Titel: | Chemisch-technische Notizen; von Dr. Georg Lunge. |
Autor: | Georg Lunge [GND] |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. CIX., S. 385 |
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CIX.
Chemisch-technische Notizen; von Dr.
Georg Lunge.
(Fortsetzung von Bd. CLXXXI S. 462.)
Lunge, über Darstellung von künstlichem Kalisalpeter.
III. Zur Darstellung von künstlichem
Kalisalpeter.
Die schon vorher aufgekommene Industrie, den Natronsalpeter in Kalisalpeter
überzuführen, erhielt durch den nordamerikanischen Bürgerkrieg einen enormen
Aufschwung. Der Verbrauch an Salpeter zu Schießpulver in Amerika war so massenhaft,
daß man zweifeln muh, ob der natürliche Kalisalpeter, dessen Production ja eine eng
begrenzte ist, auch bei der größten Anstrengung der Producenten die Nachfrage
überhaupt hätte befriedigen können. Wie die Sache aber stand, stieg nicht einmal
sein Preis zu einer ungewöhnlichen Höhe; man hat sich überzeugt, daß man die Zufuhr
von natürlichem Salpeter ganz würde entbehren können, ohne Nachtheil für die
Industrie fürchten zu müssen, da man vollkommen reinen Kalisalpeter in jeder
beliebigen Quantität aus Chilisalpeter und Chlorkalium produciren kann, welche beide
in unerschöpflichen Massen vorhanden sind. In Deutschland ist dieß allerdings nicht
die gewöhnliche Methode der Salpeterfabrication (wie ich sie der Kürze wegen nennen
werde); hier steht sie in enger Verbindung mit der Fabrication der Schlempenkohle
und Rübenpotasche. In der That war die letztere, wie man sie durch einfaches
Eindampfen und Calciniren der Lösung von Schlempenkohle erhielt, wegen ihres großen
Gehaltes an Soda zu vielen anderweitigen Verwendungen der Potasche nicht tauglich;
außerdem sprach auch schon das allgemeine Vorurtheil der Consumenten gegen sie,
welche sich Anfangs durch die hohe alkalimetrische Grädigkeit dieser Potasche über
ihren Werth hatten täuschen lassen, und, nachdem sie ihren Schaden entdeckt hatten,
gar nichts mehr von Rübenasche wissen wollten; man kann ihnen dieß auch kaum
verdenken, angesichts der verhältnißmäßig schwierigen und nur dem Chemiker leicht möglichen Bestimmung des wirklichen Kaligehaltes
neben dem Natron. Dieß zwang also die Fabrikanten der Schlempenkohle, resp. der
Rübenasche, sich nach anderen Verwendungen für sie umzusehen, und man schlug dabei
in Deutschland und Frankreich verschiedene Wege ein. In Deutschland verwendete man
die Rübenasche, oder die rohe Lösung der Schlempenkohle zur Umsetzung mit
Chilisalpeter in Kalisalpeter und Soda; das in der ersteren immer vorkommende
kohlensaure Natron schied sich natürlich zugleich mit dem künstlich gebildeten ab,
und wurde in der einfachsten Weise von dem Kali getrennt und verwerthet. In
Schlesien und am Rhein z.B. entstanden große Fabriken der Art, welche alle
erreichbare Schlempenkohle auf diese Weise verarbeiteten. In Frankreich aber bemühte
man sich, die einzelnen Bestandtheile der Schlempenasche schon in der Fabrication zu
trennen, und daraus reine Potasche, Soda u.s.f. zu gewinnen; dieß ist auch
vollkommen gelungen, und wird bis heutigen Tages in großartigen Fabriken ausgeführt.
Der Trennungsproceß beruht auf fractionirten Krystallisationen, und ist, nach
Kuhlmann's Angaben,
ausführlich in Hofmann's Report of the Juries p. 55 ff. beschrieben. Ohne Zweifel
ist diese Verwendung der Schlempenasche weit rationeller als die in Deutschland
übliche; daneben existirt auch in Frankreich eine große Fabrication von
Kalisalpeter, aber nur mit Hülfe des billigen schottischen oder Staßfurter
Chlorkaliums. Uebrigens werden die Meisten der Bemerkung Hofmann's (a. a. O. p. 43) beipflichten, daß man überhaupt die Gewinnung von Kalisalzen aus
dem Ackerboden, durch Vermittlung, der Rüben, nicht als eine legitime Quelle
derselben ansehen darf, da eine fortgesetzte Ausbeutung der Art den Boden
unfruchtbar machen würde. Es kommt eben darauf an, was billiger und wirksamer ist,
ob die Zurückgabe der Salze an die Ackerkrume in Form von Schlempe, oder eine Zufuhr
von Staßfurter Salz; eine Frage, deren Erörterung nicht hierher gehört.
In England, wo es keine Rübenzuckerindustrie und mithin keine Schlempenasche gibt,
ist man, zur Umsetzung mit Chilisalpeter, ganz auf das Chlorkalium angewiesen.
Früher war fast die einzige Quelle dafür die Verarbeitung von Kelp in Schottland;
jetzt hat sich das Verhältniß so geändert, daß Staßfurter Chlorkalium bis nach
Schottland geht. Die Salpeterfabrication wird sowohl in Schottland als in England im
größten Maaßstabe betrieben. Ich werde im Folgenden die Bemerkungen darüber
mittheilen, welche ich in drei verschiedenen englischen und schottischen Fabriken
gemacht habe, muß aber hinzufügen, daß ich diese Fabriken noch während des
amerikanischen Krieges, also in vollster Thätigkeit, gesehen habe; jetzt ist eine
davon ganz eingestellt und die anderen haben vermuthlich ihre Operationen
eingeschränkt. Als allgemeine Bemerkung und um den Vorzug der englischen gegen die
deutsche Salpeterfabrication in diesem Punkte hervorzuheben, schicke ich voraus, daß
nach Hofmann (a. a. O. p. 47)
gerade die Reaction zwischen Natronsalpeter und Chlorkalium weit vollständiger ist
als die mit irgend einem anderen Kalisalze, mit alleiniger Ausnahme von Kalihydrat;
man wird im Nachstehenden beide Methoden beschrieben finden.
In der einen schottischen Fabrik fand ich folgendes Verfahren. Gereinigter
Natronsalpeter (Chilisalpeter einmal umkrystallisirt) und deutsches Chlorkalium
wurden in einem großen eisernen Gefäße in äquivalenten Verhältnissen und in einer
bestimmten Wassermenge aufgelöst, wobei die Temperatur durch Einleiten von Dampf
beinahe bis zum Siedepunkte gesteigert wurde. Beim Erkalten schießt eine sehr
reichliche Krystallisation von Kalisalpeter an den Wänden des Gefäßes an. Die
Mutterlauge enthält fast alles Kochsalz und nur wenig Salpeter; man pumpt sie aus
den Krystallisirständern in eiserne Kessel von etwa 6 Fuß Durchmesser, in welchen
sie eingedampft wird. Die Kessel müssen immer sauber und rostfrei gehalten werden;
in diesem Falle verunreinigen sie die Laugen nicht. Beim Eindampfen der Mutterlauge
scheidet sich fortwährend Kochsalz in der Flüssigkeit aus, welches man herausdrücktherauskrückt und auf schiefen Ebenen ablaufen läßt, so daß das Ablaufende in den Kessel
zurückfließt. Man speist die Kessel immer wieder mit neuer Mutterlauge, und gelangt
nach einiger Zeit dahin, eine Lösung zu erhalten, in welcher wieder viel Salpeter
concentrirt ist, da sich derselbe in der stets siedenden Lösung anhäuft, während das
Kochsalz sich natürlich, sowie seine Sättigungsgrenze erreicht ist, fortwährend
ausscheidet. Wenn man also so lange fortgearbeitet hat, so läßt man die Lösung
wieder in die Krystallisirgefäße laufen und abkühlen; man erhält, wie das erstemal,
eine Krystallernte von Salpeter und eine Mutterlauge, welche ganz der ersten
gleicht. Sie wird dann auch der ersten Mutterlauge zugesetzt und mit ihr
gemeinschaftlich verarbeitet; es findet gar kein Zurückstellen irgend welcher Laugen
statt, sondern die Arbeit kann in der beschriebenen Weise continuirlich weitergehen.
Dieses so einfache Verfahren wird natürlich nur dadurch ermöglicht, daß man von
vornherein reine Materialien anwendet. Der umkrystallisirte Natronsalpeter ist fast
chemisch rein, und die Hauptverunreinigung des Staßfurter Chlorkaliums besteht nur
in Kochsalz, welches für diesen Zweck selbstverständlich durchaus unschädlich
ist.
Von den so gewonnenen Umsetzungsproducten wird das Kochsalz nach dem Abtropfen noch
etwas mit Wasser gewaschen, um möglichst viel von der anhängenden Mutterlauge zu
gewinnen. Eine Verwerthung hat sich für dieses Salz dort noch nicht gefunden; es ist
unverkäuflich und wird weggeworfen. Mir wurde angegeben, daß die darin
zurückbleibenden Reste von Salpeter und anderen Kalisalzen seine Verwendung hindern;
diese Reste können freilich nur sehr unbedeutend seyn, und in Ländern, wo das Salz
einen größeren Werth als in England hat, würde man sicher schon eine Verwendung für
jenes Product finden. Das eigentliche Fabricationsproduct, der Salpeter, bedarf noch
der Raffination, bevor
er zur Pulverfabrication tauglich ist. Er wird in der geringsten Menge Wassers in
der Siedhitze aufgelöst, die Lösung durch leinene Beutel filtrirt, und in langen,
hölzernen, mit Kupfer ausgeschlagenen Trögen (20' × 5') erkalten gelassen,
wobei man durch fortwährendes Umrühren mit Stangen die Bildung eines feinen
Krystallmehles veranlaßt. Dieses Mehl wird dann in hölzernen Trögen mit schiefen
Wänden und Doppelboden gewaschen etc.Die
Mutterlaugen und Waschwässer gehen in den Fabricationsproceß
zurück. Eine nähere Beschreibung ist unnöthig, weil das
Raffinirverfahren und die Gestalt aller Gefäße dazu ganz genau mit der von Knapp in seinem Lehrbuche der chemischen Technologie
schon vor 20 Jahren gegebenen Beschreibung übereinstimmt. Ich will nur noch
ausdrücklich bemerken, daß in dieser Fabrik, ganz wie es in Knapp's Lehrbuch vorgeschrieben ist, die Gefäße
nicht von Eisen, sondern von Kupfer sind. Man hat in neuerer Zeit sehr vielfach das
theure Kupfer auch da, wo man es früher für unumgänglich hielt, durch Eisen ersetzt,
und nur in jener Fabrik fand ich es noch vor. Im Ganzen macht dieser Theil derselben
den Eindruck, als ob hier wirklich einmal der seltene Fall eingetreten sey, daß eine
Fabrik nach den Vorschriften und Zeichnungen eines Lehrbuches errichtet worden ist;
erklärlich wäre dieß leicht, da Knapp's Buch in einer englischen erweiterten Bearbeitung in England
sehr verbreitet ist.
Das Waschen des Salpetermehles wird so lange fortgesetzt, bis dasselbe, mit
salpetersaurem Silber geprüft, nur noch ein Hundertstel Procent Chlornatrium zeigt,
wie es die Pulverfabriken jetzt verlangen. Dann kommt es in die Trockenstuben, deren
zwei vorhanden sind, welche übereinander liegen. Sie sind etwa 15' hoch, und daher
so luftig, daß eine künstliche Ventilation nicht stattzufinden braucht. Der Salpeter
wird in ihnen auf hölzernen, mit einem Rande versehenen Tafeln ausgebreitet, welche
rings um die Wände herumgehen. Die Erwärmung geschieht durch einen auswendig
angebrachten Feuerherd, dessen Flamme in einem gemauerten Canale am Boden der
Trockenstuben um drei Seiten derselben herumgeht und dann ganz auf demselben Wege
zurückkehrt; der zweite Canal liegt neben dem ersteren, jedoch so, daß ein
Zwischenraum zwischen beiden vorhanden ist, um mehr strahlende Oberfläche zu
haben.
In der anderen schottischen Fabrik ist das Princip der Salpeterfabrication ganz
dasselbe; aber die Gefäße und anderen Einrichtungen sind mehr den neueren Ideen und
Erfindungen entsprechend, und in der That soll auch in dieser Fabrik eine größere
Ausbeute erreicht werden. Zur Auflösung des Natronsalpeters und Chlorkaliums dienen enorm große, eiserne,
bedeckte Kessel. Ich konnte nicht beobachten, ob die Lösung erst einfach durch
Erkalten zum Krystallisiren gebracht und der ausgeschiedene Salpeter noch einmal
aufgelöst wurde, oder ob die Lösung aus dem ersten Kessel sofort unter Umrühren
krystallisirt wurde. Zu dem letzteren Zwecke war eine Reihe oblonger
schmiedeeiserner Gefäße von etwa 4 Fuß Tiefe vorhanden, über welche eine horizontale
mit der Dampfmaschine in Verbindung stehende Welle hinlief, und in jedem einzelnen
Gefäße befand sich eine stehende Rührwelle, welche durch eine einfache Ein-
und Ausrückungsvorrichtung in Bewegung gesetzt oder stillgestellt werden konnte. Es
liegt auf der Hand, daß dieses mechanische Umrühren viel wirksamer und für einen
großen Betrieb geeigneter ist, als das von Menschenhänden. Das ausgeschiedene
Salpetermehl wird dann in hölzernen Trögen mit Doppelboden, welche mit Blei
ausgeschlagen sind, zum Abtropfen gebracht und gewaschen, ganz ähnlich wie in der
vorigen Fabrik. Nach Beendigung des Waschens wird der größte Theil der anhängenden
Flüssigkeit durch eine Centrifuge ausgeschleudert und dadurch natürlich sehr viel an
Zeit, Raum und Feuerung beim Trocknen erspart. Auch in dieser Fabrik giengen alle
Mutterlaugen wieder vollständig in die Fabrication zurück, obgleich sie nicht
gereinigten Chilisalpeter zu verwenden schien.
Das interessanteste Verfahren aber fand ich in einer Fabrik in Lancashire, obwohl sie
in vielen Details nicht so rationell eingerichtet war als die eben erwähnte
schottische Fabrik. Hier wird die Reaction zwischen Aetzkali und salpetersaurem
Natron zu Grunde gelegt; diese beiden setzen sich vollständig zu salpetersaurem Kali
und Aetznatron um, welches letztere dann in den gewöhnlichen festen Zustand der
Handelswaare gebracht wird. Als Ausgangspunkt für die Zufuhr von Kali dient wiederum
das Chlorkalium, allerdings nicht ganz ausschließlich, da auch etwas schwefelsaures
Kali von der Kelpverarbeitung in Schottland (plate
sulphate) verwendet wird; dieses Salz ist jedoch nicht in hinreichender
Menge zu erlangen, und man ist hauptsächlich darauf angewiesen, Chorkalium durch
Behandlung mit Schwefelsäure in schwefelsaures Kali zu verwandeln. Dieß geschieht
genau in derselben Weise, wie die Umwandlung des Kochsalzes in Glaubersalz bei der
Sodafabrication, und in den identischen Apparaten und Oefen. Für die Zersetzung des
Chlorkaliums scheint eine höhere Temperatur als für die des Chlornatriums
erforderlich zu seyn; zwar wurde mir dieß in der betreffenden Fabrik nicht
angegeben, und ist dort vielleicht kaum bemerkt worden, weil man sich genau
derselben dicken gußeisernen Schalen wie beim Sodaproceß bediente; aber es liegt mir die Thatsache vor,
daß eine französische Sodafabrik, welche ihr Salz in Bleipfannen zersetzt, auch
Chlorkalium darin zu behandeln versucht hatte, und durch das Schmelzen der Pfanne
daran verhindert wurde.
Das wie auch immer erhaltene schwefelsaure Kali wird nun zunächst in kohlensaures
verwandelt, und zwar nach Leblanc's Proceß, indem es mit Kalkstein und Kohle gemischt in
wirklichen Sodaöfen verschmolzen wird. Es liegt nahe genug, diesen Proceß überhaupt
der Industrie zur Fabrication von Potasche dienstbar zu machen; aber die
langjährigen und kostspieligen Versuche, welche in dieser Hinsicht in jener (sehr
gut geleiteten) Fabrik gemacht worden waren, hatten zu einem negativen Resultate
geführt. Es war überhaupt nur dann möglich eine brauchbare Handelswaare zu erzeugen,
wenn man eine bedeutende Menge (bis zur Hälfte) amerikanischer Perlasche mit
hineinarbeitete; und auch so war kein ökonomisch befriedigendes Resultat zu
erlangen, so daß man die Darstellung von Potasche aus schwefelsaurem Kali wieder
einstellte. Der eigentliche Grund des Scheiterns der Versuche ist mir nicht bekannt
geworden; doch scheint es, als ob die erzielte Potasche ein gar zu unscheinbares
Ansehen gehabt hätte; man konnte sie nicht, wie die Soda, einfach weißbrennen,
sondern mußte sie auflösen, wieder eindampfen und calciniren, und diesen Proceß
sogar mehrfach wiederholen, was natürlich zu kostspielig wurde. Ein ähnliches
Verfahren macht sich nur für wirkliche gereinigte
Potasche (für Glasfabrikanten) bezahlt, welche dann auch wirklich in derselben
Fabrik in großem Maaßstabe, aber nur aus amerikanischer Perlasche dargestellt wurde,
wie ich es in der nachfolgenden Mittheilung besonders beschreiben werde. Vermuthlich
zeigte sich bei den Versuchen über künstliche Potasche nach Leblanc's Verfahren auch der Uebelstand, welchen
man neuerdings bei ähnlichen Versuchen beobachtet hat: nämlich die Bildung von
Cyankalium, wohl auch cyansaurem Kali, welche durchaus nicht gänzlich zu entfernen
sind.
Wenn es also auch nicht gelungen ist, das schwefelsaure Kali auf rentable Weise durch
Leblanc's Proceß in
verkäufliche Potasche umzusetzen, so unterliegt es doch
keinem Zweifel, und wird durch die Betriebsweise der in Rede stehenden Fabrik
ebenfalls erwiesen, daß die Reaction im Flammofen ganz in derselben Weise wie bei
Anwendung von Glaubersalz vor sich geht, und daß daselbst das schwefelsaure Kali
wirklich ebenso gut als das Glaubersalz in kohlensaures Salz verwandelt wird, und
sich als solches in Lösung bringen läßt; die Schwierigkeiten für die Fabrication von
Potasche fangen eben nur bei der weiteren Behandlung dieser Lösung an, welche aber
für den Salpeterproceß eine völlig verschiedene von der für
Potasche-Darstellung ist.
Die Auslaugung der Brode (balls), welche aus dem Ofen
kommen, geht in denselben Apparaten mit ruhender Masse und circulirender Flüssigkeit
vor sich, wie sie bei der Sodafabrication dienen und deren Erfindung von Hofmann für Shanks in Anspruch
genommen worden ist, während nach Muspratt schon früher
Dunlop in Glasgow sie angewendet hatte, und zwar als
eine ausländische Erfindung. In der That ist bis zu diesem Punkte die ganze
Behandlung des Chlorkaliums genau dieselbe wie die des Chlornatriums, und bleibt
auch noch so in dem nächsten Stadium der Caustificirung der Rohlauge durch Kalk.
Dieselbe wird dabei so weit verdünnt, daß eine Kalilauge von 1,070 bis 1,075 spec.
Gewicht entsteht. Wenn die caustische Lauge vom Kalke getrennt ist, wird sie
eingedampft; der Kalk wird nur einmal gewaschen und dann der Austrocknung an der
Luft überlassen. Wenn hinreichend trocken, wird er, mit frischem Kalkstein gemengt,
zur Herstellung der Leblanc'schen Mischung verwendet; die
in ihm noch zurückgehaltene Potasche kommt also dann noch zur Verwerthung. Ganz
dasselbe Verfahren, welches ein längeres Auswaschen des Kalkes unnöthig macht, wird
von verschiedenen Sodafabrikanten in Lancashire bei Herstellung der caustischen Soda
angewendet, und ist jedenfalls sehr empfehlenswerth. Die Potaschelauge selbst wird
zunächst, wie in Lancashire auch gewöhnlich die caustische Sodalauge, in einem
Dampfkessel eingedampft, dann weiter in offenen Pfannen, unter Ausschöpfung der sich
ausscheidenden fremden Salze und anderen Verunreinigungen, bis die Flüssigkeit ein
specifisches Gewicht von 1,50 zeigt. Nun wird eine genau äquivalente Menge von
Natronsalpeter zugesetzt und nach kurzer Einwirkung zur Krystallisation gebracht.
Den sich ausscheidenden Kalisalpeter trennt man von der Mutterlauge, welche jetzt
bedeutend weniger als 1,50 zeigt, dampft diese wieder bis zu demselben specifischen
Gewicht ein, und läßt wiederum erkalten. Man erhält eine zweite Krystallernte von
Kalisalpeter; die Mutterlauge ist gewöhnlich so gut wie ganz frei davon und enthält
nur caustisches Natron und verunreinigende Salze; zuweilen jedoch ist sie noch so
reich an Salpeter, daß man eine dritte Krystallisation desselben vornehmen muß. Was
sich während des Eindampfens abscheidet, ist meist kohlensaures Natron, herstammend
von dem Chlornatriumgehalte des Handels-Chlorkaliums, welcher sich natürlich
ebenfalls als kohlensaures Salz wiederfindet. Die geringen Mengen unzersetzten
Chlorkaliums, Chlornatriums und schwefelsauren Kalis bleiben fast ganz in der
Mutterlauge von caustischer Soda zurück. Die letztere wird weiter eingedampft, zuletzt bis zum
glühenden Flusse, und überhaupt mit ihr ganz wie gewöhnlich verfahren. Man erlangt
jedoch aus ihr nie eine caustische Soda von so schöner weißer Farbe, wie sie sich
jetzt häufig im Handel findet, sondern sie behält immer eine schwach bläuliche
Färbung.
Der in beiden Krystallisationen erhaltene Salpeter wird in eisernen Gefäßen mit
kaltem Wasser, resp. früheren Waschwässern, so lange gewaschen, bis er nur noch 0,1
Proc. Chlornatrium enthält; die Waschwässer werden bei den folgenden Operationen in
systematischer Reihenfolge weiter verwendet. Den gewaschenen Salpeter löst man in
eisernen Kesseln in der Hitze auf, und läßt ihn in anderen eisernen Kesseln (wie sie
sonst zum Krystallisiren der Soda dienen) erkalten, wobei öfter umgerührt wird, wozu
aber nur Handarbeit, keine Maschinenkraft verwendet wird. Das ausgeschiedene
Krystallmehl wird von Neuem gewaschen, vermuthlich mit destillirtem Wasser, bis der
gewünschte Grad von Reinheit erreicht ist; man will dort bis auf 0,0001 Proc.
Kochsalzgehalt Herabkommen (?). Trotzdem ausschließlich eiserne Gefäße in Anwendung
sind, findet man doch durchaus kein Eisen im Salpeter; natürlich werden die Gefäße
immer vollkommen sauber gehalten. Zum Trocknen des Salpeters dient eine Kammer aus
Ziegeln, ganz so gebaut, wie man häufig (und sehr zweckmäßig) die Chlorkalkkammern
trifft: nämlich in zeltartiger Form, also ein spitzbogiges Gewölbe, vom Boden aus
aufsteigend, und im Scheitel 6 Fuß hoch, so daß ein Mann darin arbeiten kann. Die
Breite ist etwa 6 Fuß, die Länge 15 Fuß. Der Salpeter wird darin auf hölzernen
Gerüsten ausgebreitet, und durch eiserne Röhren, welche darin herumgeführt sind und
die heiße Luft einer Feuerung leiten, wird die Temperatur auf 70° C.
gehalten; das Trocknen erfolgt daher sehr schnell. In dieser Weise wurden um die
Zeit meines Besuches daselbst 20 Tonnen (400 Centner) Salpeter per Woche dargestellt.
Nachtrag.
Bezüglich der Salpeterfabrication durch doppelte Zersetzung zwischen
Chilisalpeter und Chlorkalium habe ich neuerdings noch folgende zuverlässige
Angaben über das praktische Verfahren in einer großen englischen Fabrik
erhalten. In einem gußeisernen Kessel von etwa 4000 Quart Inhalt werden
äquivalente Mengen von Chilisalpeter und Chlorkalium aufgelöst, genau nach der
Procentigkeit der jedesmal vorliegenden Handelswaare berechnet. Der
Chilisalpeter schwankt in der Regel nur unbedeutend um 96 Proc., aber das
Chlorkalium von 60–90 Proc.; man nimmt gewöhnlich 7 Centner des ersteren
und die entsprechend berechnete Menge des letzteren. Zuerst wird das Chlorkalium
für sich aufgelöst, bis die Lösung 1,200 bis 1,210 (heißgemessen) zeigt; dann wird der
Chilisalpeter zugesetzt und nun so lange gefeuert, bis die Flüssigkeit 1,500
zeigt; das sich fortwährend ausscheidende Chlornatrium wird, so wie es sich
bildet, herausgedrücktherausgekrückt und auf einer schiefen Ebene so ablaufen gelassen, daß die Mutterlauge
in den Kessel zurückfließt. Es wird dann noch gewaschen, bis es höchstens 1/2
Procent Salpeter enthält, und auch die Waschwässer werden in den Kessel gegeben.
Wenn die Lauge im Kessel auf 1,500 gekommen ist, läßt man sie kurze Zeit
absitzen, wobei das niederfallende Salz allen Schmutz mit sich reißt, und läßt
dann die klare Lauge nach den Krystallisirgefäßen laufen. In der ursprünglichen
Patentbeschreibung ist eine Grädigkeit von 1,550 vorgeschrieben; dieß zeigte
sich aber nicht vortheilhaft, weil bei solcher Concentration die Lauge theils
während des Absitzens, theils beim Ablaufen schon stark krystallisirte und die
Rinnen verstopfte. Die Krystallisirgefäße sind ganz flach, so daß schon nach 24
Stunden die Krystallisation vollständig ist; durch gelegentliches Umrühren
erreicht man es, daß die Krystalle so fein wie Bittersalz fallen. Die
Mutterlauge wird abgezogen und die Krystalle vollständig abtropfen gelassen.
Dann übergießt man die Krystalle mit so viel Wasser, daß sie davon bedeckt
werden, und läßt dieß 7–8 Stunden stehen; hierauf zieht man es ab und
überläßt die Krystalle über Nacht dem Abtropfen; am nächsten Tage wiederholt man
dasselbe Verfahren noch einmal. Natürlich kann man die Waschungen, wenn nöthig,
beliebig oft fortsetzen; aber ein hinreichender Grad der Reinheit wird meist
schon nach dem zweiten Male erreicht seyn. Man überzeugt sich davon, indem man
eine Probe zwischen Löschpapier trocken preßt und mit salpetersaurem Silber auf
Chlor prüft. Viele Fabriken setzen in der That den so gewonnenen Salpeter ohne
nochmalige Raffination an die Pulverfabriken ab. Die erste Mutterlauge, so wie
alle Waschwässer, kommen wieder in den ursprünglichen Auflösekessel zurück.
– Wenn man eine Raffinirung des Salpeters beabsichtigt, entweder um ihn
noch reiner, oder um ihn in größeren Krystallen zu erhalten, so wird er in der
Hitze aufgelöst, bis er wieder 1,500 zeigt und dann zum Krystallisiren
abgelassen; für größere Krystalle dienen Kessel von 5–6 Fuß Durchmesser
und eben solcher Tiefe; für Mehl aber flache Gefäße wie oben, in welchen man
gelegentlich umrühren muß.
IV. Die Fabrication von reiner Potasche
in großem Maaßstabe.
In derselben Fabrik in Lancashire, welche künstlichen Kalisalpeter mit Hülfe von
Aetzkali machte, wie ich im vorhergehenden Aufsatze beschrieben habe, wurde auch reines
kohlensaures Kali dargestellt, und zwar in einem Maaßstabe, welcher nach unseren
deutschen Vorstellungen von diesem Artikel ganz enorm erscheint, nämlich
20–30 Tonnen (à 20 Ctr.) per Woche. Freilich ist sie dort nicht, wie bei uns,
fast nur Laboratoriums- oder pharmaceutischer Artikel, sondern wird ganz und
gar von Flintglasfabrikanten in Anspruch genommen. Das
englische Flintglas verdankt seine bewunderungswürdige Farblosigkeit wohl nicht
allein der Anwendung von Bleiglas überhaupt, sondern im Speciellen auch der
Verwendung ganz reiner Materialien. Das hier in Rede stehende ist reines
krystallisirtes kohlensaures Kali mit 16 bis 18 Proc. Wassergehalt, was nicht ganz
zwei Aequivalenten Krystallwasser entspricht; das zweite Aequivalent wird durch die
Hitze bei der Fabrication schon theilweise ausgetrieben. Das Salz erscheint in
kleinen Würfeln, etwa wie das gereinigte Staßfurter Chlorkalium.
Als Rohmaterial dient die amerikanische Perlasche; dieselbe hat drei
Flammofen-Operationen zu passiren, bevor sie in dem Schlußstadium anlangt.
Zuerst wird sie in einem Flammofen von der Bauart eines gewöhnlichen Sodaofens
geschmolzen, und zwar unter Zusatz von Sägespänen, um das ätzende Kali und
Schwefelkalium in kohlensaures zu verwandeln. Dieß ist also ganz dieselbe Operation,
wie sie in den meisten englischen Sodafabriken bei der Soda beobachtet wird. Die
geschmolzene Asche wird nun aufgelöst und die Lösung durch Ruhe geklärt, dann von
dem Bodensatze klar abgezogen und in einem Flammofen zur Trockne verdampft; die
Masse stellt jetzt ein grauschwarzes Pulver dar. Nun wird sie noch einmal aufgelöst,
die Lösung durch Absitzenlassen geklärt und in einem dritten Flammofen zur Trockne
verdampft; jetzt erscheint das Product erst weiß. Es wird nun zum dritten Male
aufgelöst, so weit verdampft, daß beim Erkalten alles schwefelsaure Kali
herauskrystallisirt und die Mutterlauge davon wiederum so lange eingedampft, bis sie
beim Erkalten zu einer Krystallmasse mit dem oben erwähnten Wassergehalte erstarrt.
So umständlich auch dieses Verfahren scheint, so haben doch viele Versuche an jenem
Orte ergeben, daß man keine einzige der beschriebenen Operationen auslassen kann,
wenn man hinreichende Reinheit der Potasche erreichen will, und im Uebrigen macht
sich das Verfahren auch bezahlt, da die gereinigte Potasche mit 16 Proc.
Wassergehalt an die Glasfabrikanten für 36 Pfd. Sterl. per Tonne (12 Thlr. preuß. Cour. per Centner)
verkauft wird.