Titel: | Zur Kenntniß des Kesselsteines; von Dr. J. C. Lermer. |
Autor: | Johann Karl Lermer [GND] |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. CII., S. 441 |
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CII.
Zur Kenntniß des Kesselsteines; von Dr. J. C. Lermer.
Lermer, über den Kesselstein.
Die Beseitigung des Kesselsteines als des Urhebers häufiger Betriebsstörungen und
gefährlicher Explosionen der Dampfkessel ist für die Industrie von größter
Wichtigkeit. Gegenwärtige Mittheilung enthält einige auf diese Frage bezügliche
Beobachtungen und Versuche, welche ich in meiner Stellung an einem großen
industriellen Etablissement zu machen Gelegenheit hatte.
1) Reiner kohlensaurer Kalk ist unter
Umständen fähig, solide Kesselstein-Incrustationen zu
erzeugen.
Häufig begegnet man der Angabe: daß nur der krystallisirende Gyps der eigentliche
Kesselsteinbilder sey, während die kohlensauren alkalischen Erden lediglich in
dessen Incrustation hineingezogen werden, für sich allein aber keine steinartige
Kruste zu bilden vermögen.
Ueber diese Frage hatte ich Gelegenheit an einem Locomobilkessel gegentheilige
Erfahrungen zu machen. Derselbe enthielt Siederöhren von Messing, an denen sich
vorzüglich der Kesselstein, etwa in zolldicken Krusten, angesetzt hatte, wogegen die
eigentlichen Kesselwandungen nur stellenweise mit einem etwa ein Drittel Zoll
starken Ueberzuge, von gleichfalls körnigem Gefüge, versehen waren.
Der ziemlich feste Kesselstein zeigte eine sehr deutliche krystallinische Textur,
indem er aus radial der Röhre frei aufgewachsenen, häufig verzweigten prismatischen
Krystallen bestand, wodurch das Ganze gewissermaßen ein bürstenartiges Ansehen,
ähnlich einem Schilfkolben, erhielt.
Die chemische Analyse erwies diesen Kesselstein als aus fast reinem kohlensauren Kalk bestehend, indem sie zu folgenden
Zahlen-Resultaten führte:
Kalk
54,3
Kohlensäure
42,5
Wasser, organ. Substanzen, dann Spurenvon Magnesia und
Schwefelsäure
3,2
–––––
100,0.
Es lag also in diesem Falle offenbar eine Kesselsteinbildung ohne Gegenwart von Gyps
vor.
Die mikroskopische Untersuchung, Spaltungsverhältnisse u.s.w. ließen die Krystalle
leicht als sogenannten Arragonit erkennen. Der kohlensaure Kalk krystallisirt
bekanntlich in zwei verschiedenen Formen: einmal als gewöhnlicher Kalkspath
hexogonal, dann aber auch als sogen. Arragonit im rhombischen Systeme. Letztere Form
wird auch künstlich erhalten beim Fällen heißer Kalksalz-Lösungen mit
Carbonaten, welches in einem gewissen Einklange mit dem Vorkommen des Arragonits als
Kesselstein steht. Ich will hier noch besonders erwähnen, daß in diesem
Untersuchungsmaterial kein kohlensaurer Strontian, wie dieser sonst ein so
gewöhnlicher Begleiter des kohlensauren Kalkes im Arragonit ist, gefunden werden
konnte. Auch das für Arragonit gewöhnlich so charakteristische Zerfallen beim Glühen
war wegen der Kleinheit der Krystalle an dem Kesselstein nur mit besonderer
Aufmerksamkeit wahrzunehmen, und ebenso die schwierige Löslichkeit in Säuren
gegenüber dem Kalkspathe. Hingegen konnte die Art der Spaltbarkeit bei der
mikroskopischen Untersuchung keinen Zweifel über die Natur dieses Productes übrig
lassen.
Eine analoge Bildung eines Condensations-Steines aus kohlensaurem Kalk hat
jüngst E. Reichardt beobachtetPolytechn. Journal Bd. CLXXXI S.
444.; derselbe bestand indeß wesentlich aus gut ausgebildeten, durchsichtigen
Kalkspath-Rhomboedern, deren Flächen bis zu einem Millimeter Größe
hatten.
2) Anwendung von Talg oder Stearinsäure
gegen Kesselsteinbildung.
Das Bestreichen der Kesselwandungen mit Graphit, Theer und Fett wurde namentlich von
Sibbald
Polytechn. Journal Bd. CXXXI S.
460. (dessen sogen. Metalline aus 1 Th. Talg, 1 Th.
Graphit und 1/8 Th. Holzkohlenpulver besteht) in die Praxis eingeführt. Versuche
über die Anwendung von Talg sowie Stearin zu gleichem Zwecke haben mir, im
Widerspruche mit mehrfachen anderseitig ausgesprochenen Besorgnissen, die
günstigsten Resultate gegeben; und gerade aus diesem Grunde scheint mir die
Veröffentlichung meiner hierauf bezüglichen Erfahrungen eine Pflicht geworden zu
seyn, indem diese wichtige Frage gewiß am besten durch freimüthige Mittheilung der
unter verschiedenen Umständen erlangten Resultate ihrer endgültigen Lösung entgegen
geführt wird.
Alle vier Kessel des erwähnten Etablissements werden bereits seit anderthalb Jahren
nach Verlauf von je sechs bis acht Wochen mit Talg ausgeschmiert und zeigt keiner
derselben bis jetzt eine Beschädigung.
Gegen die Anwendung des Fettes als Kesselsteinmittel, und dasselbe als Urheber
baldiger Zerstörung des Kessels und gefährlicher Explosionen bezeichnend, sprachen
sich namentlich R. Peters
Polytechnisches Centralblatt, 1865 S. 1255., Renners
Polytechn. Journal Bd. CXLVI S.
283. E. Schmidt
Polytechn. Journal Bd. CLXXIII S.
23., Bolley
Polytechn. Journal Bd. CLXII S.
164. und R. Weber
Polytechn. Journal Bd. CLXXX S.
251. aus.
Peters, Renner, Schmidt und Weber beobachteten sämmtlich energisches Angegriffenwerden der
Kesselbleche beim Speisen der Dampfkessel mit fetthaltigem Condensationswasser.
Diese Uebelstände hörten in den Beobachtungen von Schmidt
und Weber auf, als für dieselben Kessel fettfreies Wasser
zur Speisung angewendet wurde.
In allen diesen Fällen gelangte das Fett offenbar in nur sehr geringer Menge in die
Kessel und scheinen daher die eingetretenen Folgen, gegenüber meinen mehrjährigen
Erfahrungen bei Anwendung größerer Mengen von Fett, auf eine specifische Wirkungsart
des Fettes in homöopathischer Dosis hinzuweisen.
E. Schmidt und Weber glauben in
den bei der Anwendung von Talg entstehenden Kalkseifen, indem sich dieselben an die
Kesselwandungen anlegen und so eine Ueberhitzung derselben veranlassen, die Ursache
gewisser Kessel-Explosionen gefunden zu haben. Die mir vorliegenden
Erfahrungen widersprechen dieser Annahme.
Der von dieser Verwendung des Talges resultirende Kesselstein stellte eine knollige,
theils tuffartige, theils dichte und mit wenigen elliptischen Höhlungen versehene
Masse dar, welche in Folge der eingehüllten unorganischen Substanz in Wasser
untersinkt, wogegen reine Stearinsäure oder Talg auf Wasser schwimmen; seltener
erhielt ich einen schwimmenden Kesselstein. Während Stearinsäure oder Talg im
siedenden Wasser schmilzt, bleibt dieser Kesselstein dabei vollkommen fest; erst bei
höherer Temperatur (130 bis 150° C.) beginnt derselbe unter Schwärzung teigig
zu werden und schmilzt endlich seifenartig, wobei er sich zu schimmernden Fäden,
ähnlich dem gebleichten Schellack, ausziehen läßt.
Das in verschiedenen Proben im lufttrockenen Zustande 11 bis 13 Proc. Wasser
aufweisende Untersuchungsmaterial wurde bei 120° C. bis zur Constanz im Gewichte
getrocknet, und dann der Gehalt an Fettsäuren und unorganischen Substanzen darin
bestimmt. Ich erhielt dabei in vier, schon durch ihr äußeres Ansehen leicht als
verschieden zu erkennenden Proben folgende Zahlenwerthe:
Nr. 1.
Nr. 2.
Nr. 3.
Nr. 4.
Fettsäuren
84,6
81,45
83,19
88,89
anorganische Substanzen
15,4
18,55
16,81
11,11
––––––
––––––
––––––
––––––
100,0
100,0
100,0
100,0.
Mit Nr. 4 wurde beispielsweise eine vollständigere Untersuchung der unorganischen
Substanzen durchgeführt und hierbei, berechnet auf die lufttrockene Substanz,
folgende Zahlen erhalten:
Nr. 4.
Fettsäuren
77,70
Kalk
7,49
Magnesia
0,63
Eisenoxyd
1,52
Kieselsäure
0,07
Wasser
12,50
–––––
99,91.
Außerdem fanden sich darin Spuren von Schwefelsäure, Kupferoxyd, Manganoxydul,
Thonerde, Phosphorsäure und Kohlensäure.
Vergleichen wir nun diese Zusammensetzung mit derjenigen des von N. Weber untersuchten Kesselsteines, die ich für diesen
Zweck hier einschalte:
Kessel II.
Kessel I.
Eisenoxyd und ThonerdeKalkMagnesia
5,07–
4,0036,21–35,60 8,45– 7,80
3,66– 3,5737,08–
37,83 9,87– 8,80
löslich in Salzsäure,
Fett und organische Substanzenunlösliche unorganische
SubstanzenKohlensäure und Wasser
5,48– 5,4010,77–12,36
Rest.
3,74– 3,48 9,80– 9,59
löslich in Salzsäure,
so wird man leicht den außerordentlichen Unterschied zwischen
beiden Untersuchungs-Objecten gewahr.
Während in Weber's Kesselstein der Fettgehalt nur
3,5–5,5 Proc. betrug, war derselbe in dem von mir untersuchten Material so
beträchtlich, daß man wohl sagen kann, dasselbe bestand wesentlich aus Fett, resp.
Fettsäure.
Ich spreche nun auf Grund dieses Verhältnisses die Ansicht aus, daß eben dieser
quantitative Unterschied in der Zusammensetzung der beiden verschiedenen
Kesselsteine auch den Unterschied in den so gänzlich verschiedenen Erfolgen bedingte.
Eine wirkliche Aufhellung dieses Verhältnisses würde eine sehr interessante
Bereicherung der Kesselsteinkunde bilden.
Wenn R. Weber indeß aus dem Ergebniß seiner Untersuchung
weiters den Schluß zieht: „hiernach sind also auch fetthaltige Gemische,
welche man nach Saegher
Polytechn. Journal Bd. CLII S.
104., Newton
Polytechnisches Centralblatt, 1853 S. 351. u.a. zur Verhütung des Kesselsteinabsatzes empfohlen hat,
verwerflich“, so muß ich der unbedingten Fassung dieses Ausspruches
auf Grund meiner eigenen mehrjährigen Beobachtungen geradezu widersprechen und kann
ich mich mit diesem am Schlusse der Weber'schen
Abhandlung hingestellten Dogma durchaus nicht einverstanden erklären. Kürzlich ist
mir auch von einem verwandten Etablissement die Nachricht zugegangen, daß sich Fett
als Mittel gegen den Kesselstein seit langer Zeit außerordentlich bewährt.
Berechnen wir noch die Zusammensetzung der unorganischen Bestandtheile dieses
Productes in 100 Theilen und stellen das Resultat mit einer zweiten Untersuchung
eines derartigen Kesselsteines zusammen, so erhalten wir folgenden Ueberblick:
Nr. 4.
Nr. 2.
Kalk
77,14
47,12
Magnesia
6,49
19,51
Eisenoxyd
15,65
–
Kieselsäure
0,72
–
Kohlensäure
–
32,07
übrige Bestandtheile
–
1,30
––––––
––––––
100,00
100,00.
Ein vergleichender Blick läßt leicht erkennen, wie verschieden auch die unorganische
Grundlage dieses Kesselsteines selbst wieder zusammengesetzt seyn kann.
Außerdem aber ergibt die Abweichung in der Gesammtzusammensetzung dieser beiden
Producte Nr. 2 und Nr. 4, daß selbst der Grad der Bildung einer eigentlichen
Erdseife darin ein sehr verschiedener seyn kann. Die 32 Procent Kohlensäure in Nr. 2
genügen bereits, den ganzen Kalkgehalt von 47 Proc. für sich zur Bildung von
neutralem Carbonat zu beanspruchen, so daß also für die eigentliche Erdseife nur ein
geringer Antheil Basis übrig bleibt, während Nr. 4 wesentlich aus einer derartigen
Erdseife bestand. Uebrigens wird das Austreiben der Kohlensäure aus dem solid
ausgeschiedenen Kalkcarbonat immer eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, so daß
sich Nr. 2 im Laufe der Zeit immer mehr der Zusammensetzung von Nr. 4 genähert haben
würde.
Ich will hier noch im Ueberblick die Analyse der Wässer mittheilen, welche zur
Speisung der Kessel, worin sich obige Kesselsteine erzeugten, verwendet wurden.
Nr. 1Bachwasserder Schwechat.
Nr. 2.Bemerken will ich, daß der Brunnen Nr. 2 sämmtliches zum Brauen
erforderliche Wasser liefert.NeuerBrunnen.
Nr. 3.AlterBrunnen.
Specifisches Gewicht
1,00058
1,00074
1,00080
Abdampf-Rückstand von 1000 Kubikcent.
0,382
0,380
0,526
Glührückstand
0,256
0,296
0,360
also organische Materien
0,136
0,084
0,166 Grm.
Natrium (an Chlor gebunden)Chlor
3,04 4,64
2,533,86
3,00 4,58
Natron
0,85
3,45
4,13
Kali
2,92
3,94
2,90
Kalk
25,24
22,75
23,77
Magnesia
10,67
11,27
10,62
Eisenoxyd
0,42
0,30
0,46
Schwefelsäure
13,43
18,03
12,77
Phosphorsäure
0,22
0,22
0,35
Kohlensäure
25,94
24,42
27,28
Kieselsäure
3,19
2,52
2,81
organische Substanzen
1,76
1,49
5,62
––––––––
––––––––
–––––––––
99,70
99,78
99,57
Die hier als Wassergehalt verzeichneten Werthe wurden erhalten, indem man den bei
100° C. constant gewordenen Abdampfungsrückstand nachträglich auf 130°
C. bis zur abermaligen Constanz im Gewichte erhitzte. Durch vorsichtiges Erhitzen
bis zum schwachen Rothglühen wurde alsdann darin die organische Substanz zerstört
und verflüchtigt. Da man indeß befürchten mußte, daß auch ein Theil präexistirender
Kohlensäure hierbei entweicht, so bestimmte ich die Menge derselben vor und nach dem
Glühen und leitete den Gehalt an organischer Substanz in der Weise aus meinen
Wägungen ab, daß ich das Mehr an Kohlensäure im Abdampfungsrückstande gegenüber dem
Glührückstande abzog von dem gesammten Glühverlust.