Titel: | Ueber Dubrunfaut's Verfahren der Zuckergewinnung aus der Melasse mittelst Entsalzung derselben durch Dialyse; von Louis Walkhoff. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XXXVII., S. 149 |
Download: | XML |
XXXVII.
Ueber Dubrunfaut's
Verfahren der Zuckergewinnung aus der Melasse mittelst Entsalzung derselben durch
Dialyse; von Louis Walkhoff.Aus dem kürzlich erschienenen Werke:
„Der praktische Rübenzuckerfabrikant und Raffinadeur. Ein Lehr- und Hülfsbuch für Rübenzuckerfabrikanten, Betriebsdirigenten,
Siedemeister, Maschinenbauer, Ingenieure, Landwirthe und Studirende an landwirthschaftlichen Lehranstalten. Nach eigenen langjährigen Erfahrungen bearbeitet von Louis Walkhoff. Dritte neu bearbeitete und vermehrte
Auflage. Mit 210 in den Text eingedruckten Holzstichen, nach
Originalzeichnungen der neuesten und besten Constructionen aller Apparate
der Rübenzuckerfabrication. Braunschweig, Verlag von Fr. Vieweg und Sohn,
1867.“
Hr. Prof. Dr. Fr. Otto in
Braunschweig sagt in dem Vorworte, welches er dieser neuen Auflage des Walkhoff'schen Werkes beigefügt hat:
„Dasselbe darf, wie ich glaube, einer freundlichen Aufnahme gewiß
seyn. Es redet die Sprache des Praktikers, welche den Dirigenten der
Rübenzuckerfabriken und den Siedemeistern die liebste, die verständlichste
Sprache ist. Man fühlt beim Lesen des Werkes, daß der Verfasser, selbst
Zuckerfabrikant, mit ganzer Seele, ja mit wirklichem Enthusiasmus der
Rübenzuckerfabrication zugethan ist, und daß er nichts mehr wünscht als
einen rationellen Betrieb in allen Fabriken eingeführt zu sehen, wozu er in
anregender Weise den Weg zeigt, mir der größten Offenheit die von ihm
gemachten Erfahrungen mittheilend. Die Capitel von der Gewinnung des Saftes,
von der Behandlung der Säfte, von der Filtration, vom Kochen und andere,
müssen mit wirklichem Vergnügen und mit entschiedenem Nutzen von denen
gelesen werden, welche diese Operationen zu leiten haben. Die Maschinen,
Utensilien und Apparate, besonders die mannichfachen Verdampfapparate der
Fabriken, sind kritisch beleuchtet und wichtige Fingerzeige, ja selbst
specielle Anleitung zu Verbesserungen sind gegeben. Dadurch erhält das Werk
unzweifelhaft großen Werth auch für Maschinenfabrikanten und solche
Techniker, welche sich mit der Anfertigung von Maschinen und Apparaten für
Rübenzuckerfabriken befassen.“
Die Zeitdauer des Druckes der neuen Auflage, der Stich der Figuren, sowie auch
seine Entfernung vom Druckorte haben es Hrn. Walkhoff unmöglich gemacht, auch die letzten
und neuesten Erscheinungen aufzunehmen, welche nach Vollendung des Werkes
auftauchten; der Plan des Ganzen ist aber so angelegt, daß dieselben in
Nachträgen leicht dem Hauptwerke nachgeliefert werden können. Seine vielfachen
Reisen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Belgien, Rußland
und Ungarn gaben Hrn. Walkhoff Gelegenheit, auch andere Verfahrungsarten als in
Deutschland üblich sind, kennen zu lernen, und er unterwarf dieselben ebenfalls
einer Besprechung. Insbesondere ist in der neuen Auflage die Raffination ausführlicher als früher behandelt.A. d. Red.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Walkhoff, über Dubrunfaut's Verfahren der Zuckergewinnung aus der
Melasse.
Der zu diesem – Osmogène genannten –
Verfahren dienende Apparat ist in Fig. 38 und 39
dargestellt, und besteht aus folgenden Theilen:
A Rahmen, 15 Millimet. stark, aus gutem, trocknem
Eichen- oder Buchenholz, 50 an der Zahl, mit Ziffern der Reihe nach
bezeichnet. B, B' gußeiserne Stücke mit 45 Millimet.
starken Eichenholzbretern als Kopfstück gefüttert, um den Apparat an den Enden zu
schließen und sämmtliche Nahmen zwischen denselben mittelst der Schraubenbolzen C zusammenziehen zu können, nachdem ein Bogen
Pergamentpapier zwischen je 2 der 50 Rahmen eingeschaltet ist.
Diese 50 Holzrahmen sind nebst den zwischenliegenden Gummidichtungen an der oberen
und unteren Seite mit je zwei quer durch das Holz gebohrten Löchern versehen, welche
zusammen die Einfluß- und Abzugscanäle des Apparates für Melasse (D und E) und Wasser (F und G) bilden, und daher
mit den Röhren R und M, T
und N in Verbindung stehen. Von diesen Canälen aus gehen
die kleinen mit Kupferröhrchen ausgefütterten Löcher H,
H in das Innere der Holzrahmen derart, daß zwei dieser Canäle, und zwar
einer oben und einer unten, mit allen geraden Nummern der 50 Rahmenkammern und die
beiden anderen Canäle mit den ungeraden Nummern in Verbindung stehen. Die zur
Dichtung dienenden 7 Centimet. breiten und 1 bis 1 1/2 Millimet. starken
Gummistreifen werden mit 50 kleinen, 10 bis 12 Millim. langen plattköpfigen Stiften
auf beiden Seiten der Holzrahmen und auch auf der inneren der Kopfstücke
festgenagelt. Das dazu verwandte Gummi muß gut vulcanisirt seyn, um den hohen
Temperaturen der Flüssigkeit zu widerstehen und nicht an das Papier zu kleben, da
man öfter genöthigt ist, den Apparat auseinanderzunehmen. Die Fugen und Verzapfungen
der Rahmen und Kopfstücke sind mit Mennigkitt gedichtet. In den Rahmen selbst sind
hölzerne Querstücke (die hier der Deutlichkeit wegen nicht gezeichnet sind)
eingezapft, welche, da sie wechselweise rechts und links durchbohrt sind, den
Flüssigkeiten einen zickzackförmigen Weg anweisen und auch dazu dienen, die
Papierbogen seitwärts vielfach zu unterstützen, wozu noch außerdem 1 bis 2 Millimet.
starke Bindfäden von oben nach unten in die Rahmen gespannt sind.
L ein einzölliger mit Zeiger und Gradbogen c versehener Hahn zum Einlassen der zu reinigenden
Melasse aus dem Rohre b in den Trichter M nebst Rohr, welches dieselbe in den Hauptcanal D einführt. N Prüfungsgefäß,
mit dem Canale E durch den Rohransatz e verbunden und ein Aräometer enthaltend, um die Dichte
der entsalzten Melasse zu bestimmen. O Rohr zum
Entweichen der Luft aus den mit Melasse gefüllten Kammern. Q ein mit Zeiger und Gradbogen c' versehener
Hahn zur Einführung des Wassers aus dem Rohre b' in den
mit einem Siebe belegten Trichter R nebst Rohr, um das
Wasser in den Hauptcanal F zu führen. i Rohr zum Entweichen der Luft aus den Wasserkammern des
Apparates. T Probegefäß, um die Dichtigkeit des
abfließenden mit Salzen geschwängerten Wassers zu prüfen. U Hahn zum Entleeren der Wasserräume des Apparates. P Hahn zum
Entleeren der Melassenräume. V, V' Rinnen aus
Eisenblech, in denen die aus den Apparaten austretenden Lösungen abgeführt werden.
X, X Holzstücke, auf welche (nach dem Abschrauben
des Rohres M, D mittelst der Schraubenmutter d) der Apparat durch eine Kreisbewegung um die Zapfen
(Achsen) Y, Y' umgelegt werden kann, so daß die Rahmen
in horizontaler Lage leicht abgenommen und wieder mit neuem Papiere belegt werden
können. Z, Z' Holzlager für den aufgestellten, in
Thätigkeit befindlichen Apparat.
Um nun diesen Apparat in arbeitsfähigen Stand zu setzen, untersucht man zunächst die
Pergamentpapierbogen, indem man sie gegen das Licht hält, den Blick hin und her, auf
und nieder darüber hingleiten läßt, und sich so vergewissert, daß der Papierbogen
keine kleinen Löcher oder undichte Stellen hat. Diese ausgewählten Bogen werden
darauf eine Viertelstunde lang in Wasser geweicht, und dann sogleich bei umgelegtem
Apparate auf den untersten Rahmen möglichst glatt aufgelegt. Hierauf legt man den
folgenden Rahmen, dann einen zweiten Papierbogen und sofort, bis zum letzten Rahmen;
dann legt man das zweite Kopfstück auf, schraubt den ganzen Apparat zusammen,
richtet ihn auf und schreitet zur Füllung desselben mit Flüssigkeiten.
Man kocht dazu am besten das Wasser erst auf, bereitet die Melasse vor, wie nachher
beschrieben werden wird, und öffnet die beiden Hähne b
und b' so gleichmäßig als möglich, damit im Apparate
keine verschiedenen Höhen der Flüssigkeiten (Wasser und Melasse) eintreten können,
die sonst durch ihren größeren einseitigen Druck die Papierbogen zu zerreißen
drohten. Sobald nun aus einem der Probegefäße (N oder
T Flüssigkeit austritt, muß der damit
correspondirende Einflußhahn (L oder Q) so lange geschlossen werden, bis auch das andere
Probegefäß mit Flüssigkeit gefüllt ist. Man regulirt nun den Gang des Apparates
derart, daß die eintretende Flüssigkeit eine gewisse Zeit (z.B. 4 oder 6 Stunden)
braucht, bis sie die sämmtlichen Flächen berührt, den ganzen Apparat durchlaufen
hat. Man sieht dich an den Dichtigkeiten der Lösungen, die aus dem Apparate treten,
und da dieselben in den Prüfungsgefäßen T und N beständig mittelst Senkwaagen controlirt werden, so
ist es leicht, die verschiedenen Bedingungen der Arbeit (mehr oder weniger Wasser,
längere oder kürzere Zeitdauer) derart zu reguliren, daß ein gewünschtes, im
Bereiche der Möglichkeit liegendes Resultat erzielt wird.
Je länger die Zeitdauer der Operation, desto verdünnter fließt die Melasse ab. Mit je
geringerer Dichtigkeit man aber die Melasse abfließen läßt, desto reiner erhält man
dieselbe. Die Operation ist in diesem Falle vollständiger, der Reinheitsquotient der
Lösung erhöht sich, d.h.
das Verhältniß von Zucker zu Nichtzucker gestaltet sich günstiger. Zu gleicher Zeit
aber geht mehr Zucker in das Wasser über und ist daher verloren; auch ist die
quantitative Leistungsfähigkeit des Apparates selbstverständlich geringer als wenn
man weniger verdünnte Lösungen abzieht.
Das abziehende Wasser (l'eau d'exosmose) läßt man
ebenfalls mehr oder weniger mit Salzen geschwängert abfließen, je nachdem man die
Absicht hegt, es zu concentriren, zu destilliren oder zu verlieren, und darnach die
Bedingungen regelt.
Findet man es z.B. angemessen, die Zucker- oder Melasselösung mit einer
Dichtigkeit von 15° Baumé und das salzhaltige Wasser mit 8°
Baumé abzuziehen, so regulirt man einfach den Zufluß beider Flüssigkeiten
mittelst der Hähne b und b'
so lange bis jene Dichtigkeiten resultiren, was gewöhnlich nach einigen Stunden mit
der gewünschten Regelmäßigkeit der Fall ist. Das austretende Wasser ist viel weniger
gefärbtIch bemerke hierbei, daß demnach die färbenden Stoffe und wohl auch die
organischen keine so starke Dialyse erleiden als die unorganischen
Substanzen. als die austretende gereinigte Melasse und besitzt einen auffallend salzigen
Geschmack, während die Melasselösung angenehmer süß schmeckt als früher. –
Die Färbung und der Geschmack des abfließenden Wassers bilden also die
Erkennungszeichen, ob sich ein zerrissener Papierbogen in dem Apparate vorfindet
(was übrigens nur sehr selten vorkommt).
In einem solchen Falle würde also entweder ein Theil der Melasse durch T mit austreten, wo Augenschein und Geschmack den
Beobachtenden sogleich davon in Kenntniß setzen; oder es würden beide Flüssigkeiten
nur durch den Melassenausfluß austreten, der wegen der Verschiedenheit des
specifischen Gewichtes beider Flüssigkeiten um 6 Centimeter niedriger angebracht
ist. Letzterer Uebelstand erfordert eine noch raschere Einstellung der Arbeit und
Restauration des Apparates.
Diese ganze Vorrichtung muß übrigens stets nach einiger Zeit (selbst wenn kein
Papierbogen zerrissen) auseinander genommen werden, um sie zu reinigen. Man läßt zu
diesem Behufe die Flüssigkeiten aus den Hähnen P und U möglichst gleichmäßig ablaufen, kippt dann den Apparat
um die Zapfen Y, Y' in die horizontale Lage und wechselt
die Papierbogen aus, indem man die Rahmen nach und nach abnimmt und sorgfältig
gewaschen wieder auflegt. Die Operation der Entsalzung beginnt dann von Neuem,
sobald der Apparat wieder vertical gestellt ist.
Nachdem wir nun die Construction des Apparates beleuchtet haben, gehen wir zur Betrachtung des
Verfahrens selbst über, wobei ich vor allen Dingen bemerken muß, daß ich in
Anbetracht der Neuheit der Sache noch nicht in der Lage bin, so viele Aufschlüsse
darüber zu geben als ich wohl wünschte. Ich muß mich eben darauf beschränken, die
Beobachtungen mitzutheilen, die ich bei meiner Anwesenheit in Courrières
(Fabrik des Hrn. Tilloy)
machte.
Behufs Zubereitung der Melasse kocht man dort dieselbe erst auf, fügt (angeblich, um
den Kalk zu entfernen) 20 Pfd. Soda (carbonate de soude)
auf jede Pfanne, mitunter auch Blut zu, schäumt ab und läßt absetzen, damit nur
klare Lösung in den dialytischen Apparat gelange, widrigenfalls die kleinen
Durchgangslöcher (H) in demselben leicht verstopft und
die betreffenden Theile unwirksam würden. – Es waren dort zur Verarbeitung
von 120 bis 140 Ctr. Melasse täglich 2 Pfannen im Betriebe und 10 dialytische
Apparate à 50 Scheidewände.
Ueber die Einflußröhren sowohl für Melasse als Wasser waren ganz enggeflochtene
Messingsiebe gelegt, um hier noch Alles zurückzuhalten, was eine mechanische
Verstopfung veranlassen könnte. Sowohl Melasse als Wasser von 40° C. floß in
einem sehr dünnen Strahle beständig hinein. Auffallend aber war mir, daß weder die
Melasse, noch das mit Salzen geschwängerte Wasser continuirlich abfloß. Beide
Flüssigkeiten setzten ohne sichtbare Ursache mitunter aus und begannen dann wieder
zu laufen.
Die in den Abflußröhren schwimmenden Aräometer zeigten bei der noch warm ablaufenden
Melasse eine Dichtigkeit von 12° Baumé, während das Salzwasser mit
6° Baumé abfloß, und es wurde mir angegeben, daß man 26 Hektoliter
Wasser per Tag auf einen Apparat verbrauche.
Indessen läßt sich wohl ein Wasserquantum in runder Zahl von 2000 Pfd. annehmen und
würde es dabei von großer Wichtigkeit seyn, möglichst reines, salzarmes Wasser zu
verwenden, da der Proceß jedenfalls dann um so schneller und vollständiger von
statten geht. Es wird deßhalb auch vorgeschlagen, das Wasser vor der Anwendung stark
aufzukochen und absetzen zu lassen; ja ich halte selbst eine Filtration über
Holzkohle für zweckdienlich, da hauptsächlich durch den Gehalt an organischen
Stoffen die papiernen Scheidewände mehr oder weniger rasch verschleimt werden, und
natürlich dadurch ihre dialytische Eigenschaft zum Theil einbüßen, welche Ansicht
sich auch durch praktische Beobachtungen bestätigt hat, indem die Wirkung des
Apparates nach 14 Tagen gleich Null geworden ist.
Das Wasser, welches mit Salzen geschwängert aus den Apparaten abläuft, hat nun aber
auch etwas Zucker aufgenommen, und zwar zeigte solches in Courrières eine Rotation von 12°
am Polarimeter, enthielt mithin (12 : 6 =) 2 Proc. Zucker. Nach kleinen Versuchen in
der Fabrik des Hrn. Bernhard
Freise in Neustadt bei Magdeburg enthielt dieß Wasser 2,17 Proc.
Zucker, so daß ein Zuckergehalt von 2 Proc. wenigstens anzunehmen seyn dürfte (um so
mehr, da er sich bei längerer Zeitdauer der Operation oder durch andere Umstände
unzweifelhaft erhöhen würde). Wenn nun per 100 Pfd.
Wasser 2 Pfd. Zucker hierdurch fortgehen, so beziffert sich der dadurch
herbeigeführte Zuckerverlust per Apparat auf (2000 Pfd.
Wasser à 2 Proc. Zucker =) 40 Pfd. Zucker, und da
ein Apparat dieser Dimensionen in 24 Stunden 1200 Pfd. Melasse verarbeitet, die in
Summa (à 50 Proc. Zuckergehalt) 600 Pfd. Zucker
enthalten, so dürfte der durch das reinigende Wasser hervorgerufene Zuckerverlust
auf 7 Proc. per 100 Pfd. Zucker oder zu 4 Proc. per 100 Pfd. Melasse zu veranschlagen seyn.
Die austretende Salzlösung hatte, wie wir schon oben bemerkten, eine Dichtigkeit von
6° Baumé oder 10,8 Proc. Balling, und wenn davon 2 Proc. Zucker waren,
so käme eine Spindelanzeige von (10,1 – 2 =) 8,8 Proc. auf Rechnung der
Salze. Rechnet man nun eine Spindelanzeige von 1,6 Proc. Balling oder Brix für jedes
Gewichtsprocent Salze, so wären darin (8,8 : 1,6 =) 5,5 Proc. Salze gewesen. Nehmen
wir in runder Summe 5 Proc. Salze an, so wären durch 2000 Pfd. Wasser hiermit 100
Pfd. Salze entfernt aus 1200 Pfd. Melasse (oder per 100
Theile circa 83 Proc. entfernt). Da gewöhnliche Melasse
circa 10 bis 12 Proc. Salze enthält, so wäre dadurch
allerdings der größte Theil der Salze aus derselben entfernt. In der That schmeckte
auch der in Courrières vorhandene, nach dieser Methode bereitete Zucker
ungeachtet seiner sehr dunklen Farbe doch durchaus nicht salzig, ein Umstand, der
bei einem Versüßungsmateriale alle Beachtung verdient, da auf diese Weise wohl
direct consumtionsfähiger Kochzucker erzielt werden könnte!
Da also aus 1200 Pfd. Melasse nur 40 Pfd. Zucker mit dem Wasser fortgiengen, so ist
die 2 1/2 fache Menge Salze durch dasselbe Wasser fortgenommen, und es würde aus der
gereinigten Lösung demnach diejenige Menge Zucker auskrystallisiren können, welche
durch diesen Ueberschuß von Salzen am Krystallisiren verhindert war, was je nach der
Natur der Salze in den Melassen sehr verschieden ausfallen würde. Diese hier
angeführten Daten sind allerdings nicht genau, sie sind nicht die Resultate
specificirter Analysen; aber sie folgen doch naturgemäß aus den beobachteten
Thatsachen.
Anstatt dessen hat Hr. Dr. Weiler in Prag auf meine Veranlassung folgende Analysen gemacht, von
Melasse vor und nach der Operation der Dialyse, sowie von der dabei erzielten
Salzlösung:
Rohe Melasse.(Dichte =
77,5 Proc. Bg.)Procent.
Osmogirte
Melasse.(Dichte = 43,2 Proc. Bg.)Procent.
Zucker
43,500
25,250
Kali- und Natronsalze
9,611
4,720
Kalisalze
0,811
0,480
organische Substanzen
18,941
10,646
Wasser
27,137
58,904
–––––––
–––––––
100,000
100,000
Trockensubstanz
72,863
41,096
Auf 100
Theile Zucker bezogen:
Kali- und Natronsalze
22,094
18,693
Kalksalze
1,864
1,905
organische Substanzen
43,726
42,163
–––––––
–––––––
67,684
62,761
Es sind mithin für jede 100 Theile Zucker aus der Melasse entfernt (22,094 –
18,693) 3,401 Theile Salze.
Von
100
Theilen
Salzen sind abgeschieden
15,393
Proc.
„
„
„
organischer Substanz
3,575
„
Die dabei erhaltene Salzlösung hatte eine Dichte von 10 Proc. Bg. (1,0409 spec.
Gewicht) und folgende Zusammensetzung:
Zucker
2,083
Proc.
Kali- und Natronsalze
2,663
„
Kalisalze
0,081
„
organische Substanzen
3,720
„
Wasser
91,453
„
–––––––––––
100,000
Proc.
Trockensubstanz
8,547
„
Während bei meiner Anwesenheit in Courrières die Melasse mit 4°
Baumé einströmte, floß sie mit nur 12° Baumé ab, erlitt also
eine sehr bedeutende Verdünnung, die einen nicht unbedeutenden Brennstoff-,
aufwand zum Verdampfen erfordert.
Als Veredelung der Melasse beim Durchgang durch diesen Apparat wurde eine
Verbesserung der Polarisation um 3° angegeben, was nach der Annahme von 50
Theilen Zucker in 100 Melasse auf 100 Theile Zucker 6° ergeben würde!
Bei einem kleinen Versuche in Neustadt bei Magdeburg (dessen oben erwähnt wurde)
zeigte die Melasse:
beim Eintrittein den
beim Austritteaus dem (nach 4 Stunden)
Apparat.
Dichtigkeit
85,29
41,50
Zuckergehalt
52,73
27,13
Nichtzucker
32,56
14,37
Reinigungsquotient
61,8
65,3
auf 100 Zucker also Nichtzucker
61,56
52,58
Wie man nun annimmt, daß hier in der betreffenden Melasse 100 Theile Zucker durch
61,56 Theile Nichtzucker am Auskrystallisiren gehindert wurden, so wäre anzunehmen,
daß in der gereinigten Melasse die vorhandenen 52,58 Theile Nichtzucker auf 100
Theile Zucker (nach der Proportion 61,56 : 100 = 52,58 : x =) nur 85 Theile Zucker (in runder Zahl) an der Krystallausscheidung
hindern würden, so daß also 15 Theile Zucker wahrscheinlich als solcher gewonnen
würden. Obgleich die Ausbeute an Krystallzucker in Courrières zu 16 bis 18
Proc. angegeben wurde als der Ertrag einer ersten Reinigungsoperation, so darf man
doch wohl im Durchschnitt nur 15 Proc. annehmen.
Die aus den Apparaten tretende und entsalzte Melasse wurde nur schwach filtrirt und
eingedickt, und dann in großen Gefäßen der langsamen Krystallisation überlassen, die
erst nach 3 bis 4 Wochen entsprechende Resultate geben sollte! Die Zuckerschleudern
traf ich in Courrières leider nicht in Arbeit, woraus ich den Schluß ziehe,
daß die Zuckerausbeute nicht sehr bedeutend seyn muß. (Diese Fabrik soll seit
mehreren Monaten mit 10 dialytischen Apparaten in unausgesetztem Betriebe seyn!)
Nun wird zwar angegeben, daß nach einer ersten Operation und Zuckerausscheidung der
übrige Antheil Melasse nochmals in diesen Apparaten gereinigt und dadurch von Neuem
ein Theil des Zuckers gewonnen werden könnte, jedoch wollen wir zunächst berechnen, wie
viel Melasse dann nach dieser Operation noch übrig bleibt?
Nach Früherem gehen bei der ersten Operation verloren:
1) Im Wasser an Zucker
4
Proc.
Verlust
2) „ „ an
Salzen
8,3
„
„
3) An Zucker sollen gewonnen werden (nach
Früherem 15 Proc.) auf Melasse berechnet
mit 20 Procent Zusatz nur
18
„
4) An Abfall bei der gewöhnlichen Operation der
Umkochung, der Klärung, Filtration,
Kochen etc. haben wir gewöhnlich einen
Verlust von
8
„
„
–––––––––––––––––––
Summa
38,3
Proc.
Verlust
bleibt
61,7
zweite
Melasse
–––––––––––––––––––
100,0
Proc.
Wenn nun aus dieser zweiten Melasse auch noch 15 Proc. oder noch 9 Proc. Zucker pro ursprüngliche 100 Pfd. Melasse erhalten würden, so
betrüge die Gesammtausbeute aus 100 Theilen käuflicher Melasse 15 + 9 = 24 Proc.,
oder so viel, wie man in Courrières die Gesammtausbeute angibt.
Mir scheint es aber sehr fraglich, ob in allen Fällen noch eine zweite
Krystallisation aus derselben Melasse erhalten werden könnte, und zwar weil ganz
triftige Gründe dagegen sprechen. Da nämlich bei der ersten Operation der Dialyse
der größte Theil der Salze entfernt und ein entsprechender Antheil Zucker gewonnen
wird, so dürfte der resultirende Rückstand nicht mehr einen solchen Ueberschuß an
Salzen enthalten, daß eine Operation auch nur annähernd lohnend seyn könnte, ja es
würden wahrscheinlich in diesem Rückstande fast nur solche Salze angehäuft seyn, die
durch die Dialyse schwerer zu entfernen wären, wodurch die Operation nicht nur
kostspieliger, sondern auch unsicherer in ihren Resultaten würde. Doch wäre es
wahrscheinlich, daß gewisse Salze der Alkalien in andere Verbindungen übergeführt,
leichter und vollständiger aus der Melasse zu entfernen wären. Diese Verbindungen
festzustellen, bleibt Aufgabe der Chemie und wollen wir hoffen, daß es deutschem
Fleiße gelingen möge, bald Licht über diesen Gegenstand zu verbreiten.
Bis dahin glaube ich an einer zweiten ausgiebigen Reinigung der Melasse mittelst
einer gleichen Manipulation zweifeln zu müssen und nehme daher bei der Berechnung
über die Vortheilhaftigkeit dieser Methode auch nur 15 Proc. Zuckerausbeute an.
Der Aufwand an Arbeitskraft ist unbedeutend. Die Kosten wurden mir in Frankreich für 1000
Kilogr. Melasse (oder 20 Ctr.) angegeben, wie ich sie hier, auf preußisches Geld
reducirt, anführe:
20 Ctr. Melasse à 1
Thlr.
20
Thlr.
–
Gr.
Brennstoffaufwand dazu
3
„
15
„
Pergamentpapier
–
„
17
„
Knochenkohle
1
„
20
„
Scheidung und Klärung
3
„
–
„
Handarbeit bei dem Apparate
–
„
20
„
Zuckerausschleudern
–
„
17
„
Kochen des Zuckers
–
„
17
„
Interessen und Generalspesen
2
„
20
„
Patentkosten (!)
5
„
10
„
–––––––––––––––––––
38
Thlr.
16
Gr.
Dafür erhält man 61,7 Proc. Melasse als
solche oder 12 Ctr. à 1 Thlr
12
Thr.
–
Gr.
15 Proc. Zucker oder 3 Ctr. à 9 Thlr.Wenn dieser sehr dunkelbraune Zucker stets 9 Thlr. werth seyn
sollte.
27
„
–
„
–––––––––––––––––––
39
Thlr.
–
Gr.
In diesem Falle hätte man also nur für die Patentprämie gearbeitet. Da nun die
Wirkung der Osmose auf Melasse eine bekannte, ja vor Jahren schon von Hrn. Haug in der Halle'schen Siederei
erprobte Thatsache (mit der man dort auch 15 Proc. Zucker erzielte), auch die
Anwendung des Pergamentpapieres (und zwar auf Rahmen gespannt) anstatt der
Thierblase zu diesem Zwecke ebenfalls bekanntEs ist auffallend, daß dieser Apparat in Preußen patentirt wurde, da doch das
ganze Princip (man sehe: „Dubrunfaut,
über die Osmose und ihre industriellen Anwendungen“ im
polytechn. Journal, 1856, Bd. CXXXIX S. 305) und fast alles dazu
Erforderliche früher bekannt war. war, so bleibt nur die übrigens nicht zu verkennende geistreiche Anordnung
sämmtlicher Theile des Apparates; aber dafür scheint mir der ganze Verdienst denn doch eine zu hohe Prämie zu seyn, und dem Erfinder
dürfte in seinem eigenen Interesse anzurathen seyn eine bedeutend geringere Prämie
vorzuziehen.
Daß die Fabrikanten in Frankreich, wo der Preis der Melasse noch höher seyn soll,
damit arbeiten und verdienen, liegt hauptsächlich in dem Umstande, daß sie für
diesen aus der Melasse producirten Zucker bei der Ausfuhr die Rückvergütung eines
Zolles erhalten, den sie eigentlich nie zahlten, und das ist ein reiner Verdienst,
ganz abgesehen davon, daß sich Hr. Tilloy selbst keine Patentprämie zahlt, durch seine fortgesetzte
Arbeit aber die Möglichkeit für sich hat, solche von anderen Fabriken
einzucassiren.
Uebrigens gründet Hr. Tilloy
seine Berechnung der Rentabilität auf eine Ausbeute von 25 Proc. Zucker pro 100 Melasse in zwei Operationen, über deren
Unwahrscheinlichkeit ich mich oben schon ausgesprochen habe.