Titel: | Ueber die Verwendung des Canadols zur Extraction der Oelsamen; von Dr. H. Vohl. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. CXXIX., S. 457 |
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CXXIX.
Ueber die Verwendung des Canadols zur Extraction
der Oelsamen; von Dr. H.
Vohl.
Vohl, über die Verwendung des Canadols zur Extraction der
Oelsamen.
Im zweiten Maiheft 1867 dieses Journals (Bd. CLXXXIV S. 362) hat Hr. C. Kurtz, Fabrikant in Cöln, meine Angaben bezüglich der
Extraction der Oelsamen vermittelst Canadol einer Besprechung resp. Kritik
unterworfen und meine Mittheilungen, die Schwefelkohlenstoff-Extraction
betreffend, mannichfaltig in Zweifel gezogen.
Ich halte es demnach im Interesse der Sache selbst für unerläßlich, auf die Kurtz'schen Aeußerungen näher einzugehen und die Unhaltbarkeit derselben darzuthun.
Zunächst beanstandet Hr. Kurtz die Annahme der Zersetzung
des Schwefelkohlenstoffs während der Extraction der Samen; er sagt nämlich S. 662
und 663: „Eine Zersetzung des Schwefelkohlenstoffs, wenn dieselbe nicht
noch anderweitig nachgewiesen ist, kann also auf diese Weise (durch das
Auftreten von Schwefelwasserstoff und Schwefel) nicht begründet seyn;
quantitativ (resp. durch Schwefelkohlenstoff-Verlust) ist sie auch nicht
bemerkbar.
Diese Annahme des Hrn. Kurtz ist eine ganz irrige, wie aus
dem Nachfolgenden erhellen wird.
Die schwefelhaltigen, theils schwer-, theils nichtflüchtigen
Zersetzungsproducte, welche durch die Einwirkung des Schwefelkohlenstoffs auf die
Samenbestandtheile resultiren und in dem fetten Oele gelöst bleiben, sind bisher
ihrer Natur nach so gut wie nicht gekannt. Es ist nur der Schwefelgehalt des resultirten
Oeles, der die Gegenwart der schwefelhaltigen Verbindungen constatirt. Der bei der
Extraction auftretende leichtflüchtige Schwefelwasserstoff, welcher in dem
angewandten Schwefelkohlenstoff nicht präexistirte, gab
zuerst Kunde van der statthabenden Zersetzung, resp. von dem Zerfallen des
Lösemittels. Der Schwefelwasserstoff allein kann jedoch selbstverständlich nicht für
die Qualität und Quantität der anderen Zersetzungs- und Spaltungsproducte
maßgebend seyn.
Bei der Extraction mit Schwefelkohlenstoff ist ferner ein gewisser unvermeidlicher Verlust des Lösemittels eine zu bekannte
Thatsache, als daß man dieselbe in Abrede stellen könnte. Die Quantität des
unvermeidlichen Verlustes ist aber je nach der Temperatur und anderen Zufälligkeiten
sehr veränderlich, und es ist demnach selbstredend augenblicklich absolut unmöglich
zu bestimmen, welcher Theil des Gesammtverlustes der eigentlichen Zersetzung und
welcher dem unvermeidlichen Verluste durch Verdunstung etc. zuzuschreiben ist.
Das beständige Auftreten des Schwefelwasserstoffs bei dem
Extrahiren der Oelsamen mit schwefelwasserstofffreiem Schwefelkohlenstoff, sowie
der Schwefelgehalt aller vermittelst dieser Methode resultirter Samenöle,
sprechen unzweifelhaft für die statthabende Zersetzung des
Lösungsmittels.
Inwiefern noch das Sinapin bei den Cruciferen vielleicht einen Antheil an dieser
Zersetzung nimmt, muß ich einstweilen dahin gestellt seyn lassen; doch ist es nicht
unwahrscheinlich, daß auch dieser Körper bei der Zersetzung mitspricht. Besonders
wird dieses der Fall seyn, wenn Wasser in Thätigkeit tritt, und demnach wird
frischer, wasserreicher Same mehr wie alter und trockener Same Veranlassung zur
Zersetzung dieses Lösungsmittels geben.
Auch haben directe Versuche letztere Ansicht bestätigt. Nichts destoweniger werden
noch eine Reihe von Versuchen den wahren Thatbestand erst feststellen können.
Bezüglich der irrigen Ansicht, welche Hr. Kurtz
hinsichtlich der Austreibung des Schwefelkohlenstoffs über freiem Feuer entwickelt,
verweise ich denselben, um Wiederholungen zu vermeiden, auf meine (vorstehende)
Widerlegung der unbegründeten Einwürfe E. F. Richter's.
In Bezug auf die von mir erwähnte Seife, welche das Silber schwärzte und bei welcher
es sich zufolge der vorgenommenen Recherchen unzweifelhaft herausstellte, daß man
sie aus Oel bereitete welches vermittelst Schwefelkohlenstoff extrahirt worden war,
sagt Hr. Kurtz: „Die von Dr. Vohl untersuchte Seife könnte auch von schlecht gereinigtem Oele herrühren,
welches noch etwas Schwefelwasserstoff, mit dem der Schwefelkohlenstoff meist in geringem Grade verunreinigt ist, enthalten
hätte.“
Von einem Schwefelwasserstoffgehalte des fertigen Oeles kann aber keine Rede seyn,
wenn man nicht eine weitere Zersetzung des noch im Oele enthaltenen Lösungsmittels
oder aber der in demselben sich vorfindenden schwefelhaltigen Körper annimmt, weil
durch die Behandlung des mit den fetten Oelen beladenen Schwefelkohlenstoffs mit
Wasserdämpfen (beim Abblasen) schon gleich zu Anfang sich sämmtlicher
Schwefelwasserstoff, sowohl der präexistirende wie auch
der durch die Zersetzung gebildete, seiner größeren
Flüchtigkeit wegen entwickelt wird. Er ist vollständig theils in den
zuerstübergehenden Portionen des Destillates, resp. dem Lösungsmitel, enthalten,
theils entweicht er gasförmig.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß man den Schwefelkohlenstoff durch einfache
Destillation, ohne allen weiteren Zusatz, von seinem Schwefelwasserstoffgehalt
befreien kann. Eine Destillation mit Wasserdämpfen liefert dasselbe Resultat;
sämmtlicher Schwefelwasserstoff ist auch hier theils in dem zuerst übergehenden
Destillat enthalten, theils entweicht er gasförmig.
Es kann somit die Ansicht des Hrn. Kurtz, daß das
schlechtgereinigte Oel noch Schwefelwasserstoff enthalten könne, welcher in dem
zum Extrahiren angewandten Schwefelkohlenstoff präexistirte, unmöglich richtig
seyn und widerspricht jeder Erfahrung.
Die Angabe des Hrn. Kurtz, es komme häufig Oeltrüb mit
einem bedeutenden Schwefelwasserstoffgehalt bei der Fabrication ordinärer Seifen in
Anwendung, entbehrt eines jeden thatsächlichen Haltepunktes. Dieser Irrthum beruht
lediglich auf der Verwechselung des Schwefelwasserstoffs mit Schwefelsäure.
Die Schwärzung des Silbers beruht, wie ich schon früher bemerkt, nur auf den in der
Seife vorkommenden Schwefelalkalien, welche in Folge der Einwirkung der Alkalien auf
die schwefelhaltigen Körper in dem angewandten Oele während der Verseifung
entstanden waren.
Hr. Kurtz sagt weiter S. 363: „Daß in dem mit
Schwefelkohlenstoff extrahirten Oele ein harzartiger Körper enthalten sey,
welcher die Ursache eines schnellen Ranzigwerdens seyn soll, ist nicht
wahrscheinlich, denn solches Oel, in offenen Gefäßen aufbewahrt, ließ nach einem
halben Jahre noch keine Veränderung im Geruch und Geschmack
wahrnehmen.“
Daß eine solche Prüfung, wie Hr. Kurtz sie in Anwendung
brachte, keineswegs
zulässig ist, dem Chemiker aber ganz andere und sichere Mittel zu Gebote stehen, um
die Veränderungen, resp. das Ranzigwerden und Verharzen des Oeles festzustellen, ist
selbstverständlich. Die Geschmacks- und Geruchsempfindungen sind zu einer
zweifellosen Constatirung um so weniger geeignet als es nachgewiesen ist, daß Oele
oft schon eine Zersetzung erlitten haben können, welche bei der Benutzung derselben
als Schmiermaterialien beeinträchtigend auftrat, und durch chemische Untersuchungen
unzweifelhaft dargethan wurde, nichts destoweniger aber den Geschmack und den Geruch
in keiner Weise alterirte. Außerdem daß der Harzgehalt des Oeles auch durch die
Analyse unzweifelhaft nachgewiesen wurde, wird für die Existenz dieser nachtheiligen
Substanz in dem Oele noch dadurch ein schlagender Beweis geliefert, daß der mit Canadol erschöpfte Samenrückstand mit
Schwefelkohlenstoff behandelt einen harzigen klebrigen Körper an letzteres
Lösungsmittel abgibt, der nach dem Verdunsten des Schwefelkohlenstoffs
zurückbleibt.
Auf derselben Seite sagt Hr. Kurtz: „Auch bei
der Verwendung als Maschinenölhielt das mit Schwefelkohlenstoff extrahirte Oel
sich auf den Messinglagern ungewöhnlich lange, ehe es sich grün färbte, ehe also
eine Zersetzung eintrat. Bekanntlich wird in feuchter Atmosphäre schließlich
jedes Oel durch das Metall verändert, sehr schnell aber wenn es nur etwas
Oelsäure enthält.“
Bezüglich dieser Angaben des Hrn. Kurtz ist zu bemerken,
daß schwefelhaltige Oele sich selten grün färben, daß sie aber in Folge des Schwefelgehaltes sich in
Berührung mit dem Metall häufig schwarz färben (wie man
dieses gewöhnlich bezeichnet „schwarz laufen“ ) und zwar in
Folge der Bildung eines Schwefelmetalles.
Was das „lange Halten“ der Oele auf
den Messinglagern betrifft, so hätte jedenfalls die Geschwindigkeit der Bewegung und die Zeit angegeben seyn müssen, um nur in
etwas die Schmierfähigkeit des Oeles bemessen zu können. Die Angabe, daß alle Oele
in feuchter Atmosphäre schließlich durch das Metall verändert werden und diese
Veränderung durch den Gehalt von Oelsäure beschleunigt wird, muß in richtiger Form
heißen: schließlich wird jedes Oel bei Gegenwart von Wasser, resp. feuchter
Atmosphäre, durch ein Metalloxyd verändert; um so
schneller wenn das Oel schon eine Säure enthält. Ist Oelsäure in dem Oele enthalten, so werden die Messinglager unendlich schneller angegriffen, da sie befähigt ist bei
gewöhnlicher Temperatur sehr schnell das 20fache ihres
Volumens Sauerstoff zu absorbiren und dadurch eine energische Oxydation des Messings
einzuleiten. Die gebildeten Metalloxyde lösen sich alsdann in der freien Oelsäure
und bilden zähe
pflasterartige Massen, ölsaure Verbindungen. Aus diesem Grunde kann auch die
Oelsäure der Stearinfabriken nicht als Maschinenöl verwendet werden, obgleich oft
noch große Mengen Oleïn in derselben vorhanden sind. Dasselbe gilt für die
Oele welche durch Extraction mit Schwefelkohlenstoff aus den Rückständen der
Stearinfabriken, resp. Talgschmelzereien gewonnen werden.
Hr. Kurtz sagt weiter, nachdem er den
Schwefelkohlenstoffgehalt des Oeles besprochen hat, S. 363: „Solches Oel
enthält in den Verbrennungsproducten auch schweflige Säure, während das gut gereinigte Oel (resp. dessen
Verbrennungsproduct) vollständig davon frei
ist.“
Die unrichtige Annahme des Hrn. Kurtz, daß das gut
gereinigte, resp. abgeblasene Oel keinen Schwefel enthalte, kann nur in Folge der
von ihm angewandten mangelhaften Methode bei dem Nachweis entstanden seyn. Der
Nachweis des Schwefels als schweflige Säure in den Verbrennungsproducten ist kein
leichter und zuverlässiger. Er kann bei geringem Gehalt
nicht ohne einen ziemlich complicirten Aspirationsapparat und Verbrennung
erheblicher Mengen Oel mit Sicherheit dargethan werden. Diese Methode ist aber in
der Hand des Laien höchst unsicher. Ein sicherer Beweis der An- oder
Abwesenheit des Schwefels läßt sich nur mit Kalium und Nitroprussidnatrium erzielen
(s. dieses Journal Bd. CLXVIII S. 49).
Letztere Methode gibt auch dann noch eine deutliche Schwefelreaction, wenn nach
ersterer selbst von der Hand eines Fachmannes dieser Körper nicht mehr mit Gewißheit
nachzuweisen ist.
Die Angaben des Hrn. Kurtz bezüglich der Abwesenheit des
Schwefels in den mit Schwefelkohlenstoff resultirten Oelen sind folglich nicht
allein in Zweifel zu ziehen, sondern sie sind geradezu falsch, weil sie auf einer
mangelhaften Nachweismethode basiren. So weit meine Versuche bis jetzt reichen,
haben alle Cruciferen beim Behandeln mit Schwefelkohlenstoff schwefelhaltige Oele ergeben, wohingegen bei der Extraction mit Canadol
dieselben schwefelfreie Producte lieferten.
Hr. Kurtz bemerkt weiter S. 363. „Eine irrige
Voraussetzung, welche man häufig beim Schwefelkohlenstoff gemacht hat und die,
wie es scheint, auch von Hrn. Dr. Vohl begangen worden ist, besteht darin zu glauben,
im extrahirten Oele befänden sich auch alle die Stoffe
nicht, welche nicht vom Lösungsmittel gelöst werden; so enthalte das
mit Canadol gelöste Oel den harzartigen Körper nicht, der sich in dem mit
Schwefelkohlenstoff gelösten Oele vorfindet, weil er in Schwefelkohlenstoff
löslich ist.“
Diese Annahme des Hrn. Kurtz ist aber weder thatsächlich
noch wissenschaftlich in
irgend einer Weise begründet, vielmehr das Gegentheil als erwiesene Thatsache zu
betrachten. Hat nämlich ein Körper eine gewisse auflösende Kraft einem zweiten
gegenüber und mischt man alsdann der resultirten Auflösung einen dritten hinzu, der
die auflösende Kraft für den zweiten nicht besitzt, so wird die auflösende Wirkung
des ersten Körpers beeinträchtigt, resp. von dem gelösten Körper proportional der Zusatzmenge aus der Lösung
ausgeschieden.
Auf dieser Thatsache beruht ja eine unendliche Zahl chemischer Trennungen, sowohl in
der analytischen wie auch in der technischen Chemie. Versetzt man z.B. eine
weingeistige Harz- oder Fettlösung mit Wasser, so wird proportional dem
Wasserzusatz das gelöste Harz oder Fett ausgeschieden. Ganz dasselbe gilt auch, wenn
man direct eine Mischung von Weingeist und Wasser auf Harz oder Fett einwirken läßt,
d.h. es wird sich nur proportional dem Weingeistgehalt von dieser Substanz lösen.
Versetzt man eine luftfreie wässerige Blutlaugensalzlösung mit einem Aequivalent
luftfreier Chlorwasserstoffsäure, so bildet sich Chlorkalium und
Ferrocyanwasserstoffsäure; beide Körper bleiben in der Flüssigkeit gelöst, es findet
keine Ausscheidung Statt; setzt man jedoch dieser Flüssigkeit Aether zu oder leitet
man Aetherdampf in die Flüssigkeit, so scheidet sich die Ferrocyanwasserstoffsäure
in Form zarter Nadeln aus, weil Aether sich nicht als ein Lösungsmittel diesem
Körper gegenüber verhält und dessen Löslichkeit in Wasser größtentheils aufhebt. Aus
einer wässerigen Kochsalzlösung fällt concentrirte Salzsäure das Chlornatrium
aus.
Der Schwefelkohlenstoff macht keine Ausnahme von dieser
Regel. Er bewirkt bei allen Substanzen, für welche er keine lösenden Eigenschaften
besitzt, eine Ausscheidung, wenn dieselben in einem Medium gelöst wurden, welches
auch dem Schwefelkohlenstoff gegenüber sich lösend verhält.
Die lösende Kraft des Schwefelkohlenstoffs ist viel größer wie die des Canadols. Es
gibt fast kein Fett oder Harz, welches nicht von dem Schwefelkohlenstoff gelöst wird, wohingegen viele der in
Schwefelkohlenstoff löslichen Substanzen in Canadol nicht
löslich sind.
Gerade diese geringere lösende Kraft des Canadols macht
dasselbe bei der Extraction dem Schwefelkohlenstoff gegenüber so
schätzenswerth.
Um noch weitere Beweise zu liefern, daß die Kurtz'schen
Ansichten bezüglich der Auflösungskraft des Schwefelkohlenstoffs und des Canadols
ganz irrig sind und nur in Folge Mangels betreffender Experimente oder in Folge schlecht
ausgeführter Versuche entstanden seyn können, führe ich nachfolgende Thatsachen
an.
Löst man in reinem erwärmten Rüböl Harz auf und versetzt diese Lösung mit
Schwefelkohlenstoff, so bleibt dieselbe klar und es findet keine Ausscheidung Statt.
Wird dagegen die obige Harzlösung mit Canadol versetzt, so trübt sich sofort das
Gemisch und bei hinreichendem Zusatz wird schließlich alles Harz ausgeschieden.
Setzt man nun, nachdem die Ausscheidung des Harzes mit Canadol stattgefunden hat,
Schwefelkohlenstoff hinzu, so löst sich das Harz wieder auf und man kann nun durch
weiteren Canadolzusatz das Harz nicht mehr fällen.
Vermischt man Ricinusöl mit Schwefelkohlenstoff, so löst sich dasselbe augenblicklich
auf und bildet eine klare Lösung. Wird dagegen Canadol mit Ricinusöl
zusammengebracht, so erhält man eine milchige Emulsion, welche sich in zwei
Schichten trennt; das Ricinusöl scheidet sich beinahe vollkommen wieder ab. Aus
diesem Grunde können die Ricinussamen nicht allein mit Canadol extrahirt werden; nur
ein mildes fettes Oel, welches keine purgirenden Eigenschaften hat, wird denselben
durch Canadol entzogen. Vermischt man ein fettes Oel mit Ricinusöl, so erhält man
eine klare Flüssigkeit; Schwefelkohlenstoffzusatz verändert sie nicht; dagegen
bringt ein Zusatz von Canadol sofort eine Trübung hervor und das Ricinusöl wird am
Boden als eine dicke Masse wieder ausgeschieden.
Das Canadol ist deßhalb ein vortreffliches Mittel, um in Oelgemischen Harz und
Ricinusöl nachzuweisen. (Bekanntlich wird häufig in den Maschinenölfabriken
Ricinusöl und Harz als Verdickungsmittel zum großen Nachtheil der Konsumenten in
Anwendung gebracht.)
Extrahirt man Raps- oder Rübsamen mit Schwefelkohlenstoff, entfernt das
Lösungsmittel vollständig durch Abblasen mit Wasserdämpfen und setzt dem klaren,
wasserfreien, erkalteten Oele Canadol zu, so entsteht eine
Trübung und schließlich ein Bodensatz, der alle Eigenschaften eines wahren
Harzes hat. Derselbe war also von dem Schwefelkohlenstoff den Samen resp.
Samenhülsen entzogen worden, gelangte so in das Oel und wurde durch Zusatz von
Canadol ausgeschieden. – Aus diesen Experimenten geht klar hervor, daß die
Ansichten des Hrn. Kurtz auch in dieser Richtung weder
theoretisch, noch thatsächlich gerechtfertigt, und deßhalb nicht stichhaltig
sind.
S. 363 sagt Hr. Kurtz: „Ich habe viele unreine
Fette extrahirt und sie nachher stets mit den in den
Fetten löslichen Körpern verunreinigt gefunden, auch wenn diese Körper im Lösungsmittel vollständig unlöslich waren.
Daß Hr. Kurtz bisher viele unreine Fette
extrahirt hat und daß sein Product stets mit den im Fette löslichen Körpern
verunreinigt war, wird Niemand bestreiten; daß jedoch diese die Verunreinigung
veranlassenden Körper, welche er leider nicht namhaft macht, in Schwefelkohlenstoff unlöslich seyn sollen, ist
nicht anzunehmen.
Bezüglich des Lösungsvermögens des Canadols verweise ich Hrn. Kurtz auf meine Abhandlung in diesem Journal Bd. CLXXXII S. 322.
Hr. Kurtz bespricht nun weiter die Behandlung des
ausgezogenen Samenrückstandes behufs Entfernung des in demselben enthaltenen
Lösungsmittels. Der Vorschlag, den entfetteten Oelsamenrückstand direct mit
Wasserdämpfen zu behandeln, ist gewiß nichts weniger als praktisch, und zwar aus
folgenden Gründen:
Wie schon früher bemerkt, enthalten die Samen der Cruciferen sogenanntes Sinapin,
welches bei Gegenwart einer eiweißähnlichen Substanz (dem Senfemulsin) und Wasser
zur Bildung des ätherischen Senföls (Allylsulfocyanür) Veranlassung gibt. Nach Bussy (Journal de Pharmacie
t. XVI p. 39) wird die Bildung des ätherischen
Senföls durch die Einwirkung von Myrosin, einer eiweißartigen Substanz, auf
myronsaures Kali (beide Körper kommen in den Samen der meisten Cruciferen vor) unter
Mitwirkung von Wasser bedingt. Würde man demnach nach der Angabe des Hrn. Kurtz den Samenrückstand der ölgebenden Cruciferen direct
mit Wasserdämpfen behandeln, so würde man auf der einen Seite eine Bildung von
ätherischem Senföl hervorrufen, welches durch die überschüssigen Wasserdämpfe
weggeführt mit in das abgeblasene Lösungsmittel gelangte und so dasselbe
verunreinigte, auf der anderen Seite würde aber bei allen Samen der Amyloide das
Amylum durch die Einwirkung der Wasserdämpfe eine kleisterartige Masse bilden,
welche schlechterdings nicht mehr in eine für das Publicum handliche Form zu bringen
wäre, da ja von einem Abdampfen resp. Trocknen im Großen keine Rede seyn kann.
Die Samenrückstände müssen bei vollständigem Ausschluß von Wasser von dem
Lösungsmittel befreit werden.
Hr. Kurtz sagt weiter: S. 364: „In kochendem
Wasser (welches natürlich durch stets zuströmendes kochendes Wasser auf dem
Siedepunkt erhalten werden muß) geht die Dampfentwickelung des
Schwefelkohlenstoffs nur langsam vor sich und die letzten Spuren desselben sind
sehr schwer zu entfernen, obgleich die Temperaturdifferenz zwischen kochendem
Wasser und kochendem Schwefelkohlenstoff beim Atmosphärendruck 52° C.
beträgt. Diese Erscheinung ist freilich nicht vereinzelt; bedarf es doch auch
einer Temperatur von 150°, um mit Wasser gewaschenes Fett ganz trocken zu
kochen.“
Auch diese Aufstellungen ermangeln der Richtigkeit, insofern die Dampfbildung des
Schwefelkohlenstoffs bei der Siedhitze des Wassers sehr
schnell vor sich geht, wenn man nur der Wegschaffung des gebildeten Dampfes
Rechnung trägt, d.h. wenn man vermittelst Pumpen resp. Exhaustoren den gebildeten
Dampf aus den Samenrückständen entfernt, in welchem Falle das Entfernen des
Lösungsmittels aus den Samenrückständen durchaus keine Schwierigkeit darbietet.
Was die Angabe anbelangt, daß das mit Wasser gewaschene Fett erst bei 150° C.
sein Wasser vollständig verliert, so hat diese Erscheinung mit der Verdampfung des
Schwefelkohlenstoffs nichts gemein; sie beruht lediglich darauf, daß einige Fette
resp. fette Säuren ihr chemisch gebundenes Wasser (Hydratwasser) erst bei dieser
erhöhten Temperatur ausgeben.
S. 365 sagt Hr. Kurtz: „Ich habe deßhalb zur
Entfernung des Schwefelkohlenstoffs aus dem entfetteten Samen einen neuen Weg eingeschlagen, wobei die Rückstände gleich
trocken erhalten werden und die Operationen in Bezug auf die Reinheit der
Rückstände vom Schwefelkohlenstoff und die Zeitdauer sicher sind.“
Leider entzieht Hr. Kurtz seinen neuen Weg, durch
Geheimhalten desselben, jeder Beurtheilung.
Die fernere unrichtige Angabe des Hrn. Kurtz betreffend,
daß der Samenrückstand nicht in Pulverform erhalten
werde, habe ich der verehrlichen Redaction Proben dieses Rückstandes zur
Beurtheilung übersendet.
Seite 366 sagt Hr. Kurtz: „Vergleicht man nach
dem Vorstehenden den Werth des Schwefelkohlenstoffs als Extractionsmittel mit
dem des Canadols, so erkennt man zunächst, daß keineswegs die chemischen
Eigenschaften dem einen dieser Lösungsmittel einen Vorzug geben; darin kann man
beiden gleiches Verhalten zuerkennen und es würde dann nur der Preis für die
Anwendung entscheidend seyn.“ Aus meinen Versuchen erhellt zur
Genüge, welchen Werth diese Aufstellung des Hrn. Kurtz
hat, und daß nur Unkenntniß dieselbe veranlaßte.
Schließlich bespricht Hr. Kurtz die Feuergefährlichkeit
des Schwefelkohlenstoffs und des Canadols, und gelangt zu der Ansicht, daß das
Canadol feuergefährlicher als der Schwefelkohlenstoff sey. Er sagt: „Bei
Operationen mit so feuergefährlichen Stoffen ist aber eine Erhöhung der
Sicherheit von solcher Wichtigkeit, daß die Anwendbarkeit des Canadols im Großen
dadurch wohl hinreichend in Frage gestellt wird.“
Die Feuergefährlichkeit eines Körpers hängt lediglich von seiner Entzündlichkeit
resp. Entzündungstemperatur und seiner Verbrennungswärme ab. Liegt die
Entzündungstemperatur sehr tief, und ist dabei seine Verbrennungswärme eine hohe, so ist die
Feuergefährlichkeit groß, weil dann durch eine verhältnißmäßig geringe
Temperaturerhöhung eine Entzündung stattfindet und die bei dem Verbrennen
entstandene Wärme, die Entzündungstemperatur bedeutend übersteigend, stets neue
Massen zur Entzündung bringt. Vergleicht man nun die Feuergefährlichkeit des
Schwefelkohlenstoffs mit derjenigen des Canadols, so ergibt sich Folgendes: Der Schwefelkohlenstoff ist schon bei ein er Temperatur
entzündbar, welche wenig höher als die des siedenden Quecksilbers ist. Ein
glimmender Span, eine brennende Cigarre vermag den Schwefelkohlenstoff resp. das
Schwefelkohlenstoffgas zu entzünden, wohingegen das Canadol erst durch einen
flammenden Körper entzündet werden kann, und somit eine bei weitem höhere
Entzündungstemperatur erheischt als der Schwefelkohlenstoff. Man ist
deßhalb gewiß nicht berechtigt, dem Schwefelkohlenstoff den Vorzug zu geben.
– Bezüglich des Preises ist ebenfalls das Canadol dem Schwefelkohlenstoff
vorzuziehen. – Außerdem ist bei der Anwendung des Canadols und des
Schwefelkohlenstoffs in sanitätspolizeilicher Hinsicht noch zu bemerken, daß beide
Anästhetica sind und auf die Gesundheit der Arbeiter einen schädlichen Einfluß
ausüben können, daß aber die Einwirkung des Schwefelkohlenstoffs viel nachtheiliger
und gefährlicher ist als die des Canadols (siehe Eulenberg's Lehre von den schädlichen und giftigen Gasen, S. 395 und
518).
Cöln, im Juli 1867.