Titel: | Ueber das Vorkommen des Phosphorits in Nassau; von Dr. H. Grüneberg. |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LXXXIII., S. 289 |
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LXXXIII.
Ueber das Vorkommen des Phosphorits in Nassau;
von Dr. H.
Grüneberg.
Aus dem Wochenblatt zu den preußischen Annalen der
Landwirthschaft, 1867, Nr. 31.
Grüneberg, über das Vorkommen des Phosphorits in
Nassau.
Das erste bedeutendere Vorkommen der Phosphorite an der Lahn wurde von Hrn. Victor
Meyer in Limburg im Frühjahre 1865 mehr durch Zufall
entdeckt. Dieser fand nämlich beim Schürfen auf Braunstein ein Gestein, von dem er
nicht wußte, was damit zu machen, und welches er deßwegen dem Medicinalrath Dr. Mohr zu Coblenz behufs
Analysirung übergab.
Dr. Mohr fand bald, daß dieß Gestein ein phosphorsaurer
Kalk war, und bald wurde auch der Finder auf die Wichtigkeit dieses Materiales und
auf dessen Verwendbarkeit zur Düngerfabrication mehrseitig aufmerksam gemacht.
Weitere Aufschlüsse veranlaßten Victor Meyer, das neue
Mineral den Düngerfabrikanten anzubieten, welche ihm dasselbe willig abnahmen.
Dieß Vorkommen befand sich bei Staffel, einem Dörfchen gegenüber Limburg an der Lahn
gelegen; das Mineral ist eingebettet in einer durch dolomitischen Kalk gebildeten,
von Schalstein begrenzten Mulde von nicht großer Ausdehnung, und wird der Phosphorit
in Knollen von Pfundschwere und darüber bis zu der einiger Centner in einer Teufe
von etwa 5–6 Lachter gefunden. Die Knollen, resp. Blöcke, haben eine
gelbbraune Farbe. Im Inneren zeigen sie oft Klüfte, deren Wände mit einer grünen,
hornartigen und durchsichtigen Kruste umgeben resp. durchdrungen sind, welche die
Stücke wie mit Warzen bedeckt erscheinen läßt; sie liegen ähnlich wie der Braunstein
in einem zähen Letten nesterweis bei einander und sind von kleinen Fragmenten
umgeben, die als Waschstein mit zur Förderung kommen. Die günstige Verwerthung des
Materiales veranlaßte den Finder zu einer energischen Ausbeutung, und da die
Fabrikanten nach einer hochgradigen Waare verlangten, zur Errichtung einer
Aufbereitungsanstalt an der Lahn. Die Förderung, die nunmehr fast ausgebeutet seyn
dürfte, mag bis heute wohl circa 200,000 Ctr. erreicht
haben. Die Hauptproduction wurde nach England exportirt.
Angeregt durch die Resultate des oben genannten Victor Meyer begann nun ein ausgedehntes Forschen nach weiteren Fundorten, und
stellte es sich hierbei heraus, daß das Vorkommen des Phosphorits sich auf die ganze Kalkformation an
der Lahn und Dill erstreckt, in bald weniger bedeutenden Mulden von einigen hundert
Centnern Ergiebigkeit bis zur reicheren von mehreren 100,000 Centnern, wie die
vorhin erwähnte.
Von größerer Bedeutung sind die Vorkommen bei Staffel-Dehrn, Edelsberg,
Kubach, Weinbach und das in der letzten Zeit von Vorster
und Grüneberg bei Katzenellenbogen aufgeschlossene,
welches ein effectiv lagerförmiges von beiläufig 20 Fuß Mächtigkeit und wohl das
bedeutendste bisher entdeckte ist. Charakteristisch für das
Phosphorit-Vorkommen ist, daß dasselbe sich nur da findet, wo aufgelöster
Schalstein-Porphyr mit dem Kalk zusammentrifft, und findet sich derselbe je
nach diesem Zusammentreffen bald in größerer, bald in geringerer Teufe. Am
regelmäßigsten und bedeutendsten ist das Vorkommen auf der Grenze zwischen Kalk und
aufgelöstem Porphyr, wie dieß bei den von V. und G. gemachten Aufschlüssen der Fall
ist. Der Porphyr läßt sich von Katzenellenbogen über Oberneisen bis Netzbach
verfolgen; auf dieser ganzen Erstreckung ist der Phosphorit von den Genannten in
hervorragender Qualität aufgeschlossen. Abhängig von dem Vorkommen ist der Gehalt
des Productes, welcher zwischen 40 und 80 Proc. dreibasisch phosphorsaurer Kalkerde
schwankt; Farbe und Aeußeres des Phosphorits ist ebenso mannichfaltig und liegt
zwischen einem tiefen Dunkelbraun und lichtem Hellgelb; es kommen selbst Nester ganz
weißen Gesteines vor. Auch die Härte des Minerals schwankt außerordentlich und
bewegt sich zwischen der des derben Kalksteines und einer lose zusammenhängenden,
leicht zerreiblichen Beschaffenheit, jedoch zeichnet eine gewisse Sprödigkeit den
phosphorsauren Kalk im Allgemeinen aus. Es gibt wenig Mineralien, deren Aeußeres so
verschiedenartig ist, wie der Phosphorit, so daß eine lange Uebung dazu gehört,
brauchbares Material von unbrauchbarem zu unterscheiden. Der Phosphorit enthält
neben dreibasisch phosphorsaurem Kalk kohlensauren Kalk, 3–4 Proc.
Fluorcalcium (Flußspath), Thon, Bittererde, Braunstein und Eisen je einige Procente.
An kleineren Bestandtheilen ist „Jod“ vom Verfasser dieses
darin nachgewiesen.
Die Thatsache, daß der Phosphorit stets in Kalkmulden und Klüften und immer in der
Nähe des Schalsteins resp. Porphyrs vorkommt, läßt vielleicht auf seine
Entstehungsweise schließen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Schalstein und
Porphyr, durch kohlensäurehaltige Wässer ausgelaugt, phosphorsäurehaltige Lösungen
geliefert, welche Kalkstein-Knollen resp. Blöcke durchdrungen und dieselben
in phosphorsauren Kalk verwandelt haben. Nach anderer Ansicht sollen die
Phosphoritblöcke aus Phosphorsäurereichem kohlensaurem Kalk entstanden seyn.
Kohlensäurehaltige Wässer hätten den kohlensauren Kalk aufgelöst und phosphorsauren Kalk
zurückgelassen. Der Verf. enthält sich eines Urtheils über diese Auffassung. Zum
Theil scheint übrigens der Phosphorit den jüngsten Formationen anzugehören, da auf
einer Stelle, in der Nähe von Allendorf, ein Phosphorit gefunden ist, welcher
massenhaft Abdrücke von Kalkspath zeigt, zum Theil noch mit Kalkspathkrystallen
ausgefüllt ist. Diese Stücke zeigen die eigenthümliche Eigenschaft, daß die in unmittelbarer Nähe der Kalkspathkrystalle befindlichen
Theile derselben am reichsten an Phosphorsäure sind (sie enthalten bis zu 80 Proc.
phosphorsauren Kalk), während die von den Krystallen entfernteren Lagen der
Phosphoritknollen erheblich ärmer an Phosphorsäure sind. Auf eine Auslaugung des
kohlensauren Kalkes läßt dieß Vorkommen sicherlich nicht schließen.
Der Jod-Gehalt der meisten Phosphorite ließ vielleicht den Ursprung der
Phosphorsäure aus Seethierchen vermuthen, wie dieß Dr.
Mohr angenommen hat; jedoch scheint das
tropfsteinartige Aeußere gewisser Phosphate entschieden dafür zu sprechen, daß, wie
oben angedeutet, gelöste Phosphorsäure-Verbindungen Kalktrümmer infiltrirt
und umhüllt haben.
Es läßt sich nicht verkennen, daß noch weitere Phosphorit-Aufschlüsse zu
machen sind und gemacht werden. Was jedoch die Sache erschwert, ist, daß
phosphorsaurer Kalk nicht zum Bergregal gehört. Nicht allein müssen viele Versuche
deßwegen ganz unterbleiben, sondern es scheitert auch die Abgewinnung manchen
Vorkommens an dem Eigensinn der Grundeigenthümer. Seit dem Herbste des vergangenen
Jahres ist der Nassauer Phosphorit Gegenstand einer lebhaften Speculation geworden.
Nach dem preußischen Berggesetz gehört Phosphorit, wie angegeben, zu denjenigen
Mineralien, welche Eigenthum der Grundbesitzer sind. Es sind nun mit diesen
Grundbesitzern von Speculanten Pachtverträge, welche sich auf das Recht der
Ausbeutung des phosphorsauren Kalkes aus ihren Aeckern beziehen, gegen mäßige
Bedingungen, zum Theil nur gegen geringe Oberflächenentschädigung, abgeschlossen
worden, welche Pachtverträge dann zu bedeutenden Summen an Bergbautreibende und
Phosphorit consumirende Fabrikanten verkauft wurden.
Der Nassauer Phosphorit wird in Zukunft ein wichtiger Exportartikel werden, und schon
hat ein englisches Haus einen großen Theil des Phosphoritterrains pachtweise an sich
gebracht. Hoffentlich aber steigert sich der Consum an Hülfsdüngern, speciell an
Superphosphat in Deutschland der Art, daß der größere Theil des Nassauer
Phosphorites im Lande verbleibt, daß es nicht so geht, wie lange Zeit hindurch mit
der Ausfuhr deutscher Knochen.
Der Phosphorit in Nassau und die Kalisalze in Staßfurt begünstigen uns Deutsche vor
anderen Nationen für Betreibung einer rationellen und ergiebigen Landwirthschaft.
Mögen diese Vorzüge bald allgemein anerkannt und benutzt werden.
Kalk bei Deutz, den 27. März
1867.