| Titel: | Englische und amerikanische Mittheilungen über das preußische Zündnadelgewehr. | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. V., S. 8 | 
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                        V.
                        Englische und amerikanische Mittheilungen über
                           das preußische Zündnadelgewehr.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Ueber das preußische Zündnadelgewehr.
                        
                     
                        
                           Der Engineer vom
                                 20. Juli und der Scientific American vom 1. September
                                 1866 enthalten mit Abbildungen versehene Artikel über das preußische
                              Zündnadelgewehr, deren auszugsweise Mittheilung wenigstens einem Theile unserer
                              Leser nicht uninteressant seyn dürfte, obgleich die deutsche Fachliteratur bezüglich
                              dieses Gewehres schon eine sehr reichhaltige ist.
                           Die theils der einen, theils der anderen der erwähnten Zeitschriften entnommenen
                              Zeichnungen stellen in Fig. 19 und 20
                              Seitenansichten des zur
                              Patronenaufnahme in seinem Hinterladungsgewehr-Verschluß geöffneten,
                              beziehungsweise des geschlossenen und gespannten Gewehres dar, dessen combinirter
                              Verschluß- und Schloß-Mechanismus in seinen einzelnen Theilen verkürzt
                              durch die Figuren
                                 21, 22, 23 und 24 versinnlicht ist, von denen die erstere das, mit Visir und Korn oben,
                              nach seiner Achsenrichtung hin vertical durchschnittene Rohr etc. als von links oben
                              her gesehen darstellt. – A bezeichnet in dieser
                              Figur 21
                              die in Wirklichkeit etwa 9,4 Zoll lange, sogenannte große
                                 Hülse, welche das hintere Rohrende des Gewehres in ihrem sechskantigen
                              Kopfe mit Mutterschraubengewinde umfaßt und zugleich den Rahmen seines
                              Verschluß- und Schloßapparates bildet. Unten ist diese Hülse vermittelst
                              einer durch ihren Schweiftheil hindurch in das Abzugsblech des Gewehres gehenden
                              Schraube mit dessen Schafte verbunden und mehr nach vorn hin von einer für den
                              Stollen der Abzugsfeder K bestimmten vierkantigen
                              Oeffnung durchbrochen, oben aber dicht hinter ihrem sechskantigen Kopfe so
                              ausgehauen, daß dadurch ein bequemes Einführen der Patrone in den Lauf stattfinden
                              kann und zugleich ein rechts in die Hülsenwand eingreifendes Lager für den
                              Stollen- oder Warzen-Ansatz S entsteht,
                              welcher mit der Verschluß-Kammer B aus einem
                              Stücke bestehend und mit dem, oben eine Kugel bildend, in ihn eingeschobenen Griff oder Hebel
                              C versehen, im oberen Theile dieser großen Hülse dann
                              auch noch seine Führungsnuth findet, die rechtwinklich gebrochen, zum gänzlichen
                              Herausnehmen der Kammer und beziehungsweise zum Oeffnen des Verschlusses dient. Das
                              hiernach von dieser großen Hülse aufzunehmende eigentliche Verschlußstück oder die
                              sogenannte Kammer
                              B (Fig. 21, 22 und 23) bildet, ihren
                              Warzen- oder Stollenansatz S abgerechnet, einen
                              hohlen Cylinder, dessen Inneres aber durch das in ihn eingeschobene sogenannte Nadelröhrchen
                              H (Fig. 21) in zwei Theile
                              geschieden ist, und so nach vorn hin die sogenannte Luftkammer
                              L, nach hinten hin aber den Behälter für den
                              eigentlichen Gewehrschloß-Mechanismus oder das sogenannte Schlößchen bildet, dessen unten der Länge nach theilweise
                              aufgeschlitzte Federhülse
                              E (Fig. 21 u. 24) die den
                              Nadelbolzen
                              F umgebende und an dessen mittleren Ansatz Q sich oben anlehnende Spiralfeder
                              G in sich aufzunehmen hat, und in einem Lager ihrer
                              äußeren Mantelfläche die Sperrfeder
                              I trägt, welche vorn mit einem Zahne in die
                              Federhülsenwand eingelassen, nach hinten hin auf ihrer oberen Fläche zwei
                              Einkerbungen zeigt, die bei gespanntem und beziehungsweise in Ruhe gesetztem
                              Gewehrschlosse in einen ihrer Form entsprechenden Rand des oberen Theiles der
                              hinteren inneren Kammerwand eingreifen und so diese Functionen des Schlößchens
                              regeln. – Der
                              hintere Vorsprung oder die sogenannte Nase
                              R dieses Schlößchens dient theils zur bequemeren
                              Handhabung desselben und theils als Anlage für die Sperrfeder I, welche mit ihrem aufwärts stehenden hinteren Arme nebst dieser
                              Schlößchen-Nase in eine Classe des hinteren Kammerrandes eingreift. Ferner
                              ist die Kammer B in ihrer unteren Wandung mit einem
                              rechtwinklich geführten Längen- und beziehungsweise Quereinschnitte für den
                              Abzugsfederstollen K und vorn mit conischer Aussenkung
                              zum festen Anschlusse an den hinteren Rohrmund D
                              versehen. Der aus einem Stücke mit dieser Kammer B
                              bestehende Stollen, oder die sogen. Warze derselben, mit dem eingeschraubten Griff
                              oder Hebel C versehen (Fig. 21), ist mit seiner
                              hinteren Fläche genau an die vordere Fläche des Stollenlager-Ansatzes
                              T der großen Hülse angepaßt,
                              so daß dadurch und wegen Abschrägung dieser
                              Stollenlager-Ansatzfläche, ein immer stärker werdendes Auftreiben der
                              conischen Austrichterung des Kammermundes auf den Kegelmantel des hinteren
                              Rohrmundes eintritt, wenn der Griff oder Hebel C fest
                              zum Eindrücken dieses Stollens oder dieser Warze der Kammer B in das Stollenlager der großen Hülse
                              A gehandhabt wird. Das in die Kammer B eingeschraubte Nadelröhrchen H, welches, seiner Länge nach durchbohrt, zur Führung der Zündnadel dient,
                              ist in seinem vorderen, in die Luftkammer eintretenden Theile kegelförmig gestaltet,
                              unterhalb seiner Schraubengewinde aber zunächst mit einem diese Schraube
                              begrenzenden Teller, sowie mit einem Vierkant und einem darunter liegenden Cylinder
                              versehen, welcher letztere den Stoß des Nadelbolzens beim Abschießen des Gewehres
                              aufzunehmen hat. – Zur Milderung dieses Stoßes ist der vordere von den zwei
                              cylindrischen Ansätzen des Nadelbolzens mit einer Kautschuk- oder
                              Lederfütterung versehen, welche sich in der zu diesem Zwecke etwas ausgesenkten
                              Stirn desselben befindet, und beim Schusse zugleich einen dichteren Verschluß der
                              Nadelröhrchen-Durchbohrung herbeiführt. – Die cylindrischen
                              Ansatzscheiben des Nadelbolzens haben Heide, im Vollen gemessen, den lichten
                              Durchmesser des vorderen, weiteren Theiles der Nadelhülsen-Bohrung und sind
                              nach hinten mit, auf ihre Basis aufgesetzten abgestumpften Kegeln versehen, deren
                              Mantelfläche bei der vorderen Ansatzscheibe bis an die Cylinderwand des Nadelbolzens
                              und bei der hinteren Ansatzscheibe bis an denjenigen Nadelbolzenabsatz führt,
                              welcher zum Stützpunkte des vorderen Endes der Spiralfeder G dient, die, zum Tragen eines Gewichtes von 10 bis 11 Pfund befähigt,
                              sich mit ihrem hinteren Ende an den Boden der hinten engen cylindrisch ausgebohrten
                              Federhülse anlegt, und so den Federbolzen F aus diesem
                              für ihn durchbohrten Federhülsen-Boden des Schlößchens nach rückwärts hin
                              heraustreibt, wenn der
                              hintere cylindrische Nadelbolzenansatz von der hinteren Fläche des vorn
                              abgeschrägten Abzugsfeder-Stollens K gehalten und
                              dabei das Schlößchen, vermittelst Pressung gegen seine Nase R hin, nach vorn getrieben wird. Die aus Stahl gefertigte und zur
                              Nadelröhrchen-Bohrung genau passende Zündnadel
                              selbst endlich, ist in einen cylindrischen und nach vorn hin conoidisch verlaufenden
                              Schaft von Messing eingelöthet, welcher unten mit
                              einem durchlochten Kopf und Schraubengewinde zum Einschrauben in den Nadelbolzen
                              versehen ist, dessen centrale Ausbohrung an deren hinterem Ende das entsprechende
                              Muttergewinde trägt.
                           Zum Laden des Gewehres hat man also, bei geschlossenem
                              Zustande seines Verschlusses, zunächst die Sperrfeder I
                              niederzudrücken und so das Schlößchen mit Federhülse E
                              aus der Kammer B heraustreten zu lassen, hierauf diese
                              Kammer vermittelst des mit Kugelknopf versehenen Griffes C nach links zu schlagen und so weit zurückzuziehen bis ihr Stollen oder
                              ihre Warze S an das Knie des rechtwinklich gebrochenen
                              oberen Schlitzes der großen Hülse A anstößt und
                              eventuell die Patronenreste des vorhergegangenen Schusses zu beseitigen. –
                              Dann wird die neue Patrone, mit Kugel nach vorn, durch den rechts oben liegenden
                              Ausschnitt der großen Hülse A hin in das Patronenlager
                              des Rohres eingeführt und die Kammer B vermittelst des
                              Griffes C wieder so weit an den Rohrmund D herangeschoben, daß ihr Stollen oder ihre Warze S nach rechts gedreht und an der vorderen schiefen
                              Fläche des Ansatzstollens T der großen Hülse
                              niedergetrieben werden kann, was, hiernach ausgeführt, den conisch ausgesenkten
                              Kammermund zum festen Anschlusse an den äußerlich conisch abgedrehten Rohrmund
                              bringt. – Zum Spannen des Gewehres hat man dann
                              nur das nach hinten hin etwas herausstehende Schlößchen, vermittelst seiner Nase R, bis in den betreffenden Ausschnitt des hinteren
                              Randes der Kammer B vorzuschieben, so daß die hinterste
                              Ausfeilung der Sperrfeder I sich an die zugehörige
                              innere Leiste des oberen Kammermundes anlehnt und dadurch die um den Nadelbolzen F herumliegende Spiralfeder G gespannt wird, indem dabei der mittlere Scheibenansatz dieses
                              Nadelbolzens sich an den Abzugsfeder-Stollen K
                              anstemmt, welcher letztere erst vom Abzuge O, als einem
                              Winkelhebel der, wie aus der Figur ersichtlich, drei Grade von Pressung gestattet,
                              niedergedrückt werden muß, damit die Zündnadel vorschnellen und von dem
                              Nadelröhrchen H geführt, sowie durch die Pulverladung
                              L der Patrone hindurchfahrend, deren Zündpille P zum Feuergeben bringen kann, welche letztere in den
                              Boden des aus zusammengerolltem, beziehungsweise zusammengeleimtem Papiere
                              bestehenden und das „Langblei“
                              genannte Geschoß in sich
                              aufnehmenden sogenannten Zündspiegels N central
                              eingepreßt ist. – Dementsprechend läßt sich der Schloßmechanismus dieser zum
                              Schusse fertig gemachten Waffe auch sofort wieder in Ruhe
                                 setzen, wenn man die Sperrfeder I des
                              Schlößchens niederdrückt und letztere hiernach bis zum Anstoßen der anderen
                              Sperrfeder-Rast an die im Inneren des Randes der Kammer B vorstehende Leiste zurücktreten läßt. –
                           Die noch weiter mitgetheilten Detail-Angaben über die Behandlung dieses
                              Gewehres, sowie Beschaffenheit und Herstellung seiner Munition, werden im Engineer als dem vortrefflichen Werke des Hrn. Hauptmann
                              v. Plönnies: „Das Zündnadelgewehr,“
                              entnommen bezeichnet; hinsichtlich des sogen. Zündpillen-Geheimnisses weist
                              dann jene Zeitschrift auf die längst bewirkte Lösung dieser Frage, beziehungsweise
                              die darauf bezüglichen und vom Referenten, als damaligem
                              Artillerie-Hauptmann, unter der Chiffre Dy zur
                              Aufnahme in jenes Werk gelieferten Veröffentlichungen hin, welche (später auch im
                              polytechn. Journal Bd. CLXXV S. 357
                              mitgetheilt) mit Bestimmtheit darthaten, daß das seit 1860 bei der Fabrication von
                              Percussions-Zündhütchen für das kleine Gewehr und seit 1862 zur Herstellung
                              von, weder dem Unempfindlichwerden, noch spontaner Zersetzung ihres Satzes
                              unterworfenen, vollkommen gebrauchssicheren Zündschrauben für die auf
                              Nadelstichzündung basirten Zündervorrichtungen der Granaten und Shrapnels des
                              gezogenen Geschützes mit bestem Erfolge vom Referenten verwendete muriatische Pulver
                              – bloß aus chlorsaurem Kali und Schwefelantimon bestehend, die in dem
                              Verhältnisse der Einheit (oder, wenn man das Pulver wegen sehr beschränkten
                              Aufnahmeraumes noch etwas kräftiger haben will, in dem von 5 chlorsaures Kali: 4
                              Schwefelantimon) zusammengemischt sind, – einen vollkommen kriegstüchtigen
                              Zündsatz für Frictions-Zündröhren, Percussions-Zünd- und
                              Sprenghütchen, sowie Nadelstich-Zündschrauben und Zündspiegel etc. abgibt und
                              somit als Universalmittel zur Herstellung leichtexplodirender Zündungen jeder Art in
                              der Kriegsfeuerwerkerei zu verwenden steht, wenn man bei seiner Anwendung nur immer
                              diejenigen Vorsichtsmaßregeln beobachtet, welche schon im Januar 1863 durch Nr. 4
                              der zu Darmstadt erscheinenden Allgemeinen Militär-Zeitung mitgetheilt
                              wurden.
                           In den betreffenden Schlußbetrachtungen wird vom Engineer
                              noch lobend hervorgehoben, daß dieses Zündnadelgewehr, wenn auch bezüglich seiner
                              Schloßtheile, z.B. beim Einschrauben des Nadelröhrchens in die Kammer, dem
                              Wiedergeraderichten verbogener und dem Ersatze gebrochener Nadeln, eine sehr
                              vorsichtige Behandlung erfordernd, seine Dauerhaftigkeit und Güte nun schon seit dem
                              Jahre 1848 bewährt habe;
                              dagegen glaubt der Scientific American in der
                              Nothwendigkeit, die Patronenreste vorhergegangener Schüsse des Zündnadelgewehres mit
                              dem Finger entfernen zu müssen, ferner in dem Entzünden der Pulverladung von vorn
                              her, dessen Vortheil ein sehr in Zweifel zu ziehender sey, sowie in einigen von ihm
                              als solche bezeichneten Mängeln des Schlößchens, als da sind: mangelnde Gasdichtheit
                              seines Nadelröhrchen-Verschlusses, leichtes Verbiegen mit Zerbrechen der
                              Nadel und eintretendem Sichsetzen der Spiralfeder, genügende Gründe für die von ihm
                              aufgestellte Behauptung zu finden, daß die großen Erfolge, welche mit diesem Gewehre
                              errungen wurden, weniger seiner Eigenschaft als Zündnadelgewehr, als vielmehr der
                              ihm zu Theil gewordenen geschickten Führung und Behandlung, sowie seiner Eigenschaft
                              als Hinterladungs-Gewehr beizumessen seyn dürften, in welcher letzteren
                              Beziehung jedoch die neueren amerikanischen Gewehre noch vorzüglicher seyen.
                           Cassel, im October 1866.
                           Darapsky,      Major im
                              Generalstabe.
                           
                        
                     
                  
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