Titel: | Ueber Tessié du Motay und Maréchal's neues Bleichverfahren für Gespinnste und Gewebe aus Baumwolle, Flachs, Hanf, Wolle und Seide; von F. Moigno. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. CXIX., S. 524 |
Download: | XML |
CXIX.
Ueber Tessié du
Motay und Maréchal's neues Bleichverfahren für Gespinnste und Gewebe aus
Baumwolle, Flachs, Hanf, Wolle und Seide; von F. Moigno.
Aus Les Mondes, t. XIV p. 95; Mai
1867.
Ueber Tessié du Motay's Bleichverfahren für Gespinnste und
Gewebe aus Baumwolle, Flachs, Hanf etc.
Die Fasern (Garne und Gewebe) pflanzlichen Ursprungs enthalten zweierlei Farbstoffe:
die einen sind nach der Oxydation in den alkalischen Laugen löslich; die anderen,
welche der Cellulose anhaften, müssen durch den Sauerstoff der Luft und das Licht,
oder durch chemische Verbindungen, welche Sauerstoff im Entstehungsmoment zu
entwickeln vermögen, gebleicht werden. Die bisher zum Bleichen der Gespinnste und
Gewebe angewandten Methoden beruhen sämmtlich auf der abwechselnden Anwendung von
zweierlei Agentien: a) oxydirenden Agentien; b) auflösenden Agentien. Diese Methoden haben, so
vollkommen sie seyn mögen, zwei Fehler: 1) das oxydirende Agens wirkt entweder sehr
langsam, wenn es nämlich der Atmosphäre entlehnt wird, oder sehr rasch, so daß eine
Zerstörung der Fasern zu befürchten ist, wenn man Chlor oder unterchlorigsaure Salze
benutzt; 2) das auflösende Agens, gewöhnlich ein Alkali, löst die Quantität
Farbstoff, welche durch die oxydirenden Agentien modificirt wurde, zu langsam
auf.
Die neue Bleichmethode beruht: a) auf der Anwendung von
Substanzen, welche activen Sauerstoff in größerer Menge als die atmosphärische Luft
liefern können, ohne jedoch auf die Garne und Gewebe eine zerstörende Wirkung zu
äußern; b) auf der Anwendung von Lösungsmitteln welche
die Eigenschaft haben, den Farbstoff der Fasern sowohl zu oxydiren als auch
aufzulösen.
Die oxydirenden Agentien, welche sich als die wirksamsten und geeignetsten erwiesen
haben, um die combinirte Wirkung der Luft und des Lichtes, des Chlors und der
unterchlorigsauren Salze zu ersetzen, sind: 1) die Uebermangansäure, durch
Zersetzung der übermangansauren Alkalien mittelst KieselflußsäureDas Verfahren von Tessié du Motay u. Karcher zur Darstellung der Kieselflußsäure im
Großen wurde im polytechn. Journal Bd.
CLXXVII S. 171 mitgetheilt. erzeugt; 2) die übermangansauren Alkalien, versetzt mit salzsauren,
schwefelsauren oder kieselflußsauren alkalischen Erden. Um den Vorgang im letzteren
Falle zu erklären, wählen wir ein Bad von übermangansaurem Natron, welches mit
schwefelsaurer Magnesia versetzt wurde: wenn man in dasselbe Fasern (Garne oder
Gewebe) taucht, so werden dieselben die Uebermangansäure des Alkalisalzes zersetzen,
indem sie sich eines Theiles des Sauerstoffes derselben bemächtigen, welcher, im
Entstehungsmoment entbunden, sie bleichen wird, wobei sie sich mit einem Gemenge von
Manganoxyd und Mangansuperoxyd überziehen; das hierbei frei gewordene Natron wird
sogleich auf die schwefelsaure Magnesia einwirken, sich also in schwefelsaures
Natron umwandeln und eine äquivalente Menge Magnesia niederschlagen.
Tessié du Motay und Maréchal haben daher als Lösungs- oder Oxydationsmittel der
Farbstoffe ein Gemisch von alkalischen Laugen und einer geringen Menge mangansaurem
Kali oder Natron angenommen; oder einfacher noch, die auf die Fasern gefällten
Manganoxyde, welche sich in heißen Flüssigkeiten, die eine kleine Menge Aetzkali
oder Aetznatron enthalten, auflösen, indem sie auf die niedrigste Oxydationsstufe
übergehen.
Wir wollen nun ihr Verfahren speciell beschreiben.
I. Bleichen der Garne und Gewebe aus
Baumwolle, Flachs und Hanf.
Man reinigt sie zuerst in heißem Wasser, dann entfettet man sie in einer alkalischen
Lauge. Hernach taucht man sie in ein Bad, welches entweder bloß eine Lösung von
Uebermangansäure enthält, oder eine Lösung von übermangansaurem Natron, die mit
schwefelsaurer Magnesia versetzt ist. Nach diesem Eintauchen, welches beiläufig
fünfzehn Minuten dauern muß, nimmt man die zu bleichenden Stoffe heraus und bringt
sie entweder in alkalische Laugen, oder in Bäder, worin entweder schweflige Säure,
oder Salpetrigsäure enthaltende Schwefelsäure, oder Wasserstoffsuperoxyd aufgelöst
ist. Im ersteren Falle werden die Garne oder Gewebe mehrere Stunden lang auf
100° C. in den caustischen Laugen erhitzt, bis die Manganoxyde, womit sie
überzogen sind, sich zum Theil oder vollständig aufgelöst haben. Im zweiten Falle werden
die zu bleichenden Stoffe in den Bädern – worin entweder schweflige
SäureWenn das neue Bleichverfahren für Baumwolle und Leinen in allgemeineren
Gebrauch kommen sollte, wird man zum Abziehen der Manganoxyde von den Garnen
und Geweben der schwefligen Säure den Vorzug geben.A. d. Red. oder Salpetrigsäure enthaltende Schwefelsäure, oder
WasserstoffsuperoxydDas zum Abziehen der Manganoxyde von den Stoffen erforderliche Wasserstoffsuperoxyd stellen Tessié du Motay und Maréchal mittelst Baryumsuperoxyd dar, welches sie zu
niedrigem Preise nach folgender Methode fabriciren:Sie erhitzen in einem Flammofen ein Gemenge von kohlensaurem Baryt und
überschüssiger Holzkohle. Bei der Temperatur der schweißenden Weißglühhitze
entsteht wasserfreier Baryt, welcher innig mit Kohle gemengt ist, von der er
durch kein mechanisches Mittel getrennt werden kann. Um den Baryt von der
Kohle zu trennen und ihn vollständig zu isoliren, leiten sie über das
Gemenge einen Sauerstoffstrom; dieser verbrennt die Kohle und erhöht dabei
die Temperatur in solchem Grade, daß die erzeugte Kohlensäure sich nicht
mehr mit dem Baryt verbindet. – Atmosphärische Luft anstatt
Sauerstoff angewandt, erzeugt nicht die hinreichende Temperatur, um die
Verwandtschaft des Baryts zur Kohlensäure aufzuheben. (Les Mondes, t. XIV p. 141.) aufgelöst ist – so lange gelassen, bis der sie überziehende Lack von
Manganoxyd gänzlich aufgelöst ist.
Alsdann werden die Garne oder Gewebe gewaschen, wornach man sie wieder eintaucht: 1)
in eine Lösung von Uebermangansäure oder von übermangansaurem Alkali; 2) in
caustische alkalische Laugen, oder in die vorher angegebenen Lösungsmittel der
Manganoxyde. Die Behandlung der Stoffe mit diesen zweierlei Bädern wird so oft
wiederholt, bis sie vollständig gebleicht sind.
Ein Bleichbad, welches je nach der Natur der zu entfärbenden Fasern, 2 bis 6
Kilogramme übermangansaures Natron enthält, reicht hin, um 100 Kilogr. Garne oder
Gewebe von Baumwolle, Flachs oder Hanf vollständig zu bleichen.
II. Bleichen der Wolle und
Seide.
Das Verfahren ist dasselbe, mit dem Unterschiede, daß die alkalische Lauge eine
schwache Seifenlösung ist, und daß man zum Abziehen der Manganoxyde bloß schweflige
Säure anwendet.
Kosten des Bleichens der leinenen Garne und
Gewebe.
Bei Anwendung des beschriebenen Verfahrens in der Bleichanstalt des Hrn. Verlay zu Comines
(Nord-Departement) haben sich folgende Resultate herausgestellt:
1) die Garne von Hanf und Flachs lassen sich ohne Benachtheiligung in einem Tage
vollständig bleichen;
2) die Gewebe von Hanf und Flachs werden, ebenfalls ohne Benachtheiligung, in drei
Tagen gebleicht;
3) die Kosten des vollständigen Bleichens betragen im Durchschnitt für Garne 35
Centimes das Kilogramm, und für Gewebe 6 Francs die 100 Meter. Mittelst der
gegenwärtig angewandten schnellsten und billigsten Bleichmethoden sind, je nach der
Witterung und Jahreszeit, zum vollkommenen Weißbleichen der Leinengarne mindestens
15 und höchstens 30 Tage, für die Leinengewebe mindestens 30 und höchstens 60 Tage
erforderlich; dabei betragen die Kosten des vollständigen Bleichens für die Garne 45
Centimes das Kilogramm, und für die Gewebe 9 Francs die 100 Meter.
Um das erwähnte praktische Resultat zu erreichen, mußten ökonomische Verfahrungsarten
ermittelt werden: 1) um das mangansaure Natron darzustellen; 2) um dieses
mangansaure Salz in übermangansaures umzuwandeln. Tessié du Motay und Maréchal
können das nach ihrer Methode fabricirte mangansaure Natron den Bleichern für 1
Franc das Kilogramm liefern. Die Umwandlung desselben in übermangansaures Salz ist
leicht und mit geringen Kosten mittelst schwefelsaurer Magnesia, Chlormagnesium oder
Chlorcalcium zu bewerkstelligen, nach der Gleichung:
3 (KO, MnO³) + 2 (MgO, SO³) = KO,
Mn²O⁷ + MnO² + 2 (KO, SO³) + 2 (MgO, HO).