Titel: | Ueber Bessemer-Wolframstahl; von Le Guen in Brest. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XCII., S. 430 |
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XCII.
Ueber Bessemer-Wolframstahl; von Le Guen in Brest.
Aus den Comptes rendus, t. LXIV p. 619; März
1867.
Le Guen, über Bessemer-Wolframstahl.
Bei den bekannten vortrefflichen Eigenschaften des Wolframstahles war die Möglichkeit einer Erzeugung größerer Massen dieses
Productes sehr wünschenswerth. Eine solche Massenerzeugung ist mir gelungen und zwar
durch Anwendung des Bessemerprocesses; die betreffenden
Versuche habe ich in der Stahlhütte zu Imphy abgeführt. Die Einzelheiten des
Verfahrens wurden von Hrn. Hubert überwacht, welcher die Bessemerstahlfabrication auf diesem
Werke mit dem günstigsten Erfolge leitet. Bei dem Processe selbst wendeten wir die
übliche Methode an und arbeiteten mit den gewöhnlich in Angriff genommenen
Metallmengen. Es wurden 3200 Kilogr. eines grauen Roheisens, welches, wie wir
wußten, auf Zusatz von 400 Kilogr. eines aus Preußen bezogenen blätterigen weißen Roheisens
(Spiegeleisens) guten Stahl gibt, nach dem
Einschmelzen im Flammofen in dem Umwandlungsgefäße (der Birne) entkohlt. Dann
wurden, anstatt des Spiegeleisens, 400 Kilogr. eines wolframhaltigen Roheisens der
Charge von grauem Roheisen zugesetzt. Wir erhielten auf diese Weise einen sich gut
härtenden und gut schmied- und walzbaren Stahl, welcher, zu
Eisenbahnschienen, zu Federstahlplatten und zu Blech verarbeitet, die erforderlichen
Proben sehr gut aushielt.
Das angewendete Wolframroheisen war zum großen Theil solches, welches nach dem von
mir früher angegebenen VerfahrenPolytechn. Journal Bd. CLXXXIII S.
220. im Kupolofen dargestellt worden war und 8,84 Proc. Wolfram enthielt; in
einem anderen, auf abweichende Weise dargestellten Antheil des verwendeten
Wolframrobeisens war jedoch der Gehalt geringer, so daß er im Durchschnitt 6,42
Proc. betrug, und auf die gesammte, in die Birne eingetragene Metallmasse
gleichmäßig vertheilt, der Wolframgehalt 0,70 Proc. entsprach. In Folge des
Oxydationsprocesses im Flammofen und der Birne fanden jedoch Verluste an
Wolframmetall statt, welche nach der in der Ecole des
Mines ausgeführten Analyse ungefähr auf die Hälfte des Totalgehaltes sich
beliefen. Dieser Abgang ist übrigens nichts Außerordentliches, denn bei allen zur
Darstellung von Wolframstahl bisher angewendeten Verfahrungsweisen ist es nicht
gelungen, mehr als einen kleinen Bruchtheil des zugesetzten Wolframmetalles wirklich
mit dem Eisen zu legiren.
Der erzeugte Stahl enthielt demnach nur einige Tausendtheile metallisches Wolfram,
und wahrscheinlich wird es Vielen nur schwierig einleuchten wollen, daß eine so
geringe Menge dieses Körpers irgend einen wahrnehmbaren Einfluß äußern könne.
Gleichwohl muß im gegebenen Falle die Erzeugung eines Stahles von guter Qualität der
Behandlung mit dem Wolfram zugeschrieben werden, denn zu dieser Umwandlung in Stahl
ist ein reines, insbesondere phosphorfreies Roheisen erforderlich. Nun entsprach
aber die zur Basis der Legirung angewendete Eisensorte – es war schottisches,
graues, durchaus nicht stahlartiges Gartsherrie-Roheisen – diesen
Bedingungen keineswegs, folglich mußte die Qualität dieses Roheisens durch die
Einwirkung des Wolframs eine tief eingreifende Veränderung erlitten haben.
Es ist demnach nicht zu bezweifeln, daß sich durch die Wahl von Roheisensorten,
welche zur Darstellung des in Rede stehenden Stahles besser geeignet sind, noch
vorzüglichere Resultate erzielen lassen. Was den Abgang an Wolframmetall anbetrifft,
so glaube ich, daß sich dieser durch einige Abänderungen in den Einzelheiten der
Operation vermindern lassen wird. Hervorzuheben ist, daß sich bei Anwendung meines
(früher mitgetheilten) Verfahrens mit Agglomeraten von Wolframerz leicht eine an
diesem Metalle reichere Legirung darstellen lassen wird. Mit gleichzeitiger
Benutzung dieser verschiedenen Mittel würde ein Bessemerstahl von besserer Qualität
erzeugt werden, als mittelst der gewöhnlichen Fabricationsmethoden, ebenso wie man
auch bei der Tiegelschmelzerei durch Zusatz von Wolfram einen vorzüglicheren
Gußstahl erhält.
Da das blätterige weiße Roheisen (Spiegeleisen) von allen Roheisensorten die
kohlenstoffreichste ist, so muß natürlich die Menge des demselben zu substituirenden
Wolframroheisens dem Kohlenstoffgehalt des letzteren entsprechend geregelt werden.
So wird z.B. in der Stahlhütte zu Imphy zur Erzeugung von weichem Stahl (indem die übrigen Bedingungen dieselben bleiben) die Menge
des zuzusetzenden Spiegeleisens auf 250 Kilogr. reducirt. Wir versuchten diese
Spiegeleisenmenge durch eine gleiche Gewichtsmenge Wolframroheisen zu ersetzen;
allein dießmal erhielten wir einen zu weichen Stahl nebst fadigem, ganz
unbrauchbarem Stabeisen, indem die durch das Wolframeisen zugeführte
Kohlenstoffmenge zur Wiederkohlung der ganzen in der Birne enthaltenen Eisenmenge
unzureichend gewesen war. Nach dem Umschmelzen im Tiegel mit Roheisen welches ihm
Kohlenstoff abgab, verwandelte sich dieser eisenartige Stahl in einen Stahl von
ausgezeichneter Qualität. Es müssen daher jedesmal, sobald man eine neue
Roheisensorte auf Stahl verarbeiten will, vorläufige Versuche abgeführt werden, um
die Menge des neuen Roheisens festzustellen, welche zu einer hinreichenden
Wiederkohlung des gefrischten Metalles im Apparate und zur Erzeugung eines Stahles
von bestimmten Eigenschaften erforderlich ist.
Es ergibt sich aus den im Vorstehenden erörterten Versuchen:
1) daß zur Verbindung von Wolframmetall mit Stahl der Bessemer-Apparat sehr
wohl angewendet werden kann;
2) daß der durch die Analyse nachgewiesene, bei diesem Verfahren stattfindende
Verlust an Wolframmetall dem bei den anderen, früher probirten Methoden beobachteten
vergleichbar ist;
3) daß gewöhnliches graues, durchaus nicht stahlartiges, vielmehr unreines
Kohksroheisen durch seine Behandlung mit Wolfram befähigt worden ist, das in der
Birne entkohlte Metall in Stahl von guter Qualität zu verwandeln;
4) daß es mittelst dieser Methode möglich seyn wird, Bessemer-Wolframstahl in
Güssen von großen Dimensionen darzustellen.