Titel: | Ueber ein allgemeines Verfahren zur Darstellung unlöslicher Verbindungen in krystallisirtem Zustande; von E. Frémy. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XXXIV., S. 140 |
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XXXIV.
Ueber ein allgemeines Verfahren zur Darstellung
unlöslicher Verbindungen in krystallisirtem Zustande; von E. Frémy.
Aus den Comptes rendus, t. LXIII p. 714; October
1866.
Fremy, über Darstellung krystallisirter unlöslicher
Verbindungen.
Bei näherer Untersuchung der Umstände, unter denen die krystallisirten Mineralien
sich gebildet haben, erkennt man, daß in einer großen Anzahl von Fällen die
Krystallbildung auf Erscheinungen von Fällung und doppelter Zersetzung, welche sehr
langsam stattgefunden haben, zurückgeführt werden kann.
Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, glaubte ich, daß, wenn es mir gelänge, langsam
erfolgende Fällungen und Zersetzungen zu bewirken, ich gewissermaßen unter denselben
Umständen arbeiten würde, unter denen die Natur die Mineralien auf nassem Wege
entstehen läßt, daß ich also Körper, welche in unseren Laboratorien in Folge rasch
stattfindender Fällungen gewöhnlich in amorphem Zustande erhalten werden, in
krystallisirter Form darzustellen im Stande seyn würde.
Versuche bestätigten in dieser Beziehung meine Erwartungen vollständig.
Um die durch gegenseitige Einwirkung zu zersetzenden Flüssigkeiten mit einer gewissen
Langsamkeit mit einander in Berührung zu bringen, wendete ich verschiedene Methoden
an.
Bei einer Versuchsreihe wurden die beiden Körper in gummi-, zucker-
oder gelatinehaltige Flüssigkeiten von verschiedener Dichtigkeit gebracht; diese
Flüssigkeiten wurden durch Schichten von porösen Substanzen oder durch Blätter von
ungeleimtem Papier von einander getrennt, welche ganz allmählich von ihnen
durchtränkt werden, und auf diese Weise die Entstehung langsamer, fast stets durch
die Bildung krystallisirter Verbindungen charakterisirter Zersetzungen
veranlassen.
Bei anderen Versuchen benutzte ich die Erscheinungen der Endosmose, um die beiden
Flüssigkeiten, welche sich gegenseitig zersetzen sollen, mittelst einer Membran
langsam mit einander in Berührung zu bringen.
Hölzerne und aus verglühter Porzellanmasse angefertigte Gefäße gaben mir gleichfalls
ausgezeichnete Resultate; dieselben lassen die in ihnen enthaltenen Flüssigkeiten
sehr langsam durchsickern und liefern häufig schöne Krystallbildungen, wenn man sie
mit Flüssigkeiten, welche durch das im porösen Gefäße enthaltene Reagens fällbar
sind, in Contact läßt.
Mittelst dieser verschiedenen Methoden erhielt ich eine Anzahl unlöslicher
Verbindungen, wie schwefelsauren Baryt, schwefelsauren Strontian, kohlensauren
Baryt, kohlensaures Bleioxyd, schwefelsaures Bleioxyd, oxalsauren Kalk, borsauren
Baryt, chromsauren Baryt, und mehrere Sulfuride in krystallisirtem Zustande, und
häufig in sehr scharf ausgeprägten Krystallformen.
Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich die Behauptung aufstelle, daß dieses
Verfahren mir ganz allgemein anwendbar scheint und daß man mittelst desselben alle
unlöslichen, in der Natur krystallisirt vorkommenden Körper im krystallisirten
Zustande zu erhalten vermag. In späteren Mittheilungen werde ich die auf diese Weise
in meinem Laboratorium in krystallinischer Form dargestellten Substanzen näher
beschreiben; namentlich werde ich zu untersuchen haben, ob die von mir erhaltenen
Krystallformen den in der Natur vorkommenden wirklich entsprechen.Indem ich ein allgemeines Verfahren zum Krystallisiren unlöslicher
Verbindungen mittheile, maße ich mir keineswegs an, der Erste zu seyn, dem
es gelungen ist, unlösliche Substanzen zum Krystallisiren gebracht zu haben.
Vor Allem erinnere ich an die schönen Versuche Becquerel's, bei welchen sich krystallisirte, den natürlichen
Mineralien vergleichbare Körper, in Folge langsamer, unter den
verschiedensten Umständen stattfindender Einwirkungen bildeten. Ferner weise
ich auf die interessanten Beobachtungen von Macé hin, welcher, noch als Zögling der polytechnischen
Schule, unlösliche Verbindungen in vollkommen krystallisirtem Zustande
dadurch erhielt, daß er Salzlösungen mittelst eines Fadens in verschiedene,
zu deren Fällung bestimmte Reagentien eintreten ließ. (Eine Mittheilung von
Payen über ein Verfahren, Krystalle von
verschiedenen Substanzen mittelst ununterbrochener Circulation der sie
auflösenden Flüssigkeit zu erhalten, findet man im polytechn. Journal Bd. CXXIV S. 316.)
Als ich sah, wie leicht unlösliche Verbindungen krystallisiren, wenn man sie durch
Vermittelung poröser Diaphragmen entstehen läßt, stellte ich auch mit
Alkalisilicaten Versuche an, in der Hoffnung, ein Problem zu lösen, welches mich
schon seit vielen Jahren beschäftigt: nämlich auf nassem Wege
krystallisirten Quarz darzustellen.
Ohne die interessanten Versuche Sénarmont's und Daubrée's würde der künstlich dargestellte
krystallisirte Quarz noch unbekannt seyn.
Ich hoffte also, krystallisirten Quarz auf nassem Wege dadurch darstellen zu können,
daß ich Alkalisilicate in porösen Gefäßen der langsamen Einwirkung gewisser Säuren
unterwarf. Zu diesem Zwecke brachte ich kieselsaures Kali und kieselsaures Natron in
aus Holz und verglühter Porzellanmasse angefertigte Gefäße und ließ diese mehrere
Monate lang in Lösungen von verschiedenen Säuren stehen; sogar der Einwirkung der
Kohlensäure setzte ich jene Alkalisilicate aus.
Die erwähnten Alkalisilicate zersetzten sich unter diesen Umständen langsam; anstatt,
wie bei ihrer gewöhnlichen Zersetzung durch Säuren, gallertartige Niederschläge zu
geben, bildeten sie weihe, krystallinische Massen von solcher Härte, daß sie das
Glas ritzten.
Die physikalischen Eigenschaften dieser Absätze, welche von der auf chemischem Wege
dargestellten Kieselsäure ganz verschieden sind, veranlaßten mich anfangs zu der
Annahme einer Quarzbildung auf nassem Wege; allein die chemische Prüfung des
Productes sollte mich bald enttäuschen.
Die entstandenen Verbindungen lösen sich nämlich in alkalischen Flüssigkeiten, von
welchen der Quarz nicht angegriffen wird; sie sind Hydrate und halten auch eine
gewisse Menge Alkali zurück, welches ein wesentlicher Bestandtheil des Productes zu
seyn scheint.
Die Analyse der mit kieselsaurem Natron erhaltenen Verbindung ergab die
Zusammensetzung:
Kieselsäure
68
Natron
5
Wasser
27.
Wollte man das Natron vernachlässigen, so wäre der Körper Kieselsäurebihydrat (SiO³, 2 HO).
Chevreul hatte bekanntlich, um die von Payen in seiner Abhandlung über die mineralischen
Incrustationen der Pflanzen beschriebene Entstehung von krystallisirtem oxalsaurem
Kalk in den Vegetabilien zu erklären, angenommen, daß ein lösliches Oxalsäuresalz
die Wandungen einer Pflanzenzelle oder eines Gefäßes langsam durchdringe und so auf
ein in einem Hohlraume vorhandenes Kalksalz einwirken könne, so daß krystallisirter
oxalsaurer Kalk entstehe. Meine Versuche beweisen die Richtigkeit dieser Erklärung,
insofern es mir gelang, krystallisirten oxalsauren Kalk darzustellen, indem ich ein
Kalksalz auf ein lösliches Oxalsäuresalz mittelst Einschaltung einer Membran langsam
einwirken ließ.
Demnach darf ich wohl glauben, daß es mittelst des im Vorstehenden mitgetheilten
Verfahrens möglich seyn wird, eine große Anzahl von Körpern, welche theils in der
Erde, theils in den organischen Geweben in krystallisirter Form vorkommen, künstlich
zu erzeugen, daß folglich dieses Verfahren über die natürliche Entstehungsweise
jener Körper manche werthvolle Aufschlüsse zu geben geeignet seyn dürfte.