| Titel: | Ueber das Material und die Kopf-Form der gegen Panzerplatten zu verwendenden Langgeschosse. | 
| Autor: | Darapsky | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XXXI., S. 134 | 
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                        XXXI.
                        Ueber das Material und die Kopf-Form der
                           gegen Panzerplatten zu verwendenden Langgeschosse.
                        Ueber die gegen Panzerplatten zu verwendenden
                           Langgeschosse.
                        
                     
                        
                           Im Engineer vom 26. October 1866 wird über Schießversuche
                              berichtet, welche am 24. desselben Monats zu Shoeburyneß gegen 8zöllige, mit
                              18zölliger Teakholz-Packung versehene und bei großer eigener Oberfläche durch
                              breite Schwalbenschwanz-Bolzen zusammengehaltene Eisenpanzerplatten möglichst
                              zäher Qualität angestellt wurden; dabei wurden diese Panzerplatten von theilweise
                              unter Hrn. Major Palliser's Direction schalenhart
                              gegossenen, und theilweise von Hrn. Gruson zu Magdeburg
                              auf Bestellung eingelieferten gußeisernen Voll- und
                              Hohl-Langgeschossen gleicher Art, deren Gewicht im massiven Zustande circa 245 Pfd. betrug, mit 45 Pfd. Pulverladung (die den
                              Vollkugeln eine Anfangsgeschwindigkeit von etwa 1320 Fuß per Zeitsecunde ertheilte und den leichteren, gefüllten Granaten eine
                              entsprechend noch größere Geschwindigkeit) auf 200 Yards Entfernung bei normal zur Panzerplattenfläche abgegebenen Schüssen stets
                              einschließlich Packung, und bei unter 60°
                              gegen diese Fläche geneigt abgegebenen Schüssen
                              wenigstens immer für sich selbst durchdrungen. –
                              Den Sprengladungen der beim Anschlage an die Panzerung oder während ihres
                              Eindringens in dieselbe crepirenden Granaten kann der Berichterstatter hierbei
                              keinen anderen Effect als das Zurückschießen des Geschoßbodens etc. zugestehen,
                              wodurch auf nähere Zielentfernungen und bei verhältnißmäßig starken Sprengladungen
                              die Bedienungsmannschaft des Breschgeschützes sogar gefährdet erscheinen könne.
                           Das Material dieser in eisernen Formen gegossenen Geschosse bestand in derjenigen Art
                              von Gußeisen, welche man in Deutschland „Stahleisen“ und in
                              England „weißes, ein wenig grau gesprenkeltes Eisen“ (white cast iron with a little grey mottle) nennt, und
                              wird diesem Umstande, welchem die preußischen Geschosse überhaupt ihre vorzüglichen
                              Fähigkeit
                              achtzöllige aus zähem Eisen angefertigte Panzerplatten zu durchdringen beigelegt,
                              als dem Gusse derselben in eisernen Formen, wodurch sie an ihrer Oberfläche rasch
                              abgekühlt und dadurch „schalenhart“ gemacht werden, weil das
                              Wesen dieser Schalenhärtung nach gemachten Beobachtungen in einem Gerichtetwerden
                              der Hauptachsen aller in und nahe der Geschoßoberfläche liegenden Eisenkrystalle
                              senkrecht zur abkühlenden Formfläche, also nach den Wegen der Wärmeausströmung hin,
                              bestehe und daher nur bei dem grauen weichen Gußeisen zur vollen Geltung komme, das
                              Eisen der Versuchsgeschosse aber im Allgemeinen so hart gewesen sey, daß selbst bei
                              den relativ noch am weichsten ausgefallenen Projectilen Gruson's nach ihrem Zerschlagen nur Spuren einer solchen
                              Molecular-Anordnung sichtbar waren, die unter Major Palliser's Direction angefertigten Geschosse hierbei aber bis in den Kern
                              der Vollgeschosse hinein einen solchen Grad von Härte gezeigt hätten, daß wohl
                              anzunehmen sey, sie würden auch in Sand gegossen einen vollkommen genügenden
                              Härtegrad erlangt haben; – das Verdienst des Majors Palliser um die Verbesserung der englischen Geschosse basire sich deßhalb
                              auch weit mehr auf die ihm gelungene Darstellung einer dazu passenden harten
                              Eisensorte und Einführung derselben an Stelle des bisher zur Geschützmunition
                              verwendeten weichen grauen Gußeisens, als auf Einführung der eisernen
                              Geschoßguß-Formen.
                           Die Kopfform der Versuchsgeschosse anbelangend, so war dieselbe, – im
                              Gegensatze zu den früher hier und da herrschend gewesenen Ansichten, daß vorn eben
                              abgeflachte, sowie linsenförmig oder beziehungsweise ausgehöhlt gestaltete Geschosse
                              zur Panzerplatten-Durchdringung am besten geeignet seyen – eine ogivale mit conischer Spitze von 70° Neigung ihrer
                              tangential an den Durchschnitt des unteren Ovals allschließenden Seiten. Dieß
                              entspricht, dem betreffenden Artikel des Engineer zu
                              Folge, der schon in früherer Zeit von Professor Haughton
                              aufgestellten und wissenschaftlich entwickelten Behauptung, daß, weil in solchen
                              Fällen immer eine Brechung der Platte stattfinden müsse, die Geschoßspitze stets
                              nach dem für das gegebene Panzerplatten-Material festzustellenden
                              „Winkel der leichtesten Brechung“ (the angle of easiest fracture) zu construiren sey, welche Winkelbestimmung
                              in Analogie mit derjenigen des Mosely'schen
                              „Scherwinkels“ (shearing angle)
                              stehe. Allerdings werde bei einer solchen Anordnung der Geschoßspitze auch immer
                              eine große Festigkeit des Geschoßmateriales vorausgesetzt werden müssen, damit
                              dasselbe beim Anschlage an die Panzerwand weder zersplittere noch sonst seine Form verliere, wogegen die
                              beste Garantie wohl stets der geschmiedete harte Gußstahl liefern werde, da derselbe
                              selbst als Rundkugel im Anschlagen an Panzerplatten seine Form behält, während die
                              aus grauem Eisen gegossenen Projectile dieser Art ganz wirkungslos zersplittern. Es
                              sey also jetzt Aufgabe der Technik, einen derartigen Gußstahl verhältnißmäßig billig
                              liefern zu können, was durch den Preis von 40 Pfd. Sterl. per Tonne der in eisernen Formen dargestellten Gußeisengeschosse sehr
                              erleichtert werde.
                           Berlin, im Januar 1866.
                           Darapsky.