Titel: | Ueber de Milly's neue Verbesserung in der Stearinkerzen-Fabrication; Bericht von Balard. |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XVIII., S. 79 |
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XVIII.
Ueber de Milly's neue Verbesserung in der
Stearinkerzen-Fabrication; Bericht von Balard.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, September 1867, S. 549.
Ueber de Milly's Verbesserung in der
Stearinkerzen-Fabrication.
In der Sitzung der Société d'Encouragement
vom 19. März 1867 machte de Milly (19, rue de Calais in Paris) Mittheilungen über eine neue
Verbesserung in der Stearinkerzen-Fabrication, welche sicherlich als der
wichtigste in diesem Industriezweige seit vierzehn Jahren gemachte Fortschritt zu
betrachten ist. Das frühere Verfahren von de Milly und
Motard zur Stearinkerzen-Fabrication ist
bekannt; ebenso, wie diese beiden Industriellen die wichtigen Entdeckungen, mit
denen Chevreul die Wissenschaft bereichert hatte, in der
gelungensten Weise technisch verwertheten.
Verseifung des Talges durch Kalk, Zersetzung der auf diese Weise erhaltenen Kalkseife
durch Schwefelsäure, Abscheidung der bei gewöhnlicher Temperatur flüssig bleibenden
Fettsäuren von denen, welche erst bei 50° C. schmelzen, durch Druck, zunächst
in der Kälte, dann mit Anwendung von Wärme; Reinigung der zuletzt erwähnten
Fettsäuren, Vergießen derselben zu Kerzen mit Anwendung von geflochtenen, mit
Borsäure getränkten, bei der Verbrennung sich krümmenden Dochten, welche außerhalb
der Flamme so brennen, daß das erzeugte Licht durch Wärmeverlust nicht in seiner
Intensität beeinträchtigt wird: dieß sind die sämmtlichen Operationen, durch welche
es den beiden Genannten gelungen ist, das schmierige, übelriechende und rauchende
Talglicht durch die trockne, geruchlose, mit Hellem, glänzendem Lichte brennende,
elegante Stearinkerze zu ersetzen, deren Fabrication sich durch die ganze cultivirte
Welt verbreitet hat.
Bei Gelegenheit der allgemeinen Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1855
hatte de Milly auf eine von ihm in seinem Industriezweige
eingeführte Verbesserung aufmerksam gemacht, welche darin besteht, bei der
Verseifung mit Anwendung von Druck zu arbeiten und dadurch die in fast sämmtlichen
Fabriken noch immer angewendete Kalkmenge (13 bis 14 Proc.) auf 3 Proc. des zu
zersetzenden Talges zu vermindern. Obschon der Erfinder sein neues Verfahren sich
patentiren ließ, so machte er doch von seinem Rechte in höchst ehrenwerther Weise
insofern keinen Gebrauch, als er die Anwendung desselben Anderen niemals untersagte.
Diese bedeutende Verminderung in der Menge des anzuwendenden Kalkes bedingt eine
entsprechende Ersparung an der Menge der zur Zersetzung der Kalkseife erforderlichen
Schwefelsäure und vermindert den Verlust der den entstandenen Gyps imprägnirenden
Fettantheile. Gleichzeitig mit diesem Verfahren der Fettsäuren-Fabrication
mittelst einer vervollkommneten Verseifung durch Kalk, bereicherte sich die
Industrie durch eine Methode zur Abscheidung des Glycerins von den Fettsäuren (worin
das Wesen der Verseifung besteht) mittelst Anwendung von Schwefelsäure, deren
Verwendbarkeit zu diesem Zweck Chevreul im Laufe der Zeit
gleichfalls kennen gelehrt hatte, während Fremy etwas
später in einer besonderen Versuchsreihe deren Wirkungsweise hierbei ermittelte.
Diese Verwendung der Schwefelsäure veranlaßte auch jenen ausgezeichneten Chemiker in
Verbindung mit de Milly zahlreiche Versuche behufs der
Reinigung der erhaltenen Fettsäuren nach dem gewöhnlichen Auspreßverfahren
anzustellen; doch blieben dieselben ohne den erwünschten Erfolg. Der Fettkörper gibt
in Folge der Einwirkung der Schwefelsäure, indem er eine starke Färbung annimmt, zur
Entstehung eines in der flüssigen Fettsubstanz unlöslichen schwarzen Körpers Anlaß,
der sich in der fest gewordenen Fettsubstanz, deren Menge durch das Auspressen sehr
vermindert wird, concentrirt und dieselbe so intensiv färbt, daß es unmöglich ist,
jene Kerzen daraus zu fabriciren, welche nicht allein durch das von ihnen
verbreitete schöne Licht, sondern auch durch ihr blendendweißes Aussehen so sehr
gefallen. Die Producte dieser sogen. „trocknen Verseifung“
lassen sich aber durch Destillation mit überhitztem Wasserdampfe reinigen.
Diese letztere, kostspielige und innerhalb der zu einer vollständigen Verseifung
geeigneten Temperaturgrenzen ohne Zersetzung des Fettes in Hydrocarbür etc. nur
schwierig auszuführende Operation liefert jedoch einen reichlicheren Ertrag an
starrer Substanz, als sich durch die Verseifung mittelst Kalk erzeugen läßt. Anstatt
des bei der Kalkverseifung erzielten Ertrages von 45 Proc. des angewendeten Talges
erhält man 60 bis 61 Proc. eines allerdings noch starren Fettkörpers, welcher indessen leichter
schmelzbar ist, als die auf nassem Wege erhaltene Fettsäure.
Als man die Verseifung mit Schwefelsäure einführte, arbeitete man, um Schwefligsäure,
deren Gegenwart man für nothwendig hielt, zu erzeugen, bei erhöhter Temperatur. Die
erhaltenen Producte waren schwarz gefärbt und die Destillation war zur Reinigung
derselben unumgänglich nothwendig. Bei seinen ersten, in Gemeinschaft mit Frémy abgeführten Versuchen, arbeitete de Milly, um sich gegen eine so tiefgreifende Zersetzung
zu sichern, mit nur schwach concentrirter Schwefelsäure und bei einer längere Zeit
unterhaltenen, nur wenig hohen Temperatur. Merkwürdigerweise ist es ihm durch
Anwendung concentrirter Säure und einer hohen Temperatur, jedoch mit Beschränkung
der Einwirkung auf nur wenige, höchstens zwei bis drei Minuten, in der letzten Zeit
gelungen, die von ihm so lange verfolgte Aufgabe in befriedigender Weise zu
lösen.
In seiner Fabrik, die ich in Gesellschaft mehrerer fremder Chemiker kürzlich
besuchte, wird der auf 120° C. erhitzte Talg bei feinem Ausfließen aus dem
Erhitzungsapparate mit 6 Proc. seines Gewichtes an concentrirter Schwefelsäure
versetzt, indem beide Körper in einem gußeisernen Rührfasse möglichst innig mit
einander vermischt werden. Nachdem die Reaction eingetreten ist, wird sie nach
Verlauf von zwei bis drei Minuten plötzlich unterbrochen, indem man das Gemisch in
eine große, mit kochendheißem Wasser gefüllte Kufe fließen läßt, wo sich das
unveränderte Glycerin abscheidet, während die Fettsäuren in sehr dunkelgefärbtem
Zustande an die Oberfläche des Wassers treten. Die Substanz, welche die Fettsäuren
färbt, ist nun aber in Wasser vollständig löslich und somit lassen sich die
Fettsäuren durch zuerst kaltes, dann warmes Auspressen vollkommen weiß und zum
Vergießen zu Kerzen fertig extrahiren. Die ganze Operation beansprucht nicht mehr
als eine Stunde Zeit. Es ist indessen vorzuziehen, nachdem man durch das Auspressen
eine schon feste aber noch unreine Fettsäure erhalten hat, dieselbe nochmals
umzuschmelzen und zu dickeren Broden zu vergießen, welche beim letzten Auspressen
auch dickere, den durch die Kalkverseifung erzielten ähnliche und zur Fabrication
von Luxuskerzen geeignete Kuchen von gereinigter Säure geben. 100 Th. Talg geben
nach diesem Verfahren 52 Thle. Fettsäuren, welche bei 54° C. schmelzen.
Offenbar muß sich bei dieser Methode eine gewisse Menge starrer Fettsäure in dem
flüssigen, gefärbten Theile concentriren und in diesem öligen Magma zurückbleiben,
wie der krystallisirbare Zucker in der Melasse. Deßhalb unterwirft de Milly diesen Rückstand der Destillation und gewinnt so aus demselben neben
der destillirten Oelsäure 9 bis 10 Proc. starrer Fettsäuren.
Mittelst dieser Methode, welche die Vorzüge der Kalkverseifung mit denen der
Destillation verbindet, kann man also mindestens vier Fünftheile des Maximalertrages
an Fettsäuren erhalten, die sich zur Fabrication von Luxuskerzen eignen, und ein
Fünftel, welches zu Kerzen von geringerer Qualität tauglich ist, aus den Abgängen
durch Destillation gewinnen.