Titel: | Verwendung der Weintrester zur Gasbereitung, nebst Benutzung der dabei fallenden festen Rückstände als werthvolles Farbmaterial (Drusenschwärze). |
Autor: | Fr. H. W. Ilgen |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LVIII., S. 196 |
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LVIII.
Verwendung der Weintrester zur Gasbereitung,
nebst Benutzung der dabei fallenden festen Rückstände als werthvolles Farbmaterial
(Drusenschwärze).
Ilgen, über Verwendung der Weintrester zur Gasbereitung und
Verarbeitung der festen Rückstände auf Drusenschwärze.
Es ist längst bekannt, daß die von der Weinbereitung als Rückstand beim Keltern der
Trauben gewonnenen Trester zur Bereitung von sogen. Nachwein (Tresterwein) und
Essig, ebenso unter Anwendung von metallischem Kupfer (Kupferblech) zur Fabrication
des als Malerfarbe geschätzten Grünspans sowie auch zur Branntweingewinnung
vielfältig verwendet werden.
Die solchergestalt ausgenutzten Trester werden bekanntlich an vielen Orten theils als
werthvoller Dünger, theils zur Papierfabrication, wohl auch als Brennmaterial
benutzt, wobei die sich ergebende sehr kalireiche Asche ein schätzbares Material zur
Darstellung einer guten, reinen Potasche bildet, wenn man es nicht etwa vorzieht,
sie als Dünger zur Ueberstreu auf Felder und Wiesen zu verwenden. Auch als
Viehfutter, mit Häcksel verabreicht, haben die Trester bisher an manchen Orten
Verwendung gefunden.
Es ist ferner schon seit langer Zeit bekannte Thatsache, daß die unter dem Namen
„Drusenschwärze“, auch „Frankfurter
Schwarz“ im Handel vorkommende schwarze Farbe größtentheils aus
ausgenutzten Weintrestern durch Verkohlung dargestellt wird, wobei man jedoch die
sich bildenden gasförmigen, wie auch die durch Condensation tropfbarflüssig
werdenden Producte bisher unbenutzt in die Luft entweichen ließ.
Durch wiederholte Versuche ist es mir nun gelungen ein Verfahren aufzufinden, wodurch
man die ausgenutzten Trester durch trockene Destillation mit Vortheil zur Bereitung
eines, sowohl zur Beleuchtung, wie für Heizzwecke tauglichen, vorzüglichen Gases
benutzen kann, und wobei der sich bei diesem Proceß ergebende feste Rückstand
gleichfalls als Farbmaterial eine nutzbringende Verwendung gestattet.
Die sich dabei bildenden, durch Condensation gewinnbaren flüssigen Nebenproducte sind
der Hauptsache nach neben Holzessig und ammoniakalischem Wasser, ein dem besten
Holztheer ähnliches Aggregat flüssiger Kohlenwasserstoffarten, deren weitere
Verwendung zur Darstellung von Kreosot, Photogen und Paraffin auf bekannte Weise
geschieht.
Das Vergasen der ausgenutzten Weintrester oder der Proceß
der Gasbereitung aus solchen Trestern findet in denselben Oefen und unter Anwendung
derselben Verdichtungs- und Reinigungsapparate, wie bei der
Steinkohlen- und Holzgasfabrication, statt.
Es kann daher jede wohleingerichtete Steinkohlen- oder Holzgasanstalt zur
Darstellung von Trestergas dienen.
Das Verfahren dabei ist folgendes:
Die zu vergasenden Weintrester müssen alkoholfrei, ohne allen Schimmel und
vollständig lufttrocken seyn.
Das Trocknen der Trester geschieht am einfachsten in der Weise, daß man dieselben in
nassem Zustande in eiserne Formen drückt, d.h. daß man sie nach Art der sogen.
Lohkäse oder Lohkuchen zu Kuchen formt, und diese auf Hürden oder überdeckten
Lattengerüsten an freier Luft vollkommen lufttrocken werden läßt. Der Centner
trockener Trester stellt sich hier auf 48 Kreuzer.
Die Trester unter Anwendung künstlicher Wärme zu trocknen, ist deßwegen nicht
rathsam, weil dieselben, wenn auch nur ein wenig zu scharf getrocknet, weniger Gas
und stets solches von geringerer Leuchtkraft liefern, der nicht abzustreitenden
Feuergefährlichkeit dieser Operation nicht zu gedenken.
Mit den auf besagte Weise vollkommen lufttrocken gemachten Tresterkuchen werden nun
die Retorten beschickt.
Man kann je nach der Größe der Retorten 1/3 bis 3/4 Cntr. Tresterkuchen auf einmal laden. Zu dem Ende
werden diese Kuchen in eine gehörig vertiefte, im Querschnitt gedrückt bogenförmige
Ladschaufel von der Länge der zu beschickenden Retorte sorgfältig eingesetzt, die
Ladschaufel sammt ihrem Inhalte rasch in die Retorte eingeschoben und umgewendet, so
daß sich die ganze Beschickung aus der Schaufel auf den Retortenboden entleert. Man
zieht hierauf die leere Schaufel aus der beschickten Retorte heraus und schraubt den
an seinen Kanten mit Lehmbrei wohl verschmierten Retortendeckel auf. Alsdann beginnt
sogleich eine sehr stürmische Destillation und die Beschickung ist in 1 bis 1 1/2
Stunden vollständig ausgegast.
Das erzeugte Gas ist meistens von größerer Leuchtkraft als gewöhnliches
Steinkohlengas, besonders wenn die angewandten Trester recht gut lufttrocken und
dabei vollkommen alkohol- und schimmelfrei waren.
Die von den Trestern ausgeschiedenen, getrockneten Traubenkerne, welche man bisher
wohl zuweilen zur Oelgewinnung, sowie geröstet als Kaffeesurrogat benutzt, liefern,
für sich vergast, beinahe doppelt soviel Gas von weit höherer Leuchtkraft, als die
sogen. Traubenkämme.
Man brennt erst nach vollständiger Vergasung ab und schreitet dann ungesäumt zum
Ausziehen des glühenden Rückstandes aus der Retorte.
Diese Manipulation muß, wie das Beschicken der Retorten, möglichst rasch geschehen,
damit von dem kohligen Rückstande so wenig wie möglich an der Luft verbrennen kann.
Deßwegen bedient man sich auch beim Ausziehen einer möglichst breiten Ausziehkiste,
sowie eines blechernen Kastens mit gutschließendem Deckel.
Der Retorteninhalt wird thunlichst schnell in den untergestellten Sturzblechkasten
hineingezogen und dieser sofort mittelst des Deckels verschlossen, um die Luft so
viel wie möglich abzuhalten.
Am Besten ist es, diesen Kasten vor dem Ausziehen theilweise mit reinem Wasser zu
füllen, damit der ausgezogene, glühend kohlige Rückstand sogleich gelöscht wird,
also während der Operation des Ausziehens nicht fortbrennen kann, wodurch derselbe
mit feiner Weiher Asche sehr verunreinigt würde.
Das Reinigen des Trestergases geschieht wie bei Holzgas mittelst gebrannten und
verdampften Kalkes oder sogen, trockenen Kalkhydrates.
Die Anwendung von Laming'scher Reinigungsmasse, wie bei
der Kohlengasreinigung, ist begreiflicherweise nicht statthaft.
Der ausgenutzte Gaskalk, sowie die tropfbar flüssigen Nebenproducte der Trestergasbereitung finden dieselbe
Verwendung wie bei der Holz-, beziehungsweise Steinkohlengasfabrication.
Um aus dem kohligen Retortenrückstande schwarze Farbe zu bereiten, verfährt man
folgendermaßen:
Wo man sich beim Ausziehen der Retorten eines Wasserkastens bedient, da wird der
nasse Rückstand in hölzernen Auslaugbottichen mit heißem Wasser ausgelaugt, wodurch
die von den beigemengten Aschentheilchen herrührenden, löslichen Kalisalze
ausgezogen werden.
Wenn die ablaufende Flüssigkeit wasserhell erscheint und keine alkalische Reaction
mehr zeigt, kann das Auslaugen als vollendet betrachtet werden.
Die Auslaugbottiche sind cylindrische Gefäße, mehr hoch wie weit, mit doppelten
Böden, wovon der obere durchlöchert und mit Segeltuch überzogen ist, damit die
festen Theile zurückgehalten werden und nur die Extractionsflüssigkeit in den
zwischen beiden Böden verbleibenden 1/2 bis 3/4 Fuß hohen Raum und von diesem durch
eine nahe am unteren Boden angebrachte Oeffnung nach Außen gelangen kann.
Der noch verbleibende, höchst unbedeutende, unlösliche Aschenrest ist der Hauptsache
nach äußerst feinzertheilter kohlensaurer und phosphorsaurer Kalk nebst einem kaum
nennenswerthen, so höchst geringen Antheil Kieselsäure, daß derselbe keinen
nachweisbar nachtheiligen Einfluß auf die schwarze Färbung des Präparates hat.
Die gehörig ausgelaugte Tresterkohle wird nun in Farbemühlen – wohl am besten
von der Construction der Getreidemahlmühlen – im nassen Zustande auf's
Feinste gemahlen, dann zur vollständigen Abscheidung der oben genannten Kalksalze
mit kalter concentrirter Salzsäure behandelt und nachher mit reinem, weichem Wasser
ausgewaschen, um die gebildete Kalklösung (Chlorcalcium und phosphorsauren Kalk)
sammt dem nicht zu vermeidenden Ueberschuß freier Salzsäure daraus zu entfernen. Die
dabei erhaltene saure Flüssigkeit kann unter Anwendung von wässerigem Ammoniak oder
des beinahe werthlosen Ammoniakwassers der Gasanstalten neutralisirt und als
wirksamer flüssiger Dünger verwendet werden. Selbstverständlich ist bei der ganzen
Fabrication die größte Reinlichkeit absolut geboten.
Wenn man beim Ausziehen der Retorten statt des Wasserkastens einen trockenen
Sturzblechkasten unterstellt, dann gelangt auch bei noch so rascher Manipulation
ungleich mehr verunreinigende Asche – durch theilweises Verbrennen der
glühenden Masse gebildet – unter die Tresterkohle, wie bei Anwendung des
Wasserkastens. In diesem Falle müßte man entweder durch Sieben des erkalteten
Rückstandes, oder noch besser mittelst einer, mit Schüttelwerk versehenen, gut
construirten Getreideputzmühle, den größten Theil der beigemengten, leichten,
staubförmigen Asche entfernen.
Der darnach noch verbleibende kleine Rest von Asche kann jedoch nur durch Auslaugen
mittelst heißen Wassers, sowie durch nachmalige Behandlung mit kalter concentrirter
Salzsäure und endlich durch Auswaschen der sauren Lösung (Chlorcalcium und
phosphorsaurer Kalk) mit reinem weichen Wasser von der Tresterkohle vollständig
getrennt werden. Die auf beschriebene Weise dargestellte schwarze Farbe wird sich
mindestens zu 7 bis 8 fl. per Centner verwerthen
lassen.
Das auf beschriebene Weise erhaltene, feinst gemahlene Product wird zuletzt noch in
Trockenstuben getrocknet, um es zum Versandt geeignet zu machen. Es kann mit
ziemlicher Gewißheit angenommen werden, daß die sonstigen Nebenproducte die Kosten
der Farbfabrication nahezu decken werden.
Den ersten Versuch, Weintrester zur Gasgewinnung mit Benutzung des dabei fallenden
kohligen Rückstandes zu verwenden, habe ich auf hiesiger Steinkohlengasanstalt
gemacht unter Anwendung von Kohks als Brennmaterial, wobei die Retorte beinahe
weißglühend war.
Die Gasausbeute war eine sehr bedeutende, indem ich bis zu 620 Kubikfuß (engl.) Gas
per Centner (= 50 Kilogr.) Beschickung erhielt, und
zwar Gas von besserer Leuchtkraft als die des gewöhnlichen Steinkohlengases.
Der erhaltene kohlige Rückstand hatte dagegen nicht die gewünschte tief bläulich
schwarze, matte Färbung, sondern er war vielmehr dunkelgrau, graphitartig glänzend,
und ließ sich auch im gemahlenen Zustande wie natürlicher mineralischer Graphit als
Ofenschwärze, sowie mit Leinöl abgerieben als schwarzgraue Anstreichfarbe
benutzen.
Spätere Versuche überzeugten mich, daß man, um eine recht schöne, sammtschwarze Farbe
zu erzielen, die Vergasung bei möglichst niedriger Temperatur (nicht über
Dunkelrothglühhitze) ausführen muß, es demnach rathsamer ist, sich als Brennmaterial
dabei guten Torfes, der Braunkohle, des Stockholzes und dergleichen zu bedienen,
statt der ungleich mehr Hitze gebenden, meist auch werthvolleren Kohks.
Man erhält auf diese Weise zwar weniger Gas, aber immerhin noch circa 550 Kubikfuß (per
Centner Beschickung) von der Leuchtkraft des gewöhnlichen Steinkohlengases (10 bis
12 Kerzen 6 er Stearin bei 4 Kubikfuß stündlichem Consum).Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß wenn man bei diesem niedrigen
Hitzegrade die Vergasung der Trester ausführt, gußeiserne Retorten den
Charmotteretortenentschieden vorgezogen werden müssen, indem
erstere jedenfalls besser dicht bleiben, auch bei dieser Art Destillation
von längerer Dauer seyn werden, als beim Vergasen der Steinkohlen, indem
eine frühzeitige Zerstörung durch die corrosive Wirkung des Schwefels
– von einem Gehalt an Doppelschwefeleisen herrührend, was bei
Steinkohlen immer mehr oder weniger der Fall – hier nicht zu
befürchten ist. J.
Der kohlige Rückstand beträgt etwas über 1/4 vom Gewichte der vergasten trockenen
Trester, so daß man auf 20 bis 25 Procent graue oder schwarze Farbe mit aller
Sicherheit rechnen darf.
Die auf mechanische Weise aus der Tresterkohle durch Sieben oder beim Reinigen
mittelst der Putzmühle erhaltene Asche, sowie die Lauge, welche man durch das
Auslaugen mittelst heißen Wassers erhält, können auf Potasche verarbeitet werden und
liefern ein sehr reines, gutes Product.
1 Centner Tresterasche liefert circa 20 bis 22 Pfd.
Potasche.
Nasse Weintrester, wie man sie aus den Branntweinbrennereien erhält, verlieren beim
Trocknen etwas über die Hälfte an Gewicht, was beim Einkauf zu beachten ist.
Das Vergasen der Weintrester bietet im Vergleich zur Gasbereitung aus Steinkohlen
oder Holz folgende Vortheile:
1) Lassen sich die sich dabei ergebenden Nebenproducte weit vortheilhafter verwerthen
und ist die Gasausbeute überdieß größer als beim Vergasen unserer gewöhnlichen
Gaskohlen.
2) Das Rohmaterial ist in allen weinbautreibenden Gegenden meist billig zu
beziehen.
3) Da die Vergasung keine so hohe Temperatur erfordert, was namentlich da der Fall
ist, wo man die Erzielung einer möglichst intensiv schwarzen Färbung des kohligen
Rückstandes beabsichtigt, so findet bei diesem Betrieb ein weit geringerer
Brennmaterialaufwand statt, als bei den bisher üblichen Gasfabricationsarten.
4) Die Retorten werden weit mehr geschont als bei der Gasbereitung aus Steinkohlen,
weil
a) das Rohmaterial die Retorte beim Beschicken nur wenig
abkühlt, und weil
b) die Retortenwände rein von Graphit bleiben –
es bildet sich nämlich im Inneren der Retorte nur eine dünne, weiche und daher sehr
leicht zu beseitigende schwarze Kruste, – was überdieß eine weitere
Brennmaterialersparniß zur Folge hat und wodurch noch nebenbei viel Arbeit erspart
und die Anwendung eines Exhaustors überflüssig wird.
5) Werden auch die Retortenöfen mehr geschont, und sind deßhalb von längerer Dauer,
weil dieselben keiner so hohen Temperatur ausgesetzt werden, wie dieß namentlich bei
der Steinkohlengasbereitung der Fall ist.
Aus dem Angeführten ergibt sich die große Rentabilität des Betriebes von
Trestergasanstalten in Gegenden wo das hierzu erforderliche Material in
ausreichender Menge zu bekommen ist, und da die Einrichtung derartiger Fabriken im
Wesentlichen dieselbe ist, wie die der Steinkohlen- und Holzgaswerke, so kann
unter Umständen, d.h. wenn etwa die zu erlangenden Tresterquantitäten nicht für ein
ganzes Jahr ausreichen sollten, der Betrieb nach Erforderniß zeitweise auch mit
Steinkohlen oder Holz stattfinden, jedenfalls der Sommerbetrieb mancher Gasanstalt
rentabler gemacht werden.
Schließlich erlaube ich mir noch zu bemerken, daß ich für den so eben beschriebenen
Fabricationszweig in Bayern, Hessen, Oesterreich, Frankreich, Italien und Spanien
patentirt und gegenwärtig mit Einrichtung dieses neuen Betriebes hier beschäftigt
bin.
Gaswerk Grünstadt (bayer. Rheinpfalz), im Juni 1867.
Fr. H. W.
Ilgen,Ingenieur.