Titel: | Keßler's selbstthätiger Schmierapparat für Cylinder und Schieberkasten an Locomotiven, Fördermaschinen, Schiffsmaschinen und allen Condensationsmaschinen; Bericht von Peter Barthel, Civilingenieur in Frankfurt a. M. |
Autor: | P. Barthel |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XCXCI., S. 340 |
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XCXCI.
Keßler's selbstthätiger Schmierapparat für Cylinder und
Schieberkasten an Locomotiven, Fördermaschinen, Schiffsmaschinen und allen
Condensationsmaschinen; Bericht von Peter Barthel,
Civilingenieur in Frankfurt a. M.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Keßler's selbstthätiger Schmierapparat für Cylinder und
Schieberkasten an Locomotiven und allen Condensationsmaschinen.
Man ist schon so lange bestrebt gewesen, für Cylinder und Schieberkasten,
hauptsächlich an Locomotiven, einen guten Schmierapparat zu construiren, der die
bisherigen Uebelstände beseitigte, ohne daß dieß bis jetzt vollkommen gelang. Die
Wichtigkeit des guten Zustandes gerade von Cylinder, Kolben, Schieber und
Schieberkasten, als derjenigen Theile einer Locomotive, welche am meisten der
Abnutzung ausgesetzt sind, und von denen schließlich doch Alles abhängt, liegt auf
der Hand. Nichts trägt aber mehr dazu bei, diese Maschinentheile in gutem Zustande
zu erhalten, als eine praktische Schmierung derselben, da nur dadurch die
allzustarke Abnutzung und die dadurch bedingten Reparaturen vermieden werden können.
Die seitherige Schmiermethode war sehr unvollkommen; meist bestand und besteht sie
noch aus dem Doppelhahn. Der Locomotivführer schüttet auf jeder Station Oel auf und
läßt eine Partie in den Cylinder. Beim Anlassen der Maschine fettet sich dann der
Kolben etwas ein, jagt aber mit Hülfe des Dampfes das meiste Oel wieder aus dem
Cylinder hinaus. Während der Fahrt kann nun der Führer nicht mehr schmieren; gegen
das Ende der Fahrt wird daher der Kolben trocken laufen und in Folge dessen sich in
den Cylinder „einfressen,“ wie es die Locomotivführer nennen.
Das Trockenlaufen, welches sich durch starkes „Brummen“ der
Kolben bemerkbar macht, wirkt aber am allerschädlichsten in der Periode, in welcher
der Kolben ohne Dampf läuft und das ist gerade jedesmal am Ende einer Fahrt der Fall. Man hat die
Erfahrung vielfältig gemacht, daß Kolben und Cylinder ungeschmiert, während Dampf im
Cylinder arbeitet, sich nicht so schnell abnutzen, als wenn die Maschine ohne Dampf
läuft. Um dem erwähnten Uebelstande abzuhelfen, hat man allerlei Mittel angewendet,
welche jedoch keine gründliche Abhülfe gewähren; die Einen bringen ein Röhrchen an,
das von dem Kessel wie dem Cylinder communicirt, um so den Kolben niemals ohne Dampf
laufen zu lassen; die Anderen stellen den Regulator nicht ganz ab; die Dritten
lassen den unteren Schmierhahn ein wenig auf, um so am Ende der Fahrt noch Oel zu
haben etc. Alle diese Methoden können das Einfressen nicht verhüten, weil sie die
wahre, einfache Ursache desselben nicht zum Ausgangspunkt ihrer Construction haben.
Der einzige Weg, das Fressen der Kolben zu vermeiden und Cylinder und Kolben gehörig
einzufetten (ohne daß das Oel wieder durch den Dampf hinaus gejagt wird), ist der,
nur dann zu schmieren, wenn die Maschine ohne Dampf läuft. Diese Aufgabe hat sich
der Locomotivführer Keßler gestellt und gelöst; man kann
sagen, sie war schon halb gelöst als sie nur einmal richtig gestellt war.
Keßler construirte einen Schmierapparat, welcher während
der Zeit wo die Maschine mit Dampf läuft, gar nicht schmiert, sondern selbstständig
erst dann zu schmieren anfängt, wenn die Maschine ohne Dampf läuft und wieder zu
schmieren aufhört sobald die Maschine still steht. Man sieht auf den ersten Blick,
daß die Hauptvortheile des Keßler'schen Schmierverfahrens
eine bedeutende Oelersparniß und ein vollkommenes Einfetten von Cylinder und Kolben
etc. sind und somit die gefährliche Abnutzung vermieden wird. Das Oel, welches
während des Trockenlaufens der Maschine in den Cylinder kommt, wird nicht durch den
Dampf hinaus gejagt, weil keiner vorhanden ist, sondern bis auf den letzten Tropfen
zum Einfetten benutzt – und daher der bedeutende Vortheil. Die übrigen
Vortheile ergeben sich aus der besonderen Construction des Apparates.
Die Figuren 7,
8 und 9 stellen den
Verticaldurchschnitt des Apparates dar, welcher auf den Cylinder oder Schieberkasten
aufgeschraubt wird. Fig. 7 zeigt die Stellung der Ventile, wenn die Maschine still steht, und
Fig. 8
wenn die Maschine läuft und Dampf im Cylinder und Schieberkasten ist; Fig. 9 zeigt
die Stellung der Ventile, wenn die Maschine ohne Dampf läuft und der Apparat
arbeitet.
In den drei Figuren bezeichnen dieselben Buchstaben dieselben Theile. Das Fett
befindet sich in einem Gefäß A, und wird entweder durch
Oeffnen des Deckels oder durch die Oeffnung K in
dasselbe gebracht. Aus
dem Raum A wird das Oel durch den Docht B in den Cylinder C gesaugt.
Dieser Cylinder ist so hoch, daß kein Oel, beim Einschütten durch die Oeffnung K, direct in denselben gelangen kann. Die Menge des zu
verwendenden Schmiermaterials wird durch die Anzahl oder die Größe der Dochte
bestimmt. Der Cylinder C gleitet leicht in der Röhre, in
welcher er steckt, auf und ab. Den Boden der Röhre C
bildet ein Ventil D. Verschiedene Schmierlöcher d dienen zum Durchlassen des Fettes. Das Drahtsiebchen
J verhindert, daß Dochttheilchen mit zwischen die
Ventile gesaugt und so dieselben undicht werden. Unterhalb des Ventils D befindet sich ein zweites Ventil G und zwischen beiden die Spiralfeder F. Das untere Ventil sitzt auf einem verstellbaren Ring
H. Die Normalstellung der Ventile ist die, daß sie
nur einen Millimeter Hub haben. Durch den verstellbaren
Ring H läßt sich jedoch der Hub zwischen 0 und circa 8 Millimeter reguliren. Die Erfahrung hat gezeigt,
daß der Hub nicht größer wie 1 Millimeter seyn darf. Durch die entsprechenden
Schmierlöcher d, d und c, c,
sowie durch den Einschnitt b im Kopf des unteren Ventils
gelangt das Oel in den Canal a und von da in den
Cylinder oder Schieberkasten.
Die Wirkungsweise des Apparates ist folgende:
Im Fall die Maschine ruht, wird das Ventil D durch die
Feder F zugedrückt und das Ventil G aufgehalten, so daß dem Oel der Weg in den Cylinder oder Schieberkasten
verschlossen ist (Fig. 7). Läuft die Maschine und ist Dampf im Cylinder (Fig. 8), so wird durch den
Dampfdruck das untere Ventil G geschlossen, während
zugleich das obere Ventil D durch die Feder F zugehalten wird. Das eigentliche Oelgefäß ist daher
durch doppelten Verschluß gegen das Eindringen des Dampfes und die damit verursachte
Bildung von Condensationswasser geschützt. Wenn das untere Ventil G mit jedem Kolbenspiel auch einen Hub machen sollte, so
bleibt doch das Ventil D durch die Feder geschlossen.
Diese Feder ist so stark, daß sie jedes Spielen des oberen Ventils verhindert, so
lange Dampf im Cylinder ist. Es kann demnach kein Fett aus dem Apparat heraus und
kein Dampf in denselben hinein. In Fig. 9 ist der Apparat in
Thätigkeit dargestellt, d.h. in der Periode, in welcher die Maschine läuft, ohne daß
Dampf im Cylinder und Schieberkasten ist. Durch den nach Abschluß des Dampfes bei
jedem Kolbenspiel sich bildenden luftverdünnten Raum öffnet sich das obere Ventil
(das untere wird außerdem durch den Federdruck offen gehalten), und das durch den
Docht B in das Gefäß C
übergeführte Schmiermaterial wird auf dem oben angegebenen Wege auf die reibenden
Flächen gesaugt und vertheilt.
Dieses Arbeiten der Ventile dauert so lange, als die Maschine ohne Dampf geht; sobald
die Maschine still steht, oder mit eintretendem Dampf arbeitet, tritt die Stellung
der Ventile Fig.
7 oder 8 ein.
Die Menge des jedesmaligen Schmierequantums kann sowohl durch den Docht, als auch
durch den verstellbaren Ring H (derselbe ist
eingeschraubt und mit einem Einschnitt versehen, so daß er federt und sich von
selbst feststellt) genau regulirt werden. Der Docht reinigt auch das Oel, indem er
nur das reine Oel in das zweite Gefäß saugt und Sand u. dgl. in ersterem zurückläßt.
Der Apparat wirkt ganz selbstthätig, eine einmalige Füllung reicht meist für einen
Tag hin und der Locomotivführer hat also nicht mehr nöthig bei jeder Station Oel
einzuschütten und – zu verschütten. Das Quantum Oel, das durch letztere
Manipulation, besonders bei kaltem Wetter und kurzen Aufenthalten, verloren geht,
ist nicht unbedeutend und beträgt oft einen guten Theil von demjenigen, welches in
den gewöhnlichen Schmierhahn kommt. Auch diesem Nebel ist durch den Kehler'schen Apparat abgeholfen.
Bei Condensationsmaschinen spielen die Ventile so oft ein Vacuum entsteht, also bei
jedem Hub. Man versieht die mittlere Rühre dicht mit
Docht und läßt nur ein dünnes Fädchen Docht in das Oel im
Behälter A tauchen. Die sorgfältigst angestellten
Versuche haben bei Locomotiven sowie bei Condensationsmaschinen eine Oelersparniß
von zwei Dritteln des seither verbrauchten
Schmiermaterials ergeben.
Die wesentlichen Vortheile dieses Apparates sind daher:
1) Selbstthätige Schmierung, d.h. nur dann wenn sie nöthig ist.
2) Leicht regulirbare Schmierung.
3) Daraus hervorgehende Fettersparniß von mindestens zwei Dritteln des seitherigen
Verbrauches.
4) Reinhaltung des Schmiermaterials, indem alle Unreinigkeiten im äußeren Gefäße
zurückbleiben.
5) Größte Schonung der sich reibenden Theile.
Hr. Obermaschinenmeister Heckmann in Limburg hat mit
diesem Apparat genaue Versuche gemacht und gibt seine Resultate folgender Weise:
„Ich habe probeweise bei vier unserer Maschinen diesen Apparat
angebracht, welche jetzt nach fünfmonatlichem Gebrauch so schöne Resultate
ergeben haben, daß in Folge derselben nunmehr unsere sämmtlichen Locomotiven
damit versehen werden sollen. Schieber, Kolben und Cylinder laufen so glatt, wie
dieß bei dem sorgfältigsten Schmieren erreicht werden kann. Der Gesammtverbrauch
an Schmiermaterial incl. Schmieren der Achsen etc. stellte sich bei diesen vier
Maschinen durchschnittlich auf 0,105 Pfd. per
Locomotive und Meile, während sich derselbe im Betriebsjahre 1865 für unsere sämmtlichen
Locomotiven auf durchschnittlich 0,238 Pfd. – ein an sich nicht
ungünstiges Quantum – herausstellte. Es ergibt dieß eine Ersparniß von
0,133 Pfd. per Locomotivmeile. Unsere Maschinen
legen durchschnittlich 5000 Meilen pro Jahr zurück;
würde sich die Ersparung auch nur zu 0,1 Pfund berechnen, so betrüge dieselbe
immerhin noch 500 Pfund per Locomotive oder circa 125 fl. (71 Rthlr. 17 Gr.) jährlich, womit die
Anschaffung der vier Apparate für jede Maschine (70 fl. 40 kr.) mehr als gedeckt
ist.“
Es ist interessant zu bemerken, daß oft eine kleine Verbesserung einer Maschine oder
eines Apparates, die eine scheinbar geringe Ersparniß von Material bewirkt, durch
die Multiplication der Anwendung die Ersparniß an Material bis zu fabelhaften Summen
treibt. Auf der ganzen Welt sind nach den neuesten Aufzählungen und Abschätzungen
circa 34000 Locomotiven; wenn jede Locomotive mit
dem Keßler'schen Apparat versehen ist, werden, nach
obigen Angaben, jährlich für 4 1/2 Millionen Gulden
allein an Fett erspart.
Der Keßler'sche Apparat ist seit der kurzen Zeit seines
Auftauchens theils probeweise, theils in größerem Maaße bei folgenden Bahnen
eingeführt worden: Nassau'sche Staatsbahn, Cöln-Mindener Bahn,
Saarbrücken-Trierer Bahn, Preußische Wilhelmsbahn (Ratibor),
Niederschlesisch-Märkische Bahn, Bergisch-Märkische Bahn, Preußische
Ostbahn, Berlin-Anhalt'sche Bahn, Belgische Staatsbahn, Taunus-Bahn,
Main-Weser Bahn, Rheinische Bahn, Hannoverische Bahn, Berlin-Hamburger
Bahn, Aussig-Teplitzer Bahn, Kaiserin Elisabeth Bahn, Kaiser Ferdinands
Nordbahn, Theis-Eisenbahn, Böhmische Westbahn, Bayerische Staatsbahn,
Jura-Bahn, Chemin de fer de la Suisse
occidentale, Bebra-Fuldaer Bahn, Leipzig-Dresdener Eisenbahn,
Aachen-Mastrichter Bahn, Oppeln-Tarnowitzer Bahn, Schweizerische
Centralbahn.
Zum Schlusse sey noch bemerkt, daß der Deckelverschluß, die Erhöhung der mittleren
Röhre bis zum Niveau des Gefäßrandes und der verschraubbare Ring, Verbesserungen des
Technikers J. B. Camozzi sind, welcher die Patente für
Frankreich, Belgien und Holland käuflich an sich gebracht hat.