Titel: | Ueber Toluidinfarbstoffe. |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XXXV., S. 169 |
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XXXV.
Ueber Toluidinfarbstoffe.
Ueber Toluidinfarbstoffe.
J. A. Schlumberger in Mülhausen ließ sich in Frankreich
ein – dem Usèbe'schen der
Anilingrün-Darstellung ganz analoges – Verfahren zur Darstellung von
Toluidingrün patentiren, nach welchem 1 Th. Rosotoluidin in 1 1/2 Th. Schwefelsäure
von 66° Baumé gelöst, dann 4 Th. Aldehyd zugesetzt werden und das
Ganze so lange gekocht wird, bis die rothe Farbe in ein schönes reines Blau
übergegangen ist, worauf man dieses in eine Lösung von 2 Th. unterschwefligsaurem
Natron in 100 Th. siedenden Wassers gießt und die grüne Farbe sich entwickeln läßt.
Ueber die Extraction des Grüns aus der Flüssigkeit, ob es in trockenem Zustand und
krystallisirt erhalten werden kann oder als concentrirte Lösung verwendet werden
muß, sowie über die Anwendung des Farbstoffes zum Färben und Drucken ist nichts
angegeben.
Bei Mittheilung dieses Patentes im Moniteur scientifique,
1867 p. 209, spricht P. Alfraise seine Ansicht darüber aus, ob ein Rosotoluidin wirklich existire.
CoupierPolytechn. Journal Bd. CLXXXI S.
385.
erhielt beim Krystallisirenlassen von fast chemisch reinem Toluidin eine ölige
nicht krystallisirende Flüssigkeit, deren Siedepunkt weit höher lag, als der des
Anilins und die mit Säuren Salze und bei Behandlung mit Arsensäure 50 Proc. eines
rothen Farbstoffes lieferte, welcher von Coupier
Toluolroth, von Anderen Rosotoluidin genannt wurde. RosenstiehlPolytechn. Journal Bd. CLXXXI S.
389.
fand später, daß das ölige Alkali weder Anilin noch Toluidin, sondern ein
neuer, noch nicht bekannter Körper ist und daß das Roth, welches es liefert, von den
Rosanilinsalzen verschieden ist. Alfraise dagegen erhielt
andere Resultate. Das bei seinen Versuchen angewendete Alkali stellt er aus 1 Kil.
von Coupier bezogenem krystallisirten Toluidin durch
Reinigung und Umkrystallisiren des letzteren dar. Ein Theil wurde in ein oxalsaures Salz
umgewandelt, das krystallisirt, abgetropft und getrocknet in einem Glasballon zwei
Stunden lang im Oelbad auf 250° C. erhitzt wurde. Dann hatte alle
Gasentwickelung aufgehört und es blieb eine weißliche Masse zurück, die zur
Entfernung des unverändert gebliebenen oxalsauren Salzes mit Wasser ausgewaschen
wurde. Der unlösliche Rückstand von Oxanilid wurde in siedendem absoluten Alkohol
aufgelöst, aus dem es sich beim Erkalten in silberglänzenden Schüppchen abschied.
Schon dieses Verhalten deutet auf die Gegenwart von Anilin hin, dessen oxalsaures
Salz bei 245 bis 250° C. in Oxanilid (Diphenyloxamid) übergeht, während das
oxalsaure Toluidin erst bei 280° C. Ditoluyloxamid liefert. Wenn man also die
Temperatur nicht über 250° steigert, so wird sich nur Oxanilid bilden und das
oxalsaure Toluidin, das nicht zersetzt wird, durch siedendes Wasser, in welchem
ersteres nicht löslich ist, von demselben getrennt werden können. Zur Beseitigung
aller Zweifel wurde das Oxanilid in Sulfanilsäure übergeführt, indem 1 Th. mit 2 Th.
Schwefelsäure von 66° Baumé auf 150° C. erwärmt wurde, bis ein
Tropfen, in Wasser gebracht, letzteres nicht mehr trübte. Dann wurde mit 8 bis 10
Th. Wasser verdünnt und die siedende Flüssigkeit filtrirt; nach 24 Stunden wurden
Krystalle erhalten, die zum größeren Theil aus Sulfanilsäure und nur zum kleinen
Theil aus Sulfotoluidinsäure bestanden; letztere sind leicht dadurch zu
unterscheiden, daß sie kleine, kurze Prismen bilden, während die
Sulfanilsäurekrystalle rhombische, 4–5mal so große Platten bilden. Daß die
fragliche Substanz wirklich Sulfanilsäure war, ergab sich daraus, daß sie durch
Chromsäure rothbraun gefärbt wurde, ohne einen Niederschlag zu geben; mit wässerigem
Brom wurde eine milchige Lösung erhalten, die sich allmählich absetzte, wie
Chlorsilber; mit Kalikalk ergab sie Anilin, das durch unterchlorigsauren Kalk
violett gefärbt wurde. – Nach diesem Verhalten müßte das ölige Alkali als ein
Gemisch von Anilin und Toluidin angesehen werden.
Mit einem anderen Theil des Alkali war Toluidinroth dargestellt worden; dieses wurde
in einer Retorte über freiem Feuer über Aetzkali destillirt. Das Destillat zeigte
eine gewisse Menge Anilin; Hofmann hatte dasselbe
Resultat bei Rosanilin beobachtet. Der Schluß liegt nahe, daß das Anilin, welches
das Rosotoluidin bei der Destillation ergab, von dem öligen Alkali herrühren mußte.
– Die bisherigen Resultate wurden noch durch folgenden Versuch bestätigt. 500
Grm. bei 110–112° C. siedendes Toluol, das von Coupier dargestellt war, wurden mit 1 Kil. rauchender Schwefelsäure in
einem Ballon eine Stunde lang unter fortwährendem Umschütteln in einem Bad von
siedendem Wasser erwärmt. Die mit Wasser verdünnte Masse wurde dann in der Wärme mit gepulvertem
kohlensaurem Baryt gesättigt, filtrirt, concentrirt und einen oder zwei Tage
krystallisiren gelassen. Es wurden dabei zwei verschiedene Producte erhalten,
toluolschwefelsaurer Baryt C¹⁴H⁷BaS²O⁶ in schönen
weißen Schuppen krystallisirt, und sulfobenzolsaurer Baryt
C¹²H⁵BaS²O⁶, der sich in warzigen Krusten ohne
krystallinische Form abgesetzt hatte.
Es ließ sich nach allem diesem nicht bezweifeln, daß das Toluol Benzin enthielt und,
bis das Gegentheil bewiesen ist, muß angenommen werden, daß der als Rosotoluidin
bezeichnete Körper nur mehr oder weniger reines Rosanilin ist. (Deutsche Industriezeitung,
1867, Nr. 18.)