| Titel: | Neues Verfahren zur Behandlung des Copals und anderer Harze für die Firnißfabrication; von H. Violette, Director der Pulver- und Salpeterfabrik zu Lille. | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. CVIIICIX., S. 402 | 
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                        CVIIICIX.
                        Neues Verfahren zur Behandlung des Copals und
                           anderer Harze für die Firnißfabrication; von H. Violette, Director der Pulver- und
                           Salpeterfabrik zu Lille.
                        Aus den Annales du Génie civil, October 1866, S.
                              649.
                        Mit einer Abbildung.
                        Violette, Verfahren zur Behandlung des Copals und anderer Harze für
                           die Firnißfabrication.
                        
                     
                        
                           In einer im Jahre 1862 der (französischen) Akademie der Wissenschaften eingereichten
                              AbhandlungPolytechn. Journal Bd. CLXVII S.
                                       371. wies ich nach, daß die mit dem Namen „Copal“ bezeichneten Harze, welche an sich, in ihrem
                              natürlichen Zustande weder in Terpenthinöl, noch in fetten Oelen löslich sind, in
                              diesen Substanzen löslich werden, wenn sie in Folge einer bei etwa 350° C.
                              – der Temperatur ihres Schmelzpunktes – ausgeführten Destillation oder
                              Dörrung beiläufig 25 Proc. ihres Gewichtes an flüchtigen Bestandtheilen verloren
                              haben. Nach einer solchen Vorbereitung geben diese Harze mit den genannten
                              Flüssigkeiten, ohne alle Feuersgefahr und ohne jedes weitere Hinderniß bei der
                              Fabrication, ausgezeichnete fette Firnisse. Diese löslichen
                                 Harze bilden jetzt einen von zahlreichen Fabrikanten dargestellten
                              Handelsartikel.
                           Ich habe meine Untersuchungen über diesen Gegenstand inzwischen fortgesetzt und bin
                              bei denselben zu folgenden merkwürdigen Resultaten gelangt:
                           Die Copale und andere verwandte Harze erlangen die
                                 Eigenschaft, sich in Terpenthinöl und in fetten Oelen zu lösen, wenn sie vorher
                                 ingeschlossenen Gefäßen geschmolzen werden.
                           In ein Rohr von 1 Millimet. starkem Glase, welches 0,018 Met. lichten Durchmesser und
                              0,20 Met. Länge hat, und an einem Ende geschlossen ist, bringe ich 10 Gramme
                              zerstoßenen Calcutta-Copal, von welcher Menge das
                              Rohr zur Hälfte gefüllt wird, ziehe darauf das offene Ende des Rohres vor der Lampe
                              aus und verschließe es. Dann erhitze ich das Ganze bis etwa 350° C., welche
                              Temperatur hinreicht, den Copal zum Schmelzen zu bringen; da das Rohr bei sehr
                              starkem Drucke zerbrechen kann, so muß man bei dem Versuche mit möglichster Sorgfalt
                              zu Werke gehen.
                           Ich bediene mich zum Erhitzen des Rohres des in nachstehender Figur dargestellten Apparates:
                              Derselbe besteht aus einem Gußeisenblocke a, in dessen
                              Mitte ein tiefes, röhrenförmiges, zur Aufnahme des Glasrohres bestimmtes Loch b ausgebohrt ist; ein großer Thonschmelztiegel d bedeckt diesen Theil der Vorrichtung, um die Wärme
                              zusammenzuhalten. Eisenblock und Tiegel ruhen auf einem Ofen e; jener wird mittelst des Gasrostes f
                              erhitzt. Der Block a hat ein Volum von 4 bis 5
                              Kubikdecimetern, und dient als Wärmereservoir.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 183, S. 403
                              
                           Das Quecksilberthermometer läßt sich bei diesem Apparate nicht wohl anwenden; dünne
                              Platten von Blei und von Zink genügen zur Regulirung der Temperatur. Wird ein
                              Bleiblatt in das Loch b gebracht und schmilzt dann, so
                              wird dadurch eine Temperatur von ungefähr 330° C. angezeigt; kommt ein in die
                              Höhlung gebrachtes Zinkblatt nicht in Fluß – was auch nicht der Fall seyn
                              darf, – so ist die Temperatur von 430° noch nicht erreicht. Zwischen
                              diesen Grenzen muß die Temperatur erhalten werden, was bei einiger Sorgfalt leicht
                              ist.
                           Sobald der Apparat die erforderliche Temperatur angenommen hat, bringe ich das den
                              Copal enthaltende, zugeblasene, an einer Schnur g
                              hängende Glasrohr in die Höhlung des Eisenblockes und lasse es, der Temperatur des
                              letzteren entsprechend, 15 bis 20 Minuten lang in demselben.
                           Nach Verlauf dieser Zeit nehme ich es heraus, indem ich die Schnur von einiger
                              Entfernung aus, hinter einem Schirme stehend, langsam emporziehe; der geschmolzene
                              Copal bildet nun eine klare, durchsichtige, gelbliche Flüssigkeit, in welcher
                              Gasblasen aufsteigen. Nach dem Erkalten erscheint die Substanz wegen des in ihr
                              enthaltenen Wassers undurchsichtig und ist um so weniger gefärbt, je niedriger die
                              angewendete Temperatur war.
                           Um das Rohr ohne Gefahr öffnen zu können, umwickelt man es mit einem Tuche und hält
                              die ausgezogene Spitze in die Flamme der Glasbläserlampe; sobald das Glas erweicht
                              ist, öffnet sich die Spitze leicht von selbst, indem die im Rohre eingeschlossenen
                              Gase mit einem pfeifenden Geräusch entweichen. Dann zerschlägt man das Rohr und
                              nimmt das erstarrte trockene Harz heraus; dasselbe löst sich nun vollständig, sowohl
                              bei gewöhnlicher als bei erhöhter Temperatur, in Terpenthinöl sowohl, als auch in
                              Leinöl, und in einem Gemisch beider, und gibt einen vortrefflichen fetten Firniß,
                              welcher anfänglich trübe ist, jedoch, sobald man ihn auf 100° C. erhitzt, in
                              Folge der Verdampfung des in ihm enthaltenen Wassers, klar und durchsichtig
                              wird.
                           Der Druck, welcher bei diesem Versuche in dem Glasrohre stattfindet, ist sehr
                              bedeutend, und steigt bis auf 20 Atmosphären; er läßt sich indessen bedeutend
                              vermindern, wenn man die in diesen Harzen vorhandenen 5 bis 6 Proc. Wasser
                              entweichen läßt, zu welchem Zwecke man das ausgezogene Ende c des Glasrohres nicht gleich schließt. In Folge der ersten Einwirkung der
                              Wärme treten Wassertröpfchen aus; sobald Tröpfchen von ätherischem Oele erscheinen,
                              zieht man das Rohr aus dem Eisenblocke hervor, verschließt es mittelst einer
                              Weingeistlampe und stellt es dann wieder in den Erhitzungsapparat. In diesem Falle
                              erscheint das Harz nach dem Schmelzen durchsichtig und gibt bei seiner Lösung in
                              Terpenthinöl oder in fettem Oele einen klaren und durchsichtigen Firniß.
                           Bernstein (Karabè oder gelbe Ambra) wird bei
                              gleicher Behandlung ebenfalls vollständig löslich. Dieses Harz, welches behufs der
                              Firnißfabrication den gewöhnlichen Ingredienzien so schwierig einzuverleiben ist,
                              löst sich, nachdem es in einem geschlossenen Gefäße geschmolzen worden und dann
                              erkaltet ist, in Terpenthinöl sowohl, wie in Leinöl, mit der größten Leichtigkeit
                              und gibt gleichfalls einen sehr schönen Firniß.
                           Es ist wohl überflüssig zu bemerken, daß bei der im Vorstehenden angegebenen
                              Behandlung das Harz keinen Verlust erleidet und daß es seiner ganzen Masse nach zu
                              Firniß wird, während bei dem gewöhnlichen Fabricationsverfahren zwischen 25 und 50
                              Proc. von ihm verloren gehen.
                           Dagegen will ich darauf aufmerksam machen, daß Copal und Bernstein, welche gewöhnlich erst bei
                              358° C., resp. bei 400° schmelzen, in geschlossenen Gefäßen schon bei
                              100° schmelzen.
                           Die erwähnte Eigenschaft, welche die Harze in Folge einer bloßen Schmelzung in
                              geschlossenen Gefäßen erlangen, ist eine eigenthümliche Erscheinung; sie beruht ohne
                              Zweifel auf einer neuen Gruppirung der Molecüle, denn man beobachtet dabei keine
                              Gewichtsveränderung.
                           Die Chemie hat uns bereits analoge Erscheinungen kennen gelehrt. Ohne Zweifel werden
                              sich noch viele andere Substanzen ebenso wie die Harze verhalten, und wir haben hier
                              ein ausgedehntes Feld für Untersuchungen, welches ich zu erforschen beabsichtige.
                              Das Nachstehende dürfte derartigen Untersuchungen ein neues Interesse verleihen. Ich
                              wollte nämlich die Vorgänge ermitteln, welche stattfinden wenn die Harze, anstatt
                              für sich allein, zusammen mit fettem Oele, oder mit
                              Terpenthinöl oder mit Gemischen von beiden, in geschlossenem Gefäße der
                              Schmelztemperatur (von 350°) ausgesetzt werden.
                           Demnach brachte ich 10 Grm. Copal mit 20 Grm. Terpenthinöl in ein Glasrohr, verschloß
                              dasselbe auf die vorhin angegebene Weise und setzte es in dem beschriebenen Apparate
                              15 bis 20 Minuten lang der erwähnten Temperatur aus. Nach Verlauf dieser Zeit
                              enthielt das Rohr eine klare, gelbliche Flüssigkeit, welche nach dem Erkalten ihre
                              Farbe und Durchsichtigkeit behielt. Das Harz war vollständig gelöst und in einen
                              ausgezeichneten Firniß umgewandelt.
                           Denselben Versuch machte ich mit 10 Grm. Copal und 20 Grm. Leinöl; auch in diesem
                              Falle hatte sich das Harz im Oele vollständig gelöst.
                           Bei einem dritten Versuche nahm ich 10 Grm. Copal, 2 Grm. Leinöl und 18 Grm.
                              Terpenthinöl, und verfuhr auf gleiche Weise; das Harz war vollständig in Lösung
                              gegangen und lieferte auf diese Weise sofort einen fetten Firniß. Dieß ist ein ganz
                              neues Fabricationsverfahren, welches, wenn es aus dem Laboratorium in die
                              Werkstätten übergeht, in einem der gefährlichsten und ungesundesten Industriezweige
                              eine wahre Umwälzung hervorbringen wird.
                           Ich habe mich übrigens bei meinen Versuchen nicht auf die Anwendung von Glasröhren
                              beschränkt; ich habe nämlich auch im größeren Maaßstabe gearbeitet, und dazu ein
                              Kupferrohr von 0,01 Meter Wandstärke 0,50 Met. Länge und 0,06 Met. lichtem
                              Durchmesser benutzt, welches zur Vermeidung der Färbung, welche das Kupfer
                              veranlaßt, innen versilbert und auch mit einer geeigneten Verschlußvorrichtung
                              versehen war, deren Beschreibung mich hier zu weit führen würde, die mich aber,
                              bevor es mir gelang, sie zweckentsprechend zu construiren, zahlreiche Versuche gekostet hat. In diesem
                              Rohr behandelte ich auf einmal 1 Kilogrm. Copal mit den oben genannten
                              Lösungsmitteln und erhielt ganz befriedigende Resultate; dasselbe Rohr benutzte ich
                              zur Lösung einer solchen Menge Copal in einem Gemische von Lein – und
                              Terpenthinöl, daß ich auf einmal einen Liter fetten Firniß erhielt.
                           Mittelst eines Bourdon'schen Manometers fand ich, daß der
                              Druck im Inneren dieses Apparates 20 Atmosphären erreicht. Dieser Umstand macht die
                              fabrikmäßige Anwendung des Verfahrens sehr schwierig; diese Schwierigkeit läßt sich
                              jedoch, wie bereits bemerkt wurde, bedeutend vermindern, wenn man den 5 bis 6 Proc.
                              betragenden Wassergehalt des Bernsteins und des Copals verjagt, indem man zunächst
                              das Harz allein in das Rohr bringt und eine zum Austreiben des Wassers genügend
                              lange Zeit auf 300° erhitzt, hierauf das Rohr aus dem Heizapparate nimmt und
                              dann, wenn man den Copal oder Bernstein für sich schmelzen will, sogleich dicht
                              verschließt, hingegen erst nach vorherigem Zusatze von fettem und Terpenthinöl, wenn
                              man sogleich fertigen Firniß darzustellen beabsichtigt; endlich das Rohr der für den
                              Eintritt der Reaction erforderlichen Temperatur von 350° C. aussetzt. Auch
                              darf man nur mit Siccativ behandeltes fettes Oel und ein vorher von jedem
                              Wassergehalte befreites Terpenthinöl anwenden.
                           Der Bernstein verhält sich, wie gesagt, ebenso wie der Copal, erfordert jedoch eine
                              höhere Temperatur als letzterer, nämlich von ungefähr 400° C. Diese
                              Schwerschmelzbarkeit erklärt die Schwierigkeiten, mit welchen die Firnißfabrikanten
                              bezüglich des Bernsteins meistens zu kämpfen haben; unter ihren Händen verliert
                              dieses Harz mindestens die Hälfte seines Gewichtes und in Folge dieses bedeutenden
                              Abganges ist die Anwendung und Fabrication von Bernsteinfirniß eine sehr
                              beschränkte. Es ist dieß zu bedauern, denn der Bernsteinfirniß ist sicherlich der
                              härteste, dauerhafteste und werthvollste von allen Firnissen.
                           Es ist nun Sache der Fabrikanten, sich das neue Verfahren, welches ich ihnen hiermit
                              empfehle, anzueignen; dasselbe liefert nicht nur einen klaren, hellen
                              Bernsteinfirniß, anstatt des schwärzlich gefärbten, undurchsichtigen, wie er jetzt
                              im Handel gewöhnlich vorkommt, sondern veranlaßt auch weder Abgang, noch sonstigen
                              Verlust. Wie beim Copal, ist es auch beim Bernstein zu empfehlen, durch eine Art
                              vorläufiger Röstung seinen 5 bis 6 Procent betragenden Wassergehalt zu
                              beseitigen.
                           Sind die erhaltenen Firnisse mehr oder weniger trübe, so muß die Ursache dieser
                              Erscheinung dem vorhandenen Wasser zugeschrieben werden; erhitzt man solche Producte
                              nachträglich auf 100°, so werden sie sämmtlich vollkommen klar.
                           
                           Alle Harze lösen sich, wenn sie auf die angegebene Weise behandelt worden sind, auch
                              in Aether, in Benzin und anderen Hydrocarbüren, und geben so neue Firnißarten. Sie
                              in Alkohol löslich zu machen, ist mir nicht gelungen.
                           Der Einfluß der im geschlossenen Gefäße stattfindenden Temperatur auf die Qualität
                              des Productes ist ein bedeutender. Unter 350° C. schmilzt Calcutta-Copal, die härteste Sorte, eben so wenig
                              wie Bernstein; aber bei 350° findet die Schmelzung des Copals unter den
                              günstigsten Umständen statt; nach dem Erkalten erscheint das geschmolzene Harz klar,
                              trocken, spröde, durchsichtig, schwach gelblich gefärbt und ist Hellem Bernstein
                              ganz ähnlich; seine Lösung in Terpenthinöl und Leinöl liefert einen klaren, hellen,
                              licht bernsteingelben Firniß.
                           Zum Schmelzen des Bernsteins ist eine Temperatur von 400° erforderlich; nach
                              dem Erkalten ist er trocken, durchsichtig, etwas stärker gefärbt als geschmolzener
                              Copal, und liefert mit fettem und ätherischem Oele einen klaren, nur schwach
                              gefärbten Firniß, wie er bisher noch nicht dargestellt wurde. Denn bekanntlich ist
                              der im Handel vorkommende Bernsteinfirniß schwarz wie Tinte, und kann, ungeachtet
                              seiner vorzüglichen Eigenschaften, zu hellfarbigen Gegenständen nicht verwendet
                              werden.
                           Ueber 400° schmelzen die Copalsorten und der Bernstein leicht und rascher,
                              aber auf Kosten der Qualität des Productes; dasselbe ist stärker gefärbt, mehr oder
                              weniger undurchsichtig, weich und pechähnlich; es geht auch rascher und leichter in
                              Lösung; aber der aus ihm bereitete Firniß ist von geringerer Güte.
                           Der Erhitzungsapparat muß daher nothwendig auf einer constanten, zwischen 350°
                              und 400° C. liegenden Temperatur erhalten werden. Durch eine höhere
                              Temperatur würde ein übermäßiger Druck erzeugt, welchen man durchaus vermeiden muß.
                              Somit wird der Erfolg der Operation gänzlich von einer guten Einrichtung und
                              zweckentsprechenden Behandlung des Heizapparates bedingt. Ich habe mir lange Mühe
                              gegeben, dieses thermostatische Problem zu lösen, an welchem auch zahlreiche andere
                              Industriezweige interessirt sind, und hoffe demnächst einen sehr einfach
                              construirten Erhitzungsapparat mittheilen zu können, welcher die erforderlichen
                              Bedingungen erfüllt.