Titel: | Die Fabrication der plastisch-porösen Kohle. |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LIX., S. 203 |
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LIX.
Die Fabrication der plastisch-porösen
Kohle.
Die Fabrication der plastisch-porösen Kohle.
Ein Industriezweig eigenthümlicher Art ist die Anfertigung gewisser Gegenstände aus
sogenannter plastisch-poröser Kohle. Die Kohle ist ein Körper, mit vielen
nützlichen Eigenschaften begabt, erlitt aber bis vor nicht langer Zeit nur
theilweise, geringe Verwendung, weil die passende Form, in welcher die Anwendung
derselben eine bequeme und zugleich zweckerfüllende war, fehlte.
Mit der Erfindung der Darstellungsweise von plastisch-poröser Kohle wurde nun
der erste Schritt gethan, eine nicht unwichtige Industrie in's Leben zu rufen, deren
Bedeutung für die Staatsökonomie sich mit der Ausdehnung der Fabrication
außerordentlich steigern dürfte.
Unter plastisch-poröser Kohle wird eine Kohlenmasse verstanden, welche in dem
Stadium der Verarbeitung formbar ist, so daß ihr jede gewünschte Gestalt gegeben
werden kann, während dieselbe nach der Verarbeitung einen festen, nicht mehr
formbaren, scheinbar aus einem Kohlenstücke bestehenden Körper darstellt, der alle
Eigenschaften der Kohle – namentlich das auf Oberflächenanziehung beruhende Vermögen verschiedene
Gase und einzelne chemische Verbindungen auf sich zu condensiren –
besitzt.
Die Porosität im Vereine mit der Oberflächenanziehung sind neben der schweren
Zerstörbarkeit durch chemisch wirkende Einflüsse die Eigenschaften, welche den
eigentlichen Werth der plastisch-porösen Kohle ausmachen.
Da nun ein Stück Kohle die nöthige Porosität, ohne als Sieb zu wirken, die nöthige
Festigkeit, ohne als Kohl's die anziehende Kraft der Oberfläche verloren zu haben,
besitzen muß, so wird es nöthig, die Darstellung, namentlich der sogenannten
Filterblöcke, mit Aufmerksamkeit vorzunehmen, wenn ein zweckentsprechendes Fabricat
erzielt werden soll.
Die Materialien, mit welchen in den Fabriken gearbeitet wird, sind folgende:
Holzkohle, Knochenkohle, Sägespäne, Steinkohlentheer, Asphalt und mitunter Ruß. In
den verschiedenartigen Mischungsverhältnissen dieser Ingredienzien ist ein Mittel
gegeben, die Eigenschaften der plastischen Kohle nach Zweck und Bedürfniß zu
modificiren, während die außerordentliche Billigkeit derselben das Ausbeuten dieser
Eigenschaften im vollsten Maaße gestattet.
Während die Porosität der Kohle theilweise das Durchdringen von Gasen und
Flüssigkeiten gestattet, wirkt die Oberfläche der Kohle auf gewisse, in den
eingedrungenen Gasen und Flüssigkeiten enthaltene Luftarten. Gewöhnliche
schwefelwasserstoffhaltige Luft (das übelriechende Gas der Closets und faulen Eier)
gibt Schwefelwasserstoffgas an die Kohle ab; ebenso wird mit diesem Gas
geschwängertes Wasser vermittelst Kohle von demselben befreit. Ferner werden
einzelne in dem Wasser aufgelöste Verbindungen von der Kohle aufgenommen und
gebunden, während die Kohle gröbere feste Gegenstände, z.B. Infusorien u. dgl.,
mechanisch zurückhält.
Holz- und Knochenkohle, gröblich gepulvert, werden mit den Sägespänen
vermischt und in einem Wasserbad erwärmt. Der erwärmten Mischung wird circa 1/5 an Gewicht Steinkohlentheer zugesetzt, so daß
eine immerhin noch trocken zu nennende Masse entsteht, welche nur bei starkem Drucke
zusammenballt. Dieser abgekühlten Masse wird jetzt fein gepulverter Asphalt
zugefügt, und wenn das Ganze zwei Mischsiebe passirt hat, ist das zum Formen
passende Material fertig. Das Formen geschieht in Hohlformen von polirtem Stahl oder
Messing, welche mit der oben erwähnten Masse gefüllt und dem Druck einer starken
Presse ausgesetzt werden. Ein secundenlanger, aber starker Druck genügt zur
Herstellung eines großen Blockes.
Die Hohlformen richten sich in ihrer Gestalt nach dem Gegenstande, der mit ihnen
dargestellt werden soll. Während die Formen zu den Filterblöcken einfache Cylinder
von verschiedener Höhe und verschiedenem Durchmesser mit gravirten Schließplatten
vorstellen, sind die Formen zu den verschiedenen Pfeifenköpfen, Cigarrenspitzen etc.
complicirter. Eine Pfeifenkopfform gestattet die Anfertigung eines Pfeifenkopfes aus
Kohlenmasse in wenigen Augenblicken und läßt zugleich die nöthigen Hohlräume
entstehen; ein Nachbohren der Köpfe findet nicht statt.
Die in verschiedenen Pressen verschieden geformte Kohlenmasse wird behufs der
Verkohlung der Sägespäne, des Theeres und Asphaltes in einem eigenthümlichen Ofen
geglüht.
Zu diesem Zwecke werden die gepreßten Gegenstände in längliche Kästen aus Eisenblech
gebracht, und mit einer Mischung von Sand und Kohlenstaub umgeben, wohl verpackt.
Ein großer oder mehrere kleine Kästen aus Eisenblech füllen den Ofen und enthalten
eine bedeutende Menge der gepreßten Waaren.
Die Sohle des Ofens wird durch Steinkohlen- oder Kohksfeuerung erhitzt. Nach
einigen Stunden entwickeln sich aus den oben offenen eisernen Kästen brennbare Gase,
welche ein mit vielem Kohlenoxyd vermengtes Leuchtgas zu seyn scheinen und aus den
in schwacher Rothgluthhitze befindlichen unzersetzten organischen Substanzen der
Kohlenmasse (Theer, Asphalt, Späne) entstehen.
Das aus den Kästen dringende Gas wird angezündet und in Zügen unter den Ofen und um
die Kästen geführt. Durch Oeffnungen, welche eine Regulirung gestatten, strömt die
zum Verbrennen des Gases nöthige Luft hinzu, und während das eigentliche Kohlenfeuer
bis auf ein Minimum beschränkt wird, brennen die Gegenstände sich gewissermaßen
selbst fertig. Ein solcher Brand dauert, das nöthige Abkühlen eingerechnet, 24 bis
30 Stunden.
Durch die Leitung des Glühprocesses ist man im Stande die Eigenschaften der Kohle in
mannichfacher Weise zu verändern. Die Eigenschaften der Porosität und der chemisch
zersetzend wirkenden Oberflächenanziehung erhält die Kohle nur dann im höheren
Grade, wenn die Verkohlung in möglichst niedriger Temperatur vor sich geht und
gleichzeitig der Verkohlungsproceß ein vollständiger ist. Eine stärkere Erhitzung
verwandelt die Kohle in Kohks, welche die Oberflächenanziehung nicht besitzen,
sondern sich dem β Kohlenstoff oder Graphit
nähern. Bekanntlich bestehen die bei elektrischen Batterien vielfach Anwendung
erleidenden Kohlencylinder nach der Erfindung des Prof. Bunsen in Heidelberg aus fast reinen Kohks, welche Elektricität gut
leiten, jedoch unbrauchbar sind, wenn es darauf ankommt, die Wirkung der
Oberflächenanziehung zu benutzen.
Bei dem Brennen der plastisch-porösen Kohle ist daher besonders darauf zu
achten, daß die Temperatur sich nicht bis zur anfangenden Weitzglühhitze erhöht; es
würden in diesem Falle nur verkohlte Gegenstände zum Vorschein kommen. Der
Hauptgegenstand, welchen die Fabrik von Bühring und Querfeld darstellt, sind Filtrirblöcke oder sogenannte
Kohlenfilter. Die Größen derselben sind verschieden, und der Preis richtet sich nach
Umfang und Höhe derselben, ist jedoch in Hinsicht auf die Wirksamkeit ein überaus
niedriger zu nennen.
Die heberartigen Filter werden unseren Lesern zur Genüge bekannt seyn; nur sey hier
bemerkt, daß die Gummiröhrenfabrik in Harburg augenblicklich nicht so viel Schläuche
von der gangbaren Sorte liefern kann, als die genannte Fabrik braucht; es wird
deßhalb eine Gummiröhrenfabrik in Minden zu Hülfe gezogen.
Außer den Filtern, die augenblicklich vorherrschen und bei den abscheulichen
Wasserverhältnissen sehr am Platze sind, werden Pfeifenköpfe, welche den Tabakssaft
absorbiren, Cigarrenspitzen, Streichplatten für Zündhölzer, Keimplatten zur Prüfung
der Keimfähigkeit des Samens etc. fabricirt. Als besonders wichtig und
empfehlenswerth halten wir die „Kohlenplatten für
Krankenzimmer.“ Platten aus Kohlen von verschiedener Größe werden an
die Wand eines Krankenzimmers gehängt und mit einer verdünnten Säure angefeuchtet.
Die condensirenden Eigenschaften der Kohle und die Verwandtschaft der Säure für
Ammoniak befreien die Luft des Krankenzimmers von vielen schädlichen
Beimischungen.
Die Industrie der plastisch-porösen Kohle ist jetzt noch im Entstehen
begriffen, wird aber voraussichtlich von bedeutender volkswirthschaftlicher
Wichtigkeit werden. (Hamburger Gewerbeblatt.)