Titel: | Ueber das Glas; von J. Pelouze. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. LXVII., S. 310 |
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LXVII.
Ueber das Glas; von J. Pelouze.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, 4. série, t. X p. 184; Februar
1867.
Pelouze, über das Glas.
Natronglas.
Dieses Glas besteht aus Kieselsäure, Natron und Kalk; indessen enthält dasselbe in Folge seiner
Fabrication in Thonhäfen auch etwas Thonerde und Eisenoxyd. Diese letztere Basis rührt auch von einem Eisengehalte des
Sandes, des Kalksteins und des Flußmittels (kohlensauren und schwefelsauren Natrons)
her. Ueberdieß enthält dieses Glas, wie ich früher nachgewiesen habePolytechn. Journal Bd. CLXXVIII S.
134., stets eine geringe Menge von schwefelsaurem Natron.
Das als Flußmittel für den Sand und den Kalk dienende Natron wird sowohl in Form von Soda, als auch von Glaubersalz angewendet.
Im ersteren Falle wird der Satz gewöhnlich zusammengesetzt aus:
weißem Sande
290
kohlensaurem Natron
100
kohlensaurem Kalk
50
und das mit diesem Satze fabricirte Glas besteht aus:
Kieselsäure
77,04
Natron
15,51
Kalk
7,41.
Im zweiten Falle wird der Satz zusammengesetzt aus:
weißem Sande
270
schwefelsaurem Natron
100
kohlensaurem Kalk
100
Holzkohle
6 bis 8
und dieser Satz gibt ein Glas, welches besteht aus:
Kieselsäure
73,05
Natron
11,79
Kalk
15,16.
Diese sind die beiden Glassorten, welche in der Spiegelglasfabrik von
Saint-Gobain fabricirt werden.
Es war sowohl in technischer Beziehung, als auch vom theoretischen Standpunkte aus
von großem Interesse, auf experimentellem Wege zu bestimmen, wie viel Sand diesen Glassätzen zugesetzt werden kann.
Die außerordentliche Feuerfestigkeit der Häfen jener Fabrik und die ungemein hohe
Temperatur der mir zur Verfügung gestellten Oefen ermöglichten mir die Ausführung
dieser Versuche, deren Resultate, wie sie auch ausfallen mochten, immerhin
interessant seyn mußten.
Die Details dieser Versuche lasse ich hier bei Seite und bemerke nur, daß es mir
gelang, die Menge des Sandes in dem Satze, anstatt des bisherigen Maximums von 270
und 290 Theilen, nach und nach auf 400 Theile zu erhöhen.
Ein solcher aus
Sand
400
kohlensaurem Natron
100
kohlensaurem Kalk
50
zusammengesetzter Satz gab ein aus
Kieselsäure
82,24
Natron
12,01
Kalk
5,75
–––––
100,00
bestehendes Glas. Der Satz aus
Sand
400
schwefelsaurem Natron
100
kohlensaurem Kalk
100
gab ein Glas, welches bestand aus:
Kieselsäure
80,27
Natron
8,73
Kalk
11,00
–––––
100,00.
Nimmt man anstatt 400 Thle. nur 350 Thle. Sand auf 100 Thle. schwefelsaures Natron
und 100 Thle. kohlensauren Kalk, so erhält man ein Glas nachstehender
Zusammensetzung:
Kieselsäure
77,80
Natron
9,70
Kalk
12,50
–––––
100,00.
Ich ließ unter gewöhnlichen Betriebsverhältnissen in einem mit Gas betriebenen Ofen
eine Spiegelplatte von 12 Meter Oberfläche und 11 bis 12 Millimet. Stärke aus
folgendem, der in Vorstehendem angegegebenen Zusammensetzung entsprechendem Satze
anfertigen:
Sand von Chamery
350
Kilogr.
schwefelsaures Natron
100
„
kohlensaurer Kalk
100
„
Arsenik (Arsenigsäure)
1
„
Glasbrocken
0
„
Holzkohle
6,5
„
Dieser Satz wurde in einen im Ofen an einer günstigen Stelle aufgestellten Hafen
eingetragen. Die erste Schmelzung desselben nahm ungefähr anderthalb Stunden mehr
Zeit in Anspruch als die des in den nebenstehenden Häfen enthaltenen Satzes; die
zweite währte beinahe eine Stunde länger. Ein drittes Mal wurde nicht geschmolzen.
Beim Gusse war das Glas nicht schön und enthielt viel Knoten und Körner von nicht völlig verglastem
Sande. Der Hafen blieb im Ofen der Hitze der folgenden Schmelzzeit ausgesetzt. Als
der Inhalt der anderen Häfen zum dritten Male geschmolzen wurde, war das Glas des
Probirhafens lauter geworden; es wurde dann noch eine geringe Menge Satz
hinzugefügt.
Aus diesem Glase wurde eine Spiegelplatte gegossen; das Glas derselben war härter als
das der anderen Häfen und recht durchsichtig, enthielt aber einige Sandknoten. Der
Hafen wurde nach dem Gusse wieder in den Ofen eingesetzt, später aber aufgebrochen
und aus demselben entfernt. Das seinen Wandungen anhaftende Glas war nach dem
Erkalten ganz milchig; ein auf dem Gießtafelwagen gefundenes Stück zeigte ein
schwaches Opalisiren. Die aus diesem Glase gegossene Spiegelscheibe wurde nach
Verlauf von vier Tagen aus dem Kühlofen gezogen; das Kühlen derselben hatte unter
denselben Verhältnissen stattgefunden, wie das der übrigen, mit ihr gleichzeitig
gegossenen Platten.
Die Theile dieser Platte, welche mit den am stärksten erhitzten Stellen des Kühlofens
in Berührung gewesen waren, zeigten Spuren von beginnender Entglasung, die sich durch eine opalartige Färbung kund gaben; die übrigen
Theile hatten ihre ursprüngliche Durchsichtigkeit behalten.
Erhitzt man ein Stück dieses Spiegelglases bis zu der Temperatur, bei welcher das
Glas zu erweichen beginnt, so tritt rasch eine vollständige Entglasung ein.
Das aus kohlensaurem Natron mit 400 Thln. Sand
dargestellte Glas wurde in einem Hohlglas-Kühlofen gekühlt, welcher eine
höhere Temperatur hatte als der Spiegelglas-Kühlofen; beim Ausziehen zeigte
es sich ganz undurchsichtig und vollständig entglast, und hatte das Ansehen von
Biscuitporzellan. Bei der Analyse dieses entglasten Productes fand ich, daß es nur 3
bis 4 Tausendtheile schwefelsaures Natron enthielt, während das Glas von
gewöhnlicher Zusammensetzung im Allgemeinen 2 Procent von diesem Salze enthält. Auf
dieses Resultat mußte man übrigens von vorneherein gefaßt seyn.
Auf meine Bitte untersuchte Hr. Baille das mit 350 Thln. reiner Kieselsäure dargestellte Glas in
Bezug auf sein Brechungsvermögen. Dieses Glas ist sehr schön, obgleich es schwach
opalisirt. Es gibt ein sehr scharfes Spectrum mit sehr deutlich wahrnehmbaren
Strahlen; da indessen bei dieser Untersuchung die Sonne nicht schien, so ließen sich
nur für drei Strahlen die Brechungsexponenten bestimmen: für den rothen Strahl, erzeugt mittelst des durch ein mit
Wasserstoffgas gefülltes Glasrohr schlagenden elektrischen Funkens, welcher mit der
Fraunhofer'schen Linie C
beinahe zusammenfiel; für den gelben Strahl, erzeugt
durch die Flamme von kochsalzhaltigem Alkohol, welcher mit der Linie D correspondirte; für den blauen Strahl, erzeugt mittelst Hindurchschlagens des elektrischen Funkens
durch das Wasserstoffrohr, welcher mit F zusammenfiel.
Hr. Baille erhielt folgende
Zahlen:
für den rothen Strahl
1,515000
für den gelben Strahl
1,517543
für den blauen Strahl
1,523599
mittlerer Brechungsexponent
1,520571
Dispersions-Coefficient
0,001660
Demnach ist dieses Glas ein Crownglas von schwachem
Brechungsvermögen und somit zur Anfertigung von Mikroskop-Linsen sehr
geeignet.
Für das gewöhnliche Glas von Saint-Gobain gelten die nachstehenden Zahlen:
rother Strahl
1,524815
blauer Strahl
1,527430
gelber Strahl
1,533746
mittlerer Brechungsexponent
1,530588
Dispersions-Coefficient
0,001690
Demnach haben beide Glasarten beinahe gleiches Dispersionsvermögen, wogegen das mehr
Kieselsäure enthaltende Glas ein geringeres Brechungsvermögen besitzt.
Bei den mit dem kieselsäurereichen Glase vielfach wiederholten Kühlversuchen erhielt
ich stets Producte, welche sich durch eine große Leichtentglasbarkeit auszeichneten.
Für den Glasfabrikanten ergibt sich daraus die Unmöglichkeit, das Verhältniß des
Sandes zu erhöhen, welches durch lange Erfahrung über die für Natronkalkglas
bestimmten Sätze sanctionirt ist; bei jeder Ueberschreitung dieses Quantums, wenn dieselbe auch nur wenige Procente betrüge,
würde er Gefahr laufen, daß sein Fabricat während des Formgebens und der weiteren
Verarbeitung sandig und knotig oder doch wenigstens opalisirend würde.
Enthielte dagegen sein Satz weniger Sand, so würde er bekanntlich ein Glas erhalten,
welches weniger Neigung zum Entglasen zeigt und leichter schmelzbar ist, dagegen
aber geringere Härte besitzt und leichter Veränderungen (durch Einfluß der
Atmosphärilien, durch Einwirkung von Flüssigkeiten und Gasen etc.) unterworfen
ist.
Aus diesen Beobachtungen läßt sich zweierlei folgern: einerseits daß die Glasmacher
diejenige Menge des Sandes, welche das beste Glas gibt, schon seit langer Zeit mit
großem Geschick festgestellt haben; andererseits daß die verglasbaren Substanzen
ihre Durchsichtigkeit um so leichter einbüßen, je stärker sie mit Kieselsäure
übersetzt sind.
Thonerdeglas.
Thonerde ist in jedem Glase enthalten, da in allen Glashütten die Schmelzgefäße aus
Thon bestehen, der durch die verschiedenen Sätze angegriffen wird.
Ordinäres Glas enthält im Allgemeinen mehr Thonerde als weißes Glas. Berthier fand in Glas von Saint-Etienne 10,5 Proc.
und Dumas in einem anderen aus dem Handel bezogenen
Flaschenglase bis 14 Proc. Thonerde.
Allgemein wird angenommen, daß diese Basis dem Flaschenglase eine Neigung ertheilt,
sich leichter zu entglasen, als ein einfacher zusammengesetztes Glas, z.B. als
Tafel- und Spiegelglas. Indessen werden wir, davon abgesehen, daß beim
Flaschenglase ein höherer Grad dieses Fehlers bisher keineswegs nachgewiesen worden,
sogleich zeigen, daß directe Versuche vielmehr zu einem entgegengesetzten Schlusse
zu berechtigen und die von mir vorhin ausgesprochene Ansicht zu bestätigen scheinen,
daß die Erscheinung der Entglasung unter sonst gleichen Verhältnissen hauptsächlich
von einem großen Kieselsäuregehalte herrührt.
Ich suchte durch Zusammenschmelzen eines Gemenges von Kieselsäure und Thonerde mit
kohlensaurem Natron ein Thonerdeglas von möglichst einfacher Zusammensetzung
darzustellen und nahm dazu 250 Thle. Sand, 100 Thle. kohlensaures Natron und 25
Thle. reine trockene Thonerde. Eine vollständige Läuterung des mit diesem Satze
erhaltenen Glases ist indessen nicht möglich, selbst wenn man den Hafen in einem mit
Gas betriebenen Ofen hundertzwanzig Stunden lang auf die höchste Temperatur
erhitzt.
Das Thonerdeglas ist weiß und schön durchsichtig; sein specifisches Gewicht beträgt
2,380; sonach ist es viel leichter als Spiegelglas. Es hat folgende
Zusammensetzung:
Kieselsäure
75,00
Natron
17,40
Thonerde
7,60
–––––
100,00.
Ferner stellte ich eine Reihe von leichter zu verarbeitenden Glassorten dar, indem
ich ein aus Sand, kohlensaurem Natron und Thonerde bestehendes Gemenge mit
kohlensaurem Kalk versetzte. Zu diesem Zwecke versetzte ich den aus
Sand
250
Thln.
kohlensaurem Natron
100
„
kohlensaurem Kalk
50
„
gemengten Satz
successiv mit
1)
reiner,
trockener
Thonerde
30
„
2)
„
„
„
40
„
3)
„
„
„
50
„
4)
„
„
„
60
„
5)
reiner
trockener
Thonerde
80
Thln.
6)
„
„
„
90
„
7)
„
„
„
100
„
Nr. 1 wurde vierundzwanzig Stunden lang im Ofen gelassen und gab ein leicht
schmelzbares Glas, welches sich indeß sehr langsam läuterte, eine Erscheinung,
welche ohne Zweifel daher rührt, daß es selbst bei hoher Temperatur teigiger oder
zähflüssiger bleibt, als thonerdefreies Glas.
Ich glaubte, daß die Thonerde sich wie das ihr isomorphe Chromoxyd verhalten und sich in isolirten Krystallen ausscheiden werde;
ein Versuch lehrte mich aber, daß ich mich hierin geirrt. Das Glas blieb homogen und
durchsichtig.
Brocken dieses Glases wurden im Kühlofen einer Temperatur ausgesetzt, bei welcher sie
erweichten, um auf diese Weise ihre Entglasung möglichst zu begünstigen. Allein erst
nach achtundvierzig Stunden waren zuverlässige Zeichen der Entglasung bemerkbar;
doch war die Masse im Inneren klar und durchsichtig geblieben.
Die Proben Nr. 2 und Nr. 3 verhalten sich beim Schmelzen und Kühlen wie Nr. 1.
Nr. 4 zeigte sich etwas zähflüssiger und leichter entglasbar.
Nr. 5 zeigte keinen Unterschied von thonerdefreiem Glase; es scheint sich weniger
leicht zu entglasen wie Nr. 4. Nachdem diese Probe zweihundertundvierzig Stunden in
einem Hohlglas-Kühlofen einer Temperatur ausgesetzt gewesen, bei welcher das
Glas erweichte, war es noch nicht entglast, während bei der gleichzeitig mit
eingesetzten Spiegelglasprobe vollständige Entglasung schon längst stattgefunden
hatte.
Nr. 6 enthält Spuren von nicht geschmolzener oder verglaster Thonerde und kann als
das thonerdereichste Glas angesehen werden, welches sich mit den oben genannten
Rohmaterialien unter den angegebenen Verhältnissen darstellen läßt.
Aus diesen Thatsachen ergibt sich, daß die Thonerde, der allgemein verbreiteten
Ansicht entgegen, allem Anschein nach eine Entglasung nicht verursacht und daß in
allen Fällen sehr thonerdehaltiges Natron- oder Kalkglas weit schwieriger zu
entglasen ist als Spiegelglas; denn bei jedem der vorerwähnten Versuche wurden
Proben von dem – sowohl mit Soda, als mit Glaubersalz erzeugten –
Spiegelglas im Hohlglas-Kühlofen gleichzeitig mit den erwähnten
Thonerdesilicaten erhitzt.
Das kalkhaltige Thonerdeglas zeigt eine merklich stärkere Färbung als kalkfreies
Thonerdeglas. Dieß rührt daher, daß das erstere die Hafenmasse stärker angreift als
reines Alkalithonerdeglas. Ein derartiges Resultat ließ sich auch erwarten, da der
Zusatz einer gewissen Menge von Kalk die Aufnahme einer größeren Quantität Thonerde in
das Glas ermöglicht.
Hr. Baille untersuchte auch Nr.
2, 3, 4 und 5 dieser Thonerdegläser auf ihr Brechungsvermögen; leider waren die ihm
zu diesem Zwecke übergebenen Proben – dieselben, die ich, um den Grad ihrer
Entglasbarkeit zu prüfen, längere Zeit der Dunkelrothglühhitze ausgesetzt hatte
– voll von Blasen und Schlieren. Die von dem genannten Physiker mit der
größten Sorgfalt bestimmten Brechungsexponenten der drei in der Nähe der
Spectrallinien C, D und F
untersuchten Farben sind:
Nr. 2.
Nr. 3.
Nr. 4.
Nr. 5.
für das rothe Licht
1,5115
1,5120
1,5143
1,5153
für das gelbe Licht
1,5133
1,5137
1,5159
1,5167
für das blaue Licht
1,5210
1,5211
1,5224
1,5232
mittlerer Brechungsexponent
1,5172
1,5174
1,5192
1,5200
Dispersions-Coefficient
0,00185
0,00177
0,00154
0,00153.
Diese Gläser sind demnach Crownglas von geringem
Brechungsvermögen. Die Proben Nr. 2 und Nr. 3 sind in dieser Beziehung einander fast
ganz gleich; ebenso die beiden Proben Nr. 4 und Nr. 5.
Aus diesen Untersuchungen scheint eine merkwürdige Thatsache hervorzugehen, nämlich
die, daß mit zunehmendem Thonerdegehalt des Glases sein Brechungsexponent größer und
sein Dispersionsvermögen geringer wird. Beim Krystallglase hingegen nimmt das
Brechungsvermögen sowohl, als auch gleichzeitig das Dispersionsvermögen mit dem
Wachsen des Bleigehaltes zu. Doch kann jene Thatsache
durch diese wenigen Versuche nicht als zweifellos erwiesen betrachtet werden, denn
die Unreinheit der untersuchten Glasproben gestattete ganz genaue Messungen
nicht.
Magnesiaglas.
Die Magnesia bildet mit Kieselsäure und Natron ein weißes Glas, welches gewöhnlichem
Glase gleicht.
Ein gut zu fabricirendes Glas erhält man mit folgendem Satze:
Sand
250
Thle.
kohlensaures Natron
100
„
Magnesia
50
„
Das Glas besteht aus:
Kieselsäure
68,9
Natron
16,2
Magnesia
14,9
–––––
100,0
und hat ein specifisches Gewicht von 2,47. Es ist etwas
leichter schmelzbar als das Spiegelglas und bleibt länger teigig oder zähflüssig; es
entglast sich sehr leicht.
Ein anderer Satz zu Magnesiaglas war zusammengesetzt aus:
Sand
250
kohlensaurem Natron
100
kohlensaurem Kalk
60
Magnesia
50
und gab ein Glas, welches bestand aus:
Kieselsäure
65,7
Natron
15,0
Kalk
7,3
Magnesia
12,0
–––––
100,0.
Der Hafen, welcher dieses Glas enthielt, wurde während des Kaltschürens, also in
einer Periode der Schmelzarbeit, wo der Ofen verhältnißmäßig kalt geht, aus dem
letzteren gezogen; die erhaltene Glasmasse war mit einer Lage von sehr scharf
ausgebildeten Krystallen bedeckt.
Beim Kühlen nahm dieses Glas sehr bald das Ansehen von verglühtem Porzellan an. Um
dasselbe ganz klar zu erhalten, muß man es mitten im Läutern, während des
Heißschürens, wenn es recht dünnflüssig ist, aus dem Hafen schöpfen oder gießen und
dann bei möglichst niedriger Temperatur kühlen.
Seine Dichte ist bei + 15° C. = 2,54.
Wie sich aus Vorstehendem ergibt, entglasen sich die Magnesiagläser außerordentlich
leicht, und deßhalb muß die Anwendung von magnesiahaltigen oder dolomitischen Kalksteinen
zur Fabrication solchen Glases, welches behufs seiner weiteren Verarbeitung
wiederholtes Auftreiben und Kühlen erfordert – wie beim Blasen zu Gefäßen,
Flaschen u.s.w. – sorgfältig vermieden werden.
Durch die verschiedenen im Vorstehenden kurz beschriebenen Versuche finden manche
längst bekannte Thatsachen Bestätigung; sie beweisen auch, daß die Kieselsäure sich
in sehr mannichfaltigen Verhältnissen mit den Basen zu verbinden vermag, sowie daß
man dem Glase die verschiedenartigsten Metalloxyde zusetzen kann, ohne daß es beim
Erkalten seine Homogenität verliert. Daraus ergibt sich aber, daß die Formeln,
welche manche Chemiker gewissen im Handel vorkommenden Glassorten geben zu können
glaubten, durchaus keinen Werth haben. Ueberdieß muß ich daran erinnern, daß das bis
1845 zur Berechnung der Formeln für die Silicate angewendete Aequivalent des
Siliciums nicht richtig bestimmt war, daß jene Formeln also einer Revision
bedürfen.
Die rationellste Erklärung für die höchst mannichfaltige Zusammensetzung des Glases
ist jedenfalls die, daß dasselbe ein bloßes Gemenge von
verschiedenen
stöchiometrischen Verbindungen ist. Diese Erklärung steht mit den Gesetzen der
chemischen Proportionen nicht in Widerspruch, und analoge Beispiele sind nicht
selten. Antimonoxyd läßt sich mit Antimonigsäure und selbst mit Schwefelantimon
(Antimonigsulfid) in allen Verhältnissen zusammenschmelzen; ebenso Eisenoxydul mit
Eisenoxyd, Kupferoxydul mit Kupferoxyd, neutrale schwefelsaure Salze der Alkalien
mit ihren sauren Sulfaten u.s.w.
Berthollet vertheidigte in seiner denkwürdigen Discussion
mit Proust die Ansicht, daß zwischen dem Maximum und dem
Minimum der Oxydation oder Schwefelung eines Metalles eine unbegrenzte Anzahl
Zwischenstufen existiren könne. Proust dagegen suchte zu
beweisen, daß diese Ansicht unrichtig sey und daß die Metalle mit Schwefel und
Sauerstoff nur eine sehr kleine Anzahl von Verbindungen in unwandelbaren
Verhältnissen bilden, daß z.B. alle Zwischenstufen zwischen einem Monoxyd MO und
einem Bioxyde MO², welche man erhalten zu haben glaubte, nur Gemenge dieser
beiden Oxyde sind.
Wenden wir diese durch die Fortschritte der Chemie bestätigte Ansicht Proust's auf das Glas an, so würden
die verschiedenen Sorten und Arten desselben, wie schon bemerkt, als Gemenge einer
geringen Anzahl von Silicaten zu betrachten seyn, welche letztere nach ebenso festen
und ebenso einfachen Verhältnissen zusammengesetzt sind, wie die Schwefelmetalle,
die Oxyde, die Chloride, die schwefelsauren Salze u.s.w.
Ueber einige Erscheinungen bezüglich der
Färbung des Glases.
Das Glas, welches in einem Platintiegel mit reinem kohlensaurem Natron, weißem (mit
Salzsäure gereinigtem) Sande von Fontainebleau und weißem Marmor dargestellt wurde,
zeigt eine höchst schwache, bei einer Dicke von einigen Centimetern jedoch stets
wahrnehmbare grünliche Färbung.
Ich weih nicht, ob diese Farbe dem Glase eigenthümlich ist, oder ob sie von
unwägbaren, aber in demselben sicherlich vorhandenen Spuren von Eisenoxydul
herrührt.
Nachdem dieses Glas mehrere Monate der Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt
gewesen war, hatte es keine wahrnehmbare Veränderung erlitten.
Das in Thonhäfen aus Rohmaterialien erster Qualität, aus reinem schwefelsaurem Natron
oder aus 85 procentigem kohlensaurem Natron, fabriksmäßig dargestellte Glas zeigt
entweder eine gelblichgrüne Nüance, oder eine schwach meergrüne Färbung, welche von
Eisenoxydul herrührt, dessen Gegenwart gänzlich zu vermeiden unmöglich ist. Das Tafel- oder
Fensterglas, welches mehr Eisen enthält als Spiegelglas, hat eine deutlicher grüne
Farbe; es ist um so schwächer gefärbt, je weniger Eisen es enthält, je näher es also
dem Spiegelglase steht.
Alle diese Gläser färben sich, wenn sie der Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt
werden, mehr oder weniger intensiv gelb und diese gelbe
Färbung tritt stets um so entschiedener hervor, je ausgesprochener die grünliche
Färbung des Glases vor der Insolation war. Wenn die Sonne recht stark brennt, so
genügt eine Insolation von einigen Stunden, um diese Erscheinung hervorzurufen, und
binnen wenigen Wochen nehmen selbst die dicksten Glasstücke diese gelbe Färbung
durch ihre ganze Masse hindurch an.
Manches Fensterglas erscheint, nachdem es dem Sonnenlichte ausgesetzt gewesen ist,
auf dem Querschnitte der Tafeln, wenn solche bis zu einigen Centimetern Dicke auf
einander liegen, fast ebenso intensiv gelb gefärbt, wie ein Stück Schwefel. Alle dem
Lichte ausgesetzten Fensterscheiben werden gelb, und wenn dieß nicht immer bemerkt
wird, so liegt der Grund davon bloß in ihrer sehr geringen Stärke, welche gewöhnlich
nur 1 1/2 bis 2 Millimeter beträgt.
Fensterglas von sehr dunkler Färbung, welche einen größeren Eisengehalt verräth,
erleidet gleichfalls am Sonnenlichte eine Veränderung; allein seine grüne Färbung
erhält sich, wenn auch modificirt, selbst nach mehrjähriger Einwirkung der
Sonnenstrahlen. Seit dem Anfange unseres Jahrhunderts hat sich die Qualität des
Fensterglases bedeutend verbessert, besonders in den letzteren Jahren, und man kann
dreist behaupten, daß alles jetzt (wenigstens in Frankreich) fabricirte Fensterglas
bei unmittelbarer Einwirkung des Sonnenlichtes gelb wird.Hrn. Peligot verdanke
ich folgende Mittheilung: „In allen Niederlagen von böhmischem
Glase, welche ich in Prag und Wien besuchte, bewahren die Händler das
weiße Glas in dickes Papier eingehüllt und in geschlossenen
Holzschränken auf, um dadurch, wie sie sagen, einem Verfärben desselben
vorzubeugen. Mit der Zeit nimmt alles böhmische Glas in Folge der
Einwirkung des Lichtes eine deutliche gelbe Färbung an.“
Ich glaube überhaupt, daß im Handel nicht eine einzige Glassorte vorkommt,
deren Farbe am Sonnenlichte keine Veränderung erleidet.
Das sogenannte doppelte Fensterglas, welches noch einmal so stark ist als das
gewöhnliche, färbt sich stärker als letzteres; legt man es auf ein weißes
Papierblatt oder einen weißen Zeug, so erkennt man deutlich eine gelbe Färbung.
Unterwirft man gelbgewordenes Glas der Einwirkung dunkler Rothglühhitze, so entfärbt es sich, oder,
richtiger gesagt, es nimmt dann den schwachen Stich in's Grünliche, welchen es vor
der Insolation besaß, wieder an. Wird es dann wiederum den Sonnenstrahlen
ausgesetzt, so nimmt es nochmals die gelbe Färbung an, die sich dann durch Ausglühen
abermals beseitigen läßt.
Bei diesen Vorgängen behält das Glas seine Durchsichtigkeit und bekommt weder
Schlieren (Streifen) und Wolken, noch Blasen.
Eine Temperatur von 300 bis 350° C., – welche zum Kühlen des Glases
nicht hoch genug ist, da die „batavischen Thränen“ sich bei
dieser Hitze nicht verändern, – ist keineswegs hinreichend, um dem an der
Sonne gelb gewordenen Glase seine ursprüngliche Farbe wieder zu verleihen.
Am zerstreuten Lichte, im Zimmer z.B., vergilbt das Glas, wie es den Anschein hat,
nicht oder doch erst nach längeren Jahren. Ich besitze seit fünfzehn bis zwanzig
Jahren Glasproben, deren Farbe sich nicht wahrnehmbar verändert hat.
Die Möglichkeit, diese Färbungs- und Entfärbungserscheinungen immer wieder
hervorrufen zu können, ist sicherlich einer der merkwürdigsten und interessantesten
Punkte in der Geschichte des Glases. Bevor ich eine Erklärung dieser Thatsachen
versuche, will ich daran erinnern:
1) daß reines, d.h. von schwefelsaurem Natron und Eisenoxydul freies Glas sich an der
Sonne nicht färbt;
2) daß das Glas bei gleichem Metallgehalte durch Eisenoxyd
weniger gefärbt wird, als durch Eisenoxydul, und daß die
eintretende gelbe Färbung des Glases bei Gegenwart des Eisens als Oxydul weit
intensiver ist, als wenn die gesammte Eisenmenge in Form von Oxyd vorhanden
wäre;
3) daß eine so zu sagen unwägbare Spur eines Schwefelmetalles hinreicht, das Glas
gelb zu färben.
Ich gehe nun zur Erklärung dieser Erscheinungen über.
Das an der Sonne vergilbende Glas enthält Eisenoxydul und
schwefelsaures Natron. Das Licht ruft eine Reaction
zwischen diesen Substanzen hervor, in Folge deren Eisenoxyd und Schwefelnatrium sich bilden. Die
Wärme erzeugt eine umgekehrte Reaction, durch welche Eisenoxydul und schwefelsaures
Natron reproducirt werden, so daß das Glas seine ursprüngliche Färbung wieder
annimmt.
Diese Theorie findet durch die Analyse Bestätigung, welche in dem an der Sonne gelb
gewordenen Glase die Gegenwart einer äußerst geringen, aber sehr deutlich
erkennbaren Menge eines Schwefelmetalles nachweist, während in demselben Glase vor
seiner Insolation durch die empfindlichsten Reagentien auch nicht die schwächste Spur
einer solchen Verbindung wahrzunehmen ist.
In einer früheren MittheilungPolytechn. Journal Bd. CLXXVIII S.
134; Bd. CLXXIX S.
381. habe ich den Nachweis geliefert, daß das Glas durch Metalloide, namentlich durch Kohlenstoff, Schwefel, Silicium, Bor,
Phosphor, Selen und sogar durch Wasserstoff gelb gefärbt wird, indem diese Körper
das stets vorhandene schwefelsaure Alkali reduciren. Dadurch wird auch erklärlich,
weßhalb diese desoxydirenden Körper auf das reine, d.h.
von Eisen und namentlich von Schwefelsäuresalz freie Glas keine Wirkung äußern.
Man kann fragen, weßhalb die durch Reduction des vorhandenen Schwefelsäuresalzes oder
durch unmittelbaren Zusatz eines Sulfurets zu dem Satze hervorgerufene Färbung des
Glases einer Temperatur widersteht, die derjenigen, welche die Entfärbung des an der
Sonne gelb gewordenen Glases bewirkt, gleich ist oder sie noch übersteigt. Die
Antwort auf diese Frage ist die folgende:
In dem bei hoher Temperatur durch die Reduction des Schwefelsäuresalzes gelb
gewordenen Glase ist das Eisen als Oxydul zugegen,
welches auf das Sulfuret nicht reagiren kann, und aus diesem Grunde bleibt das Glas
gefärbt.
In dem an der Sonne gelb gewordenen Glase ist das Eisen als Oxyd vorhanden und kann
folglich das Sulfuret in Sulfat umändern, wenn man dieses Glas der Einwirkung der
Hitze unterzieht.
Faraday machte im Jahre 1824 auf eine andere, nicht
weniger sonderbare Färbung des Glases aufmerksam; seine Beobachtungen über diese
Erscheinung sind in den Annales de Chimie et de Physique
t. XXV mitgetheilt. Ich führe dieselben mit seinen Worten an:
„Manches von dem in England angewendeten Scheibenglase nimmt, wie
allgemein bekannt ist, allmählich eine rothe Färbung an, welche mit der Zeit
sehr intensiv wird. Diese Erscheinung tritt allerdings langsam ein, ist indessen
nach Verlauf von zwei bis drei Jahren unverkennbar und deutlich wahrzunehmen.
Die vor wenigen Jahren in den neuen Häusern in der Bridge-Street,
Blackfriars, eingesetzten Fensterscheiben waren der größeren Mehrzahl nach
ursprünglich farblos; jetzt sind dieselben violett- oder purpurroth. Um
mich zu überzeugen, ob etwa die Wirkung der Sonnenstrahlen bei diesen
Veränderungen im Spiele sey, stellte ich folgenden Versuch an: Ich wählte drei
Fensterscheiben, welche allem Anscheine nach diese Farbenveränderungen zeigen
mußten; die eine derselben war schwach violett, die beiden anderen waren purpurroth gefärbt,
jedoch so schwach, daß diese Färbung nur auf dem Schnitte zu bemerken
war.“
„Jede dieser Scheiben wurde in zwei Theile geschnitten; drei von diesen
sechs Stücken wurden in Papier eingewickelt und an eine dunkle Stelle gelegt,
die drei übrigen hingegen der Einwirkung der Luft und der Sonne ausgesetzt. Der
Versuch wurde im Januar 1822 begonnen und erst im September desselben Jahres
unterwarf ich das in Rede stehende Glas einer näheren Untersuchung.“
„Die vor der Einwirkung der Sonnenstrahlen geschützt gewesenen Stücke
waren unverändert geblieben; die Farben der anderen exponirt gewesenen Stücke
dagegen waren so nachgedunkelt, daß Jemand, der die Details der Versuche nicht
kannte, schwerlich geglaubt hätte, daß dieses Glas von derselben Sorte wäre, wie
die im Dunkeln aufbewahrten Proben. Demzufolge scheinen die Sonnenstrahlen eine
chemische Wirkung auszuüben, selbst auf eine so compacte und stabile Verbindung
wie das Glas.“
Die von Faraday beobachtete Färbung ist den
Glasfabrikanten und Glasern in Frankreich (auch in anderen Ländern) wohl bekannt;
sie tritt bei solchem Glase auf, welches neben Eisenoxyd auch Manganoxydul enthält.
Gibt ein Satz ein Glas von zu dunkler Nüance, welches also für den Verkauf nicht
geeignet ist, so setzt man demselben so viel Braunstein (aus diesem Grunde früher,
hin und wieder auch noch jetzt, Glasmacherseife genannt)
zu, daß alles Eisen in Oxyd und alles Mangan in Oxydul verwandelt wird. Dadurch wird
das Glas entfärbt, indem das Manganoxydul gar keine und das Eisenoxyd eine weit
schwächere färbende Wirkung auf dasselbe ausübt, als das Eisenoxydul.
Ich besitze mehrere Proben von Glas, welche an der Sonne violett geworden sind;
dieselben haben sämmtlich die Eigenschaft, durch Erhitzen entfärbt zu werden, wozu
indessen eine Temperatur von 350° C. nicht genügt; sondern es ist zu diesem
Zwecke die zum Kühlen des Glases gewöhnlich angewendete, dem Dunkelrothglühen nahe
kommende Temperatur erforderlich.
Wenn dieses Glas durch Ausglühen entfärbt worden ist, so nimmt es, sobald es der
Einwirkung der Sonne ausgesetzt wird, die violette Färbung wieder an und verliert
sie bei wiederholtem Ausglühen nochmals; diese auffallenden Erscheinungen lassen
sich immer wieder von Neuem hervorrufen.
Diese Färbung scheint dadurch bedingt zu werden, daß das Eisenoxyd einen Theil seines
Sauerstoffs an das Manganoxydul abgibt, welches dadurch zu MnO² oder zu MnO³ würde,
entsprechend den Gleichungen:
Fe²O³ + MnO = 2FeO + MnO², oder aber
Fe²O³ + 2MnO = 2FeO + Mn²O³.
Das Kühlen oder Ausglühen, d.h. die Wirkung einer bis zum Rothglühen des Glases
gesteigerten Temperatur, würde eine entgegengesetzte Reaction hervorrufen, durch
welche die Entfärbung bedingt wird; für diesen Vorgang erhielten wir dann die
Gleichung:
2FeO + Mn²O³ = Fe²O³ + 2MnO.
Indessen läßt diese Theorie die nachstehende Thatsache doch unerklärt:
Das bei unmittelbarer Einwirkung des Sonnenlichtes sich violett färbende und durch
Kühlen oder Ausglühen wieder farblos werdende manganhaltige Glas nimmt, wenn es mit
der Pfeife aus dem Hafen genommen und dann plötzlich zum Erkalten gebracht, oder
wenn es – was auf dasselbe hinausläuft – nicht
gekühlt wird, eine amethystrothe Farbe an.
Existirt etwa zwischen dem Schmelzpunkte des Glases und der Temperatur, welcher es im
Kühlofen ausgesetzt ist, eine Zwischentemperatur, welche in derselben Weise auf das
Glas einwirkt wie die Sonnenstrahlen?
Jedenfalls ist es feststehende Thatsache, daß manganhaltiges Glas beim Abschrecken
(raschen Erkalten und Erstarren) eine ähnliche rothe Farbe annimmt, wie in Folge der
unmittelbaren Einwirkung der Sonnenstrahlen.