Titel: | Ueber die Ursachen der Dampfkessel-Explosionen; von J. Hrabak. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. LVIII., S. 296 |
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LVIII.
Ueber die Ursachen der
Dampfkessel-Explosionen; von J.
Hrabak.
Hrabak, über die Ursachen der
Dampfkessel-Explosionen.
Hr. Joseph Hrabak hielt am 16.
März d. J. an der k. k. Bergakademie zu Przibram einen Vortrag, worin er folgende
Zusammenstellung der bisher über diesen Gegenstand aufgestellten Ansichten
machte:
Die älteren Ansichten über die Ursachen der Dampfkessel-Explosionen sind
derart von einander abweichend, ja einander geradezu widersprechend, und zudem haben
sich Explosionen trotz aller Theorien bisher Jahr aus Jahr ein der Zahl nach derart
regelmäßig wiederholt, daß man von diesen Ansichten und Theorien mit Recht behaupten
kann, sie haben die betreffende Frage nicht gelöst.
Die ehemals vermuthete Knallgasbildung an den bloßgelegten glühenden Kesselwänden,
sowie das angenommene Stattfinden des Leidenfrost'schen
Phänomens an diesen Wänden – beide diese Ansichten zerfallen in ihr Nichts,
wenn man bedenkt, wie häufig diese vermeintliche Ursache eintritt, ohne daß eine
Explosion erfolgt.
Die später aufgestellten Elektricitätstheorien, die das nicht Erklärte auch noch mit einem
geheimnißvollen Schleier umhüllen, sind kaum der Erwähnung werth. Eines ist gewiß,
daß nämlich die ungeheuren Wirkungen, von welchen die eigentlichen
Kessel-Explosionen immer begleitet werden, nur durch eine plötzliche
großartige Dampfentwickelung hervorgerufen werden können. Es kommt nur darauf an,
die Umstände kennen zu lernen, durch welche diese plötzliche Dampfentwickelung
herbeigeführt wird. Die hierüber in neuerer Zeit aufgestellten reellen Ansichten rühren einerseits von dem Civilingenieur Kayser in Breslau,Man sehe S. 74 in diesem Bande des polytechn. Journals. andererseits vom Prof. Dufour in LausanneMan s. dessen Abhandlung im polytechn. Journal, 1864, Bd. CLXXIII S. 266. her. Beide Ansichten stimmen darin überein, daß die Ursache zu der
plötzlichen Dampfbildung durch ein Sinken des Druckes im Dampfraume eines Kessels
gegeben wird, wobei das früher unter einem viel größeren Drucke gestandene und eine
verhältnißmäßig zu hohe Temperatur besitzende Wasser plötzlich zur Abgabe einer sehr
großen Dampfmenge disponirt wird. Nach Kayser kann jene
Druckabnahme dadurch herbeigeführt werden, daß dem Dampfe auf irgend eine Weise
– durch das plötzliche Oeffnen eines Ventiles oder durch einen in der
Kesselwand entstandenen Riß – eine bedeutende Oeffnung dargeboten wird,
wodurch eine plötzliche Entlastung des sofort überheißen Wassers, ein Freiwerden der
überschüssigen Wasserwärme und hiermit eine so plötzliche Verdampfung einer großen
Wassermenge entsteht, daß der hieraus resultirende Stoß den Kessel zertrümmert.
Ohne diese Kayser'sche Ansicht eigentlich zu desavouiren,
geht Dufour in der Ergründung des Phänomens bedeutend
tiefer. Derselbe stellte sich die Aufgabe, den Vorgang der Dampfbildung sowohl durch
Beobachtungen an den Dampfkesseln selbst, als auch durch entsprechende Versuche im
Laboratorium zu studiren, und gelangte zu dem Resultate, daß das Wasser unter
gewissen Umständen – namentlich im Zustande vollkommener Ruhe – ohne
zu sieden, eine bedeutend höhere Temperatur annehmen kann als die dem jeweiligen
Drucke entsprechende sogen. Siedetemperatur. Zu dieser
„Ueberhitzung,“ welche bei den Versuchen selbst auch über
30° C. betrug, ist das Wasser desto mehr geneigt, je mehr es bereits
ausgekocht – resp. luftfrei ist. Bei dem geringsten Anlasse findet dann eine
plötzliche, starke Dampfentwickelung statt, welche bei den genannten Versuchen von
Detonationen begleitet war.
Wenn nun bei einem heißen Dampfkessel der Wasserstand bedeutend gesunken ist (also
das sämmtliche vorhandene Wasser schon ausgekocht ist), wenn bei diesem
Wasserstande das Dampfsperrventil des Kessels geschlossen und die Heizung wegen der
einzuleitenden Arbeitspause abgestellt wird, so tritt der ganze Kessel in einen
Zustand ruhiger Abkühlung, welche vorzugsweise den mehr exponirten Dampfraum trifft,
während der Wasserraum sowohl wegen seiner Berührung mit den noch immer heißen
Feuercanälen, als auch wegen der großen spec. Wärme des Wassers der Abkühlung viel
weniger ausgesetzt ist. Die viel stärkere Abkühlung des Dampfraumes wird ein Sinken
der Spannung (Fallen des Manometerstandes) zuvörderst ohne Dampfentwickelung, also
eine Ueberhitzung des Wassers zur Folge haben; wenn diese eine gewisse Höhe erreicht
hat, wird eine plötzliche starke Dampfentwickelung – ein Steigen des
Manometerstandes erfolgen; dann kann sich, wenn die Ruhe fortdauert, die Phase der
Dampfabkühlung, resp. Wasserüberhitzung, und nachherige plötzliche bedeutende
Dampfentwickelung öfters wiederholen.
Dieser Vorgang ist an zwei Kesseln einer Fabrik in Havre wirklich beobachtet worden.
Eine Explosion wird durch diese Erscheinung allein nicht leicht bewirkt werden, wenn
der Kessel sonst gut ist.
Nehmen wir aber an, daß gerade in dem Momente einer bedeutenden Wasserüberhitzung
auch noch die Kayser'sche Ursache der Explosion
hinzutritt, daß nämlich das Sicherheit- oder Sperrventil plötzlich geöffnet
wird, durch welches letztere der Dampf in die abgekühlte und etwa auch noch
dampf- und luftfrei gewordene Dampfleitung mit äußerster Heftigkeit schießt:
dann ist die plötzliche Entlastung des ohnehin schon überhitzt gewesenen Wassers
ungemein groß; dasselbe ist zur Abgabe einer ungeheuren Dampfmenge disponirt.
– Ist dann der Kessel auch noch schadhaft – entsteht ein Riß, wodurch
die Entlastung abermals gesteigert wird: dann muß ein großer Theil des gesammten im
Kessel befindlichen Wassers plötzlich zu Dampf werden – das Wasser nimmt
geradezu die Eigenschaft eines Sprengpulvers an – und sofort sind durch das
Wasser, als explosiven Körper, ganz enorme
Verwüstungen als Begleiter der Kesselexplosionen gut erklärlich.
In der That ist statistisch nachgewiesen, daß die meisten Kessel-Explosionen
nach einem Ruhezustande des Kessels bei gesunkenem Wasserstande während der
Eröffnung eines Ventiles erfolgten, und in vielen Fällen wurde unmittelbar vor der
Explosion ein rasches Sinken des Manometerstandes beobachtet.
Aus dem Mitgetheilten ist zu ersehen, daß man den Dampfkessel-Explosionen in
neuester Zeit bereits auf die richtige Spur gekommen ist. (Oesterreichische
Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1867, Nr. 16.)