Titel: | Ueber das neue elektrotelegraphische automatische Schnellschreib-System von Chauvassaignes und Lambrigot. |
Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XCIV., S. 430 |
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XCIV.
Ueber das neue elektrotelegraphische automatische
Schnellschreib-System von Chauvassaignes und Lambrigot.
Die Schnell-Telegraphie von Chauvassaignes und
Lambrigot.
In Les Mondes t. XV p. 450,
November 1867, berichtet Hr. Moigno, der Redacteur dieser Zeitschrift, über ein neues
Telegraphensystem, das er mit dem Titel
„Schnell-Telegraphie“ bezeichnet, und von welchem er
erwähnt, daß dieses System seit dem 11. September dieses Jahres von der
französischen Telegraphenverwaltung für den Dienst zwischen Paris und Lyon benutzt
wird. Die Erfinder Chauvassaignes und Lambrigot sind Beamte der französischen
Telegraphenlinien. Obgleich eine ganz detaillirte Beschreibung dieses neuen
Systemes, das seinem Wesen nach zu den chemischen Schreib-Telegraphen gehört,
noch nicht vorliegt, so dürfte es dennoch für zweckmäßig erachtet werden,
einstweilen den von Hrn. Moigno hierüber erstatteten Bericht hier mitzutheilen.
„Dieser Telegraph wirkt automatisch, befördert zwischen den genannten zwei
Städten 120 bis 180 Depeschen in der Stunde mit Hülfe eines einzigen
oberirdischen Drahtes, eine Geschwindigkeit, die schon mehr als dreimal so groß
ist als jene, welche durch andere Telegraphen erhalten wird, und ist fähig, eine
verhältnißmäßig größere Transmissionsgeschwindigkeit zu gestatten, wenn der
Durchmesser der Leitung vergrößert wird. Die Transmissionen werden
bewerkstelligt mittelst eines metallisirten Papierstreifens (Metallfolie), auf
welchen die Zeichen mit einer isolirenden Tinte so geschrieben werden, daß sie
die Depesche vorstellen; die Reproduction dieser Zeichen wird auf einem
ungeleimten Papierstreifen hervorgebracht, von welchem der mittlere Theil in
geeigneter Weise durch Anwendung einer eigenen Flüssigkeit präparirt wird, um
auf elektrolytischem Wege die Zeichen, aus welchen die Depesche zusammengesetzt
ist, wieder zum Vorschein kommen zu lassen. Um die gehörige Regelmäßigkeit in
der Ausführung der Arbeit zu erlangen, sind die verschiedenen dabei vorkommenden
Operationen, wie die Zusammensetzung der Depesche, die Beförderung und der
Empfang von Depeschen, auf eine gewisse Anzahl von hierfür beauftragten Personen
vertheilt.“
„Ein und dasselbe Instrument in Verbindung mit der Linie besteht 1) aus
einem Uhrwerke, 2) aus einem doppelten Walzenpaare, das zum Fortführen des
Metallstreifens und des ungeleimten Papierstreifens gehört, 3) einem Läutewerke
zum Anruf des Correspondenten, 4) einem gewöhnlichen Morse'schen
Taster, um die nöthigen conventionellen Zeichen für die Ingangsetzung oder
Arretirung der Papierwalzen geben zu können. – Das Uhrwerk wird durch ein
Gewicht in Bewegung gesetzt, das mittelst eines Pedales aufgezogen wird; es hat
den Zweck, die Walzen in Bewegung zu setzen. Neben dem Walzenpaare, welches den
Metallstreifen durchzuziehen hat, befindet sich eine Spitze, welche das Ende des
Liniendrahtes vorstellt, während die Walzen selbst mit einem Pole der Batterie
in Verbindung stehen. Sobald der Streifen in Folge der Rotation der Walzen
durchgezogen wird, befindet sich die Spitze bald auf metallischen Theilen des
Streifens, bald auf Theilen der Schrift, so daß also hierdurch entweder
Stromdurchgänge oder Stromunterbrechungen im Liniendrahte erfolgen
müssen.“
„Neben dem Walzenpaare, welches den ungeleimten Papierstreifen
durchzuziehen hat, befindet sich ein Näpfchen, welches eine Flüssigkeit enthält,
die aus Wasser, salpetersaurem Ammoniak und Cyaneisenkalium zusammengesetzt wird
(also wie es scheint dieselbe Flüssigkeit ist, welche Pouget-Maisonneuve für seinen elektrochemischen
TelegraphenPolytechn. Journal Bd. CXXXVIII S.
43 seinerzeit in Anwendung gebracht hat); in der Mitte jenes Näpfchens
befindet sich ein kleines Schreibrädchen (roulette),
welches mit seinem unteren Theile in die Flüssigkeit eintaucht, während sein
oberer Theil etwas über den Rand des Gefäßes hervorragt. Ueber dieses Rädchen
wird nun der Papierstreifen durch die Walzen weggezogen, das Rädchen muß also in
Folge dessen sich drehen, und hinterläßt dabei durch Benetzung des mittleren
Theiles des Streifens einen ganz feinen Tropfen als Marke, der zur Herstellung
des Signales beim Durchgange des Stromes dienen kann; dieses Tröpfchen der
Flüssigkeit dringt nämlich begierig in die Poren des befeuchteten (?) Papieres.
Ebenso wie über dem Metallstreifen der gebenden Station bildet an der
Empfangsstation eine Eisenspitze das andere Ende der Linie, während der
Papierstreifen durch die befeuchteten Stellen mit der Erde verbunden ist; diese
Spitze drückt in etwas geneigter Lage mittelst ihres eigenen Gewichtes leise
gegen den Papierstreifen, und es wird schon beim Durchgange des Stromes der
benetzte Theil oder vielmehr die Flüssigkeit an der Stelle, welche die Spitze
berührt, elektrochemisch zerlegt: das in Folge dieser elektrolytischen Wirkung
entstehende gefärbte Zeichen bildet daher das Signal, das dem betreffenden
Theile der Depesche entspricht.“
„Die Thätigkeit des in Rede stehenden Apparates ist ganz und gar eine, mechanische.
Die Transmission, sowie der Empfang der Depeschen, findet auf automatischem Wege
statt, und es kann ein einziger Beamte ohne Ermüdung den telegraphischen Verkehr
besorgen.“
Um die Depeschen in den conventionellen Zeichen (nämlich in den telegraphischen
Schriftlichen des Morse'schen Systemes) auf dem
metallischen Streifen zusammenzusetzen, bedient man sich eines eigenen
Instrumentes, Composteur (Compositeur?) genannt, das dem Morse'schen
Apparate nahe kommt (?). Während der Metallstreifen die Walzen verläßt, wird er
durch einen Hebel bis zum Contacte mit einer rinnenartigen Vorrichtung, die mit
einer harzigen, im geschmolzenen Zustande befindlichen Materie bedeckt ist,
gehoben; diese Materie erstarrt bald, nachdem sie auf diese Weise auf den
Metallstreifen aufgetragen worden ist. Ein Beamter kann mit diesem Instrument
(dessen nähere Beschreibung unsere Quelle nicht gibt) 35 bis 40 Depeschen in der
Stunde vorbereiten; die Telegraphisten, welche mit dem Morse'schen Systeme bekannt sind, können ohne besonderes Studium die
Depeschen zusammensetzen. – Für den Dienst zwischen Paris und Lyon sind
drei Composteure in Thätigkeit gesetzt, und diese reichen zur Befriedigung des
gegenwärtig herrschenden Bedürfnisses aus. Die an der Empfangsstation erhaltenen
telegraphischen Signale werden von anderen Beamten in Empfang genommen und in
gewöhnliche Schrift übersetzt, um sie an den Adressaten zu
befördern.“
„Es geht aus dem Ganzen hervor, daß, wenn zwei Beamte mit der
Zusammensetzung der aufgegebenen Depeschen, zwei mit der Uebersetzung der
Telegramme beauftragt werden, und einer den Gang des Apparates überwacht, eine
Arbeit mit Hülfe eines einzigen Liniendrahtes geleistet werden kann, die jener
gleichkommt, welche von 6 Beamten in der gleichen Zeit auf 3 Drähten geliefert
werden kann.“
„Um die Arbeit der Zusammensetzung der Depeschen, um ferner Personal und
Zeit bei Reexpeditionen von Depeschen zu ersparen, bedient man sich bei diesem
neuen Dienste eines Mittels, das bis jetzt unbekannt geblieben ist; man läßt die
Depeschen auf Distanz, nämlich durch den Correspondenten selbst, welcher
dieselben befördern will, zusammensetzen. Man hat einen
Composteur-Apparat, der mit einem Elektromagneten versehen ist, in einen
Draht eingeschaltet, der London mit Paris verbindet. Wenn der Beamte in London
ein Telegramm nach Paris befördern will, das für die Linie von Lyon gehört, die
einzige Linie nämlich, auf welcher in diesem Momente der Schnellschreiber thätig
ist, so manipulirt er, wie für die gewöhnlichen Transmissionen, an dem Morse'schen Apparate; die Signale werden hierdurch
(nämlich mittelst des genannten, in der Linie befindlichen elektromagnetischen Composteurs) auf
dem Metallstreifen ganz in derselben Weise erhalten, als ob diese Depesche
direct mittelst des Composteurs zusammengesetzt worden wäre; es kann also
sogleich diese Depesche selbst unmittelbar mittelst des neuen automatischen
Systemes in einigen Secunden nach Lyon befördert werden. Hierdurch wird folglich
eine überraschende Beschleunigung im telegraphischen Verkehr zwischen London und
Lyon bewirkt und dabei die vollständige Nichtigkeit der Reproduction der Signale
verbürgt, ohne daß durch die Controle einer Verspätung oder durch die Abschrift
ein Fehler sich einschleichen kann.“
„Bis zum 11. September d. J. wurde der Dienst auf der Linie von Lyon mit
Hülfe von zwei und dreien Hughes'schen Apparaten
besorgt; jeder Apparat erfordert 2 Beamte an jeder Station; man wendet dabei (2
oder) 3 Leitungen und (2 oder) 3 Batterien an; jetzt besorgen 5 Beamte an jedem
Drahtende den vorkommenden Dienst, man braucht aber nur einen einzigen Draht und
eine einzige Batterie. – Bis heute (31. October) kamen bei dem neuen
Schnell-Schreib-Systeme keinerlei Störungen vor, sondern im
Gegentheile es sind in dem Maaße, in welchem es bis jetzt angewendet worden ist,
nur Fortschritte gemacht worden.“
„Der Preis der Schnell Schreibapparate steht unter dem der billigsten von
den bisherigen Apparaten. Das hierfür erforderliche Material ist sehr leicht zu
bekommen, nicht kostspielig, und das Ganze erfordert geringe
Unterhaltungskosten; die Einfachheit des Systemes dürfte genügend erörtert
worden seyn.“
Nachdem wir in dem Vorstehenden der Hauptsache nach Alles, was Hr. Moigno über das neue automatische
Telegraphensystem von Chauvassaignes und Lambrigot mittheilt, vorgeführt haben, bleibt uns nur
übrig zu bemerken, daß, wenn die Thätigkeit des neuen Schnellschreibers auf kurzen
und langen Linien mit der Sicherheit vor sich geht, wie dieß in unserer Quelle in
Aussicht gestellt wird, durch die Einführung desselben unter Anderem ein nicht
unbedeutender Umschwung bezüglich des Aufwandes in der Anlage von Telegraphennetzen
entstehen dürfte. Zu wünschen wäre es daher, wenn recht bald derartige Versuche wie
der obengenannte, wo der Apparat in Paris nicht bloß die Stelle des Translators
zwischen London und Lyon zu vertreten hat, sondern auch unmittelbar die empfangene
Depesche sogleich so vorbereitet, daß sofort ihre Beförderung mittelst des neuen
Systemes nach Lyon geschehen kann, auch auf anderen langen europäischen Linien zur
Ausführung kämen und deren Resultate der Oeffentlichkeit übergeben würden.