Titel: | Dubrunfaut's Anwendung der melassimetrischen Methode zur Werthbestimmung der Zucker und zur Untersuchung der Rüben. |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LXVI., S. 231 |
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LXVI.
Dubrunfaut's Anwendung der melassimetrischen Methode zur Werthbestimmung
der Zucker und zur Untersuchung der Rüben.
Aus der Zeitschrift des Vereines für die
Rübenzucker-Industrie im Zollverein, Juni 1867, S.
340.
Dubrunfaut's melassimetrische Methode zur Werthbestimmung der
Zucker und Untersuchung der Rüben.
I. Ueber die Werthbestimmung der Zucker
mittelst der melassimetrischen Methode.
Dubrunfaut befolgt in Frankreich seit längerer Zeit eine
Methode, welche er bei Gelegenheit der neueren Agitation gegen die Typen ausführlich
beschreibt und die wir nach dem Journ. des fabr. de sucre
No. 52 in gedrängtem Auszuge hier wiedergeben.
Man sucht schon lange eine wissenschaftliche und zugleich praktische Methode, um den
Werth der Zucker sowohl für die Zwecke des Handels als für die Steuererhebung zu
ermitteln, und der Mangel einer solchen, welche allen Anforderungen entspräche, ist
wohl die Ursache, weßhalb von Seiten der Verwaltung die Typen noch immer beibehalten
worden sind.
Unsere seit 1850 befolgte Methode ist zwar nicht ganz ohne Mängel, allein sie hat den
Fabrikanten doch sehr erhebliche Dienste geleistet; die Pariser Raffinadeure richten
sich ausschließlich nach derselben, um den Werth der zu kaufenden Zucker kennen zu
lernen, und es kommt zur Zeit keine Waare in die Fabriken, welche nicht nach dieser
Methode untersucht worden wäre.
Man kann diese Methode, welche vom Verf. schon 1851 (Comptes
rendus, t. XXXII p. 249) beschrieben wurde, die
„melassimetrische“ nennen,
da sie direct die Menge Melasse ergibt, welche eine Zuckersubstanz bei der
gewöhnlichen Fabrikarbeit liefern kann; den wirklichen Zuckergehalt dagegen erfährt
man nach dieser Methode nur in zweiter Linie.
Sie beruht auf der Eigenschaft der Melassen von gleicher Herkunft, beim Einäschern
Producte von nahezu gleichem alkalimetrischen Gehalt zu liefern. So geben z.B. die
Melassen von der inländischen Rohzucker-Fabrication Aschen oder Kohlen,
welche auf 100 Gramme eingeäscherter Melasse im Mittel 7 Gramme
Schwefelsäure-Hydrat neutralisiren. Die Aschen von 100 Grammen Melasse aus
Rübenzucker Raffinerien sättigen im Mittel 6 Gramme, die von
Colonialzucker-Raffinerien 1 Gramm Schwefelsäure-Hydrat. Es ist sonach
klar, wie die Einäscherung eines bestimmten Gewichtes Rohzucker und die Titrirung
der erhaltenen Asche den melassimetrischen Gehalt dieses
Zuckers finden lassen kann, ja es läßt sich diese Methode auch auf
Auslieferungs-Bestimmungen für alle Arten Rüben- oder Colonialsyrupe,
Säfte u.s.w. ausdehnen. Auch die eigentliche Werthbestimmung der sämmtlichen
Producte der Zuckerfabrication ergibt sich hierdurch leicht.
Unser Verfahren besteht also in folgenden Operationen:
1) Abwägung einer Probe des zu untersuchenden Zuckers;
2) Bestimmung des ZuckergehaltsWir bestimmen den Zuckergehalt mittelst des Soleil'schen Saccharimeters und durch directe Ablesung, d.h. ohne
Anwendung der Inversion, welche die Arbeit unnöthig verwickelt und auch aus
unseren technischen Laboratorien total verschwunden ist. Anmerk. d.
Orig.-Quelle.;
3) Einäscherung der Probe in einer Schale von Eisen oder
Platin; und
4) Titrirung des erhaltenen kohligen Rückstandes mittelst
Säure.
Ein vorläufiger entsprechender Versuch mit der gewöhnlichen Melasse der betreffenden
Fabrik liefert sowohl den Zuckergehalt derselben, wie den alkalimetrischen Titre
ihrer Asche, und dient als Anhaltspunkt für die Berechnung des in der Melasse
zurückgehaltenen Zuckers. Wenn z.B. die Raffinerie-Melasse auf 100 Gramme 6
Gramme Schwefelsäure neutralisirt und dabei 50 Gramme Zucker enthält, so wird jeder
Zucker, dessen Asche 1 Gramm Säure neutralisirt, 50/6 Gramme als Melasse
unkrystallisirbar bleibenden Zucker enthalten. Dasselbe gilt für ebenso untersuchte
Syrupe, Rübensäfte etc.
Die jetzt von den Raffinadeuren befolgte Methode ist zwar nicht der eben
beschriebenen identisch, aber sie ist aus derselben hervorgegangen, ohne genauer
oder leichter ausführbar zu seyn. Man verfährt nämlich wie folgt: Man verbrennt in
einer tarirten Platinschale, in einem beliebigen Ofen eine gewisse Menge des
Zuckers, welchem vorher ein bestimmtes Quantum Schwefelsäure zugesetzt wurdeDie Schwefelsäure ist zu diesem Zwecke von einem deutschen Chemiker –
(nämlich von Dr. Scheibler, Bd. XIV S. 188 der Zeitschrift des Vereins für
Rübenzucker-Industrie) – zur Erleichterung der Veraschung
empfohlen worden. Sie erhöht nach dessen Versuchen die Aschenmenge ziemlich
constant um ein Zehntel. Anmerk. des Originals. und wägt dann sehr genau die erhaltene Asche. Ein ähnlicher mit Melasse
ausgeführter Versuch ergibt das Gewicht an Schwefelsäure-Asche für eine
bestimmte Menge derselben und da man mittelst des Soleil'schen Saccharimeters (unrichtig auch PolarimeterDer Name Polarimeter (Polarisations-Apparat) ist von den Deutschen an
Stelle des bescheideneren von Hrn. Soleil
gegebenen „Saccharimeter“ gesetzt worden; ist aber ein
ganz unpassender, da das Instrument keinesweges den Anforderungen eines
Polarimeters entspricht, sondern vielmehr nur für den speciell vorliegenden
Fall eingerichtet und zu gebrauchen ist. Anm. d. Originals. genannt) den Zuckergehalt des Zuckers und der Melasse erfährt, so hat man
alle Elemente, um sowohl die Auslieferung an Melasse wie die an Zucker zu
berechnen.
Die Melassen der Rohzucker-Fabriken enthalten bei normaler Dichtigkeit etwa 50
Proc. krystallisirbaren Zucker und geben 12–13 Proc-Asche (mit
Schwefelsäure). Die Melassen der Rübenzucker-Raffinerien liefern 11–12
Proc. Asche, wenn sie bis auf einen Zuckergehalt von 45–50 Proc.
ausgearbeitet sind. Hiernach wird ein Raffinadeur für einen Zucker, welcher 3 Proc.
Schwefelsäure-Asche ergab, die Auslieferung an Melasse zu 25 Proc. mit
12–12,5 Proc. Zucker berechnen und wenn der Zucker 93 Proc. krystallisirbaren
Zucker enthielt, auf eine Ausbeute beim Raffiniren von nicht über 80,5–81
schließen. Sind außerdem die Kosten der Raffinirung einmal genau gekannt, so wird
sich der Werth des betreffenden Zuckers leicht festsetzen lassen.
II. Anwendung der melassimetrischen
Methode auf die Untersuchung der Rüben
Im Auszüge nach Mittheilungen Dubrunfauts im Journal des fabricants de sucre, VIII., No. 1.
Es ist bei der Untersuchung der Runkelrüben von Wichtigkeit, nicht allein deren
Zuckergehalt, sondern auch das Verhältniß an reinem Zucker zu bestimmen, welcher bei
der Fabrication (theorethisch) sich daraus gewinnen lassen wird. Dazu kann allein
meine vorstehend beschriebene melassimetrische Methode angewandt werden, welche in
der directen Zuckerbestimmung durch Polarisation und der Einäscherung des Saftes
nebst nachheriger Wägung oder alkalimetrischer Untersuchung der Asche besteht.
Aus zahlreichen von mir im Laufe der Jahre angestellten derartigen Bestimmungen
ergibt sich, daß bei reifen Rüben der gewinnbare Zucker zwischen 55 und 85 Proc. des
Gesammtzuckers schwankt.
Rüben von Aniches (Depart. du Nord) ergaben selbst nur 4
Proc., solche von St.-Saulve (Nord) und aus der
Lombardei 23 bis 24 Proc. Es sind sogar große Rüben aus der Gegend von
Châlons-sur-Saône vorgekommen, welche eine negative Zahl
ergaben, d.h. also solche, welche so viele Salze enthielten, daß sie selbst nicht
allein keinen krystallisirbaren Zucker geben konnten, sondern sogar noch Zucker
anderer, besserer Rüben in Melasse übergeführt haben würden!
Man erkennt hieraus den Nutzen, welchen die Anwendung der melassimetrischen
Bestimmungen für den Fabrikanten haben muß, da sie allein den wahren Werth der Rüben
erkennen läßt. So wird eine Rübe, welche 10 Proc. Zucker enthält, je nach den
ermittelten Zahlen für ihren Salzgehalt 5,5 bis 8,5 Proc. Zucker gewinnen lassen und
dabei zwischen 9 bis 3 Proc. Melasse liefern. Da die mittlere Auslieferung der
Fabriken 2 Theile Zucker auf 1 Theil Melasse beträgt,Gegenüber diesen wohlbekannten Thatsachen, sowie der stets zu beträchtlichen
Menge Melasse und der Menge an Schlempesalzen, welche die Zuckerfabrication
erzeugt ist es kaum begreiflich, wie man glauben konnte, daß die zunehmende
Zuckerarmuth der im Depart. du Nord auf
gedüngten Böden geernteten Rüben durch eine Verarmung des Bodens bewirkt
wäre, während doch diese Rüben um so mehr Kali liefern, je weniger Zucker
sie geben. Diese Erscheinung erklärt sich vielmehr als die Folge der
reichlichen Düngung und einer Art intensiven Cultur, welche im Depart. du Nord nach belgischem Muster
beobachtet wird. Die schlechte Ernte des vorigen Jahres hätte 400 Millionen
Kilogrm. Zucker und 200 Millionen Kilogrm. Melasse mit 20 Millionen Kilogrm.
Salze liefern sollen. Allerdings wird man die Melasse und ihre Salze
erhalten, aber an Zucker wird es fehlen, weil die Rüben nicht vollkommen
reif waren, nicht aber, weil die Salze ihre normale und gewöhnliche Rolle zu
spielen unterlassen haben. Muß man solche Wahrheiten noch Leuten erklären,
welche schon Jahre lang sich mit der Zuckerfabrication beschäftigen und
welche die Kunst gelehrt haben, den Zuckergehalt der Rüben durch Entfernung
der Kalisalze zu vermehren? Anmerk. d. Originals. so kann man annehmen, daß die Mittelzahl für den gewinnbaren Zucker im
Verhältniß zum vorhandenen durch 0,66 dargestellt wird.
Dieß ist für den Rübenproducenten ebenso wichtig, wie für den Fabrikanten, und die
Landwirthe sollten also ihre Rüben ebenso gut wie letztere untersuchen und nach dem
Ergebniß ihren Werth bestimmen.
Rübenuntersuchungen, welche ich früher in diesem Sinne vom 14. August ab von Zeit zu
Zeit anstellte, ergaben folgende Zahlen:
Datum
Zuckergehaltin Proc.
GewinnbarerZuckerantheil
14. August
6,13
0,45
1. September
7,7
0,66
26. „
15,0
0,72
30. „
8,0
0,56
15. October
12,0
0,76
7. November
13,2
0,85
13. „
13,7
0,82
2. DecemberGeschoßte Rüben.
13,2
0,81
23. „
12,3
0,75
6. Januar
12,4
0,77
28. „
12,0
0,69
Allerdings kann man aus diesen wenigen Zahlen noch keine allgemeinen Schlüsse ziehen; allein man
erkennt doch, daß Aenderungen in der Rübe vorgehen, welche keineswegs für den
Zucker- und für den Salzgehalt proportional sind. Jedenfalls liegt hier noch
ein viel Aufklärung bedürftiges Versuchsfeld vor.