Titel: | Einige weitere Bemerkungen über den Baker'schen Anti-Incrustator für Dampfkessel. |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. LX., S. 273 |
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LX.
Einige weitere Bemerkungen über den Baker'schen
Anti-Incrustator für Dampfkessel.
Ueber den Baker'schen Anti-Incrustator für
Dampfkessel.
Im Engineer vom 6. December 1867, S. 467 gibt Hr. Robert
Sabine in London eine Note „über den
elektrischen Anti-Incrustator,“ welche die räthselhafte
Thätigkeit dieser Vorrichtung auf physikalische Vorgänge zurückzuführen sucht. Als
bewegende Kraft für diese Vorgänge nimmt der Verfasser von vornherein einen
elektrischen Strom an, der zwar an und für sich eine geringe Intensität habe, der
aber, andauernd erzeugt, immerhin ausreichen könne, um moleculare Bewegungen der
Wasserpartikel etc. herbeizuführen und die verlangten Wirkungen auf indirectem Wege
hervorzubringen. Da wir bei der Erwähnung der Baker'schen
Vorrichtung die Bemerkung anfügten (s. polytechn. Journal Bd. CLXXXVI S. 273; zweites Novemberheft
1867), daß wir die Rolle, welche diese Vorrichtung als Anti-Incrustator
einnehme, nur als eine sehr untergeordnete ansehen, keinesfalls aber zugeben können,
daß Wirkungen eines elektrischen Stromes durch die Anwesenheit jener Vorrichtung zum
Vorschein kommen können, so mag es als gerechtfertigt erscheinen, wenn wir die
Erklärungsweisen des Hrn. Sabine hier näher
betrachten.
Um die Thätigkeit der Baker'schen Vorrichtung zu erklären,
setzt Hr. Sabine zunächst voraus, daß der Dampfstrahl bei
seinem Uebergange vom Wasser in den Dampfraum des Kessels in Folge der Anwesenheit
des metallenen Sternes (also beim Vorüberströmen an den Spitzen des letzteren) in
den positiv elektrischen, das Wasser und die Kesselwand aber in den negativ
elektrischen Zustand versetzt werde. Weiter wird vorausgesetzt, daß, da der Stern
mittelst einer Porzellanglocke und der Kupferdraht in gleicher Weise mit der
Kesselwand in Verbindung steht, eine unmittelbare Mittheilung der Elektricität an
den Dampfkessel nicht eintreten könne, sondern daß der Uebergang in Folge eines
Stromes vom Sterne durch die Wassermasse nach der Kesselwand oder umgekehrt erfolge.
Dieser Strom sey es nun, welcher die fraglichen Vorgänge zu erzeugen hat. Letztere
seyen nun verschieden, je nachdem die innere Kesselwand in blankem Zustande sich befindet
oder mit einer Schichte des Kesselsteines schon bedeckt ist. Für den ersten Fall
lasse sich in zweierlei Weise erklären, daß – unter der Voraussetzung, daß
die elektrische Erregung in genannter Weise stattgefunden hat – die während
des Siedens von den Wassertheilchen sich abtrennenden Partikel der darin aufgelösten
Salze eine fortwährende Bewegung annehmen müssen, welche in Form eines Stromes die
festen Partikel von den negativ geladenen Stellen der Kesselwand gegen den positiv
geladenen Stern hinführt. Bekanntlich hat nämlich Jürgensen durch seine Untersuchungen gefundenArchiv für Anatomie, Jahrgang 1860, S. 673., daß „wenn der Strom einer möglichst
vielpaarigen Säule durch eine schlechtleitende Flüssigkeit geführt
wird, in welcher sich feinvertheilte feste Körper suspendirt befinden, diese
Theilchen vom negativen zum positiven Pole der Kette durch die Flüssigkeit sich
bewegen,“ während man, wenn die Flüssigkeit durch eine poröse
Zwischenwand in zwei Zellen abgetheilt wird, sich überzeugen kann, daß die
Flüssigkeitstheilchen vom positiven zum negativen Pole hinwandern. Diese Vorgänge
könne man nun auch auf den in Rede stehenden Fall anwenden, und es liege daher darin
eine Erklärung, daß die festen Partikel des siedenden Kesselwassers sich nicht an
der Kesselwand ablagern können, daß dieselben vielmehr in beständiger Strömung
erhalten bleiben, so lange die Dampfentwickelung stattfindet. – Eine andere
Erklärung sey viel einfacher, und bestehe darin, daß die im Wasser schwebenden
Partikel ebenso wie das Wasser im negativ elektrischen Zustande sich befinden; die
Kesselwand sey selbst negativ elektrisch, es herrsche daher beständig eine Abstoßung
zwischen jeder Stelle der Kesselwand und den suspendirten Partikeln, weßhalb also
das Altsetzen des festen Kesselsteines nicht eintreten könne.
Der zweite der oben erwähnten Fälle hingegen, in welchem die Kesselwand schon mit
einer Kruste bedeckt ist, sey viel complicirter als der vorige. Für diesen neuen
Fall könne man zunächst annehmen, daß die Kesselwand durch die zwischen ihr und dem
Wasser befindliche feste Schichte von letzterem isolirt sey, so daß also Wasser und
Kessel in entgegengesetztem elektrischen Zustande sich befinden; ferner sey
vorauszusetzen, daß der Kesselstein eine schwammartige poröse Masse mit capillaren
Oeffnungen repräsentire. Diese Voraussetzungen gestatten daher, nach der Meinung des
Verfassers, auch die weitere Annahme zu machen, daß in Folge der gegenseitigen
Anziehung zwischen den Theilen der Kesselwand und dem Wasser, letzteres in feinen Fäden gegen
die Kesselwand hingezogen und dabei die Kruste in ähnlicher Weise von den
Wasserfäden durchdrungen werde, wie dieß durch analoge Versuche mittelst der
Elektrisirmaschine nachgewiesen worden sey. Die in Folge dieser Vorgänge mit der
überhitzten Kesselwand in Berührung kommenden Wassertheilchen werden daher plötzlich
verdampfen und die hierbei ausgeübte Explosionskraft müsse sohin die Kruste von der
Kesselwand ablösen.
Aus dem Vorstehenden ersehen wir nunmehr, daß die Baker'sche Vorrichtung, wenn durch ihre Anwesenheit die eben beschriebenen
Vorgänge in der Wirklichkeit stattfinden würden, nicht bloß jeden Dampfkessel frei
von Incrustationen halten müßte, sondern daß auch sogar ihre Thätigkeit so weit sich
erstrecken würde, jeden mit Kesselstein besetzten Dampfkessel vollständig zu
reinigen.
Untersuchen wir jedoch, in wie weit von vornherein die oben angeführten
Voraussetzungen als richtig anerkannt werden dürfen. Nach der ersten der vom
Verfasser gewählten Annahmen würde jeder in Thätigkeit befindliche Dampfkessel ohne
weiteres in eine Dampf-Elektrisirmaschine verwandelt werden, wenn man in den
Dampfraum ein System von Metallspitzen versetzt. Die seiner Zeit von Armstrong, Pattinson, Schafhäutl, Faraday u.a. auf
Veranlassung des zu Seghill bei Newcastle zuerst beobachteten Phänomens hierüber
angestellten eingehenden Untersuchungen haben jedoch dargethan, daß die elektrischen
Erscheinungen im Dampfe sowie an dem Kessel nicht früher auftreten, bis der mit
Wassertheilchen emporsteigende Dampfstrahl unter ganz besonderen Umständen zum
Austritte kommen und dabei sich zu einer Dampfwolke verdichten kann. Armstrong sagt hierüber unter Anderen:: „Um zu
zeigen, daß in dem Dampfkessel selbst keine freie Elektricität vorhanden sey,
nahm man (von dem für die Versuche benutzten Apparate) die obere Glasröhre ab
und führte durch die untere Röhre und die beiden unteren Hähne einen spitzen
Draht in das Innere des Kessels hinab, während zugleich Vorkehrungen getroffen
wurden, daß kein Dampf neben dem Drahte entweichen konnte. Das Resultat war, daß
der Dampf keine Spur von freier Elektricität wahrnehmen ließ.“ Bei
einer anderen Versuchsreihe heißt es: „So lange der Dampf eingeschlossen
blieb, gab der Kessel keine Anzeige von Elektricität, sowie man ihn aber
entweichen ließ, zeigte sich letzterer außerordentlich stark negativ
elektrisch.“ – Die seit jener Zeit in dieser Richtung
angestellten und uns bekannt gewordenen Untersuchungen vermochten bis jetzt keine
dieser Thatsachen zu modificiren oder zu widerlegen. Selbst die von vielen Seiten
aufgestellte Behauptung,
daß die Verdampfung mit Elektricitätsentwickelung verbunden sey, konnte bis jetzt
noch nicht mit Sicherheit begründet werden, sondern wurde sogar durch gewichtige
Versuche widerlegt. Die einzige Quelle für elektrische Erregung, welche die in Rede
stehende Gelegenheit darbieten könnte, wäre daher die Berührung des vom Sterne
ausgehenden Kupferdrahtes mit den Partikeln des siedenden Wassers selbst. Es kann
nicht in Zweifel gestellt werden, daß in Folge dieser Berührung eine
Elektricitätserregung stattfindet, so zwar, daß der Kupferdraht negativ, die
angrenzenden Wasserpartikel positiv elektrisch werden. Daß aber diese Erregung
solche Elektricitätsmengen liefern könne, um irgend welche wahrnehmbare Wirkungen
hervorzubringen, wollen wir hier nicht auseinandersetzen; wir sind vielmehr geneigt
anzunehmen, daß selbst unter günstigeren Umständen wie die in Rede stehenden ein
sehr empfindliches Elektrometer die Anwesenheit einer Ladung des Kupferdrahtes kaum
zu erkennen geben werde, während von der Entstehung eines Stromes hier kaum die Rede
seyn dürfte. Ueberdieß ist – was wir bereits früher schon hervorgehoben haben
– das mit den Kupferspitzen besetzte Messingstück ebenso wenig als der von
letzterem ausgehende Kupferdraht von der Kesselwand isolirt, da die Träger aus
Porzellan stets mit Wasserschichten bedeckt seyn müssen, welche wenigstens von den
im Dampfe befindlichen Wassertheilchen herrühren. Es würde daher, selbst wenn man
auf directem Wege dem Sterne und der Kesselwand Ladungen von ungleichnamiger
Elektricität beibringen würde, die Ausgleichung zwischen der mehrfach erwähnten Baker'schen Vorrichtung und dem Kessel nicht durch das
Wasser, sondern auf unmittelbarem Wege, dem des kleinsten Leitungswiderstandes,
erfolgen. – Nachdem wir nunmehr zur Ueberzeugung gelangt sind, daß durch
keine der uns bis jetzt bekannt gewordenen Untersuchungen die Grundlage, von der Hr.
Sabine für seine Theorie ausgegangen ist,
irgendwelche Anhaltspunkte finden kann, so können wir selbst die Folgerungen, welche
derselbe zur Erklärung der Thätigkeit der erwähnten Vorrichtung aufstellt, nicht
zugeben. Die von ihm selbst citirte Quelle, welche die Untersuchungen von Jürgensen enthält, hebt besonders hervor, daß nur durch
den Strom einer „möglichst vielpaarigen Säule“ die gedachten
molecularen Bewegungen der im Wasser suspendirten festen Partikel erzeugt werden; es
ist also gar nicht denkbar, wie ein schwacher Strom, dessen Anwesenheit kaum zur
Wahrnehmung gebracht werden kann, derartige Wirkungen hervorzubringen vermag, wenn
ein solcher auch in der Art zum Auftreten kommen könnte, daß seine Richtung die oben
angegebene wäre. Ebenso wenig kann von einer elektrischen Abstoßung der Kesseltheile
und der Wasserpartikel etc., durch welche das Ansetzen von Kesselstein verhindert werden soll, unter den
angenommenen Umständen die Rede seyn.
Da in der früher von uns benutzten QuelleMan vergl. polytechn. Journal Bd. CLXXXVI
S. 274. ausdrücklich erwähnt wird, daß unter dem Einflusse der Baker'schen Vorrichtung die Kalksalze in höchst feiner Vertheilung als
leichtes Pulver sich niederschlagen (also nicht im Kesselwasser schweben bleiben),
so wird es sich bei künftigen Versuchen zunächst darum handeln, nachzuweisen, ob
dieser Vorgang auch wirklich in der Art stattfindet, daß bloß der Boden des Kessels
und nicht auch andere Stellen der Kesselwand von jenem Pulver bedeckt werden, und ob
diese vermuthete Thätigkeit nicht durch Einsetzen mehrerer Drähte u. dgl. erhöht
werden könne. Allerdings wäre es auch zu wünschen, daß durch Versuche constatirt
werde, ob der genannten Vorrichtung der Name „elektrischer Anti-Incrustator“ beigelegt werden
dürfe, und worin seine Wirksamkeit bei einem schon mit Krusten besetzten Kessel
bestehe. – Daß die Wirksamkeit jener Vorrichtung an die Bedingung geknüpft
ist, das niedergeschlagene Pulver „einige Male
täglich durch Oeffnen des Ausflußhahnes zu entfernen,“
dürfte wohl auch dann für die praktische Anwendung des Baker'schen Anti-Incrustators nicht gleichgültig seyn, wenn selbst
eine Wirksamkeit des letzteren sich herausstellen würde.
C. K.