Titel: | Ueber Rivière's Verfahren zur Fabrication des Aetzbaryts; Bericht von A. Scheurer-Kestner. |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. LXXXIII., S. 291 |
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LXXXIII.
Ueber Rivière's Verfahren zur Fabrication des
Aetzbaryts; Bericht von A.
Scheurer-Kestner.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, t. XXXVI p. 448; October 1866.
Scheurer-Kestner, über Rivière's Verfahren zur
Fabrication des Aetzbaryts.
Die fabrikmäßige Darstellung des Aetzbaryts nach den bisher bekannten Methoden ist
mit manchen praktischen Schwierigkeiten verknüpft oder erfordert die Anwendung von
Substanzen, deren hoher Preis dieses Präparat der Industrie im Großen unzugänglich
macht.
Die Natur bietet uns den Baryt nur im Zustande von schwefelsaurem und kohlensaurem
Salze dar. Beide Salze können zur Darstellung des Aetzbaryts angewendet werden. Der
natürliche kohlensaure Baryt jedoch, der Witherit,
welcher aus England zu uns kommt, ist so theuer, daß er als Rohstoff zur Darstellung
des Aetzbaryts nicht angewendet werden könnte, ohne dieses Präparat zu sehr zu
vertheuern.
Demnach muh der natürlich vorkommende schwefelsaure Baryt, der Schwerspath, von welchem sich auch in mehreren Departements Frankreichs
mächtige Lagerstätten finden, die Basis der Barytindustrie bilden.
Indessen blieben die Bemühungen der Chemiker, den Schwerspath auf billige Weise in
Aetzbaryt umzuwandeln, welcher der Industrie so große Dienste zu leisten im Stande
wäre, bisher vergebens.
Zieht man den schätzbaren Bericht von Dr. A. W. Hofmann über die Londoner Ausstellung chemischer Producte
von 1862 zu Rathe (eine Arbeit, welche nicht nur die chemisch-technischen
Methoden in ihren genauen Details, sondern auch die wichtigsten zur Erweiterung des
Thätigkeitsfeldes der chemischen Industrie gemachten Versuche umfaßt), so findet man
in demselben den Beweis für die Wichtigkeit einer fabrikmäßigen Darstellung des
Aetzbaryts.
Die Verwandtschaften des Baryts, sagt Hofmann, werden
durch seine merkwürdigen physikalischen Eigenschaften so mächtig unterstützt, daß
diese Substanz unter vielen Umständen, selbst bei den Operationen auf nassem Wege,
sich alkalischer verhält als die eigentlichen Alkalien; so z.B. läßt sich mittelst
dieser alkalischen Erde in Folge der merkwürdigen Unlöslichkeit ihres
Schwefelsäuresalzes den Alkalisulfaten der ganze Säuregehalt entziehen.
Von den möglichen Anwendungsweisen der Baryumverbindungen sind bereits einige in
großem Maaßstabe in die technische Praxis übergegangen; andere hingegen haben eine
industrielle Verwerthung noch nicht gefunden, was namentlich für den Aetzbaryt
gilt.
Eine mit geringen Kosten verbundene Darstellungsweise des Aetzbaryts würde zu
derjenigen des Wasserstoffsuperoxyds, also zur Verwerthung des atmosphärischen
Sauerstoffs im Baryumsuperoxyd, führen, ferner zur unmittelbaren Umwandlung der
schwefelsauren Alkalien in Aetzalkalien, indem sie uns der Nothwendigkeit, diese
Sulfate vorher in Kohlensäuresalze umzuwandeln, entheben würde. Hofmann ist der Ansicht, daß der Aetzbaryt alkalisch
genug seyn wird, um als Stellvertreter für die gewöhnlichen Aetzkali- und
Aetznatronlaugen dienen zu können, und daß er sich sehr gut zur Fabrication von Barytglas (als Ersatz des bleihaltigen oder
Krystallglases) eignen wird.
Außer den eben genannten Anwendungen des Aetzbaryts lassen sich noch andere anführen,
z.B. die Verwendung von Baryt anstatt Kalis für die chromsauren Salze, welche in der
Industrie so gesucht sind, ferner die Ersetzung des Kaliums durch Baryum bei der
Darstellung mancher Cyanverbindungen (nach Margueritte
und de Sourdeval).
Dubrunfaut und Leplay wenden
den Baryt zur Abscheidung des krystallisirbaren Zuckers aus der Melasse an.
Auch das von Rosenstiel mit mangansaurem Baryt
dargestellte schöne Grün darf ich nicht unerwähnt lassen; dasselbe ließe sich
mittelst Aetzbaryt leichter bereiten.
Das bis jetzt am allgemeinsten angewendete Verfahren zur Darstellung des Aetzbaryts
besteht in der Zersetzung des salpetersauren Baryts durch höhere Temperatur. Alle
Chemiker, welche sich mit dieser Darstellungsweise beschäftigt haben, wissen aber,
wie schwierig es ist, Schmelztiegel zu finden, welche fest und dicht genug sind, um
den salpetersauren Baryt in dem Moment, in welchem er in Fluß geräth,
zurückzuhalten. Somit mangelt es an einem zur fabrikmäßigen Erzeugung des Aetzbaryts
geeigneten Verfahren noch gänzlich, weßhalb die Industrie-Gesellschaft zu
Mülhausen einen Preis auf die Entdeckung einer solchen Methode gesetzt hat.
Von dem Ausschusse für Chemie mit der Berichterstattung über eine in diesem Betreff
eingereichte Abhandlung beauftragt, entledige ich mich im Nachstehenden dieser
Aufgabe.
Der Verfasser dieser Abhandlung, Hr. Rivière,
Professor der Chemie in Rouen, zählt vorerst sowohl die bisher wirklich praktisch
angewendeten, als auch die nur empfohlenen Methoden zur Darstellung des Aetzbaryts
auf. Es sind dieß: die Zersetzung des salpetersauren Baryts durch Hitze; die
Zersetzung eines Gemenges von kohlensaurem Baryt und Kreide durch Wasserdampf; die
Zersetzung von reinem kohlensaurem Baryt durch Wasserdampf; endlich die Zersetzung
des Schwefelbaryums durch Kupferoxyd. Alle diese Methoden sind mit Schwierigkeiten
und Uebelständen verknüpft, welche der Verfasser in klares Licht stellt.
Obgleich das von ihm selbst erfundene Verfahren nicht auf neuentdeckten Reactionen
beruht, so bildet es doch in Folge der zweckmäßigen Zusammenstellung mehrerer auf
einander folgender Processe ein neues Ganzes.
Sein Verfahren zerfällt in drei Stadien:
1) Zersetzung des schwefelsauren Baryts durch Kohle;
2) Umwandlung des erhaltenen Schwefelbaryums in
Kohlensäuresalz;
3) Zersetzung des Kohlensäuresalzes durch Kohle.
Der zu grobem Pulver zerkleinte Schwerspath wird mit einem Achtel seines Gewichtes
gepulverter Steinkohle gemengt und zum Dunkelrothglühen erhitzt; die dabei sich
entwickelnden Gase bestehen überwiegend aus Kohlensäure. In der Retorte bleibt
Schwefelbaryum zurück; dieses wird in Wasser gelöst und dann mit der bei dem ersten
Processe entwickelten Kohlensäure behandelt. Schließlich wird der als Niederschlag erhaltene kohlensaure
Baryt mit einem Zehntel seines Gewichts fein pulverisirter Steinkohle innig gemengt
und in einer Retorte zum Rothglühen erhitzt. Als Product dieses Processes erhält man
Aetzbaryt.
Um mich von dem praktischen Werthe dieses Verfahrens zu überzeugen, wiederholte ich
die drei Processe, welche der schwefelsaure Baryt zu seiner Umwandlung in Aetzbaryt
durchzumachen hat.
1. Zersetzung des schwefelsauren Baryts
durch Kohle.
Nach Rivière's Angabe sollen zu dieser Operation
Retorten aus feuerfestem Thone (wie man sie zur Leuchtgasfabrication benutzt)
angewendet werden, um die sich entwickelnde Kohlensäure auffangen zu können. Allein
diese Operation würde eine Schwierigkeit darbieten, welche noch beseitigt werden
müßte. Das in der Retorte erzeugte rothglühende Schwefelbaryum müßte nämlich vor
jedem Luftzutritte geschützt ausgezogen werden können; denn ohne diese
Vorsichtsmaßregel würde es sich sehr rasch oxydiren. Es würde in der Praxis offenbar
nicht ausführbar seyn, nach jeder Operation die Retorten mit ihrem Inhalte erkalten
zu lassen, weil sie derartige Temperaturwechsel nicht ertragen, überdieß der
Brennmaterialverbrauch zu bedeutend werden würde; es müßte also ein Apparat
angewendet werden, mittelst dessen der Retorteninhalt ausgezogen werden könnte, ohne
mit der Luft in Berührung zu kommen.
Rivière machte eine interessante Beobachtung
bezüglich der Zersetzung des Schwerspaths, daß nämlich die Reduction desselben bei
Anwendung von Steinkohle leichter und vollständiger stattfindet, als bei Benutzung
von Holzkohle. Diese Beobachtung hat auch durch meine Versuche Bestätigung
gefunden.
Die ersten Antheile der aus der erhitzten Beschickung sich entwickelnden Gase
enthalten Kohlenwasserstoffverbindungen. Um diese und das gleichzeitig entstandene
Kohlenoxydgas zu zerstören und in Kohlensäure umzuwandeln, leitet man sie durch
einen zum Rothglühen erhitzten und Schwerspathstückchen enthaltenden
Reinigungscylinder; dadurch wird das Mineral zum Theil reducirt, während die
Hydrocarbüre und das Kohlenoxyd zu Kohlensäure sich umwandeln.
Ich bereitete ein Gemenge von 2 Kilogr. feingepulvertem Schwerspath und 250 Grm. (der
vom Verf. vorgeschriebenen Menge) Steinkohle, und erhielt damit 70 Proc. des
theoretischen Ausbringens an Schwefelbaryum.
Um vom letzteren mehr zu erzielen, mußte ich eine größere Menge Kohle anwenden:
500 Grm. Schwerspath, mit 100 Grm. einer 10 bis 12 Procent Asche liefernden
Steinkohle gemengt, gaben 400 Grm. unreines Schwefelbaryum, welches, in Wasser
gelöst, 100,50 Grm. eines Rückstandes hinterließ, welcher außer überschüssiger
Steinkohle noch Thonerde, Schwefeleisen, Kieselsäure und unzersetzten Schwerspath
enthielt, während das Wasser ungefähr 300 Grm. Schwefelbaryum gelöst hatte. Der
Theorie zufolge hätte ich 362 Grm. vom letzteren erhalten müssen; somit gab diese
Operation 82,8 Proc. des theoretischen Ausbringens. Demnach muß man, um den höchsten
Ertrag an Schwefelbaryum zu erhalten, eine größere als die vom Verf. vorgeschriebene
Menge Steinkohle anwenden. Das Ausbringen fällt beträchtlich niedriger aus, wenn der
Schwerspath nicht in Pulver verwandelt ist. Mit Holzkohle erhielt ich, bei gleicher
Hitze, eine viel geringere Menge Schwefelbaryum.
2. Umwandlung des Schwefelbaryums in
kohlensauren Baryt.
Der Verfasser zersetzt das in Wasser gelöste Schwefelbaryum durch Kohlensäure.
Zunächst bildet sich Schwefelwasserstoff-Schwefelbaryum, und die Hälfte des
Baryums schlägt sich als Kohlensäuresalz nieder. Läßt man die Kohlensäure noch
weiter einwirken, so findet eine mit der Ausscheidung von kohlensaurem Baryt
gleichen Schritt haltende Entwicklung von Schwefelwasserstoff statt.
Die bei der Zersetzung des Sulfats durch Kohle entwickelte Kohlensäure ist zur
Zersetzung der ganzen vorhandenen Schwefelbaryum-Menge mehr als hinreichend,
wenn man durch zweckentsprechende Einrichtungen dafür sorgt, daß sie vom letzteren
gehörig und zum größten Theile absorbirt wird. Indessen scheint es, – so weit
sich darüber nach den Ergebnissen von Laboratoriumsversuchen urtheilen läßt –
daß das zweite Stadium der Umwandlung von dem Zeitpunkte ab, in welchem die
Entwickelung von Schwefelwasserstoff beginnt, weniger leicht von statten geht; ich
sah mich wenigstens stets zur Anwendung eines sehr bedeutenden Ueberschusses von
Kohlensäure genöthigt. Möglicherweise würde es gelingen, den Zweck mit einer
geringeren Kohlensäure-Menge zu erreichen, wenn man das Gas nach und nach in
mehrere Gefäße eintreten läßt, welche stufenweise weniger vollständig zersetzte
Schwefelbaryumlauge enthalten; allein dann wird man mit dem Uebelstande zu kämpfen
haben, daß der durch das Gas zu überwindende Druck wächst.
Die Flüssigkeit nimmt eine gelbe Färbung an, welche immer intensiver wird, bis alles Schwefelbaryum
in Schwefelwasserstoff-Schwefelbaryum verwandelt ist; dann beginnt sie sich
zu entfärben.
Das bei meinen Versuchen angewendete Gasleitungsrohr tauchte 10 Centimeter tief in
die Flüssigkeit und ich mußte die Kohlensäure-Entwickelung 68 Stunden lang
andauern lassen, um eine vollständige Zersetzung der Lauge herbeizuführen.
Was die praktische Verwendung des bei dieser Operation sich entwickelnden
Schwefelwasserstoffs anbetrifft, so gibt der Verfasser darüber nichts an, verspricht
indessen ein Verfahren zur Gewinnung des Schwefels aus diesem Gase später
mitzutheilen.
So lange eine derartige Verwerthung nicht angegeben wird, wird das in Rede stehende
Verfahren zur Darstellung des Baryts ohne Werth bleiben; denn der
Schwefelwasserstoff ist wenigstens meines Wissens bei der Fabrication chemischer
Producte bisher im fabrikmäßigen Betriebe noch nicht verwerthet worden.Neuere Versuche von Kopp haben dargethan, daß der
Schwefelwasserstoff auf Schwefel verarbeitet werden kann, nämlich durch
Verbrennen desselben unter solchen Bedingungen, daß er durch den Sauerstoff
der Luft zu Wasser und Schwefel umgewandelt wird. Diese Versuche berechtigen
zu der Hoffnung, daß eine vortheilhafte Anwendung des Schwefelwasserstoffs
in der chemischen Industrie möglich ist.
Allerdings könnten Versuche zu der vom Verfasser empfohlenen Darstellung gelben Schwefelarsens (Operments) angestellt werden;
allein dieß wäre ein Ausweg, welcher keineswegs geeignet seyn würde, die von einer
ausgedehnten Barytfabrication producirten Schwefelwasserstoff-Mengen zur
Absorption und Verwerthung zu bringen. Uebrigens ist es bekanntlich beinahe
unmöglich, dieses Gas durch Verbrennen zur Gewinnung von Schwefelsäure zu benutzen,
und zwar wegen der Menge des beim Verbrennen des Wasserstoffs verschwindenden
Sauerstoffs der Luft.
Zur genauen Bestimmung des Zeitpunktes, in welchem die Lauge mit Kohlensäure
gesättigt ist, genügt es nicht, sich nach der Entfärbung der Flüssigkeit zu richten;
meiner Beobachtung zufolge reißt der sich bildende Niederschlag von kohlensaurem
Baryt eine gewisse Menge einer unlöslichen Schwefelverbindung mit sich nieder.
Sobald die über dem Niederschlage stehende Flüssigkeit farblos geworden ist und die
durch den Kohlensäurestrom vermittelte Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas
aufgehört hat, wird der Niederschlag in der Flüssigkeit tüchtig aufgerührt, wobei
sich neue Mengen Schwefelwasserstoffgas entwickeln. Ich mußte dieses Auf- und
Umrühren mehrfach wiederholen, um eine vollständige Sättigung herbeizuführen oder um
es wenigstens dahin zu bringen, daß durch den Kohlensäurestrom bei tüchtigem
Umrühren und Vermengen des Niederschlages mit der Flüssigkeit kein Gas mehr
entwickelt wurde, welches ein mit einer Bleisalzlösung getränktes Papier
bräunte.
Als dieser Punkt erreicht war, wurde der Niederschlag ausgewaschen, getrocknet und
gewogen.
Bevor ich den Kohlensäurestrom unterbrach, hatte ich mich überzeugt, daß die
Flüssigkeit auf Zusatz von Bleisalz sich nicht mehr bräunte.
500 Grm. schwefelsaurer Baryt gaben 360 Grm. Kohlensäuresalz. Demnach war die
Gesammtmenge des beim ersten Processe erhaltenen Schwefelbaryums in kohlensauren
Baryt umgewandelt. Die vom Niederschlage abfiltrirte und mit dem Aussüßwasser
vereinte Flüssigkeit, welche auf Zusatz von Schwefelsäure kaum eine Trübung zeigte,
wurde zur Trockne verdampft und gab nicht ganz 1 Grm. Trockensubstanz.
3. Zersetzung des kohlensauren
Baryts.
Der auf diese Weise dargestellte kohlensaure Baryt besaß eine weiße, in's
Grünlichgelbe ziehende Farbe; mit einer Bleisalzlösung übergossen, schwärzte er sich
nicht und zeigte auch keine Farbenänderung, wenn er mit derselben gekocht wurde.
Versetzte man dagegen die Bleisalzlösung mit etwas freier Säure, so wurde das
Carbonat sofort braun und zuletzt schwarz. Bei Anwendung von Essigsäure trat diese
Erscheinung langsamer ein, als bei Zusatz von Chlorwasserstoffsäure.
Demzufolge hatte ich, anstatt vollkommen reinen kohlensauren Baryts, diesen Körper
mit Schwefel im Zustande einer unlöslichen Verbindung verunreinigt erhalten. Es war
mir unmöglich zu bestimmen, welche Art von Schwefelverbindung sich unter solchen
Umständen bildet. Die Menge derselben ist zwar nicht bedeutend, genügt aber, um den
erhaltenen Baryt in einer nachtheiligen Weise zu verunreinigen.
Diese eigenthümliche Erscheinung zeigte sich bei meinen sämmtlichen Versuchen in
stärkerem oder schwächerem Grade.
Der erhaltene kohlensaure Baryt gibt, mit Salzsäure behandelt, eine trübe Lösung und
gleichzeitig mit der Kohlensäure entwickelt sich, wie durch den Geruch wahrgenommen
werden kann, Schwefelwasserstoff; der aus der salzsauren Lösung sich absetzende
Niederschlag enthält eine geringe Menge von freiem Schwefel. Von der Abwesenheit des
Eisens in diesem Körper überzeugte ich mich durch einen besonderen Versuch.
Zur Bestimmung des in dem kohlensauren Baryt vorhandenen Schwefels wurden 5 Grm.
desselben mit chlorsaurem Kali geglüht; die erhaltene Masse wurde mit Salzsäure
behandelt und der dabei entstandene Niederschlag von schwefelsaurem Baryt nach dem Glühen
gewogen. Seine Gewichtsmenge betrug 0,2189 Grm. Demnach lieferte das Carbonat 4,38
Proc. seines Gewichtes Sulfat.
Zur Umwandlung des kohlensauren Baryts in Aetzbaryt glühte ich (nach der Vorschrift
des Verfassers) ein Gemenge von 200 Grm. trockenem Carbonat mit 20 Grm. Steinkohle.
Das Product enthielt noch etwas überschüssige Kohle und neben den Barytverbindungen
die Asche der verbrannten Steinkohle (2 Grm.).
Die Menge des entstandenen Aetzbaryts wurde nach dem Lösen des Glühproductes in
Wasser mittelst einer titrirten Säure ermittelt. Der gefundene Titre entsprach 92,5
Proc. Baryt.
Auf dem Filter waren 88 Grm. Rückstand geblieben; da nun die geglühte Masse 183 Grm.
wog, so erhielt ich ziemlich 95 Grm. Aetzbaryt, während die Menge desselben der
Theorie nach 155 Grm. betragen müßte. Folglich entsprach das wirkliche Ausbringen
nur 61,20 Proc. des theoretischen Ertrages.
Bei einem zweiten Versuche wendete ich das Doppelte der vom Verf. vorgeschriebenen
Kohlenmenge, ein Fünftel statt eines Zehntels, an. Dabei gaben 300 Grm. kohlensaurer
Baryt 167 Grm. Aetzbaryt, während der Theorie nach 233 Grm. des letzteren resultiren
müßten; demnach wurden 71,7 Proc. vom theoretischen Ertrage erhalten.
Ich konnte bei diesen Versuchen die interessante Beobachtung des Verfassers
bestätigen, daß die Reduction des kohlensauren Baryts durch Steinkohle ein sehr
verschiedenes Resultat liefert, je nachdem man das natürliche Salz (Witherit), oder
durch Fällen künstlich bereiteten, noch nicht geglühten kohlensauren Baryt
verwendet.
Wie die mitgetheilten Versuche zeigen, kann man aus dem künstlich dargestellten
Kohlensäuresalze bis zu 72 Proc. des theoretischen Ausbringens erhalten; dagegen gab
fein pulverisirter und mit Steinkohle innig gemengter Witherit unter denselben
Temperaturverhältnissen nur ungefähr 18 Proc. des theoretischen Ertrages.
200 Grm. Witherit und 20 Grm. Steinkohle gaben nämlich nur 28 Grm. Aetzbaryt, welcher
allerdings frei von Sulfuret war.
Der gefällte kohlensaure Baryt erhält durch bloßes Erhitzen bis zum Rothglühen die
Eigenschaft des natürlichen Salzes, schwieriger reducirt zu werden. Der von einer
ersten Reduction herrührende Rückstand gab, mit einer neuen Quantität Kohle gemengt
und bei derselben Temperatur geglüht, nur 21 Proc. von dem theoretischen
Ertrage.
Schlußfolgerungen.
Die nähere Prüfung der Abhandlung des Verfassers und das Gesammtergebniß meiner
Versuche führen zu nachstehenden Schlüssen:
1) Die Umwandlung des schwefelsauren Baryts in Schwefelbaryum erfolgt bei Anwendung
von Steinkohle weit leichter als bei Benutzung von Holzkohle.
2) Aehnlich verhält es sich mit der Umwandlung des Kohlensäuresalzes in Oxyd;
dieselbe läßt sich mit dem durch Fällung erhaltenen Carbonate bei einer niedrigeren
Temperatur erzielen als bei Benutzung von Witherit. Wird das erstere vorher zum
Rothglühen erhitzt, so verliert es diese Eigenschaft und zeigt dann dasselbe
Verhalten wie das natürliche Carbonat.
3) Es ist mir nicht gelungen, mit einem gewöhnlichen Kohlenfeuer die vollständige
Umwandlung des durch Fällung dargestellten kohlensauren Baryts in Aetzbaryt zu
bewerkstelligen.
4) Das Schwefelbaryum kann durch Kohlensäure vollständig in kohlensauren Baryt
verwandelt werden; doch ist dazu ein großer Ueberschuß von Kohlensäuregas
erforderlich.
5) Das auf diese Weise erhaltene Carbonat ist aber nicht frei von Sulfuret, und gibt
schwefelhaltigen Baryt.
6) Ein Verfahren zur Verwerthung des bei der Zersetzung des Schwefelbaryums durch
Kohlensäure frei werdenden Schwefelwasserstoffs gibt der Verfasser nicht an.
Aus dieser kurzen Uebersicht ergeben sich die Vorzüge und die Schattenseiten des vom
Verfasser erfundenen Verfahrens. Es wäre wohl möglich, daß bei Ausführung des
Verfahrens im großen Maaßstabe die Resultate bezüglich des Ausbringens an Aetzbaryt
günstiger ausfallen. Vielleicht habe ich bei meinen Versuchen nicht die richtige
Hitze getroffen. Allein selbst angenommen, daß in dieser Beziehung die Bedingungen
des Gelingens erfüllt wären, so würden doch noch zwei wesentliche Schwierigkeiten zu
überwinden bleiben: nämlich die Verwendung des Schwefelwasserstoffs und die
Gewinnung eines schwefelfreien Endproductes.
Da der Verfasser nur Laboratoriumsversuche gemacht hat, so gibt er über die zur
Vermeidung gewisser Uebelstände nöthigen praktischen Einrichtungen keine Andeutung.
Zu diesen Uebelständen gehört namentlich die Oxydirung des im rothglühenden Zustande
mit der Luft in Berührung kommenden und dabei sich rasch mit Sauerstoff verbindenden
Schwefelbaryums.
Die Angaben des Verfassers bezüglich der Ausbeute an Aetzbaryt sind weit höher, als die von mir
erzielte. Ich weiß nicht, welchem Umstande die bedeutende Differenz zwischen seinen
Angaben und den von mir erhaltenen Resultaten zugeschrieben werden muß. Allerdings
könnte, wenn es gelänge, sowohl den schwefelsauren, als den kohlensauren Baryt
vollständig zu zersetzen, das Ausbringen an Aetzbaryt die vom Verfasser angegebenen
Beträge noch übersteigen, indem nach der Theorie 100 Sulfat 56,6 Baryumoxyd geben.
Allein selbst bei Anwendung einer größeren als der vom Verf. vorgeschriebenen
Steinkohlenmenge und ungeachtet einer sehr kräftigen, durch ein Gemenge von
Holzkohlen und Kohks hervorgebrachten Hitze, war es mir unmöglich, mehr als 40 Proc.
von dem angewendeten Sulfat an Aetzbaryt zu erhalten. Der vermehrte Zusatz von
Steinkohle behufs der Reduction des kohlensauren Baryts zu Oxyd zieht aber den
Uebelstand nach sich, daß in den erzeugten Aetzbaryt mehr Kieselsäure und erdige
Substanzen gelangen.
Der Verfasser beansprucht keineswegs das Problem einer billigen Gewinnung des Baryts
aus dem Schwerspathe in definitiver Weise gelöst zu haben; durch seine
Untersuchungen ist jedoch ein neuer Fortschritt in dieser interessanten Frage
gemacht worden. Wenn man ein praktisches Verfahren zur Verwerthung des
Schwefelwasserstoffs und zur Entschwefelung des kohlensauren Baryts auffinden würde,
so ließe sich die Methode des Verfassers, ungeachtet des geringen Ausbringens an
Aetzbaryt, mit Vortheil im Großen benutzen.