| Titel: | Vorschlag zu einer einfachen und schnellen Bestimmung des Zucker- und Alkoholgehaltes von mit Rohrzucker versüßten Liqueuren; von Dr. J. J. Pohl. | 
| Autor: | Joseph Johann Pohl [GND] | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XXXIX., S. 153 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXXIX.
                        Vorschlag zu einer einfachen und schnellen
                           Bestimmung des Zucker- und Alkoholgehaltes von mit Rohrzucker versüßten
                           Liqueuren; von Dr. J. J.
                              Pohl.
                        Pohl, über Bestimmung des Zuckergehaltes etc. von mit Rohrzucker
                           versüßten Liqueuren.
                        
                     
                        
                           Der Umstand, daß die Liqueure und versüßten Branntweine neben Zucker in
                              beträchtlicher Menge Alkohol, sowie eine Reihe von Substanzen enthalten, welche
                              denselben einen charakteristischen Geschmack ertheilen sollen, macht die
                              quantitative Ermittelung ihres Zucker- und Alkoholgehaltes umständlich und
                              zeitraubend. Vor mehreren Jahren veranlaßt, mehrere Liqueure möglichst rasch
                              untersuchen zu müssen, wobei es auf größte Genauigkeit gerade nicht ankam, verfiel
                              ich auf die Idee, mittelst des polarisirten Lichtes den Zuckergehalt der Liqueure
                              und nach Umsetzung der gefundenen Zuckerprocente in Dichten, sowie einer
                              Dichtenbestimmung der gegebenen Flüssigkeit, durch Rechnung deren Alkoholgehalt zu
                              ermitteln. Der Erfolg dieses Verfahrens entsprach der gehegten Erwartung, und da
                              manche technische Chemiker in die Lage kommen können, derlei Bestimmungen rasch mit
                              Verzichtleistung auf große Genauigkeit vorzunehmen, so mag im Folgenden der
                              eingeschlagene Weg im Detail zur Nachahmung beschrieben werden.
                           Vorerst muß jedoch auf zwei Bedingungen aufmerksam gemacht werden, welchen genügt
                              seyn soll, damit die vorgeschlagene Probe ihren Zweck erfülle. Erstens lassen sich
                              nur solche versüßte geistige Flüssigkeiten nach der in Rede stehenden Weise prüfen,
                              welche weder mit Traubenzucker, noch Glycerin, sondern mit Rohrzucker allein versüßt
                              sind. Das Vorhandensein des Traubenzuckers würde nämlich ein
                              Inversions-Verfahren bei der Polarisirung bedingen, für welches, abgesehen
                              von der Umständlichkeit, gegenwärtig die nöthigen Reductions-Elemente
                              mangeln. Das Glycerin hingegen, als bekanntlich optisch inactiv, könnte durch
                              Polarisirung gar nicht aufgefunden werden, mühte jedoch, indem es die Dichte der
                              Liqueure bedeutend vermehrt, nothwendig zur Berechnung eines falschen
                              Alkoholgehaltes führen. Man hat sich somit vor der weiteren Prüfung eines Liqueures
                              zu vergewissern, ob selber nicht Traubenzucker oder Glycerin enthalte und nur in
                              diesem Falle kann nach dem zu beschreibenden Wege vorgegangen werden. Zweitens setzt
                              die neue Prüfungsweise voraus, daß der Rohrzucker in den alkoholhaltigen
                              Flüssigkeiten sein ursprüngliches Drehungsvermögen für den polarisirten Lichtstrahl
                              nicht verändert habe. Gegen alles Erwarten zeigten directe vergleichende Versuche zur
                              Bestimmung des Rohrzuckergehaltes mittelst der Abdampfprobe und Polarisationsprobe,
                              daß selbst in Liqueuren, welche etwa durch sieben Jahre aufbewahrt standen, das
                              Drehungsvermögen des Rohrzuckers sich nicht wesentlich verändert hatte. So wurden
                              beispielsweise in einem Liqueure nach der Abdampfprobe 6,98 Procente, nach der
                              Polarisationsprobe 6,68 Proc. Rohrzucker gefunden; in einem zweiten Liqueure durch
                              Abdampfung 19,48 Proc. Zucker, durch Polarisirung hingegen 19,56 Procente; für einen
                              dritten Liqueur ergab die Abdampfprobe 19,24 Procente, die optische Probe 19,42
                              Procente Rohrzucker; in einem vierten Liqueur resultirten 6,98 Procente durch
                              Abdampfung und 6,61 zufolge der Polarisirung etc.
                           Hiermit ist zugleich der sichere Beweis geliefert, daß alkoholhaltige
                              Rohrzuckerlösungen, wenn deren Alkoholgehalt nicht unter 21 Gewichtsprocenten liegt,
                              jahrelang unverändert aufbewahrt werden können. Diese Thatsache dürfte übrigens
                              nicht nur für die in Rede stehende Probe, sondern auch für manchen anderen
                              wissenschaftlichen oder praktischen Zweck von einigem Belange seyn.
                           Was nun die Ausführung der Liqueurprobe selbst betrifft, so ist diese sehr einfach.
                              Man ermittelt mit Hülfe eines empfindlichen Aräometers, unter Einhaltung der
                              bekannten Vorsichtsmaßregeln, thunlichst genau die Dichte des fraglichen Getränkes,
                              und zwar entweder bei der Normaltemperatur von 15° C., oder bei einer wenig
                              davon verschiedenen Temperatur. Letzteren Falles muß die unmittelbar gefundene
                              Dichte auf die der Normaltemperatur entsprechende reducirt werden, wozu man die
                              Gleichung d = d¹
                              ± 0,00016 tu benutzen kann, in welcher d die auf's
                              Normale reducirte Dichte, d¹ die unmittelbar
                              beobachtete Dichte und tu den Unterschied zwischen der
                              Normal- und Beobachtungstemperatur bedeutet. Ist die beobachtete Temperatur
                              größer als die normale, so gilt das Zeichen +, im entgegengesetzten Falle das
                              – Zeichen.
                           Hierauf geschieht die Polarisirung des Liqueurs entweder mit dem Mitscherlich'schen Polarisations-Saccharometer
                              oder mittelst jenes von Soleil (Duboscq) etc. Gefärbte Liqueurs werden in beiden Fällen nach Erforderniß
                              mit Bleiessig oder gepulvertem Spodium geklärt.Man sehe: Pohl über die Anwendbarkeit des Mitscherlich'schen
                                    Polarisations-Saccharometers zu chemisch-technischen Proben,
                                    in den Sitzungsberichten der k. Akademie der Wissenschaften,
                                    mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, Bd. XXI S. 492. Bei Anwendung des Mitscherlich'schen
                              Saccharometers ergibt sich aus der für die etwaige Verdünnung mit Bleiessig bereits
                              corrigirten Drehung der
                              Polarisations-Ebene D, der Zuckergehalt des
                              Liqueurs in Gewichtsprocenten nach der Gleichung:
                           z = 0,75 D/s,
                           in welcher s die Dichte der
                              geprüften Flüssigkeit auf 15° C. bezogen bedeutet. Auch wird vorausgesetzt,
                              daß die Länge der Flüssigkeitsschichte genau 200 Millimeter betragen habe. Bei
                              Benutzung des Soleil'schen Instrumentes liest man, unter
                              Einhaltung des Verfahrens von Clerget, an dessen Scala
                              unmittelbar den Zuckergehalt ab. Die gefundenen Zuckerprocente werden mittelst einer
                              für die Normaltemperatur 15° C. geltenden Hülfstafel in die ihnen
                              entsprechenden Dichten umgesetztSitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften,
                                    mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, Bd. XI S. 632. und dann ergibt sich die Dichte, welche bei 15° C. dem Alkoholgehalte
                              des Liqueurs entspricht, einfach aus der Gleichung:
                           Da = 1 + D
                              e – D
                              z,
                           worin Da die dem Alkoholgehalte des Liqueures
                              entsprechende Dichte bei 15° C., De jene des Liqueures selbst und D
                              z die dem Zuckergehalte zukommende Dichte
                              ist. Wird endlich die dem Alkoholgehalte gleichkommende Dichte nach einer für
                              Gewichtsprocente geltenden Vergleichstafel der Dichten und Alkoholprocente
                              wässeriger Lösungen umgesetztStampfer: in den Denkschriften der k. Akademie
                                    der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, Bd.
                                    III S. 262., so ist damit die gestellte Aufgabe gelöst.
                           Wie leicht ersichtlich, ist bei der vorgeschlagenen Probe weder eine etwaige
                              Contraction bei Abmischung von Zuckerlösungen mit Mischungen von Alkohol in Wasser,
                              noch jene Dichtenänderung berücksichtigt, welche die absichtliche Beigabe von
                              Substanzen bedingt, wodurch die Liqueure einen charakteristischen Geschmack erhalten
                              sollen. In diesem Außerachtlassen liegt der Hauptgrund, warum das beschriebene
                              Verfahren keine ganz scharfen Resultate liefert. Allein die hierdurch begangenen
                              Fehler bleiben, wenn nicht Rataffias (Liqueure mit Zusatz von Fruchtsäften)
                              untersucht werden, meist so klein, daß sie bei einer sogenannten expeditiven Methode
                              wohl vernachlässigt werden können. Die nachstehenden Beispiele von
                              Liqueur-Proben, die mittelst der Abdampfprobe und Geißler's sogen. Destillationsprobe controlirt wurden, zeigen nicht nur
                              zur Genüge den Gang bei Berechnung der Resultate, sondern geben zugleich über die
                              damit zu erzielende Genauigkeit wünschenswerthen Aufschluß.
                           
                           Versuch Nr. 1. – Rosoglio von Th. Bauer in Wien, erzeugt im Jahre 1857, untersucht im
                              December 1863.
                           Dichte des Rosoglio's bei 21° C. = 0,9953; daher ist die Dichte bei 15°
                              C. = 0,9963.
                           Da der Rosoglio als farblos nicht geklärt wurde, ergibt die gefundene Drehung von +
                              8,88°, den Zuckergehalt zu 6,68 Gewichtsprocenten, entsprechend einer Dichte
                              von 1,0265 bei 15° C.
                           Es wird somit D
                              a = 1 + D
                              e – D
                              z = 1,9963 – 1,0265 = 0,9698, und der
                              Alkoholgehalt in Gewichtsprocenten = 21,4.
                           Die Abdampfprobe ergab den Zuckergehalt zu 6,98 Procenten.
                           Versuch Nr. 2. – Goldwasser von Dux, erzeugt im J. 1857, untersucht im Jahre 1863.
                           Dichte des Liqueurs bei 15° C. = 1,0296.
                           Die Polarisation ergab den Zuckergehalt zu 19,56 Procenten, entsprechend der Dichte
                              1,0813 bei 15° C.
                           Daher wird D
                              a = 0,9483 und der Alkoholgehalt 35,56
                              Gewichtsprocente.
                           Die Abdampfprobe ergab den Zuckergehalt zu 19,48 Procent, Geißler's Probe den Alkoholgehalt zu 35,04 und die Destillationsprobe zu
                              35,55 Gewichtsprocenten.
                           Versuch Nr. 3. – Doppelt-Menthe von Dux, erzeugt 1857, untersucht zu Ende des Jahres
                              1863.
                           Dichte des Liqueurs = 1,0233 bei 15° C.
                           Die Polarisation lieferte den Zuckergehalt zu 19,42 Procenten, entsprechend der
                              Dichte 1,0807 bei 15° C.
                           Daraus folgt D
                              a = 0,9426 bei 15° C. und der
                              Alkoholgehalt in Gewichtsprocenten = 38,60.
                           Die Abdampfprobe ergab den Zuckergehalt zu 19,24 Procent und Geißler's Probe den Alkoholgehalt zu 38,92 Procent.
                           Versuch Nr. 4. – Kümmel-Rosoglio von
                              Friedr. Fröhlich, erzeugt 1857, untersucht im Jahre
                              1863.
                           Dichte des Rosoglio's bei 15° C. = 0,9963.
                           Die Polarisation ergab 6,61 Zuckerprocente, einer Dichte von 1,0262 bei 15° C.
                              gleichkommend.
                           Somit wird D
                              a = 0,9701 bei 15° C., und der
                              Alkoholgehalt gleich 21,16 Gewichtsprocenten.
                           Die Abdampfprobe lieferte den Zuckergehalt zu 6,98 Procenten, und die vaporimetrische
                              Probe den Alkoholgehalt zu 20,92 Procenten.