Titel: | Zur Beantwortung der Frage: ist es möglich, die Dampfkraft zu verdoppeln, ohne mehr Brennmaterial aufzuwenden? |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. CXVII., S. 433 |
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CXVII.
Zur Beantwortung der Frage: ist es möglich, die
Dampfkraft zu verdoppeln, ohne mehr Brennmaterial aufzuwenden?
Ueber Brennstoff-Oekonomie bei den
Dampfmaschinen.
Diese Frage ist die Aufschrift einer im Juni ds. Is. veröffentlichten kleinen
Abhandlung von Thomas
Ewbank in New-York, dem vormaligen Patent-Commissär in
Washington, welche derselbe der Redaction des polytechnischen Journals behufs der
Aufnahme zugesandt hat.Eine Uebersetzung
in's Französische befindet sich bereits in den Annales du Génie civil vom August 1866.
Obschon der Schluß dieses Curiosums anzuzeigen scheint, daß es hauptsächlich zu dem
Zwecke geschrieben worden sey, um das Verdienst eines im vorigen Jahre in England
patentirten neuen Dampfmaschinensystems hervorzuheben,Worin dieses besteht, wird am Schlusse kurz
angedeutet werden. so hält der unterzeichnete Referent die
Mittheilung des Artikels doch in sofern von einigem Interesse für die Leser dieses
Journals, als er neben vielen problematischen und individuellen Ansichten auch
manche beherzigenswerthe allgemeine Wahrheiten enthält, und die Aufgabe in Betreff
der Oekonomie des Brennmaterials bei der Dampferzeugung und Dampfverwendung noch
immer eine unabgeschlossene Tagesfrage bildet.
Indessen wird der Referent, um die Leser nicht zu ermüden, den immerhin etwas
sonderbaren Artikel nicht einfach übersetzen, sondern frei und berichtigend
bearbeiten, und möglichst abzukürzen suchen.
––––––––––
Die Dampfmaschine mit Hochdruck und ohne Condensation werde gegenwärtig allgemein als
Hauptrepräsentant dieser Kraftmaschine betrachtet, und bei dieser Maschine sey in
dem verbrauchten Dampf der doppelte Betrag der Kraft enthalten, welche in
Wirklichkeit durch dieselbe nutzbar gemacht werde.
Indessen gebe es jetzt noch viele Ingenieure und Techniker, welche nicht glauben
wollen, daß eine so bedeutende Dampfkraft verloren gehe, und sich deßhalb für
überzeugt halten, daß eine solche Behauptung übertrieben sey und weit von der
Wahrheit abstehe. Ohne Zweifel verdienten hierbei die Ansichten der Praktiker
besonders berücksichtigt zu werden; allein hier handle es sich nicht bloß um
individuelle Ansichten, sondern vielmehr um entscheidende Versuche und bewährte
Naturgesetze. In vielen Dingen sey die Wahrheit verdunkelt, weil man sich nicht die
Mühe nehme, die Sache aufzuklären; aber in einer Angelegenheit von solcher
Wichtigkeit sollte man keine Zeit verlieren, sich darüber Gewißheit zu
verschaffen.
Die nachfolgenden Sätze schlössen die ganze Frage ein, und die ihnen folgenden
Erläuterungen würden genügen, die Sache aufzuhellen.
1) In allen Fällen bleibe in dem verbrauchten Dampf, der die Maschine verläßt, so
viel Kraft zurück als dem Kolben derselben mitgetheilt worden ist.
2) In den meisten Fällen könnte man dem Dampf noch mehr und in einigen Fällen sogar
die doppelte Kraft von jener abgewinnen, welche in der Maschine wirklich nutzbar
gemacht wird.
Bekanntlich könne bezüglich der mechanischen Wirkung ein kleineres Dampfvolumen ein
größeres von entsprechend kleinerem Druck ersetzen. So seyen 5 Kubikfuß Dampf von 40
Pfund Spannung per Quadratzoll äquivalent mit 10
Kubikfuß von 20 Pfund Spannung oder mit 20 Kubikfuß von 10 Pfd. Spannung u.s.w.
Daraus folge aber, daß durch das Volumen oder die Spannung des Dampfes allein die
Dampfkraft nicht vergrößert werde. Dieß geschehe einzig durch Vermehrung seiner
Menge oder seines Gewichtes, gerade so wie eine größere Hitze nur durch den
Verbrauch von mehr Brennstoff, eine größere Lichtintensität nur durch das Verbrennen
von mehr Gas und eine größere Wirkung einer abgeschossenen Kanonenkugel nur durch
eine stärkere Pulverladung erzielt werde. Hieraus folge aber, daß zu der doppelten
oder dreifachen Dampfkraft auch die doppelte oder dreifache Gewichtsmenge Dampf im
Dampfkessel erzeugt werden und im Cylinder zur Anwendung kommen müsse; denn es gebe
sonst kein Mittel, die innere Kraft des Dampfes zu vermehren.
„Welchen anderen Schluß können wir aber aus jener Anwendung der Dampfkraft
ziehen, – wobei wir die Kraft benutzen, welche ein Wasservolum zu 1750
Dampfvolumen ausdehnt, aber die Kraft vernachlässigen, welche beim
Zusammenschrumpfen der 1700 Volume (Dampf) in ein Volum (Wasser) entwickelt wird, – als
daß man die Thatsache, daß die negative Kraft bei Flüssigkeiten gleich sey der
positiven, nicht berücksichtigt hat?“
Bei den Hochdruckmaschinen werde mit jedem Kolbenhub ein Cylinder voll Dampf in die
Atmosphäre abgelassen, wovon bei der Schnelligkeit der Hübe und der hohen Temperatur
des Dampfes nur wenig in den Canalleitungen zurückbleibe. Nun frage es sich, ob
nicht jede Entladung des entweichenden Dampfes eine Kraft enthalte gleich jener,
welche er dem Kolben mittheilte, oder mit anderen Worten, ob nicht die Condensirung
desselben zu Wasser eine Kraft abgebe gleich jener, die bei seiner Bildung aus
Wasser entstand, ganz ebenso wie ein fallendes Gewicht dieselbe mechanische Arbeit
entwickelt, welche zum Heben desselben nöthig war. Die Antwort auf diese Frage sey
bereits im Vorhergehenden enthalten, nämlich durch das Fundamentalgesetz der Wirkung
und Gegenwirkung gegeben, nach welchem die beiden Kräfte absolut und unvermeidlich
gleich seyen. Halten wir uns an ein Beispiel. Eine Hochdruckmaschine habe einen
Kolben von 50 Quadratzoll Querschnittsfläche und werde mit Dampf von 60 Pfund Druck
per Quadratzoll betrieben.Es sind hier durchweg englische Maaße
verstanden. Der Dampfdruck auf den Kolbenquerschnitt beträgt
demnach 50 . 60 = 3000 Pfund. Würde nun dieser Dampf, nachdem er dem Kolben diese
Wirkung mitgetheilt, statt daß man ihn in die Atmosphäre abläßt, unter einem anderen
Kolben verdichtet, so würde er dieselbe Wirkung hervorbringen; denn Dampf von 60
Pfd. Spannung per Quadratzoll enthalte das vierfache
Volumen des gewöhnlichen Dampfes, er würde demnach einen Cylinder vom Querschnitt 4
. 50 = 200 Quadratzoll und gleicher Länge wie der andere Kolben füllen, und der so
ausgedehnte Dampf würde dann einen Druck von 200 . 15 = 3000 Pfund auf die
Kolbenfläche ausüben. Daß aber dieser Druck nur zur Wirkung kommen kann, wenn der
Gegendruck ganz aufgehoben wäre, der Kolben sich also
in einem luftleeren Raume bewegen würde, sagt der Verfasser
hier nicht.
Er wendet sich sofort zum zweiten Satz, der dasselbe Gebrechen, nur noch im erhöhten
Maaße, mit dem ersten theilt, und bemerkt, daß derselbe keineswegs im Widerspruch
mit dem ersten Satze stehe, wie man etwa glauben könnte. Sogleich ist er auch, um
die beiden Sätzen gemeinsame Schwierigkeit zu heben, mit demselben Auskunftsmittel
zur Hand. Denn er sagt
sofort: eine Cylinderfüllung des gewöhnlichen Dampfes von 1 Atmosphäre Spannung habe
zwar keine Expansionskraft oder directe Wirkung auf den Kolben, aber es genüge, um
eine solche hervorzurufen, unter dem Kolben durch Condensation des Dampfes einen
leeren Raum zu erzeugen, indem dann, obwohl beide Kräfte (die auf diese Weise
producirte und consumirte) theoretisch genommen einander gleich seyen, in der Praxis
die condensirende Kraft den größeren Effect entwickele. Und auf diese Weise werde
durch Dampf von 2 Atmosphären Spannung und darüber, wenn der Gegendampf völlig
condensirt werde, mehr Kraft – nämlich 15 Pfd. per Quadratzoll – erreicht, als seine directe Wirkung zu geben im
Stande sey, weil im letzteren Fall die Expansionskraft des Dampfes gegen die
Atmosphäre wirke und daher den Druck von 1 Atmosphäre oder 15 Pfund per Quadratzoll verliere. Deßhalb gäben Maschinen, die
mit Dampf von 30 Pfund oder einem Druck von 2 Atmosphären arbeiten, gewöhnlich nur
die Kraft von 1 Atmosphäre; ebenso jene mit 60 Pfund Dampfdruck bloß die Kraft von
45 Pfund, und jene von 90 Pfund die Kraft von 75 Pfund per Quadratzoll u.s.f. Und gestützt auf diese ziemlich problematische
Beweisführung hält sich der Verfasser für berechtigt, in dem angeführten zweiten
Satz den Ausdruck „in den meisten Fällen“ sogar zu verändern in
die Worte „in allen Fällen,“ und den Ausdruck „in
einigen Fällen,“ als kaum einer weiteren Erklärung benöthigt, so viel
als ganz zu übergehen. In dieser Beziehung bemerkt er nur, daß eine Maschine mit
einem Kolben von 50 Quadratzoll und Dampf von 30 Pfd. Druck per Quadratzoll, bloß eine effective Kraft von 15 Pfd. per Quadratzoll oder von 50 . 15 = 750 Pfund per Kolbenquerschnitt habe, daß dagegen derselbe Dampf
die doppelte Kraft abgeben würde, wenn er unter einem Kolben von 100 Quadratzoll
Querschnitt (bei gleicher Länge des Cylinders) völlig condensirt würde, nämlich 100
. 15 = 1500 Pfund.
Der Verfasser unterläßt aber auch hier, näher anzugeben, wie unter dem Kolben ein
leerer Raum erzeugt oder der Gegendampf völlig condensirt wird. Dazu bedarf es
natürlich ebenfalls Kraft und diese kommt daher jedenfalls wieder in Abzug, so daß
der Gewinn an Kraft keineswegs so bedeutend seyn kann, wie er meint und in seinen
beiden Sätzen ausspricht, abgesehen davon, daß in vielen Fällen der Anwendung noch
andere Elemente außer der Oekonomie des Dampfes und des Nutzeffectes der Dampfkraft,
wie die Geschwindigkeit, der verfügbare Raum etc., zu berücksichtigen sind und für
die Einführung von Hochdruckmaschinen ohne Condensation, statt Niederdruckmaschinen
mit Condensation, sprechen. Indessen geben wir gerne zu, daß bei den Dampfmaschinen in
dem Dampfverbrauch, wie in der Dampferzeugung, jedenfalls noch bedeutende
Ersparnisse möglich wären. Es fragt sich nur, auf welche Weise und um welchen Preis
sich diese in jedem einzelnen Falle erzielen lassen.In letzterer Beziehung machen wir auf
„Daelen's Dampferzeugung durch directe Einwirkung der
Feuergase auf das zu verdampfende Wasser“ aufmerksam, welche
wir demnächst in diesem Journal mittheilen werden und die wenigstens als ein
neuer und interessanter Versuch zur Lösung dieses wichtigen Problems zu
betrachten ist.
Da angenommen wird, sagt der Verfasser, die Kraft einer Hochdruckmaschine sey viel
mehr werth, als das Brennmaterial, welches sie verbraucht, so könnte man glauben,
eine Vermehrung dieser Kraft um denselben Betrag sollte sich im selben Verhältniß
ökonomischer herausstellen. Statt dessen ist es jedoch noch vortheilhafter, kaltes
Wasser (zur Condensation des Dampfes) anzuwenden, weil solches wohlfeiler ist als
Steinkohle (zur Erzeugung des höher gespannten und heißeren Dampfes). Die Kosten
beständen hierbei in der Anwendung dessen, was allüberall um Nichts zu haben sey.
Diesen Vortheil abweisen, hieße so viel als ein theilweises Resultat mit großen
Kosten einem vollen Resultat mit kleinen Kosten vorziehen. Wenn es daher allgemeiner
bekannt wäre, daß die durch Condensation erlangte Kraft größer ist als die directe
Expansionskraft, so würde erstere, meint der Verfasser, kaum mehr länger
vernachlässigt werden, und wenn man allgemein einen besonderen Condensator
anwendete, würde man wohl einsehen, daß es an der Zeit wäre, das von Newcomen's atmosphärischer Maschine
herrührende Urtheil zu revidiren. Denn Dampfkraft sparen, heiße das sparen, was mehr
Werth habe als Silber und Gold. Diese Oekonomie der Dampfkraft stehe daher auch in
einer ganz bestimmten Beziehung zur Wohlfahrt der einzelnen Nationen, deren
Fortschritt und Rückschritt sehr wesentlich von ihr bedingt werde. Dieselbe stehe
auch in directer und inniger Beziehung zu einer anderen, die europäischen
Staatsmänner ernstlich beschäftigenden Angelegenheit, das ist zur allfälligen
späteren Erschöpfung der englischen Kohlenfelder. Die Kosten, welche die Erzeugung
der Dampfkraft in der ganzen Welt nöthig macht, seyen enorm und noch immer im
Zunehmen begriffen. Die Hälfte dieser producirten Dampfkraft verlieren, sey so viel
als die halbe Brennstoffmenge nutzlos verschwenden; Dampf sparen, heiße also
Brennmaterial (Steinkohlen) sparen, und Dampfkraft verdoppeln, heiße ebenso die
Hälfte des Brennmaterials (der Steinkohle) erübrigen. Und doch sey es eine
Thatsache, daß 50 Proc. weniger gespart werden, als wirklich möglich wäre.
In dem ersten Theile dieses Artikels wurde erklärt, daß der Dampf mehr als den
doppelten Betrag der Kraft enthalte, welche er bei seiner directen Wirkung
hervorbringt. Und es möge nun noch beigefügt werden, daß nicht mehr als ein Drittel davon weder in Condensations-, noch in
Nichtcondensationsmaschinen erreicht werde. Diese Thatsache sey, so unglaublich es
auch Vielen scheinen möge, unbestreitbar (siehe Journal of
the Franklin Institute, Juliheft 1865). Ebenso wurde gezeigt, daß wir im
Oekonomisiren des Dampfes noch kläglich zurück seyen, indem constatirt sey, daß 90
Procent der aufgewendeten Wärme durch Dampfverschwendung verloren gehen. Der
gewöhnlichste Beobachter könne sich hiervon überzeugen, da der Dampf auf seinem Wege
vom Kessel bis zur Ablaßöffnung im Cylinder auf den Kolben nur eine momentane
Wirkung ausübe. Es verstehe sich von selbst, daß jedes Partikelchen des
entweichenden Dampfes Kraft mit sich fortnehme und daß, soll dieser Kraftverlust
vermieden werden, jedes Dampftheilchen in der Maschine durch Condensation ausgenutzt
werden müsse.
Die vorgeschlagene Methode zur Ausnutzung der ganzen Dampfkraft bestehe daher
hauptsächlich im Hinzufügen eines atmosphärischen Cylinders, welcher bezüglich des
Dampfcylinders um ebenso viel größer ist, als der Dampfdruck den Atmosphärendruck
übertrifft, wie dieß in der Beschreibung und den Zeichnungen des von Benjamin Laurence zur Vermehrung der mechanischen Kraft des
Dampfes am 17. März 1865 in England erhaltenen Patentes näher ausgeführt worden sey,
– von dem wir jedoch nichts weiter in Erfahrung bringen konnten.
G. Delabar.