreßt werden. Vermöge dieser Anordnung läßt sich daher der Zirkel für sich schon
so rectificiren, daß die gegenseitige Annäherung und Entfernung feiner Schenkel nur
einen äußerst geringen
Kraftaufwand erfordert. Es versteht sich von selbst, daß jeder der beiden
Doppelschenkel des Zirkels an seinem oberen Ende mit der zugehörigen Schraube in der
Weise, nämlich gelenkartig, verbunden seyn muß, daß das obere Ende des Schenkels O unveränderlich feine Lage beibehalten, das des
Schenkels D aber einen Kreisbogen beschreiben kann,
dessen Länge dem Wege gleich ist, den der Index d
beschreibt.