Titel: | Ueber die Anwendung des Paraffins in der Zuckerfabrication; von E. Sostmann. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XVI., S. 66 |
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XVI.
Ueber die Anwendung des Paraffins in der
Zuckerfabrication; von E.
Sostmann.
Aus der Zeitschrift des Vereines für die
Rübenzucker-Industrie im Zollverein, 1866, S.
547.
Sostmann, über die Anwendung des Paraffins in der
Zuckerfabrication.
Die Verminderung des Schäumens der Rübensäfte geschieht bekanntlich mit Oel oder
Butter. Weit vortheilhafter ist jedoch die Anwendung von Paraffin zu demselben Zwecke. Zur Beurtheilung dieser Frage ist es
nothwendig, sich zuvor ein faßliches Bild von dem Schäumen und seinen Ursachen zu
machen.
Wenn Flüssigkeiten mit Luft zusammengeschüttelt werden, bilden sich Luftbläschen,
d.h. Luftpartikeln werden von einer dünnen Flüssigkeitsschicht umhüllt, wodurch ein
rundes Bläschen entsteht. Je nach der Consistenz der die Umhüllung bildenden
Flüssigkeit sind die Bläschen mehr oder weniger dauerhaft, so zwar, daß
Luftbläschen, deren Hülle vom Wasser gebildet wird, sogleich nach dem Entstehen
zerplatzen, weil die Wasserschicht den Luftdruck nicht auszuhalten vermag. Ist aber
die Hülle des Bläschens eine consistentere, wie bei einer Seifenblase oder
geschlagenem Eiweiß, so vermag diese sowohl einem bestimmten Druck von innen als
auch dem äußeren Luftdruck Widerstand zu leisten; selbst eine große Menge
übereinander gelagerter Blasen vermögen nur schwer die unteren zum Zerplatzen zu
bringen. In dieser Widerstandsfähigkeit solcher Bläschen gegen einen bestimmten
Druck liegt die Möglichkeit einer massenhaften Uebereinanderlagerung, wodurch das
sogenannte Schäumen von Flüssigkeiten hervorgerufen wird. Je zäher also eine
Flüssigkeit ist, um so mehr wird sie bei heftiger Bewegung schäumen.
Dieselbe Erscheinung nimmt man beim Erhitzen schleimig-zäher Pflanzensäfte
wahr; die dicht über der Heizfläche gebildeten Dampfbläschen steigen an die
Oberfläche, kühlen hier so weit ab, daß der innere Druck sich verringert und sind je
nach der Consistenz der Umhüllung befähigt, einem größeren oder geringeren äußeren
Drucke zu widerstehen. Vermindert man nun die Zähigkeit der Flüssigkeit, z.B. durch
Zusatz von Fett oder Oel, so müssen die Bläschen zerfallen, weil Oel und wässerige
Flüssigkeit durch ihre verschiedene specifische Schwere eine ungleiche Umhüllung
bilden welche dem inneren und äußeren Drucke nicht widerstehen kann.
Diese Erscheinungen sind in der Zuckerfabrication längst bekannt, und benutzt man
seit langer Zeit Oel oder Butter zur Verminderung des Schäumens, welches sich bei
Verarbeitung schleimiger Rübensäfte in den Verdampfapparaten und bei der Saturation
in unangenehmer Weise zeigt. Der Verbrauch an Oel beim Saturiren und in den
Verdampfapparaten ist für die einzelnen Fabriken meist nicht unbedeutend und eine
Controle der Arbeiter fast unmöglich. Das Oel selbst aber, oder die Butter werden
durch den freien Aetzkalk im Safte sogleich zerlegt, indem die Oel- und
Fettsäuren, welche im Fett an Glyceriloxyd gebunden waren, sich mit dem Kalke
verbunden, unlöslich ausscheiden, während Glyceriloxyd sich mit Wasser vereint, als
Glycerin in Lösung bleibt und zur Vermehrung der Melasse beiträgt.
Alle diese Uebelstände vermeidet man bei Anwendung von Paraffin an Stelle des Oels bei der Saturation. Das Paraffin schmilzt
schon bei 33° C. und wird nicht durch Kalk zersetzt, wodurch eine Vermehrung
des löslichen Nichtzuckers im Safte vermieden wird. Bei vorsichtigem Ablassen des
saturirten Saftes kann man auch die oben schwimmende Paraffinschicht im
Saturationskasten behalten und zu einer neuen Menge Saft benutzen. Geschieht dieß
nicht, so genügen 3 bis 4 Loth Paraffin für jeden Kasten von circa 100 Kubikfuß Inhalt, wenn Saft und Schlamm zugleich saturirt
werden.
Die Saturation des blanken Saftes erfordert entsprechend weniger. Der Preis des
angewandten Paraffins betrug 10 Thaler per Centner,
jedoch ist eine billigere Sorte im Handel zu haben, welche dieselben Dienste
leistet. Der Vortheil der Anwendung des Paraffins beruht also: 1) in der größeren
Reinheit der saturirten Säfte, weil kein Glycerin gebildet wird; 2) in der
Billigkeit des Materials, sowohl durch die quantitativ geringere Anwendung, als den
relativen Werth bedingt; 3) in der ermöglichten Controle der Arbeiter, denen je 3
bis 4 Loth in abgemessenen Stücken zugetheilt werden können.
Auch beim Verkochen im Verdampfapparate läßt sich Paraffin zweckmäßig an Stelle von
Oel verwenden.
Schließlich sey noch bemerkt, daß ich auf Anregung von Dr. Scheibler Paraffin zum Schutz der eisernen
Theile an Maschinen u.s.w. gegen Rost mit Erfolg habe anwenden lassen; das Paraffin
wird nicht wie das Oel durch die Hitze und die Luft zerlegt und bedarf der
Erneuerung weit seltener, als das Oel, welches nach der Zersetzung durch Hitze und
Luft die Metalle in erhöhtem Maaße angreift.