Titel: | Ueber die Anwendung des Petroleums zur Dampfkesselfeuerung; von Dr. M. Zängerle. |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XLVII., S. 211 |
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XLVII.
Ueber die Anwendung des Petroleums zur
Dampfkesselfeuerung; von Dr. M.
Zängerle.
Aus dem bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt, 1867
S. 721.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Zängerle, über Anwendung des Petroleums zur
Dampfkessel-Feuerung.
Schon bald nach Entdeckung des Petroleums in großen Quantitäten in Amerika, versuchte
man es, dasselbe als Heizmaterial zu verwenden. Alle Versuche hierüber scheiterten
aber an dem Umstande, daß das Petroleum nicht für längere Zeit gebrannt werden
konnte, ohne daß die Flamme stark rauchte, wodurch ein großer Theil des
Brennmateriales verloren ging, und ohne daß sich Kohks und andere Rückstände
bildeten, welche die Apparate bald in unbrauchbaren Zustand versetzten.
Einem Amerikaner, Colonel Henry R. Foote, ist es nach
zahlreichen seit 1864 fortgesetzten Versuchen gelungen, einen in dieser Hinsicht
vollkommenen Apparat zu construiren. Der königl. bayer. Consul in New-York,
Hr. George Siemon, spricht sich in einem Bericht an das
königl. bayer. Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten über die
Foote'sche Erfindung äußerst günstig aus und ich
entnehme den BeilagenAmerican Journal of Mining, Augustheft 1867.
– A Description of the Apparatus for burining
crude Petroleum in Marine- and Locomotive-Boilers.
Invented By Col. Henry
Foote. New-York:
Baker
and
Godwin, Printers. 1867. dieses Berichtes die Abbildung und Beschreibung des Apparates.
A, Fig. 17, stellt eine
gußeiserne Retorte dar, deren Boden, aus Schmiedeeisen bestehend, rings um die
Ränder befestigt ist. B ist ein kleines mit dem
Oelbehälter in Verbindung stehendes Rohr, durch welches das rohe Petroleum in die
Retorte fließt. Sein Durchmesser beträgt an der Stelle, wo es in die Retorte
eintritt, 1/8 Zoll. C, C sind den gewöhnlichen Gasröhren
ähnliche eiserne Röhren, welche auf der Seite der Retorte eingeschraubt sind. In die
äußeren, ellenbogenförmigen, nach oben offenen Enden dieser Röhren sind die
pilzförmig gestalteten, dichten gußeisernen Brenner D, D
mit ausgekehlten Stielen eingeschaltet. Die Bestimmung dieser Brenner ist, die
Flamme auszubreiten und da ihr scheibenförmiger oberer Theil stets rothglühend ist,
dienen sie auch zur Entzündung derjenigen Partikelchen von Kohle, welche etwa nicht
entzündet wurden, bevor sie dieselben erreichten. E, E
ist ein aus eisernen Gasröhren gefertigtes Dampfschlangenrohr, welches locker mit Eisenbohrspänen
gefüllt ist. Beim Gebrauch wird dasselbe durch die darunter befindlichen Brenner
stets rothglühend erhalten. Der Dampf tritt in dieses Schlangenrohr an dem Punkte
F ein, und dringt, nachdem er dasselbe passirt hat,
an den beiden Enden durch die Röhren G, G in die Retorte
ein. H ist ein mit einer kleinen Luftpumpe verbundenes
Rohr, welches bei dem Punkte I Luft in die Retorte preßt
bei einem Drucke von ungefähr einem halben Pfund auf den Quadratzoll. K ist ein Rohr, welches das Gas von der Retorte zu dem
Brenner L unter derselben führt, wo es verbrennt und den
Boden der Retorte auf der Rothgluth erhält.
Vielleicht wird die Wirkungsweise des Apparates besser verstanden durch Beschreibung
des Feuers vom Beginne an. Eine Handvoll entzündeter Holzstücke wird für einige
Minuten unter die Retorte gelegt, bis der Boden derselben heiß genug ist, um das Oel
zu verdampfen, worauf man das rohe Oel aus dem Behälter, welcher in einiger
Entfernung von der Retorte aufgestellt ist, langsam in die letztere fließen läßt.
Hier, mit dem heißen Boden in Berührung kommend, verdampft das Oel sofort, dessen
Gase füllen die Retorte aus, gehen durch die Röhren C, C
hindurch und gelangen in die Stiele der Brenner D, D, wo
sie mit trüber, rauchender Flamme verbrennen. Sobald man Dampf erhalten hat,
gestattet man demselben an dem Punkte F in das
rothglühende Schlangenrohr E, E einzutreten, durch
welches er langsam hindurchgeht, wobei er entweder zersetzt oder stark überhitzt
wird. Sowie die Gase von dem überhitzten Wasserdampf in die Retorte eintreten, tritt
eine merkliche Veränderung ein. Das Gas brennt nun mit einer sehr klaren, heißen und
fast rauchlosen Flamme. Die Verbrennung erfordert nur noch einen angemessenen,
nachträglichen Zufluß von Sauerstoff, damit sie durchaus vollkommen ist. Dieser ist
durch den natürlichen Zug nicht zu beschaffen, aber durch eine kleine mit dem Rohre
H verbundene Luftpumpe, welche die Luft bei einem
beständigen Drucke in das Centrum der Retorte schafft, wo sie sich vollkommen mit
dem Wasserstoff und den Kohlenwasserstoffgasen mischt. Das Feuer brennt nun mit
einer klaren, blauen, sehr heißen Flamme. Nicht ein Partikelchen von Kohle scheidet
sich als Rauch aus, noch gibt es die geringste Ansammlung von Kohle in der Retorte,
den Röhren oder Brennern; alles ist vollends verbrannt. Die Quantität von Dampf, Oel
und Luft kann durch besondere Hähne regulirt werden, so daß das Feuer unter
vollkommener Controle steht und beliebig modificirt oder ausgelöscht werden kann.
Die entwickelte Hitze ist intensiv, weit übertreffend die Temperaturen, welche auf
irgend eine Weise mittelst Holz oder Kohlen erzeugt werden können, und doch dauert
der Apparat für Jahre. Sogar die Dampfröhren sowie der Rauchfang dauern weit länger
wie mit Steinkohlenfeuer, weil in dem Oel kein Schwefel enthalten ist, der dieselben
angreift. Während der ganzen Reihe der innerhalb zweier Jahre zu Land und zur See
angestellten Versuche hat sich nicht der kleinste Unfall ergeben. Der Apparat kann
von jedem Arbeiter mit gesundem Menschenverstande in leichtester Weise bedient
werden. Soll er bei einem Dampfkessel mit Steinkohlen-, Holz- oder
Torffeuerung in Anwendung kommen, so werden die Roststangen gänzlich entfernt und
wird der Apparat an deren Stelle gebracht.
Der Apparat ist seit längerer Zeit in New-York aufgestellt und fortwährend Tag
und Nacht, mit rohem Petroleum der ordinärsten Sorte gespeist, in vollem Betriebe,
so daß sich Jedermann von der Brauchbarkeit desselben überzeugen kann. Die Regierung
der Vereinigten Staaten Nordamerika's, welche großes Interesse an der Erfindung
nimmt, ließ seit längerer Zeit Versuche mit dem Apparate anstellen.
Der Dampfer „Palos,“ ein Dampfkanonenboot der vierten Classe von
350 Tonnengehalt, wurde für Regierungsrechnung gebaut und mit dem Apparate
ausgerüstet. Derselbe machte in dem Zeitraume vom 14. Juni bis 3. Juli 1867 unter
großer Betheiligung der bedeutendsten Ingenieure und ersten Kaufleute drei
Seefahrten. Das Resultat war folgendes: Das Schiff hatte in 25 Minuten vollen Dampf
und durchlief bei der ersten Probefahrt in 1 Stunde und 55 Minuten eine Strecke von
25 Seemeilen. Die Maschine verbrauchte während dieser Zeit vier Tonnen Oel. Die
Maschine des „Palos“ war für 8 Knoten berechnet und hätte mit
Kohlen nach Aussage der Ingenieure nicht mehr machen können. Die
Regierungs-Ingenieure drückten ihre Befriedigung über den vollständig
gesicherten Erfolg aus und es sind sofort von der Regierung größere Dampfer, welche
als Transportschiffe benutzt werden, zur Umänderung für Petroleumfeuerung bewilligt
worden.
Die Heizkraft des Petroleums ist ungefähr viermal so groß als die der Steinkohle,
wenn man beide Stoffe vollständig verbrennen und deren Wärme benutzen könnte. Das
Verhältniß gestaltet sich noch weit günstiger, wenn man berücksichtigt, daß sich von
der Steinkohle, nach Abzug der nicht verbrannten Kohlentheile, des Staubes und der
im Rauche verloren gegangenen Gase nur etwa die Hälfte ihrer Wärmebefähigung
praktisch benutzen läßt, während bei vorbeschriebener Petroleumfeuerung die volle
Heizkraft des Petroleums bewahrt wird. Das Petroleum kann demnach mit einer großen
Ersparniß gegen Steinkohle selbst bei feststehenden Dampfmaschinen gebraucht werden,
während für Dampfboote und Locomotiven, wenn die Ersparniß im Tonnengehalt und
Frachtraum, die geringere Arbeit, die Reinlichkeit und andere Vortheile mit in
Rechnung genommen werden, der Werth dieser Erfindung kaum überschätzt werden
kann.
Eine Preissteigerung des Petroleums durch Einführung desselben als Heizmaterial für
Dampfkessel ist nicht zu befürchten, indem fortwährend neue Oelquellen entdeckt
werden und bis jetzt in dem Maaße, als die Nachfrage nach Petroleum zunahm, die
Oelproduction sich steigerte. In welchem Maaße dieß der Fall war, zeigt nachstehende
Uebersicht über die Petroleumproduction in den Vereinigten Staaten Amerika's.
Dieselbe betrug
im Jahre
1861
600,000 BarrelsEin Barrel =
163,6 Liter.
„
„
1862
1,000,000 „
„
„
1863
2,000,000 „
„
„
1864
2,180,000 „
„
„
1865
2,300,000 „
„
„
1866
4,000,000 „
Bedenkt man, daß sich in Europa wahrscheinlich ebenso reiche Petroleumlager
findenIn Galizien, Ungarn, Polen, Rußland und Italien sind mächtige Petroleumlager
entdeckt worden, welche meistens wegen ungenügenden Absatzes, schlechter
Transportmittel, Mangel an Capital und noch so mancher für eine gedeihliche
gewerbliche Entwickelung wichtig integrirender Factoren noch gar nicht oder
nur theilweise zur Verwendung kommen. In Galizien z.B. kommt das Petroleum
auf einer circa 2–3 Meilen fast das ganze
Land durchschneidenden Strecke vor, welche bei Saybusch beginnend, längs der
nördlichen und nordöstlichen Abdachung der Karpathen über Limanowa,
Neusandez, Grybow, Gorlise u.s.f. in die Bukowina und von da weiter nach der
Moldau und Walachei sich fortzieht. Die Gewinnung geschieht mittelst nur
sehr geringe Tiefe besitzender Brunnen, deren Mehrzahl selten über mehr als
60–90 Fuß hinabgetrieben sind. Nur einige existiren, welche bis zu
150–180 Fuß messen. Anhaltende und deßhalb allein lohnende Ausbeuten
von Petroleum sind aber meist nur in Tiefen von 200–240 und noch mehr
Fußen zu hoffen, zu welchen Tiefen die rohen und unvollkommenen Hülfsmittel
und Werkzeuge, welche der galizischen Petroleum-Industrie zu Gebote
stehen, nicht ausreichen. – Der Preis des lichten westgalizischen
Petroleums beträgt durchschnittlich 8 fl. öster. Währ. für einen Wiener
Centner loco Grube, während für das dunklere
ostgalizische Petroleum meist nur 7 fl., ja selbst 5 und weniger Gulden
gezahlt werden.A. d. Verf., welche nur einer ebenso energischen Inangriffnahme bedürfen wie dieselben
in Nordamerika gefunden haben, um ähnliche Quantitäten wie dort zu liefern; bedenkt
man ferner, daß in dem beschriebenen Apparate, wie anzunehmen ist, auch die
Rückstände verbrannt werden können, welche bei der Reinigung des Petroleums
massenhaft verbleiben und in Europa bereits mit Vortheil zur Leuchtgasfabrication
verwendet werden, so
dürfte die Foote'sche Erfindung auch in Europa die größte
Aufmerksamkeit verdienen.Foote's Apparat scheint uns complicirter zu seyn
als es nothwendig wäre, und deßwegen auch nicht ungefährlich. Rationell mag
es seyn, Petroleumdämpfe mit Wasserdämpfen zu mischen, um den überschüssigen
Kohlenstoff in Kohlenoxyd- und Wasserstoffgas zu verwandeln; aber
dieß sollte nach unserer Meinung nicht in der Retorte selbst geschehen, und
noch weniger sollte Luft in dieselbe gepreßt werden.Ueberhaupt ist nach unserer Ansicht die Anwendung des
Petroleums als Brennstoff verwerflich, weil dasselbe als
Leuchtstoff so werthvoll und jedenfalls nicht unerschöpflich ist; denn das
Petroleum erzeugt sich doch gewiß nicht immer fort, und der Vorrath könnte
plötzlich ausgehen, wornach wir dasselbe als Leuchtstoff schmerzlich
entbehren müßten.A. d. Red.