Titel: | Ueber amerikanische und deutsche Schuhmacherstifte; von Dr. Rob. Schmidt, Civilingenieur in Berlin. |
Autor: | Robert Schmidt |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LXXVI., S. 273 |
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LXXVI.
Ueber amerikanische und deutsche
Schuhmacherstifte; von Dr. Rob.
Schmidt, Civilingenieur in Berlin.
Mit einer Abbildung.
Schmidt, über amerikanische und deutsche
Schuhmacherstifte.
Die Verbindung des Schuhsohlleders mit dem Oberleder durch Holzstifte stammt
bekanntlich aus Amerika und wird auch bei uns jetzt ausschließlich zur Anwendung
gebracht. Da die Stifte nothwendig einen billigen Preis haben mußten, so konnte es
nicht fehlen, daß in den ersten Jahren der Anwendung dieses neuen Verfahrens die Stifte zu
uns von Amerika herüberkamen, wo bei billigen Holzpreisen eine sehr große Fabrik
diesen Artikel in Masse producirte und denselben als Ballast nach Europa importirte.
Die Spitzen dieser Stifte bildeten vierseitige Pyramiden, und sind auch heute noch
so geformt, da die erwähnte Fabrik für diese Form ausschließlich eingerichtet ist
und eine Concurrenzfabrik auch heute dort noch nicht existirt.
Die erwähnte Form der Stiftspitzen mag im ersten Augenblick als die natürlichste
erschienen seyn; als man jedoch auch in Deutschland damit begann, Schuhmacherstifte
fabrikmäßig herzustellen, fand man bald, daß die erwähnte Spitzenform der
amerikanischen Stifte manche Uebelstände mit sich führte, und daß die Stifte, welche
nur zweiseitig, also nicht vierseitig, zugespitzt sind, als für die Praxis
vollkommener zu bezeichnen sind. Ob man zu diesem Schlusse durch das Unvermögen
Maschinen für vierseitig zugespitzte Stifte für den Fabrikbetrieb zu
construirenMan sehe die Maschine von O. Beylich in diesem
Journal Bd. CXLVII S. 12. gekommen, oder ob man in Deutschland erst die richtige Form der Stifte
erkannte und dann sein ausschließliches Augenmerk auf die Construction von Maschinen
verwandt hat, welche zweiseitig zugespitzte Stifte fertigen, müssen wir dahin
gestellt seyn lassen. Thatsache ist, daß die amerikanischen Stifte in Europa mehr
und mehr durch die deutschen – theureren – Stifte verdrängt worden und
in vielen Gegenden fast schon ganz vergessen sind. Nichtsdestoweniger finden sich
aber auch noch Gegenden, wo die Schuhmacher an der Gewohnheit festhalten,
amerikanische Stifte zu verarbeiten und die Fabrikanten bei Anlage von Stiftfabriken
deßhalb gezwungen sind, die Fabrication von amerikanischen Stiften zu betreiben, bei
welcher sie aber mit Benutzung unserer deutschen Maschinen nicht bestehen können und
überdieß Gefahr laufen, später doch die Einrichtung zur Fabrication deutscher Stifte
machen zu müssen. Mehrseitige Anfragen, welche in diesem Betreff in den letzten
Jahren an mich ergangen sind, veranlassen mich hier auf die Vortheile aufmerksam zu
machen, welche deutsche Stifte gegen amerikanische bieten, um dadurch vielleicht den
ersteren den ganz allgemeinen Eingang zu verschaffen, welchen sie verdienen. Es sey
die nachstehende Figur ein verticaler Durchschnitt eines in Arbeit befindlichen
Stiefels. A sey der Raum für den Leisten, a die Brandsohle, b das
verstärkende Seitenleder, c das Oberleder und d die Sohle. Sämmtliche Theile werden bekanntlich an
jeder Seite durch zwei Stiftreihen zusammengebracht. An der linken Seite unserer
Figur ist dieß mittelst deutschen, an der rechten dagegen mittelst amerikanischen
Stiften geschehen. Der
Schuhmacher schlägt die Löcher, welche Stifte aufnehmen sollen, mit einem flachen
Ohrt vor, und kommt dabei die Spitze desselben auch in den Leisten hinein. Je mehr
nun die Spitzenform der Stifte es verlangt, daß der Ohrt tiefer in den Leisten
eingetrieben wird, desto mehr leidet einerseits bei der Arbeit der Leisten, und
desto schwerer läßt sich andererseits der Leisten aus dem Stiefel herausbringen,
wenn derselbe fertig genagelt ist. Die Spitze der amerikanischen Stifte ist nun zum
Zusammenhalten des Leders gar nicht geeignet, und muß deßhalb ganz in den Leisten
getrieben werden, wogegen die nur zweiseitig gebildete deutsche Spitze in ihrer
ganzen Länge zum Verbinden geeignet ist und deßhalb höchstens bis zur Hälfte in den
Leisten getrieben werden darf.
Textabbildung Bd. 185, S. 274
Außer dem Vortheil, daß bei Anwendung der deutschen Stifte der Leisten geschont und
das Herausbringen desselben aus dem Stiefel, sowie das Fortnehmen der Spitzen
erleichtert wird, empfiehlt sich die Anwendung der deutschen Stifte gegen die
amerikanischen noch durch Folgendes: Man sieht es den amerikanischen Stiften an, daß
sie – nachdem die pyramidalen Spitzen durch Hobeln gebildet sind, –
von den Spitzen aus gespalten werden. Die Kanten der vierseitigen Prismen haben nahe
den Spitzen dadurch meist an Schärfe und somit auch an dieser wichtigsten Stelle an
Bindekraft verloren. Bei der Fabrication von deutschen Stiften spaltet man erst aus
Scheiben, welche zur Höhe die Stiftlänge haben, Blättchen von der Dicke der Stifte
ab, spitzt diese zweiseitig an, und spaltet dann eine Partie derselben von dem
Kopfende aus zu ihrer letzten Form. Die Kanten der vierseitigen Prismen bleiben
dabei in ihrer ganzen Länge vollkommen scharf. Die deutschen Stifte haben deßhalb
auch ein eleganteres Ansehen, welches dieselben als Handelswaare mehr empfiehlt.