Titel: | Die Schußverhältnisse, welche zur Zerstörung der Panzerschiffe neuerer Constructionen durch Artillerie erforderlich sind. |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. XXXVII., S. 115 |
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XXXVII.
Die Schußverhältnisse, welche zur Zerstörung der
Panzerschiffe neuerer Constructionen durch Artillerie erforderlich sind.
Bearbeitet nach den Daten in einem Berichte des
kgl. englischen Hauptmanns W. H.
Noble über Schießversuche, welche unter Leitung der Ordnance-Select-Committee gegen Panzerplatten ausgeführt
wurden.
Ueber die zur Zerstörung der Panzerschiffe durch Artillerie
erforderlichen Schußverhältnisse.
Von dem Special Committee on Iron wurden bereits im Jahre
1862 Schießversuche zur Beantwortung der Frage angestellt, ob
die Durchschlagskraft von gegen Eisenplatten Verwendung findenden Projectilen
etwa deren lebendiger Kraft (vis viva) proportional
sey, welche letztere bekanntlich im vorliegenden Falle jedesmal dadurch zum
mathematischen Ausdrucke gebracht werden kann, daß man die Gewichtszahl
W des Geschosses mit der Maaßzahl v²/2g des Weges, den es zur Erlangung
seiner Anfangsgeschwindigkeit v im freien Falle
zurückzulegen haben würde, d.h. also mit seiner Geschwindigkeitshöhe multiplicirt und dieses Product dann durch die zweifache Beschleunigung der Schwere
pro Zeitsecunde, g = 32,1908
Fuß englisch, dividirt, so daß die lebendige Kraft, der
Total-Effect, oder die Wirkungsgröße (vis viva, work,
energy, quantité d'action) des gegen den Panzer anschlagenden
Geschosses sich dann als
Wv²/2g
darstellt. – Es mußten diese mit einem glatten 68
Pfünder und einem gezogenen 7 zölligen Hinterladungsgeschütze, deren Geschosse aus
gewöhnlichem Gußeisen bestanden, unternommenen Versuche, an welchen sich auch das
Ordnance Select Committee durch Bestimmung der den
verschiedenen Geschützladungen entsprechenden Geschoß-Anfangs- und
beziehungsweise Anschlagsgeschwindigkeiten vermittelst des Navez'schen elektroballistischen Apparates betheiligte, jedoch, als
vollständig unbefriedigt lassend, gar bald wieder aufgegeben worden, da die zu
denselben verwendeten Gußeisen-Geschosse schon beim Anschlage an die
Panzerwand zersplitterten und so zu deren Durchbohrung sich ganz untauglich
zeigten.
Im Jahre 1864 nahm dann das Ordnance Select Committee
selbst diese Versuche, aber nunmehr mit Stahl- und
beziehungsweise Schalenguß-Geschossen, wieder auf,
welche letzteren bekanntlich, nach Major Palliser's Methode
aus durch den Guß in eisernen Formen äußerlich sehr rasch abgekühltem Eisen (chilled iron) bestehen, dessen auf diese Weise glashart
werdende Oberflächenkruste sich dabei dann in der Art krystallinisch gestaltet, daß
die großen Achsen ihrer Krystalle sämmtlich senkrecht zur Geschoßoberfläche, also in
der kürzesten Richtung stehen, nach welcher die Ausströmung ihrer Wärme stattfinden
konnte. – Als durch diese Versuche zu lösende Probleme wurden
aufgestellt:
1) Bestimmung der relativen Durchschlagsfähigkeiten solcher
Geschosse, welche bei gleichen Kaliber-Durchmessern und derselben Kopf-Form gleichgroße Producte ihrer
Gewichts-Zahlen mit denen der Quadrate ihrer
Anschlagsgeschwindigkeiten liefern, gleichviel ob sie dieses Maaß ihrer
Geschoßthätigkeit der, einem leichter construirten
Geschosse gegebenen größeren Anfangsgeschwindigkeit oder ihrer größeren Schwere bei geringerer
Geschoß-Anfangsgeschwindigkeit verdanken.
2) Feststellung der relativen
Eisenplatten-Widerstände gegen solche
Geschosse verschiedener Kaliber, welche bei ähnlicher
Form mit ihren Kaliberdurchmessern proportionalen
Wirkungsgrößen an die Platten anschlagen.
Nach ersterer Richtung hin wurde in der Weise
experimentirt, daß man z.B. fragte: Wird dieselbe
Eisenplatte durchbohrt werden, wenn an derselben, auf 200
Yards Distanz, einmal das 168 1/4 Pfd. schwere sphärische
Stahlgeschoß des 12 Tonnen (à 20 Ctr. = 2240
Pfd.) schweren 10,5 zölligen schmiedeeisernen (glatten) Geschützes mit, bei 50 Pfd.
Ladung 1576 Fuß betragender Anschlagsgeschwindigkeit oder 2898 Fuß-Tonnen Totaleffect (der also 2898 Tonnen = 2898 . 2240 =
6491520 Pfund einen Fuß hoch heben würde) und ein zweites Mal, anstatt dessen ein 300,16 Pfd. schweres,
vorn halbkugelförmig gestaltetes Stahl-Langgeschoß desselben Kalibers mit, bei 40
Pfd. Ladung ihm zu gebender 1180 Fuß großen Anschlagsgeschwindigkeit, also einem Totaleffect von ebenfalls 2898 Fußtonnen zur Wirkung
kommen?
Die zweite Versuchsrichtung aber cultivirte man in der
Weise, daß z.B. festgestellt wurde, ob dieselbe
Eisenplatte durchschlagen wurde, wenn man einmal das bei
8,87 Zoll Durchmesser 104,13 Pfd. schwere sphärische
Stahlgeschoß des glatten 100 Pfünders von 6 1/4 Tonnen (=125 engl. Ctr.) Gewicht,
welcher ihm mit 15,4 Pfd. Ladung auf 100 Yards Abstand 1254 Fuß Geschwindigkeit oder
1135 Fußtonnen Wirkungsgröße verlieh, und zweitens auch das 100,3 Pfd. schwere, vorn halbrunde, 6,92 Zoll kalibrige
Stahl-Langgeschoß des gezogenen 7 zölligen Vorderladungsgeschützes von 130 engl. Ctr., welches ihm
mit 13,5 Pfd. Ladung auf 100 Yards Abstand 1129 Fuß Geschwindigkeit oder 886
Fußtonnen Wirkungsgröße zu geben vermochte, beide Geschosse
also mit Totaleffecten an die Panzerplatte anschlagen ließ, welche, weil
sich
1135 : 886 = 8,87 : 6,92
verhält, den Kaliberradien dieser mit
gleicher Kopfform ausgestatteten Geschosse proportional waren?
Eine erschöpfende Behandlung der wissenschaftlich
allerdings sehr interessanten Frage nach den Gesetzen, wodurch sich die Eindringungstiefen von unter verschiedenen
Schießverhältnissen gegen Eisenplatten zur Verwendung kommenden Geschossen
bestimmen lassen, wurde hierbei aber durchaus nicht
beabsichtigt; es sollten diese Versuche vielmehr nur ganz einfach zur praktischen Feststellung solcher Fälle dienen, unter
denen sich mit Sicherheit auf das vollständige
Durchbohrtwerden eiserner Panzerplatten von gegebener Art und Stärke rechnen
läßt, in welcher letzteren Beziehung, neben anderen analogen
Versuchsergebnissen, dann z.B. gefunden wurde, daß
1) eine freistehende 5,5 zöllige Schmiedeeisenplatte vermittelst 6,22 Zoll kalibriger
Geschosse eines 6,3zölligen gezogenen Vorderladungsgeschützes von 7 Tonnen Gewicht
und 124 Zoll Bohrungslänge des Rohres – welches denselben, als 35,9 Pfund
schwere sphärische Stahlgeschosse, mit 15,848 Pfd. Ladung auf 100 Yards Entfernung
eine Anschlagsgeschwindigkeit von 1920 Fuß und, als vorn halbkugelförmig gestaltete
106,6 Pfd. schwere Langgeschosse, auf dieselbe Distanz mit 11,219 Pfd. Ladung 1110
Fuß Anschlagsgeschwindigkeit, in beiden Fällen also Anschlags-Totaleffecte
von 917 und beziehungsweise 911 Fußtonnen gab, – mit mehr als genügender
Kraft durchbohrt wurde, indem den Geschossen nach dieser gethanen Arbeit noch Kraft
genug zum 3 Fuß tiefen Eindringen in hinter der Platte stehendes Erdreich übrig
blieb. – Daß ferner
2) dieselbe 5,5 zöllige Schmiedeeisenplatte von einem eben solchen 6,22 Zoll
kalibrigen 35,6 Pfd. schweren Rundgeschosse von Stahl mit fast völliger Verwendung
von dessen Anschlagskraft eben nur noch durchdrungen wurde, als man dieses Geschoß
mit nur 1829 Fuß Anschlagsgeschwindigkeit, die ihm lediglich 824,9 Fußtonnen
lebendiger Kraft gab, gegen die Platte wirken ließ, nach deren Durchbohrung es dann
kaum noch 1 1/2 Fuß in lose Erde einzudringen vermochte.
– Weiter zeigte sich, daß
3) eine, angenähert im geraden Verhältnisse der Geschoß-Kaliberdurchmesser
stehende Vergrößerung des Geschoß-Anschlageffectes eintreten mußte, als man
ebenerwähntes mit sphärischen 6,22 kalibrigen Stahlgeschossen erlangtes
Plattendurchbohrungs-Resultat auch mit dem 110 Pfd. schweren, vorn halbrunden
und 6,88 Zoll kalibrigen Stahl-Langgeschosse eines 7zölligen gezogenen
Hinterladungsgeschützes erreichen wollte, welches diesem Geschosse mit 12 Pfund
Pulverladung 1090 Fuß Anschlagsgeschwindigkeit oder 906,2 Fußtonnen Anschlagseffect
verlieh, womit es nach Durchbohrung der 5,5zölligen Platte dann freilich noch 2 Fuß
tief in Erde eindrang, während ihm nach der Proportion
6,22 : 6,88 = 824,9 : x
zur Uebereinstimmung mit Pos. 2 allerdings
x = 910,8 Fußtonnen
schon zum nachträglichen, 1 1/2 Fuß tiefen Eindringen in lose
Erde hätten gegeben werden müssen. Endlich ließ sich auch noch feststellen, daß
5) dieser zur Durchbohrung 5,5zölliger schmiedeeiserner Platten hiernach vollständig
genügende Anschlagseffect von 825 Fußtonnen 6,22 Zoll kalibriger und vorn halbrund
gestalteter Stahlgeschosse, zur Durchbohrung 4,5zölliger Panzerplatten gleicher Güte
vermittelst derselben Geschosse ohne jedes Bedenken im quadratischen Verhältnisse
der Plattenstärken-Maaßzahlen herabgesetzt werden kann, indem dieser
Anschlagseffect nach der Proportion:
5,5² : 4,52
=
825 : x
zu diesem Zwecke auf x
=
552 Fußtonnen
heruntergehen müßte, und eine ganze Reihe von mit derartigen
Geschossen angestellten Schießversuchen, welche diesen Anschlags-Effect in
angenäherter Weise
bei 35,56 Pfd.
Schwere durch
8 Pfd.
Ladung mit
1496,5
Fuß Anschlagsgeschwindigkeit
„
63,87 „
„ „
6 Pfd.
10 Unzen „
1116,6
„
„
„
71,00 „
„ „
6 „
10 „ „
1059,0
„
„
„
106,62 „
„ „
6 „
1
1/2 „ „
864,2
„
„
erreichen ließen, darthat, daß für Geschosse solchen
Durchmessers und solcher Anschlagsflächen-Form sogar 542
Fußtonnen-Anschlagseffect genügend sind, um sie bei voller Verwendung ihrer
Anschlagskraft 4,5 zöllige schmiedeeiserne Platten gerade noch durchdringen zu
lassen.
Als Gesammtresultat dieser Versuche aber wurde in Bezug
auf die oben gestellten Fragen das auf praktischem Wege
festgestellte Resultat gewonnen, daß beim directen Schusse gegen Panzerplatten und innerhalb der
Geschoßlängen-Grenze von 2,25 Kaliberdurchmessern:
1) die Durchschlagskräfte massiver Stahlgeschosse gleichen
Kalibers und gleicher Kopfform mit deren Gewichten in einem geraden einfachen,
mit deren Anschlagsgeschwindigkeiten aber im geraden quadratischen Verhältnisse
stehen, und
2) die Widerstandskräfte, welche schmiedeeiserne Panzerplatten ihrer Durchbohrung entgegensetzen, sowohl mit den
Durchmessern der an sie anschlagenden Geschosse, als auch mit den Quadratzahlen
der Plattenstärkemaaße wachsen und beziehungsweise abnehmen, so daß, wenn
das Geschoßgewicht mit W und die Beschleunigung der
Schwere am Versuchsorte mit g, sowie die
Geschoßaufschlagsgeschwindigkeit mit v bezeichnet
werden, der Geschoß-Effect, welcher in Durchbohrung
einer Panzerplatte sich zu äußern hat (weil die Quadrate der
Geschoßanfangsgeschwindigkeiten den Geschoßgewichten umgekehrt und diese wieder den
Schwerebeschleunigungen der Versuchsorte direct proportional sind) durch die Function:
Wv²/2g,
also durch das Maaß von dessen lebendiger Kraft, und der Panzerplatten-Widerstand gegen Durchbohrung einer
Plattendicke gleich
v mit Geschossen vom Kaliberradius R, wenn die Größe k einen
von der Form des Geschoßkopfes, dem Materiale von Platte und Geschoß etc. abhängigen
Erfahrungs-Coefficienten repräsentirt, durch die
Function:
2Rπb² k
algebraisch aufgefaßt werden können, was
für den Gleichgewichtsfall (also das „gerade eben Durchdrungenwerden
der Platte“) zu der Bestimmungsgleichung
Wv²/2g = 2Rπb² k
führt, deren Gebrauch für jede besondere Art von Platten und
Geschossen etc. natürlich immer von der vorherigen Bestimmung des
Erfahrungs-Coefficienten k abhängig ist, die
vermittelst einer Reihe von Versuchen geschehen kann, deren Daten in Gleichungen von
der Form
4R₁ πb² k g – W₁ v₁²
= 0
4R₂ πb² k g – W₂ v₂²
= 0
4R₃ πb² k g – W₃ v₃³
= 0
u.s.w.
eingetragen werden, wornach dann jede der vier Größen R, b, W und v sich durch die
drei anderen bestimmen läßt, also z.B. für eine gegebene Plattenstärke und einen
gegebenen Geschoß-Durchmesser die zum Durchbohrtwerden der Platte
erforderliche lebendige Kraft des Geschosses; wenn letztere und der
Geschoßdurchmesser gegeben sind, aber die Plattenstärke, auf deren Durchbohrtwerden
dadurch dann mit Sicherheit zu rechnen ist, schon im Voraus festgestellt werden
können.
Für Stahlgeschosse mit halbkugelförmiger Gestalt ihrer vorderen
Fläche und für von ihnen durchbohrt werdende schmiede- oder walzeiserne Platten wurde der
Erfahrungs-Coefficient k auf diese Weise als
k = 5357200
gefunden, wornach zur Zuverlässigkeits-Prüfung der obigen Bestimmungsgleichung dann noch
eine weitere Reihe von Schießversuchen angestellt wurde,
welche die Resultate der Rechnung neben die der Praxis zu halten gestatteten, und
denen beispielsweise folgende Parallelen entnommen werden mögen:
1) Zur Durchbohrung freistehender 5,5zölliger Schmiedeeisenplatten vermittelst
6,88zölliger massiver Stahlgeschosse des 7zölligen gezogenen Hinterladungsgeschützes
bedarf ein solches Geschoß nach der Gleichung:
Wv²/2g = 2Rπb² k
einer lebendigen Kraft von
Wv²/2g = 905 Fußtonnen.
Der betreffende Versuch ergab als zu diesem Zwecke erforderlichen
Geschoß-Effect: 906 Fußtonnen.
2) Die Plattenstärke b, welche durch 344,4 Pfd. schwere
Rundgeschosse von Stahl und von 13,24 Zoll Durchmesser mit 1574 Fuß
Anschlagsgeschwindigkeit ausgerüstet, gerade noch durchbohrt werden kann, stellt
sich nach der Formel
b = v√(W/4Rπkg)
als
b = 10,14 Zoll
heraus. – Aus dem 13,3zölligen, 22 Tonnen schweren
Vorderladungsgeschütze abgeschossen, drang diese Kugel mit der genannten
Anschlagsgeschwindigkeit (welche ihr bei 200 Yards Zielabstand durch 90 Pfund
Pulverladung ertheilt wurde) über 4,9 Zoll tief in eine freistehende 11 zöllige
Schmiedeeisen-Platte ein und zerbrach dieselbe.
3) Zum vollständigen Durchdringen freistehender Schmiedeeisen-Platten von 8
Zoll Dicke bedarf das 250 Pfund schwere, vorn halbkugelförmig gestaltete, 8,92 Zoll
kalibrige Stahlgeschoß des 12 Tonnen schweren 9zölligen gezogenen
Vorderladungsgeschützes nach der, obiger Gleichung entsprechenden Formel
v = b√(4Rπkg/W)
einer Anschlagsgeschwindigkeit von
v = 1197 Fuß.
Bei mit ogivalköpfigen Stahl- oder Schalengußeisen-Geschossen dieses
Kalibers und Gewichtes gegen eine mit der Schiffspanzer-Hinterfüllung des
„Warrior“ ausgestattete 8zöllige Schmiedeeisenplatte
durchbohrte das mit 1323 Fuß Anschlagsgeschwindigkeit ausgestattete Geschoß nicht
nur die 8zöllige Schmiedeeisenplatte dieser
„Warrior-Scheibe“ vollständig, sondern zerbrach auch
noch eine Rippe von deren Packung, in welcher letzteren es vermöge der ihm gegebenen
Sprengladung von 2,37 Pfund Pulver dann schließlich krepirte.
Zur Feststellung der Geschoßkopf-Form, welche sich am meisten zur
Zerstörung von Panzerschiffen vermittelst Durchbohrens ihrer Wände eignet,
angestellte Parallel-Versuche mit Stahl-Geschossen verschiedener Formen ihrer stets massiv gehaltenen
Köpfe ergaben unter Anderem, daß vorn halbrunde
oder abgeflachte Geschosse dieser Art bei Durchlochung der Panzerplatten stets das ihrem Querschnitt
entsprechende Stück dieser Platte vor sich her treiben und so weniger leicht im Stande sind, auf noch hinter derselben liegende Packungen von Holz etc. durchdringen zu können, als mit ogivaler Spitze versehene Stahl- oder auch
Schalenguß-Eisengeschosse dieser Art, welche alle ihnen beim
Plattendurchbohren entgegenstehenden Eisentheilchen zertrümmert zur Seite
schieben, und so bei Hinterlassung einer mit zackigen Rändern versehenen Oeffnung (während diese bei der
Platten-Durchstanzung mit flachköpfigen Geschossen immer scharf nach dem
Geschoßquerschnitte ausgeschnitten ausfällt) mit der
ihnen dann noch verbleibenden Kraft in einem solchen
Grade ungehindert in die Plattenzackung
eindringen können, daß unter denselben Umständen, wo
rundköpfige Stahlgeschosse etwa mit aufgebauchten Köpfen in einer
Panzerplattung stecken bleiben, ogivalköpfige
Stahlgeschosse ohne jede Formveränderung durch dieselbe hindurchgehen und für solche Geschosse deren massiver ogivaler
Kopf mit dem Radius
von einem Kaliberdurchmesser construirt worden ist, deßhalb auch, den
Versuchsergebnissen entsprechend, wohl anzunehmen steht,
es werde zur Hervorbringung derselben Durchbohrungs-Wirkung in solchen Fällen
bei ihnen nur 8/10 des Anschlagseffectes erforderlich seyn,
der den gleichschweren und gleichkalibrigen, aber vorn halbrund gestalteten
Stahlgeschossen gegeben werden muß, was bei dahin einschlagenden Rechnungen
den Erfahrungs-Coefficienten k obiger Gleichung für massivogivalköpfige Stahl- oder
Schalenguß-Geschosse aus k in
k₁
= 9/10 k
= 9/10 5357200
= 4821480
überzugehen lassen würde.
Hinsichtlich der Geschoß-Effecte, welche bei
Schrägschüssen zur Durchbohrung von Panzerplatten erforderlich sind,
ergaben mit flach- und ogivalköpfigen Stahl-, sowie mit ogival- und ellipsoidalköpfigen Schalenguß-Geschossen
angestellte Schießversuche (mit Geschoßanschlagswinkeln
von 10, 20, 30, 38, 45 und 60 Grad gegen die
Verticale gerechnet) Panzerplatten-Durchbohrungen,
welche den Beweis lieferten, daß ebenso, wie die Dicke b einer
parallelopipedischen Platte nach einer unter dem Winkel α schräg durch sie hindurchgehenden Richtung in b/sin α übergeht, so auch der Widerstand, den die Platten dabei ihrer
Durchbohrung entgegenstellen, mit dem Quadrate der Sinus-Reciproke des
Geschoßanschlagswinkels zunimmt, nämlich im Verhältnisse von
b² : (b/sin α)²
wächst, wornach für das Schrägfeuern unter irgend einem Winkel α gegen Panzerplatten die obige Grundgleichung also in
Wv²/2g = 2Rπkb² sin²
α
übergeht.
Die Differenz der
Panzerplatten-Durchbohrungswirkungen von aus gewöhnlichem Gußeisen und aus Stahl geformten
Geschossen stellte sich – des von ersteren auf ihre eigene Zertrümmerung und
auf das Umherschleudern der dadurch entstehenden Stücke verwendeten Kraftantheiles
wegen – so bedeutend heraus, daß, diejenigen Fälle ausgenommen, in denen man
den Gußeisengeschossen
eine ganz besonders
große Anschlagsgeschwindigkeit geben konnte, die Projectile
dieses Materiales im Allgemeinen des 2,5fachen
Anschlagseffectes der Stahlgeschosse bedurften, um, unter sonst gleichen
Umständen, eine mit denselben gleiche
Plattendurchbohrungs-Wirkung hervorbringen zu können.
Vergleichs-Schießversuche gegen durch Verbolzung zusammengesetzte Lamellen und
gegen aus einem Stücke bestehende Platten ergaben, daß erstere ihrer Durchbohrung einen weit geringeren Widerstand entgegenstellen als die aus
einem massiven Ganzen bestehenden Platten gleicher
Dicke.
Das Durchschießen von 4,5; 5,5; 6; 8 und 9zölligen Panzerplatten, welche genau mit
den Packungen der Schiffswände von beziehungsweise dem
„Warrior,“ dem „Minotaur,“ dem
„Bellerophon“ und dem „Hercules“
versehen waren, brachte endlich noch folgende Aufklärungen:
1) Einfache Holz-Packungen erhöhen den von schmiedeeisernen Panzerplatten ihrer Durchbohrung entgegengesetzten Widerstand, wenn
überhaupt, jedenfalls nur in einem sehr geringen Grade;
starre, aus Eichen- oder Teakholz und Eisen,
oder auch aus Granit, Eisen und Backstein etc.
zusammengesetzte Platten-Hinterfüllungen vergrößeren aber den Widerstand
der Panzerwände sehr bedeutend. Die beste Form solcher Packungen ist Eichen- oder Teakholz,
mit horizontal liegenden Eisenplatten combinirt, wie sie
beim Bau des „Chalmer,“ des „Bellerophon“
und des „Hercules“ zur Anwendung gekommen ist; ferner
sollte
2) kein Panzerschiff ohne innere Eisenhaut construirt
'werden, welche letztere nicht nur die Wand desselben mehr compact macht, sondern auch manchen Splitter
derselben vom Eindringen in das Schiffs-Innere abhält.
3) Sogenannte „Palliser-Bolzen,“ deren Schaft mit ihrem Schraubentheile
gleichen Durchmesser hat, sind zur Panzerplattenbefestigung am besten geeignet.
4) Aus schalenhart gegossenem Eisen bester Qualität verfertigte
Geschosse mit massiven, ogival gestalteten Köpfen geben bei größerer
Billigkeit den entsprechenden Stahlgeschossen an Fähigkeit zum
Durchbohren schmiedeeiserner Platten durchaus nichts nach, und besitzen
außerdem noch den. Vortheil, mit der ihnen nach vollendeter Durchbohrung noch verbleibenden Kraft im
zerbrochenen Zustande gewissermaßen als Traubenschuß zu
wirken.
5) Zum wirksamen Angriffe auf gutgebaute Panzerschiffe muß man
wo möglich nicht unter 12 Tonnen schwere Geschütze haben, die bei mindestens 9
Zoll Kaliberdurchmesser etwa 250 Pfd. schwere Langgeschosse mit
circa 40 Pfd. Pulverladung
schießen, – wie dergleichen mit ogivaler
Spitze versehene Geschosse des in England dienstlich eingeführten
betreffenden gezogenen Vorderladungsgeschützes, bei 43 Pfund
Pulverladung z.B. die mit 4,5zölligen Panzerplatten
armirte Warrior-Scheibe (18 Zoll kreuzweise gelegter
Teakholz-Packung und 5/8zölliger innerer Schiffshaut von Eisen) auf 3000 Yards und, bis zu etwa 750 Fuß
Anschlagsgeschwindigkeit herabgehend, auch auf weitere
Entfernungen; dieselbe Scheibe, mit 8zölliger Schmiedeeisen-Panzerplatte
aber auf 200 Yards mit 1325 Fuß Anschlagsgeschwindigkeit zu durchbohren vermögen, während die mit 50 Pfd. Ladung
abgefeuerten 484 Pfd. schweren Stahlkugeln des 15zölligen glatten amerikanischen Vorderladungsgeschützes
diese Scheibe im ersteren Falle zwar auf 500 Yards
Abstand mit 969 Fuß Anschlagsgeschwindigkeit, im
letzteren Falle aber überhaupt gar nicht zu durchbohren vermögen, da die 8
zöllige Platte ihnen nach der Proportion
4,5 : 8 = 969 : x
nur bei 1720 Fuß Anschlagsgeschwindigkeit zu weichen braucht,
während sie durch oben genannte Ladung bloß 1070 Fuß Anfangsgeschwindigkeit
erhalten.
Die amerikanische Methode der
Panzerschiff-Zerstörung besteht der englischen (einem Durchlochen (punching) der Panzerwände
durch mit möglichst großer Anfangsgeschwindigkeit abgefeuerte massive oder hohle
Langgeschosse 6–12 Tonnen schwerer gezogener Rohre) gegenüber, deßhalb auch
mehr in einem durch wiederholtes Anschlagen großkalibriger,
schwerer und mit geringeren
Anfangsgeschwindigkeiten aus 12 bis 50 Tonnen
schweren glatten Rohren abgeschossener, massiv aus Stahl geformter wirklicher Kugeln an der
Schiffswand zu bewirkenden Ausrenken, Wandelbarmachen
oder sogenannten Foltern (racking) der Panzerplatten, welches letztere zwar schließlich zur vollständigen Auflösung des ganzen
Schiffswand-Verbandes führt, bei größerer Unbehülflichkeit des
Materiales aber offenbar auch mehr Zeit als das englische
System erfordert. Vermittelst des englischen
Systems kann ein zum Angriffe ausersehenes Schiff möglicherweise mit einem einzigen gutangebrachten
Treffer
seiner, bei flächerer
Flugbahn noch auf weite Entfernungen hin mit großer Treffsicherheit ausgestatteten
Langgeschosse durch Zerstörung der Maschine dieses
Schiffes, Auffliegenlassen seines Pulvermagazines oder Leckmachen an der Wasserlinie
desselben, zur Gefechtsuntüchtigkeit gebracht werden,
während das amerikanische System zur Erreichung dieses
Zweckes einer Aufeinanderfolge von mehreren Treffern
bedarf. Demgemäß ist z.B. ein Panzerschiff, das bei ungefähr 10 See-Meilen
(circa 2 1/2 geographischen) Fahrgeschwindigkeit pro Stunde eine Hafen- etc. Batterie zu passiren
hat, wegen der wenigen Lagen die letztere dann auf es abgeben kann, zwar vermittelst
der englischen Manier des Durchbohrens (punching) seiner
Wände zum Untergange, beziehungsweise zum „sich ergeben“ zu
zwingen, wogegen es durch die amerikanische Manier des allmählichen Lockermachens
seiner Wandverbände oder des Folterns (racking)
derselben, welche das Schiff in diesem Falle nur bis zu einer im nächsten Hafen
auszubessernden Havarie bringen dürfte, schwerlich bis zur Vernichtung gebracht
werden könnte.
Berlin, im Mai 1867.
Darapsky, Major im
Generalstabe.