| Titel: | Chemisch-technische Mittheilungen; von C. Puscher. | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. CXXIICXXIII., S. 475 | 
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                        CXXIICXXIII.
                        Chemisch-technische Mittheilungen; von
                           C. Puscher.
                        Puscher, chemisch-technische Mittheilungen.
                        
                     
                        
                           Vorgetragen in der 7. Plenarversammlung des Nürnberger
                                 Gewerbevereins.
                           
                              1. Einfaches Verfahren um aus Leim
                                    Gelatine zu bereiten.
                              Man weicht 4 Pfd. guten Leim zwei Tage hindurch in 6 Maaß guten doppelten Essig,
                                 wovon die Unze 40–45 Gran kohlensaures Kali sättigt, ein. Hierauf
                                 schüttet man den Essig ab, bringt den aufgequollenen und ganz krystallhellen,
                                 nur schwach gelblich gefärbten Leim, zur Entfernung der noch darin enthaltenen
                                 kleinen Mengen von Essigsäure und essigsauren Salzen, in ein Holzsieb und hängt
                                 dieses über Nacht in ein Schaff mit kaltem Wasser. Der so entsäuerte Leim gibt
                                 erwärmt und auf Glastafeln gegossen, weiße Gelatinefolien, die jedoch etwas
                                 spröder sind als die aus Knochen fabricirten, weßhalb man dem Leim, je nach der
                                 Jahreszeit, mehr oder weniger kleine Mengen von Glycerin zusetzen muß. Ist ein
                                 guter Leim verwendet worden, so steht die daraus erhaltene Gelatine in keiner
                                 Beziehung der Knochengelatine nach, da bekanntlich ein guter Leim besser bindet
                                 als Gelatine. Das Princip dieser Methode ist dasselbe wie bei der Fabrication
                                 des Knochenleims (Gelatine); durch die Anwendung der schwachen flüchtigen
                                 Essigsäure wird aber die Bindekraft des Leimes weniger zu leiden haben, als es
                                 bei der Anwendung von Salzsäure zur Darstellung von Knochenleim der Fall seyn
                                 muß. Man kann auf diese Weise die Gelatine mit 34 Kreuzer per Pfund herstellen.
                              
                           
                              
                              2. Anfertigung des neuen
                                    Perlmutterpapiers (Papiers de
                                    nacre).
                              Seit einigen Wochen kommt ein neues mit diesem Namen bezeichnetes, sehr
                                 reizendes, mit prächtigen seidenglänzenden Krystallen überzogenes, von Richter in Paris gefertigtes Papier in den Handel,
                                 welches beschrieben und bedruckt werden kann und seinem Aeußeren nach zahlreiche
                                 Anwendungen verspricht. Der Bogen von der Größe eines starken bayer. Schuhes
                                 wird mit circa 1 Franc bezahlt. Unwillkürlich wird
                                 man beim Anblick desselben an Kuhlmann's
                                 Glaskrystallisation von Bittersalz oder Zinkvitriol erinnert und gewiß würde die
                                 Benennung Krystallpapier eine passendere gewesen seyn.
                              Die Untersuchung ergab, daß das Papier mit einer Bleizuckerlösung gefertigt ist,
                                 welcher noch eine geringe Menge eines mit Schwefelsäure sich schwärzenden
                                 Bindemittels beigefügt wurde.
                              Erst nach vielen Versuchen ist es mir gelungen, ein Verfahren zu ermitteln, nach
                                 welchem man dieses reizende Fabricat in schönster Vollendung anfertigen
                                 kann.
                              Man löse in 12 Loth siedenden Wassers 12 Loth Bleizucker auf, füge noch 3
                                 Quentchen arabischen Gummi, in 2 1/4 Loth Wasser gelöst, hinzu und stelle die
                                 Lösung in ein Gefäß mit warmem Wasser. Dann bestreiche man mit dieser Lösung
                                 mittelst eines weichen Haarpinsels recht gut geleimtes Weihes Papier, auf eine
                                 kalte Tischplatte gelegt, möglichst gleichmäßig, so daß durch die schnelle
                                 Abkühlung der Anstrich als ein feiner weißer Krystallbrei erscheint. Nun wird
                                 das Papier sogleich auf eine mindestens bis zu 100° Cels. erwärmte
                                 Metallplatte für wenige Augenblicke, bis der weiße Krystallbrei zu einer klaren
                                 Lösung geschmolzen ist, gelegt und sofort in einem warmen Zimmer auf Tische zur
                                 Krystallisation ausgebreitet, welche sogleich beginnt und in 5–6 Minuten
                                 vollendet ist. Haben sich im Augenblick des Auflegens auf die erhitzte Platte
                                 trockene Stellen auf dem Papier gebildet, so werden diese noch vor dem Abnehmen
                                 desselben rasch mit dem Pinsel überfahren. Nach dem Abnehmen darf niemals ein
                                 Ausbessern solcher Stellen vorgenommen werden, weil dadurch die Krystallisation
                                 gestört und das Papier fleckig wird. Ist die Krystallisation in Folge zu
                                 langsamen Manipulirens nicht gleichmäßig ausgefallen, so genügt es, das Papier
                                 nochmals mit einem Pinsel voll Wasser kräftig zu überstreichen, wodurch die
                                 Krystalle zergehen und das Papier wieder mit einem feinen Krystallbrei bedeckt
                                 wird. Ein abermaliges Schmelzen dieses Breies auf der heißen Platte läßt eine
                                 neue Krystallisation vor sich gehen.
                              
                              Um diesen Krystalleffect auch in bunten Farben darzustellen, bedient sich Richter der in der Masse gefärbten Papiere.
                                 Bleizuckerlösungen, welche mit pikrinsauren: Ammoniak, Anilingelb und
                                 Anilinblau, Indigocarmin, Fuchsin etc. gefärbt sind, geben aber durch ihre
                                 ungleiche Ablagerung während der Krystallisation viel brillantere Fabricate.
                              Obgleich nun diese Papiere für das Auge große Befriedigung gewähren, so ist doch
                                 ihre Anwendung in diesem Zustande nur spärlich und nur unter Glas (z.B. als
                                 Hintergrund für Photographien, bei Glasschränken etc.) zu empfehlen, da sie der
                                 Luft exponirt verwittern, durch Schwefelausdünstungen sich schwärzen und die
                                 stark giftige Eigenschaft des Bleizuckers ihrer Verwendung entgegenstehen
                                 würde.
                              Sie gegen diese erwähnten Nachtheile durch einen Lacküberzug zu schützen, war
                                 daher mein weiteres Streben. Daß man hierzu weder Alkohol- noch
                                 Aetherlacke wegen ihrer Aufnahme von Wasser, welches sie den Krystallen
                                 entziehen, in Anwendung bringen darf, versteht sich von selbst. Dagegen erwies
                                 sich am geeignetsten zum Ueberziehen dieser schönen Perlmutterpapiere eine dünn
                                 aufgetragene Lösung von 1 Theil geschmolzenem Dammarharz in 6 Theilen
                                 Petroleumäther. Ist dieser Ueberzug gehörig trocken, so kann man zur Erhöhung
                                 des Glanzes sich einer weißen Lösung von Schellack in Alkohol von 95 Proc.
                                 bedienen. Leider büßen dabei die Krystalle einen Theil ihres Seidenglanzes ein,
                                 dennoch bleibt das Fabricat so eine reizende und vielfacher Verwendung fähige
                                 Erscheinung, welche auch dem Tapetenfabrikanten nicht entgehen sollte.
                              Ich habe bei meinen Proben mich einer erwärmten Ofendurchsicht bedient; für die
                                 Praxis möchte ich aber einen mit siedendem Wasser gefüllten Blechkasten
                                 empfehlen.
                              
                           
                              3. Eine chemische Winterlandschaft
                                    im Glase, ein neuer Industrie-Artikel.
                              Eine neue chemische Erscheinung macht jetzt in den Pariser Salons viel Aufsehen
                                 und bietet eine sehr interessante Unterhaltung, welche, da sie längere Zeit in
                                 Wirksamkeit bleibt, den seitherigen chemischen Experimenten mit Pharaoschlangen,
                                 Teufelsthränen, chinesischem Gras und Thee etc. den Rang streitig machen
                                 wird.
                              Eine Flasche von 10 Loth Inhalt mit wasserheller Flüssigkeit, ein schädliches
                                 Salz enthaltend und eine Schachtel mit einem unschädlichen, in Stückchen von der
                                 Größe kleiner Bohnen zertheilten Salze, bilden die zwei Stoffe, mit denen eine
                                 Winterlandschaft erzeugt werden soll. Füllt man mit obiger Flüssigkeit ein Glas
                                 2 Zoll hoch an und wirft so viele Stückchen von erwähntem Salze auf den Boden des
                                 Glases, bis dieser bedeckt ist, so werden in wenigen Minuten die Salzstückchen
                                 sich mit einer weißen Kruste überziehen und dabei die täuschendsten Formen von
                                 Bäumen, Sträuchern, Gräsern, Felsenpartien etc. annehmen, so daß sich nach 1 1/2
                                 bis 2 Stunden eine complette Winterlandschaft gebildet hat. Das Glas muß während
                                 dieser Zeit ruhig stehen bleiben.
                              Die benutzte schädliche Salzlösung besteht aus 1 Theil salpetersaurem Bleioxyd in
                                 3 Theilen Wasser gelöst; die Salzkrystalle sind sublimirter Salmiak. Die
                                 erzeugten Formen sind daher die Producte gegenseitiger Zersetzung, nämlich
                                 Chlorblei mit salpetersaurem Ammoniak.