Titel: | Ueber das von der Londoner Wasserreinigungs-Gesellschaft eingeführte Danchell'sche Thierkohle-Filter; von F. Moigno. |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XL., S. 157 |
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XL.
Ueber das von der Londoner
Wasserreinigungs-Gesellschaft eingeführte Danchell'sche Thierkohle-Filter; von
F. Moigno.
Aus Les Mondes, t. XII p. 379; November
1866.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Moigno, über Danchell's Knochenkohle-Filter zum Reinigen des
Wassers.
Die Nothwendigkeit, zum Trinken, Kochen und für andere Nährzwecke nur ein von
organischen Stoffen und Metalloxyden freies Wasser anzuwenden, ist jetzt allgemein
anerkannt. Hinsichtlich der Cholera, welche noch heute an der Tagesordnung ist,
lassen die von den Gesundheitsbehörden zu Paris und London angeordneten
Untersuchungen keinen Zweifel mehr an der Thatsache, daß das mit den Unreinigkeiten
der Cloaken, Miststätten etc. in Berührung gekommene Wasser zu einem mächtigen
Verbreiter der Epidemie wurde und derselben eine erschreckende Intensität verlieh.
So ergriff z.B. die Cholera in London eine Straffe, in welcher die Einwohner der
ganzen einen Seite, welche ein verhältnißmäßig reines Trinkwasser genossen, der
Seuche entgiengen, während die Bewohner der anderen Straßenseite, welche ein durch
Infiltrationen der Abtritte etwas verunreinigtes Trinkwasser hatten, in
unverhältnißmäßiger Anzahl der furchtbaren Krankheit zum Opfer fielen. Dr. Letheby, Arzt des
Londoner Gesundheitsrathes, sagt in seinem einer Parlaments-Commission
abgestatteten Berichte:
„Im Herbste 1854 trat die Cholera plötzlich und mit großer Heftigkeit im
Kirchspiele St. Jacob von Westminster auf. Zum Erstaunen der Beobachter
beschränkte sich die Epidemie auf ein ganz kleines Viertel, welches den dort
sehr beliebten Brunnen von Broadstreet umgibt. Es erwies sich bald, daß von den
dreiundsechzig Personen, welche in den ersten Tagen der Krankheit erlagen,
einundsechzig von dem Wasser dieses Brunnens getrunken hatten. Noch auffallender
war der Umstand, daß eine Person, welche vor einiger Zeit aus dem
Broadstreet-Viertel nach Hampstead im Westende von London gezogen war,
während der Epidemie den Einfall hatte, sich Wasser von dem erwähnten Brunnen
holen zu lassen, da dieses ihr Lieblingsgetränk war; kaum hatte sie aber ihren
Gelust gestillt, so starb sie an der Cholera, welche in Hampstead bis dahin noch
nicht aufgetreten war.“
Die schädlichen Wirkungen gewisser Wässer zeigten sich i. J. 1854 in London so
augenscheinlich, daß von den Behörden eine ganze Anzahl öffentlicher Brunnen geschlossen
ward. In manchen Fällen ist der Gehalt an organischer Substanz oder an Salzen,
welcher ein dem Anscheine nach sehr reines Wasser zu einem wahren Gift macht,
auffallend gering. Dr. Angus Smith, eine der ersten Autoritäten Englands auf dem Gebiete der
Gesundheitslehre, sagt in einer der Royal Society zu
London eingereichten Denkschrift: „Man nimmt im Allgemeinen an, daß ein
Gehalt des Wassers an Bleioxyd nicht gefährlich wirkt, wenn dasselbe nicht mehr
als ein Vierteigrain (= 6,5 Centigramme) per Gallon
(4,5 Liter) beträgt oder wenn in 2,800,000 Theilen Wasser nicht mehr als 1 Th.
Bleioxyd enthalten ist; allein dieß ist ein großer Irrthum; ein Gehalt von einem
Hundertstelgrain im Gallon ist hinreichend um Bleilähmung hervorzurufen. Die
Empfänglichkeit mancher Personen für die durch das Wasser in den Organismus
eingeführten giftigen Substanzen ist eine außerordentlich große.“
Andererseits ist in unseren neueren großen Städten der Boden in so hohem Grade von
dem Wasser der Rinnsteine, der Abtritte, sowie von den Infiltrationen und den
Emanationen des Leuchtgases durchdrungen, daß das Wasser der Flüsse, der Quellen
oder Brunnen unmöglich von organischen Substanzen und Metallsalzen frei bleiben
kann. Wirklich unglaublich ist es, was alle Augenblicke in die Themse wie in die
Seine gegossen und geworfen wird. Erst in der letzten Woche sahen wir, wie die
Färber von Suresnes ihre mit Blei- und Kupfersalzen, oder mit Anilinfarben
gefärbten Stoffe im Flusse auswuschen. Bei dieser Sachlage sollte man es sich zur
Gewissenspflicht machen, zum häuslichen Gebrauche nur solches Wasser zuzulassen,
welches mittelst zuverlässiger Filtrirapparate von organischen und unorganischen
Verunreinigungen auf das Sorgfältigste befreit worden ist.
Die Aufgabe, ein wirklich wirksames und den häuslichen Bedürfnissen vollkommen
entsprechendes Filter herzustellen, ist unserer. Ansicht nach jetzt von einem
englischen Ingenieur Hrn. Hahn Danchell in vollkommen
befriedigender Weise gelöst worden.
Auf des Genannten Veranlassung bildete sich die „Londoner und allgemeine
Wasserreinigungs-Gesellschaft“ (the
London and general water purifying Company); dieselbe hält um sehr billige
Preise – entweder für 8 Francs jährliche Abgabe oder für die einmalige
Bezahlung von 36 Francs – Filter von sehr geringem Volum, welche sich überall
hinstellen lassen und per Minute wenigstens zwei Liter
Wasser zu liefern im Stande sind, für die Einwohner der Weltstadt zur Verfügung und
läßt dieselben durch ihre Arbeiter in jeder Wohnung einrichten. In Paris fehlt es an
Filtern allerdings nicht; unserer Ueberzeugung nach stehen sie aber Danchell's
Thierkohle-Filtern weit nach, und es ist daher sehr zu wünschen, daß letztere
durch eine Pariser Gesellschaft auch bei uns im größten Maaßstabe verbreitet werden.
Man muß nothwendig aus den Reinigungsapparaten die Wolle, das Tuch, kurz alle
organischen Substanzen entfernen, die in den Filtern älterer Construction als
Filtrirmaterial benutzt wurden, da gerade derartige Körper die größte Gefahr
veranlassen; man könnte nur zwischen der Wahl von Holzkohle oder von Thierkohle
schwanken. Die Holzkohle verhält sich aber verhältnißmäßig indifferent und verliert
ihre Absorptionsfähigkeit weit rascher als Thierkohle; letztere ist das wirksamste
aller desinficirend und reinigend wirkenden Agentien. Der ausgezeichnete Chemiker
Professor Frankland zu London schrieb am 8. August 1866
der Zeitung „Standard“: „Ich gebe dem Filtriren durch
Thierkohle den Vorzug, weil dieselbe, wie Sie aus meinen drei letzten Berichten
ersehen haben, das Wasser von aller ihm etwa beigemengten organischen Substanz
in wirklich praktischer Weise befreit. Die Wasserreinigungs-Gesellschaft
hat zu dem Filter, welches auf dem das King's College von Somersethouse
trennenden Hofe steht, Thierkohle verwendet, und durch dieses Filter geht das
Wasser des New River, welches ich allmonatlich
analytisch untersuche. In meinem letzten Protokolle über die Analyse der Wässer
der Metropole habe ich nachgewiesen, daß durch die Thierkohle aus dem Wasser des
New River wirklich der ganze Gehalt an
organischen Substanzen beseitigt wird, und durch zahlreiche andere Versuche habe
ich gezeigt, daß dieses Verfahren sich auch zur Reinigung des Wassers der
Teiche, Pfühle und Sümpfe mit gleichem Erfolge anwenden läßt. Nur die Thierkohle
besitzt diese Wirksamkeit; Pflanzenkohle verhält sich ganz
indifferent.“
Man glaubte lange Zeit, daß die Hohlräume oder Poren der Filtrirmaterialien, um die
im Wasser suspendirten, sehr fein zertheilten Unreinigkeiten zurückhalten zu können,
kleiner seyn müßen, als die kleinsten Partikelchen, von denen das Wasser befreit
werden soll. Diese Theorie ist durchaus irrig, denn jene mikroskopisch kleinen
Leerräume verstopfen sich gleich beim ersten Durchgange eines trüben Wassers, und
ihre Capillarwirkung ist so stark, daß das Wasser ohne einen starken Druck selbst
nicht durch sie hindurchdringen kann. Das Zurückhalten der Unreinigkeiten kann man
daher nicht von diesen unendlich engen Hohlräumen verlangen, sondern nur von der
Anziehungskraft des Filtrirmaterials. Alles, was man von den Poren erwarten könnte,
wäre eine Verminderung der Geschwindigkeit des Wassers, wodurch die Anziehung des
filtrirenden Mediums zu größerer Wirksamkeit gelangt. Die Verminderung der Geschwindigkeit des Wassers
läßt sich aber durch ein mechanisches Mittel von großer Einfachheit erzielen.
Demgemäß beschränkt sich Danchell darauf, die Thierkohle
zu Stücken vom Volum beiläufig eines Kubikcentimeters zu zerkleinern. In seinen
Filtern dringt das Wasser von unten nach oben; zur Regulirung der
Aufsteigungsgeschwindigkeit – nämlich zur Beschleunigung derselben beim
Filtriren weniger trüben oder weniger unreinen, und zum Verlangsamen derselben bei
der Behandlung schmutzigeren oder unreineren Wassers – preßt er die Kohle
mittelst einer Schraube mehr oder weniger stark zusammen. Auf diese Weise erzielt
man mittelst des Filters ohne Mühe stets dieselbe Reinigung, welche nichts zu
wünschen übrig läßt.
Die Danchell'schen Filter sind von zweierlei Größe. Die
eine Sorte ist für die Wasserbehälter der einzelnen Wohnungen, die andere für
diejenigen ganzer Gemeinden bestimmt. Die Einrichtung des kleinen Modells, welches
per Minute zwei Liter liefert, ist aus Fig. 5 und 6 ersichtlich;
das große Modell, welches sechzehn Liter per Minute
filtrirt, ist in Fig. 7 dargestellt. Der Apparat, mit Knochenkohle gefüllt, durch welche
das durch einen Heber angesaugte Wasser aufsteigt, steht auf dem Boden des
Wasserbehälters; der Heber wird durch Ansaugen an der Oeffnung. des Abflußhahnes in
Thätigkeit gesetzt, worauf das Filter so lange functionirt, als noch Wasser in dem
Behälter vorhanden ist. Es liefert ein reines, klares, lufthaltiges, geruchloses
Wasser ohne vorstechenden Geschmack, hält die mechanisch suspendirten Unreinigkeiten
zurück und entfernt sowohl die organischen Substanzen, als auch die Metalloxyde. Da
das Wasser nur in dem Momente durch das Filter dringt, in welchem der Hahn geöffnet
wird, so bleibt es in der Knochenkohle nicht stehen, daher die Wirkung der letzteren
stets gleich günstig seyn muß.
Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß zwischen dem Boden des Wasserbehälters
und dem mit Löchern durchbrochenen. Boden des Filters ein gewisser Raum bleiben muß.
In den Abbildungen ist die am oberen Ende des Filters angebrachte Schraube
ersichtlich.
Fig. 8 und
9 zeigen
die Aufstellung dieser Filter in äußerlich verzierten Behältern von gebranntem Thon,
Stein oder Holz. In Fig. 10 ist ein für landwirthschaftliche Zwecke bestimmtes, mit einer
Saugpumpe verbundenes Filter dargestellt; die Pumpe ist mit ihrem Ansaugschlauche
versehen und ruht auf einem Karren, so daß man das für die Viehzucht erforderliche
Wasser an Ort und Stelle schöpfen und filtriren kann.
Fig. 11
endlich zeigt die Anordnung eines neuen Apparates, der jedoch noch vervollkommnet
werden dürfte und dazu bestimmt ist, Wasser weich zu machen, welches in Folge eines zu großen Gehaltes
an Kalkerde- und Eisensalzen zu hart ist. Bei der
Construction dieses Apparates gieng Danchell von Dr. Clark's Princip aus,
wornach zum Weichmachen von hartem Wasser, um mit solchem Seife lösen (waschen) und
Hülsenfrüchte kochen zu können, dasselbe in innige Berührung mit Aetzkalk gebracht
werden muh. Das Reservoir zur Aufnahme des Wassers ist in zwei Abtheilungen, eine
größere und eine kleinere getheilt, deren Inhalt im Verhältnisse von etwa 1 zu 6
steht. Die kleinere Abtheilung dient zur Aufnahme des Aetzkalkes, die größere nimmt
das gereinigte Wasser auf. Das von einem Speisehahn gelieferte Wasser fließt in ein
kleines, neben und über der kleineren Abtheilung des Apparates stehendes Sammelgefäß
und tritt aus diesem in zwei Strahlen aus. Der erste Strahl wird durch ein kleines
Rohr auf den Boden der den Aetzkalk enthaltenden Abtheilung geleitet, dringt beim
Aufsteigen durch den Kalk und löst denselben zum Theile auf; der zweite Strahl tritt
in ein in der größeren Abtheilung des Apparates stehendes Mischrohr und vereinigt
sich hier mit dem aus der kleineren Abtheilung kommenden Kalkwasser. In Folge dieser
Vermischung der beiden Strahlen wird der das Wasser hart machende
zweifach-kohlensaure Kalk durch den gelösten Aetzkalk in unlöslichen
einfach-kohlensauren Kalk verwandelt, welcher sich am Boden des zu seiner
Aufnahme bestimmten Reservoirs sammelt, indem das Mischrohr bis in letzteres
verlängert ist; das so gereinigte Wasser dringt durch die auf diese Weise abgesetzte
Kalkschicht hindurch, steigt durch ein Rückflußrohr auf, gelangt zum
Thierkohlefilter und fließt als vollkommen weiches und reines Wasser ab.
Dieses Verfahren ist vorzugsweise für große industrielle Anlagen und Fabriken
geeignet. Hat man durch die chemische Untersuchung des Wassers mit Reagentien in
jedem besonderen Falle die eigentliche Ursache der Härte desselben ermittelt, so
wird man in dem vorhin beschriebenen Apparate anstatt des Aetzkalks diejenige
Substanz anwenden, welche sich zur Verbesserung des Wassers für häusliche und
Nährzwecke oder für die Speisung der Dampfmaschinen als die geeignete herausgestellt
hat.
Wir schließen mit dem äußerst günstigen Urtheile, welches Dr. Letheby, in dieser Frage Englands
competentester Richter, über Danchell's Apparat gefällt
hat: „Schon oft ward ich um meine Ansicht über die Wirksamkeit des von Danchell erfundenen Filters befragt und stets vermied
ich es, mich darüber auszusprechen. Von vorn herein hatte ich erkannt, daß die
Principien, auf denen die Einrichtung desselben beruht, wissenschaftlich richtig
sind. Seitdem habe ich die Wirksamkeit des Apparates so lange Zeit hindurch
beobachtet, und so oft gefunden, daß derselbe eben so einfach als sicher arbeitet, daß
ich nicht länger schweigen kann. Ein solches Filter war ohne Unterbrechung
mehrere Monate in einem großen, ganz unverschlossenen Wasserbehälter in
Thätigkeit, in welchem es von Conserven und mikroskopischen Organismen in
wahrhaft abschreckender Weise wimmelte; trotzdem und obgleich in Folge der
überreichlichen Vegetationen das Wasser häufig ganz grün war, lieferte das
Filter stets ein klares, farbloses, geruch- und geschmackloses Wasser.
Ich erfülle demnach eine Pflicht, indem ich die Versicherung gebe, daß die Danchell'schen Filter in einer durchaus vollkommenen
Weise functioniren, und daß die Einfachheit ihrer Anwendung ebenfalls als ein
wesentlicher Vorzug zu betrachten ist.“