Titel: | Zur Naphtalin-Industrie. – Ueber das Naphtalin und seine Verwendung in der Technik; von Dr. H. Vohl in Cöln. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XXXIII., S. 138 |
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XXXIII.
Zur Naphtalin-Industrie. – Ueber
das Naphtalin und seine Verwendung in der Technik; von Dr. H. Vohl in Cöln.
Vohl, über das Naphtalin und seine Verwendung in der
Technik.
Darstellung des reinen Naphtalins im
Großen.
Das Naphtalin, welches im Jahre 1820 von Garden entdeckt
wurde (Thomson
's Annals of Philosophy vol. XV p. 74), ist seit dieser Zeit der Gegenstand umfassender Untersuchungen von
Faraday, Liebig, Wöhler und vielen anderen Chemikern
gewesen. Laurent hat sich besonders mit der Untersuchung
der Derivate des Naphtalins beschäftigt.
In jüngster Zeit ist das Naphtalin durch seine Untersuchungen resp. die seiner
Derivate in die Farbentechnik eingeführt worden und wird voraussichtlich eine
bedeutende Rolle in derselben spielen. Ich brauche nur an die Verwandlung der
Phtalsäure, eines Oxydationsproductes des Naphtalins, in Benzoesäure und der
letzteren durch Destillation mit Kalk in Benzol, also in denjenigen Körper worauf
die Anilin-Industrie basirt, zu erinnern, um die Wichtigkeit des Naphtalins
für die Technik, besonders für die Farbentechnik, darzuthun. Dadurch wird aber auch
die Reindarstellung im Großen erheischt. Sie kann jedoch nicht nach den bisher
gebräuchlichen Methoden stattfinden, d.h. es kann bei der Darstellung im Großen von
einer Sublimation oder dem Umkrystallisiren aus verschiedenen Lösungsmitteln keine
Rede seyn, weil einerseits diese Operationen zu zeitraubend sind, andererseits auch
keine reinen Producte liefern, wenn dieselben nicht zwei- bis dreimal
wiederholt werden. Die Methode, welche in der Technik angewendet werden soll, muß
gleichzeitig mit Zeitersparniß eine große Reinheit des zu erzielenden Productes
ermöglichen.
Von vielen von mir angewendeten Methoden hat sich nachfolgende als die beste
bewährt.
Derjenige Theil des Steinkohlentheeröles, welcher durch seinen Naphtalingehalt in der
Kälte erstarrt, aus dem also schon ein Theil davon herauskrystallisirt, wird zur
Darstellung verwendet. Man läßt das Oel in geeigneten Gefäßen 6–8 Tage an
einem kühlen Orte (Keller, noch besser Eiskeller) stehen und zapft den flüssigen
Theil von den Krystallen ab. Dieselben werden alsdann vermittelst einer Keule in
einem Troge in einen Brei verwandelt, der entweder in Spitzbeutel oder in eine
Centrifugalmaschine zur Abscheidung des flüssigen Antheils gegeben wird. Die Naphtalinmasse wird nun
vermittelst einer hydraulischen Presse anfangs gelinde und nachher stark
ausgepreßt.
Die abgepreßte Masse gibt man in ein eisernes Mischgefäß, welches vermittelst einer
Wärmschlange durch Dampf erhitzt werden kann und welches mit einer Rührvorrichtung
versehen ist, die bei gänzlichem Verschluß des Gefäßes dennoch in Thätigkeit gesetzt
werden kann. Nachdem die Substanz geschmolzen ist, wird sie mit einigen Procenten
Natronlauge gut gemischt.
Die Natronlauge, welche viele Unreinigkeiten (Carbolsäure, Kreosot und Brandharze)
aufgenommen hat, wird abgeblasen, alsdann noch zweimal dieselbe Operation
vorgenommen und mit heißem Wasser so lange nachgewaschen, bis keine alkalische
Reaction mehr stattfindet. Das flüssige Naphtalin wird nun mit einigen Procenten
Schwefelsäure (von 45º Baumé) gut gemischt, die Säure abgelassen, das
Naphtalin mit heißem Wasser zur Entfernung der Säure gewaschen und zuletzt mit
starker Natronlauge innig gemischt und 2–3 Stunden bei einer Temperatur von
100° C. sich selbst überlassen.
Die so behandelte Naphtalinmasse gibt man nun in gußeiserne Destillirblasen von circa 20–25 Centner Inhalt und destillirt sie
über freiem Feuer.
Im Anfang erhält man geringe Mengen Wasser, mit Naphtalin gemischt. Ist jedoch die
Temperatur im Kessel bis auf 210º C. gestiegen, so destillirt das Naphtalin
continuirlich in starkem Strahle über, und zwar geht die Destillation so rasch von
statten, daß man in 20 Minuten einen Centner reines Naphtalin bequem erhalten kann.
Die Kondensation geschieht vermittelst Wasser von + 80° C. und steht die
geschlossene Vorlage, welche die ganze zu destillirende Menge fassen kann, in einem
Wasserbade, welches mindestens auf 80° C. Temperatur gehalten wird. Ist die
Temperatur im Kessel auf 230–235º gestiegen, so wird die Destillation
fractionirt, weil sonst ein mit vielen öligen Theilen vermischtes gelbes und
schmieriges Product erhalten wird. Man wechselt die Vorlage und destillirt zur
Trockne ab. Dieses letzte Product kommt wieder mit zu jedem Preßgut.
Auf diese Weise können, das Pressen mitgerechnet, 20–25 Centner in 24 Stunden
bequem gereinigt werden.
Das flüssige gereinigte Destillat läßt man nun in conische Cylinder von Glas, Metall
oder angefeuchtetem Holz fließen, worin es sehr bald erstarrt und durch ein starkes
Zusammenziehen sich von den Wandungen löst. Man erhält es dadurch in Stangenform wie
den Schwefel.
Einige neue Eigenschaften des reinen
Naphtalins.
Das nach dieser Methode dargestellte Naphtalin ist von großer Schönheit. Es bildet
blendend weiße krystallinische Stangen, bei welchen die
Zerklüftungen und die Krystallvegetationen sich spiralförmig gewunden
zeigen.
Sein specif. Gewicht ist bei + 18º,9 C. = 1,15173.
Reibt man eine solche Naphtalinstange mit einem Seidentuch, so wird sie sehr stark negativ elektrisch.
Der Schmelzpunkt desselben liegt zwischen + 79 und 80º C. Es siedet bei 216
und 218º C.
Das geschmolzene Naphtalin absorbirt ein große Menge
atmosphärischer Luft, welche es beim Erkalten wieder abgibt.
Die Abgabe der absorbirten Luft geschieht beim Erkalten oft so stürmisch, daß bei
einigermaßen erheblichen Mengen von geschmolzenem Naphtalin (circa 1 bis 2 Pfd.) die Flüssigkeit scheinbar
in's Sieden geräth. Die absorbirte Luft ist
ferner die Ursache, daß sich oft in den Naphtalinstangen große leere Blasenräume bilden.
Die von dem geschmolzenen Naphtalin aufgenommene Luft ist bedeutend sauerstoffreicher als die Atmosphäre (vielleicht reiner
Sauerstoff) und es hat demnach diese Erscheinung mit dem Spratzen des
Silbers viele Aehnlichkeit.
Das geschmolzene Naphtalin besitzt ein bedeutendes Lösungsvermögen Körpern gegenüber,
die sonst schwierig in Lösung übergehen.
So löst das geschmolzene Naphtalin den Indigo mit großer
Leichtigkeit und bildet damit eine dunkelblau-violette Flüssigkeit,
welche beim Erkalten den Indigo in feinen kupferglänzenden
Nadeln wieder ausscheidet und welche durch Behandeln mit schwachem
Weingeist oder Canadol gewonnen werden können.
Schwefelarsen, Schwefelzinn und Schwefelantimon in
amorphem Zustande werden ebenfalls von schmelzendem Naphtalin reichlich gelöst und
beim Erkalten theils krystallinisch wieder ausgeschieden.
Phosphor und Schwefel werden von schmelzendem Naphtalin
schnell gelöst, ohne daß eine Einwirkung der Körper auf einander stattfindet.
Das Schwefelelayl von Löwig
und Weidmann (C⁴H⁴S²) löst sich mit der größten Leichtigkeit in geschmolzenem
Naphtalin und wird beim Erkalten wieder vollständig in kleinen Körnern
ausgeschieden, die sich unter dem Mikroskop als krystallinische Massen ergeben.
Reaction auf Naphtalin.
Soll das Naphtalin in einem Destillationsproduct nachgewiesen werden, so wird die zu
untersuchende Substanz mit rauchender Salpetersäure behandelt, alsdann mit vielem
Wasser versetzt und die unlösliche Nitroverbindung bis zur vollständigen Entfernung
der Säure ausgewaschen.
Bringt man von dieser Substanz in ein siedendes Gemisch von 1 Theil
Einfach-Schwefelkalium und 1 Theil Aetzkali, so wird, im Falle Naphtalin auch
nur spurweise vorhanden war, sich eine prächtig violettblaue Lösung bilden. Diese Reaction ist
sehr empfindlich und ist mir bis jetzt kein zweiter Körper bekannt, der diese
Eigenschaft mit dem Naphtalin theilt.
Die Oxydationsproducte des
Naphtalins.
Die Oxydationsproducte des Naphtalins sind noch sehr wenig gekannt.
Nichtsdestoweniger haben sie für die Industrie eine hohe Bedeutung erhalten, wie wir
im weiteren Verfolg sehen werden.
Das einzig genauer gekannte Oxydationsproduct ist die Naphtalinsäure (Phthalsäure) C¹⁶H⁴ O⁶ + Aq. Sie wurde von Laurent i. J. 1836 zuerst dargestellt
und von ihm und Marignac untersucht (Annales de Chimie et de Physique t. LXI p. 113; Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XLII S.
215). In etymologischer Beziehung ist zu bemerken, daß der Name Phthalsäure von
Laurent deßhalb an Stelle von Naphtalinsäure gewählt wurde, weil nach seiner Ansicht
diese Säure dem Typus der Naphtalinreihe nicht mehr angehört und durch die
Weglassung der beiden ersten Buchstaben der Mindergehalt an Kohlenstoff bezeichnet
werden soll.
Die Bezeichnung Naphtalinsäure, welche den Ursprung der Säure angibt, werde ich
indessen beibehalten.
Durch die Einwirkung der Salpetersäure auf Naphtalin und Bichlornaphtalin entsteht
diese Säure, jedoch erst nach langer Einwirkung, und ist die Ausbeute eine
verhältnißmäßig geringe. Sie tritt ferner stets als Nebenproduct bei der Gewinnung
der Nitroverbindungen des Naphtalins auf und wird außerdem durch Oxydation des
Alizarins und Purpurins (Bestandtheile des Krapps) vermittelst Salpetersäure
erzeugt.
Die Naphtalinsäure hatte bisher nur einen rein wissenschaftlichen Werth. Erst der
Nachweis, daß dieselbe in Benzoesäure übergeführt werden kann, verlieh ihr eine hohe
technische Bedeutung.
Schon vor 11 Jahren wurden von Gerhardt und neuerdings von Berthelot Andeutungen der Möglichkeit der Ueberführung
der Naphtalinsäure in Benzoesäure gegeben. Die Anwendung der Benzoesäure zur
Herstellung von Tabaksaucen, zur Befestigung gewisser Mordants
beim Zeugdruck, sowie bei der Darstellung von Anilinblau und zur Gewinnung von
Benzol resp. Nitrobenzol und Anilin, hat den Consum dieser Säure bedeutend
gesteigert und die Darstellung derselben aus dem Benzoeharz oder aus Hippursäure (in
Wöhrd bei Nürnberg) reicht augenblicklich nicht mehr aus.
(Guckelberger und Franz Keller
erhielten Benzoesäure unter den Oxydationsproducten des Caseins, Albumins, des
Fibrins und des Klebers vermittelst Braunstein und Schwefelsäure, oder saurem
chromsaurem Kali und Schwefelsäure. – Durch Oxydation von Haaren, Wolle,
Hornspänen und Seide vermittelst derselben Oxydationsmittel habe ich ebenfalls
Benzoesäure erhalten.)
Mit Recht hat im Jahre 1865 die Darstellung der Benzoesäure im größeren Maaßstabe aus
der Naphtalinsäure resp. dem neutralen naphtalinsauren Kalk durch die Gebrüder
Depouilly (Comptes rendus t. LX p. 456;
polytechn. Journal Bd. CLXXV S. 455) großes
Aufsehen erregt. Es gewann dadurch das Naphtalin als Material zur Darstellung der
Naphtalinsäure eine ganz besondere Bedeutung und Beachtung.
Die Gebrüder Depouilly geben
den Vorgang bei der Ueberführung der Naphtalinsäure (resp. des naphtalinsauren
Kalks) in Benzoesäure wie folgt an:
naphtalinsaurer Kalk = (C¹⁶ H⁴ O⁶ +
2CaO und Kalkhydrat = CaO, HO
ergeben beim Erhitzen auf 330–350º C.
benzoesauren Kalk = C¹⁴ H⁵ O³ + CaO
und kohlensauren Kalk
= 2(CaO, CO²).
Es findet demnach eine Wasserzersetzung neben Kohlensäurebildung statt.
Aus dem gebildeten benzoesauren Kalk wird alsdann die Benzoesäure durch Salzsäure
abgeschieden.
Vergleicht man die Zusammensetzung der Naphtalinsäure und Benzoesäure mit derjenigen
des Naphtalins, so ist leicht ersichtlich, daß beide Säuren durch eine einfache
Oxydation aus dem Naphtalin entstehen können und daß ferner zur Bildung dieser
beiden Säuren gleichviel Sauerstoff erheischt wird.
Der Vorgang bei der Oxydation würde alsdann wie folgt anzunehmen seyn:
1 Aeq. NaphtalinC²⁰
H⁸ und 18 Aeq. Sauerstoff können ergeben
entweder
NaphtalinsäureC¹⁶H⁴O⁶,
denn
1 Aeq. Naphtalinsäure
= C¹⁶
H⁴
O⁶ und
4 Aeq. Kohlensäure
= C⁴
O⁸ und
4 Aeq. Wasser
=
H⁴
O⁴ sind
–––––––––––––––
1 Aeq. Naphtalin
= C²⁰
H⁸
+ 18 Aeq Sauerstoff
oder
BenzoesäureC¹⁴H⁵O³, denn
1 Aeq. Benzoesäure
= C¹⁴
H⁵
O³ und
6 Aeq. Kohlensäure
= C⁶
O¹² und
3 Aeq. Wasser
=
H³
O³ sind
––––––––––––
1. Aeq. Naphtalin
= C²⁰
H⁸
+ 18 Aeq. Sauerstoff.
Bisher ist meines Wissens noch nicht durch directe Oxydation das Naphtalin in
Benzoesäure übergeführt worden; nichtsdestoweniger ist diese Säurebildung durch
directe Oxydation nicht unwahrscheinlich, so z.B. vielleicht durch Einwirkung
alkalischer Oxydationsmittel auf geschmolzenes Naphtalin.
Darstellung der Naphtalinsäure im
Großen.
Das Verfahren der Gebrüder Depouilly, resp. Laurent und Casthelaz in Paris, besteht darin, daß das Naphtalin
zuerst durch kalte Behandlung mit chlorsaurem Kali und Salzsäure in
Chlorverbindungen übergeführt wird, von denen die festen krystallinischen
Verbindungen im Wasserbade mit Salpetersäure behandelt ein Gemenge von
Naphtalinsäure und Chloroxynaphtylchlorür ergeben.
Die Naphtalinsäure wird durch siedendes Wasser ausgezogen und an Kalk gebunden, das
Chloroxynaphtylchlorür durch Behandeln mit ätzenden Alkalien in
Chloroxynaphtalinsäure übergeführt und diese durch Zersetzen des Kalisalzes mit
einer Mineralsäure gewonnen.
Der neutrale naphtalinsaure Kalk wird durch Kristallisation gereinigt und zur
Darstellung von Benzoesäure in verschlossenen Gefäßen mit einem Zusatz von
Kalkhydrat bei Abschluß der Luft auf 330 bis 350º C. einige Stunden lang
erhitzt, wodurch er in benzoesauren Kalk nach dem früher erwähnten Schema
übergeführt wird. Aus diesem scheidet man durch eine stärkere Säure den Kalk von der
Benzoesäure, oder man unterwirft das Gemenge von benzoesaurem Kalk und Kalkhydrat
der trockenen Destillation, wobei reines Benzol gewonnen
wird.
Diese oben angeführte Methode ist gewiß eine vortreffliche, wenn es sich darum
handelt eine geringe Menge Naphtalinsäure und eine reichliche Ausbeute von
Chloroxynaphtalinsäure zu erzielen.
Handelt es sich aber darum, eine möglichst große Ausbeute von Naphtalinsäure resp.
eine lohnende Gewinnung von Benzoesäure aus dem Naphtalin zu erhalten, so ist
dieselbe nichts weniger als geeignet. In letzterem Falle ist die Depouilly'sche Methode umständlich, kostspielig und mit
vielen Uebelständen verknüpft.
Das Behandeln des Naphtalins mit chlorsaurem Kali und Salzsäure bietet im Großen eine
Menge von Uebelständen dar, welche nur theilweise zu beseitigen sind.
Für's Erste ist die massenhafte Entwickelung von Chlorgas und Salzsäure resp. von
Euchlorin (Chlor- und Chlorochlorsäure) eine höchst lästige und der
Gesundheit der Arbeiter schädlich werdende. Ich habe jedesmal nur mit 1/4 Pfund
Naphtalin gearbeitet und dabei von diesen entweichenden Gasen und Dämpfen
fürchterlich gelitten. Bei dem Betrieb im Großen, wo es sich darum handelt centnerweise die Chlorverbindungen des Naphtalins
darzustellen, möchten diese Exhalationen fast unübersteigliche Hindernisse
bieten.
Ferner ist bei Anwendung eines nicht absolut reinen Naphtalins, z.B. von solchem
welches durch Sublimation gewonnen wurde und welches noch immer Kreosot resp.
Phenylsäure und Theeröle enthält, eine Bildung von Bi- und
Trichlorphenylsäure nicht zu vermeiden, welche durch ihren furchtbaren und scharfen Geruch auch auf weite Strecken hin höchst lästig
werden und außerdem zu heftigen Augenentzündungen Veranlassung geben.
Die Einwirkung der Salpetersäure auf die Chlorverbindungen des Naphtalins findet
unter Entwickelung von Untersalpetersäure statt. Sie geschieht füglich in
Glasretorten, die entweder in einem Sandbade eingelegt sind oder aber vermittelst
Wasserdampf bis auf 100° C. erhitzt werden. Selbstverständlich wird der
Ueberschuß der Salpetersäure wieder gewonnen; die auftretende Untersalpetersäure
hingegen muß durch eine glühende Kohlenschicht geleitet werden, damit sie keinen
schädlichen Einfluß auf die Umgebung ausübt, wenn sonst nicht eine technische
Verwendung, z.B. zur Darstellung von Schwefelsäure, ermöglicht ist. Die Behandlung
des Naphtalins mit chlorsaurem Kali und die der gechlorten festen Producte mit
Salpetersäure vertheuern die Darstellung der Naphtalinsäure sehr.
Was die Anwendung der Salpetersäure als Oxydationsmittel noch besonders anbetrifft,
so ist zu bemerken, daß dieselbe die kostspieligste Sauerstoffquelle für die Technik
abgibt, namentlich dann, wenn die dabei abfallenden niederen Oxyde des Stickstoffs
in der Fabrication keine weitere Verwendung finden können und zu ihrer Beseitigung
besondere Anlagen erfordert werden. Nur höchst selten ist daher in der Technik die
Anwendung der Salpetersäure als Oxydationsmittel angezeigt.
Wie schon oben entwickelt, kann aus dem Naphtalin durch bloße Oxydation
Naphtalinsäure entstehen und muß es auffallend erscheinen, daß in dieser
Richtung hin so gut wie keine Versuche angestellt wurden. Auch mag wohl die
Aussage Laurent's,Laurent (1852): Annales
de Chimie et de Physique t. XLIX p.
218; t. LII p.
275. daß man in den meisten Fällen kein neues Product durch directe
Oxydation, z.B. mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure erhalte,“ dazu
beigetragen haben, keine neuen Oxydationsversuche mit dem Naphtalin anzustellen.
Ich habe in dieser Richtung hin eine Reihe von Versuchen angestellt, welche mir die
Gewißheit verschafften, daß die Darstellung der Naphtalinsäure im Großen vermittelst
Einwirkung kräftiger Oxydationsmittel auf das Naphtalin nicht allein möglich,
sondern auch lohnend ist.
Die Ergebnisse meiner Versuche, die stets mit mehreren Pfunden Naphtalin angestellt
wurden, theile ich im Nachfolgenden mit.
Darstellung der Naphtalinsäure durch die
Einwirkung von Manganhyperoxyd und Schwefelsäure auf Naphtalin.
Wird ein inniges Gemisch von fein pulverisirtem Braunstein und Naphtalin mit
concentrirter Schwefelsäure zusammengebracht, so tritt eine sehr heftige Reaction
ein, die sich bei einer Menge von 5 bis 6 Loth bis zur Entzündung steigern kann. Die
Einwirkung ist stets so energisch, daß bei der erhöhten Temperatur ein Theil des
Naphtalins sowie auch der gebildeten Oxydationsproducte verdampft.
Wird nach der Einwirkung die fast trockene Masse vorsichtig mit Wasser gemischt, so
tritt eine neue Reaction ein, Kohlensäure entweicht unter Aufbrausen und es
resultirt eine dunkel braunrothe Flüssigkeit, die, mit kohlensaurem Natron in der
Siedhitze übersättigt, eine große Menge kohlensaures Manganoxydul fallen läßt.
Das Filtrat mit Salzsäure versetzt, liefert beim Abdampfen zuerst einen Anschuß von
Glaubersalz mit geringen Mengen Kochsalz. Die Mutterlauge auf dem Wasserbade weiter
eingedampft, liefert schon während dem Abdampfen Naphtalinsäure in feinen Krystallen, die
sich während des Erkaltens bedeutend vermehren.
Nachfolgende Methode hat sich bei der Anwendung des Braunsteins als Oxydationsmittel
am besten bewährt. Es werden 12 Gewichtstheile Naphtalin (reines) in 90
Gewichtstheilen concentrirter englischer Schwefelsäure gelöst und zu dieser
Auflösung, welche Naphtalinschwefelsäure enthält, unter beständigem Umrühren
vorsichtig 80 Gewichtstheile fein pulverisirter Braunstein zugesetzt.
Nachdem die Reaction beendigt ist, setzt man nach und nach das 4 bis 5fache Volumen
des Gemisches Wasser hinzu und kocht so lange bis die Anfangs starke Entwickelung
von Kohlensäure fast aufgehört hat. Man verdünnt mit Wasser bis auf das doppelte
Volumen, filtrirt und dampft nun in bleierner Pfanne (eisernem Kessel mit Blei
überzogen) im Wasserbade entweder direct ein, wobei Manganvitriol gewonnen wird und
die Mutterlauge bei weiterem Abdampfen die Naphtalinsäure liefert, oder aber man
übersättigt das Filtrat während des Siedens mit kohlensaurem Natron, filtrirt das
kohlensaure Manganoxydul ab und dampft das Filtrat, nachdem es mit Salzsäure im
Ueberschuß versetzt worden ist, im Wasserbade ein.
Wie schon oben bemerkt, liefert alsdann die von dem Glaubersalz und Kochsalz
abgezogene Mutterlauge beim weiteren Eindampfen Naphtalinsäure.
Die bei dieser Methode abfallenden Mangansalze können bei der Firnißfabrication als
Siccativ mit Nutzen Verwendung finden.
Darstellung der Naphtalinsäure durch
Einwirkung von saurem chromsaurem Kali und Schwefelsäure auf
Naphtalin.
Schon im Jahre 1852 behandelte Laurent Naphtalin mit
zweifach, chromsaurem Kali und Schwefelsäure unter Wasserzusatz, ohne jedoch
besonders wichtige Resultate zu erzielen.
Nur einmal erhielt er aus der Chromalaun haltenden Lauge kleine weiße Körner, die er
für eine neue Säure hielt und ihr die Formel C²⁰H⁶ O⁸
gefundenen procentischen Zusammensetzung (C 62,94; H 2,93; O 34,13) gab.
Offenbar hatte Laurent die Analyse mit höchst unreiner
Substanz ausgeführt.
Dieser von Laurent erhaltene Körper war nämlich
Naphtalinsäure. Ferner erwähnt Laurent, daß er beim
Erhitzen von Naphtalin mit einer Lösung von saurem chromsaurem Kali und Zusatz von
Schwefel- oder Salzsäure eine schön rothgefärbte Substanz, Carminaphte (C¹⁸ H⁴ O⁸?) erhalten habe. Es ist ihm jedoch später
nicht mehr gelungen Carminaphte zu erzeugen.
Wird ein inniges Gemenge von pulverisirtem Naphtalin und saurem chromsaurem Kali mit
concentrirter englischer Schwefelsäure übergossen, so findet eine äußerst heftige
Reaction statt, die sich oft bis zur Entzündung steigert. Stets wird dabei ein Theil
des Naphtalins sowie des Oxydationsproductes verflüchtigt.
Wird die resultirte Masse in siedendem Wasser gelöst, so findet eine starke
Kohlensäure-Entwickelung unter Abgabe saurer Dämpfe statt. Uebersättigt man
nun die siedende Flüssigkeit mit kohlensaurem Natron und läßt noch circa eine Viertelstunde sieden, so schlägt sich
sämmtliches Chromoxyd nieder und man erhält durch Filtration eine schön gelbroth
gefärbte Flüssigkeit.
Versetzt man dann das Filtrat mit Salzsäure oder Schwefelsäure im Ueberschuß, so
erhält man einen reichlichen flockigen Niederschlag einer prächtig carmoisinrothen Substanz, die ich mit dem Namen Naphtylcarmin bezeichnen und später besprechen werde.
Die von dem Naphtylcarmin abfiltrirte Flüssigkeit wird im
Wasserbade abgedampft. Zuerst scheidet sich Glaubersalz, alsdann Kochsalz aus und
die Mutterlauge liefert beim weiteren Abdampfen eine reichliche Krystallisation von
Naphtalinsäure.
Das beste Verhältniß zur Darstellung der Naphtalinsäure vermittelst chromsaurem Kali
ist:
12 Gewichtstheile
Naphtalin,
89
„
saures chromsaures Kali,
109
„
concentrirte Schwefelsäure.
Auch bei dieser Methode löst man vortheilhaft zuerst das Naphtalin in der
concentrirten Schwefelsäure und setzt alsdann vorsichtig in kleinen Portionen das
feingepulverte saure chromsaure Kali hinzu.
Das gewonnene Chromoxyd kann durch Glühen mit Salpeter wieder in chromsaures Salz
verwandelt und so unzählige Mal benutzt werden.
Die Oxydation mit saurem chromsaurem Kali ist bezüglich der Ausbeute an
Naphtalinsäure bei weitem vortheilhafter als die mit Manganhyperoxyd, abgesehen von
der Gewinnung des Naphtylcarmins, welche ebenfalls für die Anwendung des chromsauren
Salzes spricht.
Darstellung der Benzoesäure aus dem
Naphtalin.
Wie schon erwähnt, ist es bisher durch directe Oxydation des Naphtalins noch nicht
möglich gewesen Benzoesäure herzustellen. Es kann dieses nur indirect durch Ueberführung der aus dem
Naphtalin erhaltenen Naphtalinsäure geschehen. Die Naphtalinsäure geht bei Gegenwart
überschüssiger alkalischer Basis (Kalk) bei einer Temperatur von 330 bis 350°
C. und bei Abschluß der Luft in Benzoesäure über.
Diese Operation erfordert im Großen jedoch eine bedeutende Uebung und viele
Erfahrung.
Das Gelingen hängt manchmal von Zufälligkeiten ab, z.B. vom Wassergehalt etc.
Die Ueberführung der Säure im naphtalinsauren Kalk in Benzol durch trockene Destillation bei Gegenwart von überschüssigem Kalk,
gelingt jedoch fast immer und sie erfordert bei weitem weniger Uebung und Erfahrung
als die Darstellung der Benzoesäure.
Nachtrag.Vorläufige Notiz über den Naphtylcarmin.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die von mir durch Oxydation des Naphtalins mit
Chromsäure erhaltene Substanz mit der von Laurent
beobachteten (Carminaphte) identisch ist. Ueber die Constitution läßt sich eben noch
so gut wie nichts sagen, nur so viel steht fest, daß dieser Körper die Rolle einer
Säure spielt.
Mit Alkalien geht er gelbrothe Verbindungen ein, färbt Seide und Wolle ohne vorherige
Beize entweder orange oder violett Roth. – In Essigsäure und Weingeist ist er
löslich und wird aus seinen Verbindungen mit Alkalien und alkalischen Erden etc.
durch starke Mineralsäuren in carminfarbigen Flocken
ausgeschieden.
Cöln, im September 1867.