Titel: | Die chemische Constitution des Roheisens, nach P. Tunner. |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. CXXICXXII., S. 472 |
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CXXICXXII.
Die chemische Constitution des Roheisens, nach P.
Tunner.
Tunner, über die chemische Constitution des Roheisens.
Vor einer am 26. Januar d. J. stattgehabten Versammlung hielt Herr Ministerialrath
Ritter v. Tunner einen Vortrag folgenden Inhaltes über
die chemische Constitution des Roheisens.
Es ist eine auffallende Erscheinung und für die Sidero-Chemie kein ehrenvolles
Zeugniß, daß man über die chemische Constitution eines in so großer Menge
producirten Metalles bis zur Stunde nur Hypothesen aufzustellen im Stande ist. Der
Grund dafür liegt einerseits in der von alten Zeiten her fortgepflanzten Meinung,
man bedürfe keiner Chemie des Eisens, welcher man daher erst in den letzten Jahren
mehr Aufmerksamkeit schenkt, andererseits in der Schwierigkeit einer verläßlichen
Analyse. Je nachdem das Roheisen langsam oder schneller erkaltet, scheiden sich
einzelne Bestandtheile in verschiedener Menge aus und lassen eine Verbindung von
veränderlicher Zusammensetzung zurück. Die beste Analyse wurde von Fresenius an dem Siegener Spiegeleisen ausgeführt, nur
ist die Zusammensetzung der Zuschläge dabei nicht angegeben.
Betrachtet man die Resultate der Analysen, so findet man, daß die meisten
Roheisensorten 5–8, selten 12 und nur in seltenen Fällen, bei großem
Mangangehalte bis 20 Proc. und darüber fremde Bestandtheile enthalten, worunter bloß
Kohlenstoff, Silicium, Phosphor und Schwefel beständig, andere Körper theils häufig,
theils selten oder ausnahmsweise erscheinen. Es gibt nun weißes Roheisen, welches,
wie, z.B. das Vordernberger, außer 3–4 Proc. Kohlenstoff nicht ein Zehntel
anderer Bestandtheile, wesentlich Silicium, enthält, daher der Hauptsache nach Kohleneisen ist. Wird dasselbe ohne Zuthaten im Kohlen
– oder Thontiegel geschmolzen und langsam erkalten gelassen, so entsteht
graues Eisen, dessen färbenden Bestandtheil der ausgeschiedene Graphit bildet. Es
ist daher anzunehmen, daß das graue Roheisen aus weißem durch Abscheidung von
Graphit beim Erkalten entsteht, daher wie dieses als wesentlichen Bestandtheil nur Fe und C enthält. Daß der Graphit reiner
Kohlenstoff sey, ist erst seit einigen Decennien nachgewiesen, indem derselbe in der
ersten Auflage von Karsten's Eisenhüttenkunde noch als
Verbindung von Kohlenstoff und Eisen angesehen wird.
Unter den Verbindungen des Eisens mit Kohlenstoff zeigt nur eine, das Spiegeleisen,
sichere Merkmale einer chemischen Verbindung, und zwar
Krystallisation, deren System allerdings nicht erkennbar ist, dann das Verschwinden
einzelner Eigenschaften der Bestandtheile, z.B. der Weichheit und großen
Strengflüssigkeit des chemisch reinen Eisens und des Kohlenstoffes, indem das
Spiegeleisen sehr hart, spröde und leichtflüssig ist. Der Zusammensetzung des
Spiegeleisens entspricht am nächsten die Formel Fe⁴C, es ist das
Viertelcarburet des Eisens. Alle Bemühungen, andere Verbindungen herzustellen, sind
gescheitert; so die Versuche von Faraday. Berthier gibt
an, er habe eine Verbindung FeC erhalten; allein es ist darüber nichts weiter
bekannt geworden. Calvert hat als Rückstand von der
Auflösung in einer schwachen Säure Fe⁶C⁴ erhalten, welche Verbindung
sich sogar beim Umschmelzen mit viel Brennstoff im Kupolofen ergeben haben soll; die
Existenz einer solchen chemischen Verbindung muß jedoch bezweifelt werden. Gurlt endlich hat ein Achtelcarburet Fe⁸C
aufgestellt; Tunner indessen hält den betreffenden
Körper, der in unreinen und unvollkommenen Oktaëdern krystallisirt, für
reines Eisen und hat seine durch Analysen von Prof. Richter unterstützten Ansichten hierüber, welche von Gurlt bisher keine Widerlegung fanden, im XIII. Bande des Jahrbuchs der
Bergakademieen veröffentlicht. Es existirt also nur eine unzweifelhafte Verbindung,
das Spiegeleisen Fe⁴C; die anderen Sorten des weißen Roheisens sind
Auflösungen von chemisch reinem in Spiegeleisen. Das graue endlich ist eine eben
solche Auflösung, welche noch ausgeschiedenen Graphit enthält.
Die elektropositiven Körper, welche das Eisen enthält, wie Mn, Cu, Al, Ca, Mg
vertreten zum Theile das Eisen in seiner Verbindung mit dem Kohlenstoffe: darunter kommt
besonders Mangan vor, dessen im Vergleiche zum Eisen in größerer Menge geringeres
Atomgewicht einen höheren procentischen Kohlengehalt des Roheisens herbeiführen muß,
was die Analysen bestätigen. Aber auch der Kohlenstoff hat seine Vertreter und zwar
sind es die früher angeführten nie fehlenden elektronegativen Bestandtheile Si, S,
P, welche, wie es von Gurlt nachgewiesen wurde, den
Kohlenstoff ersetzen. Tunner hält indessen diese
Nachweisung nur bezüglich des Siliciums für vollkommen sicher, wegen dessen
Aehnlichkeit im Aussehen und Verhalten mit dem Kohlenstoffe. Das Roheisen läßt sich
nun allgemein als eine Verbindung folgender Zusammensetzung betrachten:
Textabbildung Bd. 183, S. 473
worin mC und nSi veränderliche Mengen abgeschiedenen
Kohlenstoffes und Siliciums, qFe eine verschiedene
Quantität aufgelösten reinen Eisens bedeutet.
Doch bilden sich noch, je nach der langsameren oder schnelleren Abkühlung,
verschiedene Verbindungen, z.B. von Mn mit S, P und Si, dann von Cu mit S, die sich
theilweise ausscheiden.
Die ausgesprochenen Behauptungen lassen sich auch durch einen Blick auf den Stahl erproben. Dieser steht bezüglich des Kohlengehaltes
zwischen Roh- und Stabeisen in der Mitte, indem Gußstahl durch
Zusammenschmelzen von Stabeisen mit Spiegeleisen entsteht. Daß nur der höhere
Kohlenstoffgehalt das Eisen zu Stahl macht, ergibt sich auch aus der Darstellung des
Cementstahles. Der gehärtete Stahl, welcher durch schnelles Erkalten entsteht, ist
ein inniges Gemenge von Spiegeleisen = Fe⁴C mit Fe; bei langsamem Erkalten
hingegen verwandelt sich das im Stahl enthaltene Spiegeleisen durch Ausscheidung von
Kohlenstoff in graues, bei welchem sich jedoch der Graphit nur durch die graue Farbe
des ungehärteten Stahles zu erkennen gibt. Der letztere enthält bloß Reste von
Fe⁴C, gemengt mit Fe und C, und seine geringere Härte erklärt sich dadurch,
daß darin nur wenig unverändertes Spiegeleisen mehr vorkommt. Die Hypothese von Jullien, daß der gehärtete Stahl den Kohlenstoff als
Diamant enthalte, und diesem seine Härte verdanke, hat keinen befriedigenden Grund
für sich.
Die angegebene einfachste Theorie über die Constitution des Roheisens, welche
übrigens Tunner schon vor 30 Jahren in der Broschüre:
„über Anwendung der erhitzten Gebläseluft etc.,“
herausgegeben vom Vereine zur Unterstützung der Gewerbe, Wien 1838, ausgesprochen
hat, erfährt also auch durch den Stahl keinen Widerspruch und ist als die
wahrscheinlichste von allen zu betrachten. (Osterreichische Zeitschrift für
Berg- und Hüttenwesen, 1867, Nr. 7.)