Titel: | Ueber die Anwendung der Spectralanalyse für den Bessemerproceß; von Andreas Lielegg, Professor in St. Pölten. |
Autor: | Andreas Lielegg [GND] |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XCIV., S. 390 |
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XCIV.
Ueber die Anwendung der Spectralanalyse für den
Bessemerproceß; von Andreas
Lielegg, Professor in St. Pölten.
Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
Lielegg, über die Anwendung der Spectralanalyse.
Seit Kirchhoff und Bunsen durch
ihre classischen Arbeiten die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Spectralanalyse
gelenkt haben, wurden durch dieselbe Entdeckungen gemacht, welche selbst
hochgespannte Erwartungen nicht unbefriedigt ließen; denn die Auffindung von vier
neuen Grundstoffen und die Aufschlüsse, welche über die materielle Natur von
Himmelskörpern auf diesem Wege gewonnen wurden, sind gewiß für die Wissenschaft von
der größten Bedeutung.
Die vielseitige Anwendung, welche man von der Spectralanalyse machen kann, hat aber
auch nicht verfehlt zahlreiche Untersuchungen zu veranlassen, welche mehr oder
weniger von praktischem Erfolge begleitet waren, wie dieß die Arbeiten von Valentin
G. Valentin: der Gebrauch des Spectroskopes zu
physiologischen und ärztlichen Zwecken. Bern, 1863., Haerlin
J. Haerlin: über das Verhalten einiger Farbstoffe
im Sonnenspectrum; Poggendorff's Annalen, 1863,
Bd. CXVIII. und Anderen erweisen, die auch zugleich zeigen, wie der Annahme selbst
fruchtbarer Ideen, weil sie der Gedankenrichtung ihrer Zeit entgegen oder doch
wenigstens fremd sind, ein gewisser Widerstreit vorangeht.
Als ich im Sommer des Jahres 1866 meine Untersuchungen über das Spectrum der
Bessemerflamme begann, war nur eine kurze Mittheilung Roscoe's
Proceedings of the literary and philosophical Society
of Mancester, vol. III p. 57. –
The London, Edinburgh and Dublin philosophical
Magazine and Journal of science, fourth series, vol. XXV p. 318. aus dem Jahre 1863 bekannt, in welcher zwar der Anwendung der
Spectralanalyse bei der Fabrication des Gußstahles nach der Bessemermethode die
höchste Wichtigkeit (highest importance) zuerkannt
wurde, die aber nichts weiteres als die Thatsache enthielt, daß im Spectrum der
Bessemerflamme eine Anzahl bisher unbestimmter heller Linien beobachtet werden kann.
Bei dem großen Aufschwunge, welchen das Bessemerverfahren in Europa genommen und bei
den vielfachen Bemühungen nähere Kenntniß über diesen Proceß zu erlangen und den
praktischen Betrieb zu vervollkommnen, muß es auffallen daß diese von Roscoe geäußerte Ansicht eine eingehendere Untersuchung
von Seite der hierbei Interessirten nicht sogleich zur Folge hatte. Im Jahre 1864
erwähnte zwar F. Kohn gelegentlich eines Vortrages über
die neueren Verbesserungen des BessemerverfahrensPolytechn. Journal Bd. CLXXV S.
296., daß man die Spectralanalyse für den schwedischen Proceß anwendbar zu machen
suchte, jedoch keinen Erfolg erzielt hat, und Tunner
Polytechn. Journal Bd. CLXXVIII S.
465. äußerte sich in einem Berichte über die bis zum Schlüsse des Jahres 1864
gemachten Erfahrungen und Fortschritte mit dem Bessemern, insbesondere in
Innerösterreich, folgendermaßen: „Zur Beurtheilung des Ofenganges möchte
die Beobachtung der Flamme und Funken und am allersichersten eine Schöpf-
oder Spießprobe ein besseres Anhalten geben als die Spectralanalyse.“
Aus diesen Aeußerungen ergibt sich, daß Versuche gemacht wurden die Spectralanalyse
dem Bessemerverfahren dienstbar zu machen; da ich jedoch über dieselben keine
Publicationen auffinden und keine weiteren Mittheilungen erhalten konnte, so begann
ich, ungeachtet dieser letzteren keineswegs ermuthigenden Vorberichte, meine
Spectralbeobachtungen in der Bessemerhütte der k. k. priv. Südbahngesellschaft in
Graz und veröffentlichte dieselbenSitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. LVI, II.
Abtheilung, 1867, und Bd. LVI, II. Abtheilung, Juniheft 1867., sowohl weil ich von maaßgebender Seite hierzu ermuntert wurde, als auch aus
dem Grunde, weil ich Thatsachen constatirt hatte, die, abgesehen von ihrem
wissenschaftlichen Interesse, für die Beurtheilung des Ofenganges von praktischer
Bedeutung zu seyn versprachen; und in der That hat sich diese meine Ansicht
gerechtfertigt, denn in den neuerrichteten Bessemerhütten zu Ternitz in
Niederösterreich, in der Maximilianshütte in Bayern und vielleicht in noch einigen
anderen wurde die Spectralprobe eingeführt; die Bessemerhütte in Graz aber, in
welcher ich auch noch später die Beobachtungen fortzusetzen Gelegenheit hatte, war
meines Wissens wenigstens in Oesterreich die erste, welche von der Spectralanalyse mit
Erfolg praktische Anwendung machte.Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1867, Nr.
48. Da nun hierdurch die Spectralprobe als ein brauchbares Hülfsmittel in die
Bessemerpraxis eingeführt ist, so hielt ich es für zeitgemäß die Ergebnisse meiner
Untersuchungen, soweit sie bis jetzt gediehen sind, im Folgenden mitzutheilen.
Das Spectrum.
Betrachtet man die Flamme, welche während einer Charge der Bessemerretorte (Converter) entströmt, durch einen Spectralapparat, so
kann man viele und verschiedenartige farbige Linien wahrnehmen, welche, wiewohl sie
auf keinem dunklen Hintergrunde erscheinen, doch wegen ihrer Helligkeit und scharfen
Begrenzung deutlich erkannt werden können.
Da die Bessemerflamme leuchtet, ja in gewissen Stadien der Charge sogar ein blendend
weißes Licht verbreitet, und da in derselben neben glühenden Gasen auch noch
glühende feste Theilchen enthalten sind, so erzeugt ihr Licht, wenn es durch ein
Prisma analysirt wird, nicht nur Linienspectra, sondern auch ein continuirliches
Spectrum, welches für erstere gleichsam den Hintergrund bildet. Diesem Umstande ist
es auch zuzuschreiben, daß Linien, welche überhaupt nur geringe Lichtstärke
besitzen, oder solche, die aus anderen Ursachen nur ganz schwach erscheinen können,
selten oder gar nicht gesehen werden, wiewohl ihr Auftreten mit Recht erwartet
werden könnte.
Die Gase und Dämpfe, welche die Bessemerflamme bilden, sind ihrer chemischen Natur
nach sehr verschieden; außer den Dämpfen von Kalium-, Natrium- und
Lithiumverbindungen enthält dieselbe vermuthlich geringe Mengen von Kohlensäure, in
manchen Fällen schweflige Säure und gewiß auch Wasserstoff, von der Feuchtigkeit der
eingeblasenen Luft herrührend, in überwiegender Menge jedoch Kohlenoxydgas mit
Stickstoff gemischt. Bei einem Einsatz von 70 Centner Roheisen, mit welchem die
Bessemerhütte in Graz arbeitet und bei einem beiläufigen Kohlenstoffgehalte des
Roheisens von 1 Procent, werden 280 Pfd. Kohlenstoff der Oxydation unterzogen, wenn
die Charge bis zur gänzlichen Entkohlung fortgeführt wird; diesem Kohlenstoffquantum
entsprechen 9200 Kubikfuß Kohlenoxyd, und wenn auch die Hälfte des ganzen
Kohlenstoffgehaltes schon während der ersten Periode, in welcher aber keine Kohlenoxydflamme wahrzunehmen ist, theils
verbrannt, theils als Graphit ausgeblasen wirdPolytechn. Journal Bd. CLXXXV S.
30, so bleiben noch immer für die zweite und dritte Periode, also zur Flammenbildung, 4600
Kubikfuß übrig. Da nun bei diesem Oxydationsprocesse kein anderes brennbares Gas in
solcher Menge gebildet wird und gebildet werden kann, so muß das während der
Koch- und Frischperiode regelmäßig erscheinende und bis zu Ende der Charge
andauernde Linienspectrum nur durch dieses Gas hervorgebracht seyn; denn außer dem
Kohlenoxyde ist nur Stickstoff in solcher Menge in der Flamme vorhanden, die ein so
constantes Spectrum veranlassen könnte. Von letzterem Gase wurde jedoch durch eine
Flamme noch nie ein Spectrum erhalten, weder beim Verbrennen einer
Stickstoffverbindung, noch beim Verbrennen solcher Verbindungen, die keinen
Stickstoff enthalten, mit Luft; es ist daher nicht anzunehmen, daß dieß im
vorliegenden Falle geschehe. Ebenso verdient aber auch hervorgehoben zu werden, daß
Kohlenstoffspectra wohl durch Verbrennen von Cyan, Elayl, Leuchtgas und anderen
Kohlenstoffverbindungen mit Luft oder Sauerstoff, aber noch nie durch Verbrennen von
Kohlenoxyd bisher dargestellt werden konnten. Läßt man Kohlenoxyd mit Luft,
Sauerstoff oder Stickstoffoxydulgas gemischt aus einem Daniell'schen Hahn ausströmen und zündet das Gasgemenge an, so gibt diese
Flamme nur ein continuirliches Spectrum ohne helle oder dunkle Linien; dieses
Resultat wird nicht geändert, wenn man in die Kohlenoxydflamme von außen einen
Sauerstoffstrahl hineinleitet, oder wenn man dem verbrennenden Kohlenoxyd früher das
gleiche Volumen Wasserstoff beigemengt hat. Wenn nun dessenungeachtet die
Bessemerflamme ein Linienspectrum liefert, welches vom Kohlenoxyd herstammt, so mag
die Ursache dieses eigenthümlichen Verhaltens in der großen Verschiedenheit der
Temperatur zu suchen seyn, welche zwischen den auf experimentellem Wege
dargestellten Flammen und der Bessemerflamme obwaltet; letztere wird einen höheren
Hitzegrad erreichen als jene, weil das Kohlenoxyd schon in der Retorte, also vor der
Verbrennung, eine so hohe Temperatur angenommen hat.
Einen ferneren Beleg, daß die in dem Spectrum der Bessemerflamme enthaltenen
Liniengruppen dem Kohlenoxyd zuzuschreiben sind, liefert die Beobachtung des
Spectrums, welches die Kohlenoxydflamme hervorbringt, die sich bei dem der Charge
unmittelbar vorhergehenden Anheizen der Retorte zeigt; denn dieses enthält außer den
dem Kalium, Natrium und Lithium zukommenden Linien dieselben charakteristischen
Liniengruppen wie das Spectrum der Bessemerflamme. Es mag daher der Schluß
gerechtfertigt seyn, das Bessemerspectrum auf das Kohlenoxyd als Entstehungsursache
zurückzuführen, nicht aber kann mit Bestimmtheit ausgesprochen werden, ob das
Spectrum unmittelbar durch das Licht des verbrennenden Kohlenoxydes hervorgebracht
wird, oder ob das
Kohlenoxyd als Absorptionsmittel gewisse Theile des durch die glühenden festen
Ständchen der Flamme hervorgebrachten continuirlichen Spectrums so auslöscht, daß
die inzwischen gelegenen Partien als helle Streifen oder Linien sich darstellen,
oder endlich ob die glühende Kohlensäure, welche die äußere Umhüllung der Flamme
bildet, eine solche Absorptionswirkung hervorbringen kann.
Das der Bessemerflamme eigenthümliche Spectrum, welches mit dem Eintritt der
Kochperiode sich zu entwickeln beginnt, und schon zu Ende dieser Periode seine
größte Deutlichkeit erreicht, ist, abgesehen von den dem Kalium, Natrium und Lithium
zukommenden und den nur in der Frischperiode erscheinenden Linien, das des
verbrennenden Kohlenoxydgases. Es enthält mehrere charakteristische Linien und
Liniengruppen, deren relative Lage durch eine Scala, welche die Distanz zwischen Kα (im äußersten
Roth) und Kβ (im
violetten Theil des Spectrums) in 255 gleiche Theile theilt, festgestellt wurde. Die
Ergebnisse der Messungen, welche aus vielen gut übereinstimmenden Ablesungen und bei
Chargen mit verschiedenen Roheisensorten erhalten wurden, sind im Folgenden
zusammengestellt; der hierzu benutzte Apparat wird später beschrieben werden.
259
Rothe Kaliumlinie Kα.
233
Rothe Lithiumlinie Liα.
α
212210208
Gruppe von drei schmalen scharfbegrenzten rothen Linien,
von welchen meistens nur die erste und die dritte gut
sichtbar sind.
201
Gelbe Natriumlinie.
β
195190184
Gruppe von drei grünlichgelben Linien, von welchen die dritte
(184) am hellsten ist und stets zuerst erscheint;
manchmal ist auch der Raum von 199 – 195 mit
grünlichgelben Linien erfüllt.
γ
174172,5171,5
Gruppe von drei erbsengrünen Linien, die dritte (171,5) am
hellsten und zuerst auftretend.
δ
162160158155,5
Gruppe von vier grünlichblauen, an Helligkeit sich gleichenden
Linien.
ε
148144,5141136,5
Gruppe von vier gleich hellen blauen Linien.
113
Ende einer Gruppe von vielen blauen, gleich weit von
einander abstehenden Linien, die sich an die
vorhergehende Gruppe unmittelbar anschließt; die Linien
sind viel lichtschwächer und konnten nicht immer
beobachtet werden.
81 67
Grenzen einer Gruppe von vier blauvioletten Doppellinien, die
erst in der Frischperiode, aber nicht jedesmal
deutlich, erscheinen.
41
Scharfbegrenzte blauviolette Linie; sie erscheint in der
Frischperiode gleichzeitig mit der Gruppe (81 –
67).
4
Violette Kaliumlinie Kβ.
η
2
Helle violette Linie.
(Man sehe Fig. 24.)
Die mitβ, Ƴ, δundεbezeichneten Liniengruppen und die mitηbezeichnete Linie sind für das Bessemerspectrum
charakteristisch, besonders aber sind folgende drei Linien hervorzuheben:
184 der Gruppeβ, 171,5 der GruppeƳund die violetteη 2, da sie die
empfindlichsten sind und ihr Erscheinen im Spectrum das Auftreten des
Kohlenoxydes in der Flamme, den Beginn der zweiten Periode bezeichnend, sowie
ihr Verschwinden das Ende der gänzlichen Entkohlung deutlich erkennen
lassen.
Für die übrigen aufgeführten Linien 113–41 kann die Zugehörigkeit zum
Kohlenoxydspectrum nicht mit gleicher Bestimmtheit ausgesprochen werden, wiewohl
dieß sehr wahrscheinlich ist, da die hohe Temperatur in der Frischperiode das
Verdampfen anderer Stoffe, sey es aus der Eisenmasse oder aus der Schlacke, oder aus
der Ausfütterung als möglich erscheinen läßt; sie wurden überhaupt nur aufgeführt,
um allfälligen Irrungen vorzubeugen. Außerdem wurden aber noch mehrere einzelne
helle Linien, hier und da auf Momente erscheinend, über deren Natur nichts gesagt
werden kann, und mehrere dunkle Absorptionsstreifen beobachtet, die jedoch von
keinem praktischen Interesse sind.
––––––––––
Zur Beobachtung des Spectrums kann jeder Spectralapparat dienen, da die
charakteristischen Linien selbst durch den einfachsten Apparat deutlich wahrgenommen
werden können. Zu meinen ersten Beobachtungen verwendete ich ein Spectroskop,
welches weder eine Linsencombination, um die durch die Spalte eintretenden
Lichtstrahlen parallel zu machen, noch ein Vergrößerungsfernrohr besaß und nur durch
zwei kleine Prismen gebildet wurde, die in einem im Inneren matt geschwärzten
Kästchen aus Holz in geeigneter Stellung befestigt waren; auf der einen Seite war jener entsprechend
eine einfache Röhre mit einer Spalte und seitlich eine Oeffnung angebracht, durch
welche das Spectrum, welches zwar klein, aber sehr lichtstark erschien, mit freiem
Auge betrachtet werden konnte. Mit Hülfe dieses einfachen Spectroskopes zeigten sich
die einzelnen Linien der vier Gruppen β,
Ƴ, δ und ε ganz deutlich und scharf; es war nur nothwendig die Spalte
möglichst enge zu machen. Zu späteren Beobachtungen, die mich auch von der
Brauchbarkeit kleiner Spectroskope überzeugten, sowie zur Messung der Linien
bediente ich mich eines nach dem Steinheil'schen Systeme
construirten größeren ApparatesAngefertigt in der Werkstätte für astronomische und physikalische Instrumente
von Starke und Kammerer am k. k. Polytechnicum in Wien., der mit einem Spalterohr, zwei Prismen, jedes mit einem brechenden Winkel
von ungefähr 60°, einem Beobachtungsfernrohre von sechsfacher Vergrößerung
und einem Scalenrohr zur Messung der Linien versehen war. Dieser Apparat gab das
Spectrum in seiner vollkommensten Entfaltung und gestattete die Beobachtung aller
jener Linien, die bei einem kleinen Apparate wegen allzu großer Lichtstärke des
Hintergrundes oder wegen allzu nahen Zusammenrückens derselben nicht oder nur
undeutlich unterschieden werden konnten. Letzteres gilt namentlich von der Gruppe
α und von der sehr charakteristischen
violetten Linie η, die so nahe an der
gleichfarbigen Kaliumlinie liegt, daß sie sich bei geringer Ausdehnung des
Spectrums, wie dieß bei einem kleineren Apparat der Fall ist, mit derselben zu einem
einzigen blauen Bande vereinigt.
Daß ein größerer Apparat, der das Spectrum sehr deutlich erscheinen läßt, die
individuellen Beobachtungsfehler sehr verringert, ist leicht einzusehen, und die
Möglichkeit durch seitliche Verschiebung des Fernrohres die durch ihre Lichtstärke
oft hinderliche Natriumlinie außer halb des Gesichtsfeldes zu bringen, muß als eine
wesentliche Erleichterung bei der Beobachtung betrachtet werden.
Sehr zweckmäßig für den Gebrauch sind auch die Spectroskope (à vision directe), welche von M. Hofmann
in Paris (3, rue de Buci) und die, welche von Herrmann und Pfister in Bern
angefertigt werden, obgleich das Spectrum dieser Apparate ein kleineres ist; denn
man kann mit diesen die früher angeführten charakteristischen Gruppen vollkommen
scharf und deutlich beobachten. Wegen der großen Lichtstärke der Bessemerflamme ist
es bei allen Apparaten zweckmäßig, die Spalte möglichst enge zu stellen.
Entwickelung des Spectrums in den
einzelnen Perioden des Bessemerprocesses.
Ueber die Art der Entwicklung des Bessemerspectrums in den einzelnen Perioden des
Processes und über den Zusammenhang der Aenderungen desselben mit jenen, welche die
Flamme während der Charge erleidet, wurden, bei einem Betriebe mit verschiedenen
Roheisensorten, folgende Wahrnehmungen gemacht, welche geeignet seyn dürften zu
zeigen, daß der Verlauf einer Charge durch den Spectralapparat genau verfolgt werden
kann.
Erste Periode. – Beim Beginn der Charge zeigt sich
ein schwaches continuirliches Spectrum, der gelbe Theil ist nahezu gar nicht
vorhanden, blau und violett sind nur sehr schwach sichtbar, selbst die Natriumlinie
fehlt. Diese bei der großen Empfindlichkeit der Natriumreaction höchst merkwürdige
Thatsache kann wohl nicht durch die Abwesenheit der Dämpfe von Natriumverbindungen,
oder durch eine nicht hinreichend hohe Temperatur erklärt werden, sondern sie ist
einem anderen Umstande zuzuschreiben. Die Flamme, wie sie sich in der
Schlackenbildungsperiode repräsentirt, ist nämlich keine Flamme im wahren Sinne des
Wortes, da sie nicht durch verbrennende Gase, sondern nur durch eine Masse glühender
fester Ständchen gebildet wird, die im Vereine mit der reichlichen Funkengarbe die
äußere Erscheinung einer Flamme annimmt.
Im weiteren Verlaufe dieser Periode steigert sich die Lichtintensität und Ausbreitung
des continuirlichen Spectrums, und sobald als Kohlenoxyd auch nur stellenweise die
Flamme zu durchziehen beginnt, kann das Aufblitzen der Natriumlinie wahrgenommen
werden; nach weiteren 1 bis 2 Minuten bleibt sie sodann deutlich und bis zum
Schlusse der Charge sichtbar. Durch diese Erscheinung ist der Beginn der Kochperiode
gekennzeichnet; denn sobald als die Natriumlinie auftritt, können im grünlichgelben,
grünen und violetten Theile des Spectrums je eine Linie
beobachtet werden, und sowie für das geübte Auge des Hüttenmannes das Erscheinen des
Kohlenoxydes in der Flamme den Periodenwechsel anzeigt, so ist derselbe durch das
Auftreten dieser ersten Kohlenoxydlinien augenblicklich und auf das Bestimmteste durch den Spectralapparat signalisirt. Die Linien, welche zuerst erschienen, sind: 184 der Gruppe
β, 171,5 der Gruppe
Ƴ
und die mit
η
bezeichnete violette Linie 2; letztere liegt unmittelbar
neben der violetten Kaliumlinie Kβ, ist jedoch noch mehr abgelenkt als diese
und bei enger Spaltöffnung von ihr ganz deutlich getrennt.
Zweite Periode. – Während der Kochperiode, in
welcher die Flamme an Größe und Leuchtkraft gewinnt, schreitet auch die Entwickelung
des Spectrums rasch vor; es zeigen sich die Linien der Gruppen δ und ε, die
Gruppen β und Ƴ vervollständigen sich, es treten die Linien des Kaliums und
Lithiums mit größerer oder geringerer Intensität auf und endlich erscheinen auch die
rothen Linien der Gruppe α, nur sind diese selten
so deutlich ausgeprägt als die der übrigen genannten Gruppen. Bei besonderer
Klarheit des Spectrums schließt sich an die Linie 136,5 der Gruppe ε eine Anzahl von schwachen gleichweit von
einander abstehenden blauen Linien an, die den Raum bis 113 ausfüllen. Die manchmal
sehr heftige Bewegung der Eisenmasse in der Retorte bringt ein Flackern der Flamme
hervor, welches ein Erscheinen und Verschwinden eigenthümlicher dunkler
Schattirungen zur Folge hat, die zweifellos als Absorptionsstreifen zu bezeichnen
sind. Die Entstehung derselben ist durch das ganz regellos wechselnde stärkere und
schwächere Leuchten der Flamme an der dem Apparate zugewendeten und abgekehrten
Seite hinreichend erklärt.
Dritte Periode. – Für die Frischperiode oder für
den Uebergang in dieselbe, welcher sich bekanntlich nicht genau bestimmen läßt, ist
das Erscheinen von neuen Linien im blauvioletten Theile des Spectrums
charakteristisch; doch konnten dieselben nicht jedesmal, und wenn sie erschienen
nicht immer mit gleicher Deutlichkeit beobachtet werden. Die Ursache dieses
Verhaltens ist gegenwärtig kaum befriedigend zu erklären; denn man könnte nur
annehmen, daß diese Linien entweder nur dann erscheinen, wenn die Flamme einen
bestimmten und sehr hohen Temperaturgrad erreicht, oder wenn die Lichtstärke des den
Hintergrund bildenden continuirlichen Spectrums sich nicht so bedeutend steigert,
daß sie der der Linien gleichkommt; übrigens hat auch vielleicht die Qualität des
Roheisens hierauf einen Einfluß. In jenen Fällen jedoch, in welchen eine Beobachtung
möglich war, erschien beiläufig 4–6 Minuten vor Ende der Charge eine Gruppe
von vier blauen gleichweit von einander abstehenden Linien (81–67), die das
Ansehen von Doppellinien hatten, welcher sich alsbald noch eine einzelne helle und
scharfbegrenzte blaue Linie (41) anschloß, worauf beide durch einige Minuten
deutlich sichtbar blieben.
Im weiteren Verlaufe der Frischperiode macht sich nun eine
Erscheinung geltend, welche für die Praxis von Wichtigkeit ist; die
charakteristischen Gruppen des Kohlenoxydspectrums beginnen nämlich allmählich lichtschwächer zu werden und sodann, in Bezug
auf ihr Erscheinen in der Kochperiode, in umgekehrter Reihenfolge zu verschwinden bis nur die drei
Linien 184 der Gruppe β, 171,5 der Gruppe Ƴ und 2 η
wahrnehmbar sind. Hierdurch ist das quantitative Abnehmen des
Kohlenoxydes in der Flamme und das baldige Eintreten des Momentes der gänzlichen
Entkohlung mit Sicherheit angezeigt. Aber auch die genannten drei Linien
verlieren alsbald ihre Lichtstärke, verschwimmen mit den nebenliegenden Theilen des
Spectrums und verschwinden endlich ganz, wodurch der Moment
der vollkommenen Entkohlung erkannt wird.
Bei der praktischen Anwendung der Spectralprobe für den Bessemerproceß handelt es
sich daher nur um die genaue Beobachtung der drei zuletzt genannten Linien, ja es
genügen für diesen Zweck schon die zwei grünen Linien oder die violette allein
vollkommen; denn einem empfindlichen Auge wird die violette Linie η ebenso deutlich erscheinen als die beiden
anderen, wenn die Beobachtung mit einem größeren Apparate geschieht und das Fernrohr
nur auf den violetten Theil des Spectrums gerichtet ist; eine Verwechslung mit der
violetten Kaliumlinie ist bei einiger Uebung geradezu unmöglich. Bei Anwendung eines
kleinen Spectroskopes ist die Beobachtung der zwei grünen Linien vorzuziehen.
Obschon es nun auch Ausnahmsfälle gibt, in welchen das Erkennen des Momentes der
Entkohlung nicht sicher gelingt (was der Verfasser selbst zu beobachten jedoch nie
Gelegenheit hatte), so kann doch in der überwiegend größeren Anzahl von Chargen ein
solches mit großer Genauigkeit stattfinden, und weil die Spectralprobe überdieß
leicht auszuführen ist, keine Unterbrechung des Processes erfordert und entschieden
mehr Sicherheit gewährt als die Beobachtung der Flamme mit freiem Auge, so dürfte
dieselbe, da sie gerade die wichtigsten Momente der Charge anzeigt, als ein
brauchbares Hülfsmittel für die Beurtheilung des Bessemerprocesses fernerhin eine
größere Verbreitung finden, als dieß bis jetzt der Fall war.