| Titel: | Ueber das Verhalten des Silbers gegen Königswasser und über eine neue galvanische Kette; von Roullion. | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XXXV., S. 145 | 
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                        XXXV.
                        Ueber das Verhalten des Silbers gegen
                           Königswasser und über eine neue galvanische Kette; von Roullion.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXIII p. 943; December
                              1866.
                        Roullion, über die Wirkung des Königswassers auf
                           Silber.
                        
                     
                        
                           Thenard sagt in seinem Handbuch der Chemie:
                              „unter allen Metallen, auf welche das Königswasser einwirkt, ist nur
                                 ein einziges, welches von ihm dabei nicht aufgelöst wird, nämlich das Silber,
                                 indem sich Chlorsilber bildet, welches sich in weißen Flocken
                                 niederschlägt.“
                              
                           Durch die Ergebnisse meiner Versuche glaube ich mich zu dem Ausspruche berechtigt,
                              daß eine derartige Erscheinung nicht stattfindet, daß sich keine weißen Flocken
                              niederschlagen, wenn man Königswasser auf reines,
                                 unlegirtes Silber einwirken läßt. Höchstens und nicht ohne eine gewisse
                              Beschränkung, tritt jene Erscheinung bei vermünztem oder sonst verarbeitetem oder im
                              Handel vorkommendem, mit Kupfer legirtem Silber auf.
                           Von einem aus 2/3 Chlorwasserstoffsäure und 1/3 Salpetersäure, oder aus 3/5
                              Chlorwasserstoffsäure und 2/5 Salpetersäure zusammengesetzten Königswasser, welches
                              Gold und Platin ganz gut auflöst, wird reines, unlegirtes Silber nicht durch und
                              durch angegriffen, sondern nur an der Oberfläche in Chlorsilber verwandelt. Sobald
                              dieser Chlorsilberüberzug entstanden ist, bildet er für den übrigen Theil des
                              Silbers eine schützende Hülle, eine Art von festem, für die Säuren des Königswassers
                              undurchdringlichen und von ihnen nicht angreifbaren Firniß, so daß das auf diese
                              Weise geschützte Silber beliebig lange in dem Säuregemisch liegen bleiben kann, ohne
                              im Geringsten von ihm angegriffen zu werden, d.h. ohne daß die Bildung von
                              Chlorsilber tiefer geht, welche also auf die Oberfläche beschränkt bleibt.
                           Damit reines Silber durch und durch von Königswasser angegriffen wird, muß letzteres
                              weit mehr Salpetersäure als Chlorwasserstoffsäure enthalten; eine solche
                              Zusammensetzung wäre aber das Gegentheil von den gebräuchlichen Arten von
                              Königswasser, in denen stets ein Ueberschuß von Chlorwasserstoffsäure vorhanden ist.
                              Selbst ein Königswasser, welches nur 1/4 Chlorwasserstoffsäure auf 3/4 Salpetersäure
                              enthält, greift reines Silber nicht weiter, als an der Oberfläche an; mit anderen
                              Worten, die Salpetersäure, von welcher das Silber so leicht aufgelöst wird, greift
                              dieses Metall nicht mehr durch und durch an, sobald sie mit 1/4
                              Chlorwasserstoffsäure vermischt ist; sie verwandelt dann nur die Oberfläche des
                              Metalles in Chlorsilber.
                           Der Widerstand des mit Kupfer legirten Silbers gegen die Einwirkung des Königswassers
                              ist nothwendigerweise weit geringer als der des reinen Silbers, und zwar
                              proportional der Kupfermenge, welche es enthält. Uebrigens erschien mir dieser
                              Widerstand sehr ungleich und zuweilen bei Münzsilber von demselben Feingehalte sehr
                              verschieden. Auch war die angreifende Wirkung des Königswassers selbst auf dieses
                              legirte Silber keineswegs eine andauernde und das über die Oberfläche der Stücke
                              – hierbei nicht als ein harter Firniß, sondern als weicher, käseartiger
                              Schlamm – verbreitete Chlorsilber schien eine weitere Wirkung des
                              Säuregemisches zu verhindern; man mußte das Silber oft reinigen, und, um es gänzlich
                              in Chlorsilber zu verwandeln, von Zeit zu Zeit mit Ammoniak oder einem anderen
                              Lösungsmittel des Chlorsilbers behandeln.
                           Meiner Beobachtung zufolge scheint das Silber der Einwirkung des Königswassers im
                              vollen Lichte besser zu widerstehen, als im Dunkeln.
                           
                           Dieser Widerstand des Silbers gegen die Einwirkung des Königswassers brachte mich auf
                              den Gedanken, eine galvanische Kette zu construiren, bei welcher das von
                              Salpetersäure umgebene Platin der Grove'schen oder die
                              mit derselben Säure in Berührung stehende Kohle der Bunsen'schen Batterie durch in Königswasser eintauchendes reines Silber
                              ersetzt wird. Diese (aus Silber, Königswasser, Zink und wie gewöhnlich verdünnter
                              Schwefelsäure bestehende) Kette functionirte mehrere Monate lang sehr gut und gab
                              mir bei ihrer Anwendung zu galvanoplastischen Zwecken ein sehr hartes und sehr
                              cohärentes Kupfer (in Form von Medaillen), welches allem Anschein nach von der
                              besten Qualität ist.
                           Das Silber schien mir nach mehrmonatlichem Verweilen in Königswasser nicht merklich
                              an Volum verloren zu haben; auch fand ich in dem porösen Gefäße, in welchem das
                              Silber und Königswasser enthalten waren, keine Spur von Chlorsilber. Vielleicht ist
                              diese Kette weniger stark als die Bunsen'sche, ich möchte
                              sie aber für constanter halten. Sie verdient vielleicht nach so vielen anderen in
                              Vorschlag gebrachten auch geprüft zu werden.