Titel: | Versuche über die Expansion des überhitzten Wasserdampfes; von G. A. Hirn und A. Cazin. |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. CXCXI., S. 435 |
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CXCXI.
Versuche über die Expansion des überhitzten
Wasserdampfes; von G. A.
Hirn und A.
Cazin.
Aus den Comptes rendus, t. LXIII p. 1144; December
1866.
Hirn und Cazin, über die Expansion des überhitzen
Wasserdampfes.
Wir bezweckten durch Versuche (welche in der Fabrik von Haußmann, Jordan, Hirn und Comp. in Logelbach
bei Colmar angestellt wurden) den Enddruck und die Endtemperatur von überhitztem
Wasserdampfe bei einer plötzlichen Expansion zu bestimmen, während welcher derselbe
weder Wärme verliert noch gewinnt, überhitzt bleibt und einen äußeren Druck
überwindet, der in jedem Augenblicke seiner Elasticität gleich ist.
Das Princip, nach welchem wir experimentirten, war folgendes: Aus dem Behälter, in
welchem sich der Dampf unter einem höheren Druck als dem atmosphärischen befindet,
läßt man durch Oeffnen einer weiten Mündung plötzlich einen Dampfstrahl ausströmen.
Man kann sich nun den Dampf durch eine bestimmte Fläche in zwei Theile geschieden
denken, deren einer vollständig herausgetrieben wird, während der andere am Ende der
Ausströmungszeit das Gefäß genau ausfüllt; dieser letztere befindet sich in dem oben
erwähnten Verhältnisse, da seine Elasticität während der Expansion fortwährend dem
von außen auf seine ganze Fläche ausgeübten Drucke das Gleichgewicht gehalten hat.
Sein Druck am Ende der Ausströmungszeit ist dem atmosphärischen gleich; in Bezug auf
seine Endtemperatur ist zu berücksichtigen, daß der Dampf 1) noch überhitzt, 2)
gerade gesättigt und 3) übersättigt seyn kann. Im ersten Falle ist der Enddruck
geringer, als die der Endtemperatur entsprechende Maximalspannung, im zweiten dieser
Spannung gleich und ebenso im dritten Falle, wo sich aber ein Theil des Dampfes
condensirt hat, indem er Nebel gebildet hat, die man beobachten kann, wenn der
Behälter mit parallelen Glasscheiben versehen ist. Läßt man entweder den
Anfangsdruck oder die Anfangstemperatur so variiren, daß die Nebel immer geringer
werden, so wird man sie zuletzt zum Verschwinden bringen und in diesem Falle wird
die Expansion sehr nahe unter den dem obigen zweiten Falle entsprechenden
Verhältnissen stattfinden. Nimmt man den Druck der Atmosphäre für die
Maximalspannung des Dampfes und sucht in den Regnault'schen Tabellen die Temperatur auf, welche dieser Spannung entspricht,
so erhält man in dieser genügend genau die gesuchte Temperatur, ohne daß man ein
Thermometer zu beobachten braucht.
Der bei den Versuchen verwendete Apparat bestand im Wesentlichen aus einem
horizontalen kupfernen Cylinder von circa 7 Liter
Inhalt, der an den Stirnflächen mit parallelen Glasscheiben versehen war und durch
ein Oelbad erhitzt wurde. An ihm wurde ein Hahn mit 4 Quadrat-Centimeter
Oeffnung für die Ausströmung des Dampfes angebracht. Die Dauer der Ausströmung war
so klein, daß die erwärmende Wirkung der Wandungen während der Expansion
vernachlässigt werden konnte. Mit diesem Apparat wurde ein Dampfkessel von 180 Liter
Inhalt verbunden, in dem leicht ein constanter Druck erhalten werden konnte, und
weiter wurde an ihm ein offenes Luftmanometer unter Berücksichtigung aller nöthigen
Vorsichtsmaßregeln angebracht. Sobald das Oelbad eine bestimmte Temperatur und das
Wasser im Kessel eine niedrigere Temperatur erreicht hatte, ließ man in den Cylinder
so viel Dampf einströmen, daß die Luft herausgetrieben wurde, schloß dann den
Austrittshahn, erhielt den Druck constant und erhitzte das Rohr, welches den Kessel
mit dem Cylinder verband, um so im letzteren vollständig trocknen Dampf zu erhalten.
Man beobachtete nun den Druck und die Temperatur des Oelbades, unterbrach die
Verbindung zwischen Kessel und Cylinder, öffnete den Austrittshahn des letzteren und
beobachtete durch die Glasscheiben einen stark beleuchteten Papierschirm oder einen
Spiegel, der das Himmelslicht reflectirte. Der Versuch wurde bei derselben
Temperatur, aber bei verschiedenem Anfangsdruck wiederholt. Hat man zuerst einen
ziemlich starken Druck, so beobachtet man dichte Nebel; wird der Druck allmählich
verringert, so nimmt der Nebel immer mehr ab; zuletzt erscheint er nicht mehr und
man hat dann die gesuchte Grenze überschritten. Läßt man nun den Druck wieder
zunehmen, so erscheint der Nebel wieder, und indem man so die Spannung allmählich
größer und kleiner werden läßt, kann man den Anfangspunkt, welcher der gesuchten
Grenze entspricht, mit einer absoluten Fehlergrenze von 1/50 Atmosphäre
bestimmen.
Nachstehend sind die Resultate von 10 Beobachtungsreihen zusammengestellt; die
Temperaturen sind die des Luftthermometers.
Anfangsdruck.Atmosphären
Anfangstemperatur
Enddruck.Atmosphären
Endtemperatur.
1,397
131,5° C.
0,984
99,6° C.
1,685
151,8
0,984
99,6
2,115
174,0
0,981
99,5
2,219
179,0
0,981
99,5
2,451
189,2
0,979
99,4
2,528
192,2
0,981
99,5
Anfangsdruck.Atmosphären
Anfangstemperatur
Enddruck.Atmosphären
Endtemperatur.
2,636
197,8° C.
0,975
99,3° C.
3,231
219,4
0,975
99,3
3,743
239,0
0,967
99,1
4,275
254,7
0,967
99,1.
Nach unseren Versuchen kann die Expansion von überhitztem Wasserdampf nicht durch die
bekannte Formel von Laplace und Poisson dargestellt werden, zu welcher man gelangt, wenn man das Mariotte'sche und Gay-Lussac'sche Gesetz annimmt und die bei der Expansion
verschwundene fühlbare Wärme der äußeren Arbeit allein gleich setzt. Nimmt man aber
an, daß die Wärme nicht bloß durch die äußere Arbeit, sondern auch durch eine
gewisse innere Arbeit consumirt wird, so gelangt man zu einer theoretischen Lösung,
welche mit den Beobachtungen sehr gut übereinstimmt. Dadurch haben wir ein Mittel,
die Größe der inneren Arbeit, welche bei der Expansion des Dampfes stattfindet, zu
bestimmen.