| Titel: | Ueber einige Constructionstheile der Stehelin'schen Wollkämmmaschine; von C. R. Fulde, Ingenieur in Breslau. | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. LI., S. 195 | 
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                        LI.
                        Ueber einige Constructionstheile der Stehelin'schen Wollkämmmaschine;
                           von C. R. Fulde, Ingenieur
                           in Breslau.
                        Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
                              1866, Bd. X S. 727.
                        Mit einer Abbildung.
                        Fulde, über die Stehelin'sche Wollkämmaschine.
                        
                     
                        
                           Von den in neuerer Zeit construirten Wollkämmmaschinen für längere Wollen kommt
                              vielfach eine Maschine von Stehelin und Comp. in Bitschwiller (Elsaß) zur Anwendung, welche im
                              Principe zwar der allbekannten Lister'schen Maschine
                              nachgebildet ist, in ihren einzelnen Theilen aber doch Eigenthümlichkeiten aufweist,
                              durch welche sie sich entschieden von jener unterscheidet. Diese Eigenthümlichkeiten
                              bestehen darin, daß, während bei der Lister'schen
                              Maschine die Abnehmgabel gerade ist, die Zange geradlinige Backen hat, die
                              Nadelstäbe ebenso geradlinig, und die Einführwalzen dem entsprechend cylindrisch
                              geformt sind, bei der Stehelin'schen Maschine die
                              Abnehmgabel conform dem Kranze gebildet ist, und dem entsprechend auch die Zange,
                              die Nadelstäbe und die Zuführung der Bänder construirt sind.
                           Wiewohl die Stehelin'sche Wollkämmmaschine durch die
                              soeben aufgezählten, charakteristischen Merkmale vor der Lister'schen das Anrecht größerer Vollkommenheit für sich in Anspruch
                              nehmen darf, besitzt dieselbe doch in der Form ihrer
                                 Einführwalzen und deren Bewegung zwei
                              Constructionsfehler, die in ihrer schädlichen Wirkung nicht zu unterschätzen
                              sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 183, S. 195
                              
                           Die Einführwalzen, welche zunächst bezwecken, den
                              Nadelstäben die Wollbänder zuzuführen, haben bei der in Rede stehenden Maschine die
                              Form von cylindrischen Rotationskörpern (wie die vorstehende Figur zeigt). Als
                              Erzeugungslinie für dieselben ist ein Kreisbogen gewählt, so daß für den unteren
                              Cylinder die convexe Seite des Bogens der Achse zugekehrt
                              ist, für den oberen Cylinder dagegen die concave. Der
                              Bogen selbst ist Theil eines Kreises dessen Durchmesser gleich ist dem Durchmesser des sogenannten
                              Kranzes der Maschine. Beide Walzen, gerade übereinander liegend, mittelst Federdruck
                              zusammengepreßt, sind behufs einer gleichen Geschwindigkeit durch zwei gleich große
                              Stirnräder mit einander verbunden und erhalten von der Hauptwelle der Maschine aus
                              eine constante Winkelgeschwindigkeit. Hieraus folgt, daß die
                              Peripheriegeschwindigkeit derselben in den verschiedenen Punkten ihrer Oberfläche
                              eine verschiedene seyn muß.
                           Während für den Untercylinder im Punkte a die
                              Geschwindigkeit ein Minimum ist, von dorten aus bis zu den Endflächen wächst und an
                              den Endflächen b, b selbst zu einem Maximum wird, ist
                              für den Obercylinder gerade das Umgekehrte der Fall. Das Maximum seiner
                              Geschwindigkeit hat derselbe in seiner Mitte, im Punkte a', das Minimum in den Endflächen, in den Punkten b', b'; zwischen beiden Punkten findet eine stetige Abnahme der
                              Geschwindigkeit und zwar von a' nach b' zu statt. Der schädliche Einfluß, der hierdurch auf
                              die Wollbänder ausgeübt wird, ist klar.
                           Da diese Bänder nämlich zwischen den beiden durch Federdruck zusammengepreßten Walzen
                              liegen, so werden die oberen Wollhaarschichten gerade dort die größte
                              Geschwindigkeit haben, wo für die unteren die geringste ist, und umgekehrt, wo die
                              oberen Wollhaarschichten die geringste Geschwindigkeit haben, erhalten die
                              unmittelbar darunter liegenden unteren Haarschichten die größte – kurz, die
                              Wollhaare werden für die verschiedenen Punkte der Einführwalzen verschiedene
                              Geschwindigkeit haben, wie diese Walzen selbst. Dieß ist aber gerade das Gegentheil
                              von dem, was erzielt werden soll. Wie sich nämlich aus der Construction aller
                              anderen Theile der Stehelin'schen Maschine ergibt, sollen
                              die Einführwalzen an allen Punkten ihrer Oberfläche den Nadelstäben in gleichen
                              Zeiten gleiche Bandlängen zuführen, und sollen ferner die Wollbänder während ihrer
                              Einführung so festhalten, daß sie nicht willkürlich durchgezogen werden können,
                              sondern genau an der Bewegung der Walzen selbst theilnehmen. Diesen Anforderungen
                              kann aber nur dadurch entsprochen werden, daß man die Einführwalzen nicht als krummlinige, sondern als geradlinige Cylinder construirt, daß man ferner dieselben nicht glatt, sondern geriffelt,
                              unter Anwendung von starkem Federdrucke auf einander wirken läßt. Die Wahrheit
                              dieser Behauptungen ergibt sich mit Rücksicht auf das Vorhergegangene von selbst,
                              und es mag hier nur noch der Punkt erwähnt werden, daß es zweckmäßiger ist, anstatt
                              zweier übereinander liegenden, zwei nebeneinander liegende Cylinder anzuwenden und
                              auf diese einen dritten Cylinder durch starke Federn wirken zu lassen.
                           
                           Um schließlich der Gesammtheit der eingeführten Bandfläche die Form zu geben, welche
                              die Nadelstäbe haben, genügt es, zwischen diese und die Einführwalzen eine Schiene
                              einzulegen, welche die Form jener Stäbe hat, und unter welcher hinweg sich die
                              Bänder bewegen müssen.
                           Nachdem somit die Form, wie auch die Anordnung der Einführwalzen dargelegt sind, muß noch die Art ihrer Bewegung festgestellt werden. Jedenfalls ist
                              dieselbe nicht gleichgültig, unbedingt unrichtig aber in der Ausführung, wie sie die
                              Stehelin'sche Maschine zeigt. Die Nadelstäbe haben
                              hier eine intermittirende, d.h. eine von Ruhepunkten
                              unterbrochene, fortschreitende Bewegung, die Einführwalzen dagegen eine continuirliche. Die schädliche Wirkung dieser
                              ungleichartigen Bewegung ergibt sich aus folgender Betrachtung.
                           Da die Einführwalzen sich continuirlich bewegen, also den Nadelstäben continuirlich
                              Wollband zuführen, diese selbst aber während einiger Momente unbeweglich feststehen,
                              so wird während dieser Momente das Band zwischen Nadelstäben und Einführwalzen etwas
                              lose, nicht straff angespannt seyn; beginnt nun die Bewegung der Nadelstäbe, also
                              auch das Heraufdrücken eines Stabes von unten nach oben, so werden die Bänder diesem
                              Drucke etwas ausweichen, die Nadeln sich also nicht bis zu ihrer Basis in das Wollband hineindrängen, sondern dasselbe
                              theilweise mit ihren Spitzen erreichen, theilweise
                              allerdings auch durchdringen, aber höchstens nur bis zu ihrer Mitte hin. Selbst die später auf die Bänder drückende Bürste ändert an
                              diesem Zustande, wie die Erfahrung zeigt, wenig, und so überträgt sich die Kraft,
                              mit welcher die Zange den Wollbart aus den Nadelstäben zieht, nicht auf die Basis der Nadeln, sondern zum größten Theile auf die Mitte derselben. Die natürliche Folge hiervon ist, daß
                              die Nadeln in der Richtung der wirkenden Kraft sich biegen und, sobald ihre
                              Elasticitätsgrenze überschritten ist, brechen.
                           Dieser Uebelstand ist um so empfindlicher, als die Nadelstäbe zu den kostbarsten
                              Theilen der Maschine gehören, und ihre Reparatur mit mancherlei Schwierigkeiten
                              verbunden ist. Man vermeidet dieselbe sofort, wenn man den Einführwalzen eine
                              ebensolche intermittirende Bewegung gibt, wie sie die Nadelstäbe besitzen, und
                              gleichzeitig dafür sorgt, daß die vorwärts schreitende Bewegung der Stäbe um ein
                              Kleines bedeutender wird als die entsprechende Geschwindigkeit der Einführwalzen.
                              Durch diesen letzteren Umstand wird bewirkt, daß die Gesammtheit der Bänder zwischen
                              Einführwalzen und Nadelstäben in jedem Momente straff
                              angespannt ist, daß also auch dann, wenn ein Stab von
                              unten nach oben gepreßt wird, die Nadeln bis an ihre Basis sich in das Wollband hineindrängen und in dieser Lage so lange
                              verbleiben bis die Zange einen Wollbart an ihnen herauszieht.
                           Wenngleich sich nicht läugnen läßt, daß durch eine continuirliche Bewegung der Nadelstäbe und Einführwalzen ein nahezu ebenso
                              günstiges Resultat erzielt werden kann als durch die intermittirende, so läßt sich doch andererseits nicht abstreiten, daß
                              diese letztere Bewegung, vom theoretischen Standpunkte aus betrachtet, die einzig
                              richtige ist und auch in der Ausführung nicht so große Schwierigkeiten darbietet, um
                              ihre Anwendung nicht zu empfehlen.
                           Werden die in Vorstehendem angeführten Uebelstände vermieden und in der Weise
                              abgestellt, wie es soeben näher angegeben worden ist, so wird die Stehelin'sche Maschine den Anforderungen, welche man an
                              eine vollkommene Wollkämmmaschine stellen kann, in noch höherem Grade entsprechen,
                              als bisher.