Titel: | Ueber die Umwandlung des Stärkmehls in Zucker vermittelst des Malzes, und über die Eigenschaften und industrielle Darstellung einer stickstoffhaltigen Substanz des Malzes, welche wirksamer als das Diastas ist; von Dubrunfaut. |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. CXVI., S. 492 |
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CXVI.
Ueber die Umwandlung des Stärkmehls in Zucker
vermittelst des Malzes, und über die Eigenschaften und industrielle Darstellung einer
stickstoffhaltigen Substanz des Malzes, welche wirksamer als das Diastas ist; von
Dubrunfaut.
Aus Les Mondes, t. XVI p. 317; Februar
1868.
Dubrunfaut, über eine stickstoffhaltige Substanz des
Malzes.
Der wirksame (active) Bestandtheil des Malzes ist bis jetzt ebenso wenig bekannt, wie
die Wirkungsweise desselben und die Bedingungen, welche für die Entwickelung seiner
Wirkungen am günstigsten sind. Das für die wirksame Substanz gehaltene Diastas ist nur ein Gemenge von verschiedenen Körpern, in welchem der
wirksame Bestandtheil in einem mehr oder weniger veränderten Zustande zugegen
ist.
Diese Behauptungen werden durch die im Nachstehenden mitgetheilten Beobachtungen
gerechtfertigt, welche zugleich Fingerzeige für eine rationellere und größeren
Ertrag sichernde Verwendungsweise des Malzes geben und uns in Stand setzen, aus dem
Malze ein wirksameres Product von größerer Reinheit als das
„Diastas,“ mit solcher Leichtigkeit und mit so geringen
Kosten zu gewinnen, daß die Darstellung und die Anwendung desselben im industriellen
Betriebe ermöglicht sind.
Der wirksame Bestandtheil des Malzes, dessen Existenz wir bereits im Jahre 1822
behaupteten, ist, wie wir im Jahre 1827 nachwiesen, in Wasser löslich und, unseren
damals geäußerten Vermuthungen entsprechend, seiner Natur nach wesentlich
eiweiß- oder kleberartiger Natur, somit also sehr stickstoffhaltig.
Durch Infundiren des präparirten Malzes mit Wasser von + 40° C. wird die
wirksame Substanz nicht merklich verändert und der Aufguß besitzt dann die
Fähigkeit, auf das Stärkmehl ebenso kräftig und vollständig einzuwirken, als das
Malz selbst. Allerdings scheint dieses Infusum eine größere Wirksamkeit zu besitzen,
als sein Aequivalent Malz, sofern man bloß die im Anfange stattfindende Wirkung,
welche sich durch die eintretende Verflüssigung kundgibt, berücksichtigt; dieß rührt
jedoch einzig und allein daher, daß die wirksame Substanz in dem Aufgusse in
gelöstem Zustande vorhanden ist und somit unmittelbar wirken kann, während die
Reaction bei Anwendung von geschrotenem Malz erst nach erfolgter Lösung dieser
Substanz eintreten kann.
Bei der in den Brennereien üblichen Anwendung größerer Malzmengen (20 bis 25 Procent
vom Gewichte des Stärkmehls) tritt die Verflüssigung und die Zuckerbildung bei der
Temperatur von 67 bis 70° C. sehr rasch ein. Bei solchen Malzzusätzen ist der
Verlauf des Verflüssigungsprocesses selbst bei 75 bis + 85° C. noch ganz
regelmäßig; aber die Zuckerbildung geht bei dieser Temperatur nur unvollständig von
statten. Bei 90° C. tritt zwar noch eine wahrnehmbare Verflüssigung ein, aber
Zuckerbildung findet nicht statt; bei 100° hört auch jene auf und die
Wirksamkeit des Malzes ist gänzlich vernichtet.
Erhitzt man einen Malzaufguß, dessen Wirksamkeit durch Messung bestimmt worden, zwei
Stunden lang bei + 75°, so sondert sich aus demselben eine Substanz ab,
welche nach sorgfältigem Auswaschen vollkommen unwirksam erscheint und einen
Stickstoffgehalt besitzt, welcher dem der Eiweißstoffe entspricht (15 Proc.). Bei
dieser Behandlung verliert das Infusum einen Theil seiner wirksamen Eigenschaften.
Versetzt man einen Malzaufguß von bekannter Stärke mit hochgrädigem Alkohol, bis
nichts mehr ausgefällt wird, so erhält man einen Niederschlag von rohem Diastas, welcher, wie leicht zu erkennen ist, nicht
die ganze Wirksamkeit des Aufgusses repräsentirt, ohne daß sich das Fehlende in der
alkoholischen Lösung nachweisen läßt. Aus diesen Thatsachen sind wir zu folgern
berechtigt, daß durch die zur Darstellung von rohem Diastas empfohlene Behandlung
mit Alkohol die Eigenschaften der wirksamen Substanz, wie dieselbe in dem Malze
existirt, theilweise verändert werden.
Das so dargestellte Diastas gibt bei der Behandlung mit Wasser ein im letzteren
lösliches und ein unlösliches Product; dieser in Wasser unlösliche Körper läßt sich
durch Auswaschen von der löslichen Substanz vollständig trennen. Dieses unlösliche
Product wurde mit der durch längeres Erhitzen eines Malzaufgusses bei + 75°
C. erhaltenen stickstoffhaltigen Substanz für identisch gehalten, ist aber von
derselben sehr verschieden; es enthält nur 8 bis 9 Proc. Stickstoff und hat auf
Stärkekleister eine sehr entschiedene Wirkung, indem es denselben verflüssigt und
Zuckerbildung in ihm hervorruft. Wird die auf diese Weise erhaltene Flüssigkeit mit
starkem Alkohol so lange versetzt, bis kein weiterer Niederschlag entsteht –
ein Verfahren, welches zur Reinigung des Diastas empfohlen wurde, – so erhält
man eine Substanz von geringerer Wirksamkeit als das rohe Diastas. Auch diese
Erscheinung beweist, daß die Wirksamkeit der Substanz durch Alkohol auf eine nicht
näher bekannte Weise verändert wird.
Das Diastas enthält in diesem Zustande 6 bis 7 Proc. Stickstoff, löst sich ziemlich
leicht in Wasser, indem es dasselbe etwas schleimig macht, und besitzt ein
bedeutendes Rotationsvermögen, welches sich annähernd durch (a) j = 134° ausdrücken läßt. Wird es
wieder in Wasser gelöst und nochmals mit Alkohol gefällt, so erhält man noch eine
geringe Menge einer unlöslichen stickstoffhaltigen Substanz; es verliert
gleichzeitig einen Theil seiner Wirksamkeit, so daß die als Mittel zur Reinigung des
Diastas empfohlenen, zwei oder dreimaligen Behandlungen mit Alkohol sich als Mittel
zur Umänderung jenes Productes herausstellen, indem dessen Gewichtsmenge um so mehr
abnimmt und seine Wirksamkeit um so mehr abgeschwächt wird, je öfter man die
Behandlung mit Alkohol wiederholt. Ohne Zweifel war es diese Thatsache, durch welche
die Entdecker des Diastas irre geführt worden waren, als sie die Behauptung
aufstellten, daß das vollkommen gereinigte Diastas
stickstofffrei sey.
Unserer Beobachtung zufolge genügt es, das Malzinfusum mit seinem zwei- bis
dreifachen Volum Alkohol von 90 Volumprocenten zu behandeln, um die wirksame
Substanz fast vollständig abzuscheiden; dieselbe schlägt sich in Flocken nieder, und
kann durch Filtriren, Auspressen und Trocknen ohne Schwierigkeit für sich
dargestellt werden. Indessen ist sie in diesem Zustande noch nicht ganz rein,
sondern hält noch eine ziemlich stickstoffreiche, unlösliche, der vorhin erwähnten
entsprechende Substanz zurück; indessen läßt sie sich doch als wirksamer
Bestandtheil des Malzes in allen den Fällen anwenden, wo das Malz benutzt werden
kann, und ihre Darstellung verursacht nur sehr geringe Kosten, insofern dieselbe
sich auf eine einfache, mit einem geringen Alkoholverluste verbundene Manipulation
beschränkt. Allerdings büßt die wirksame Substanz bei dieser Behandlung einen Theil
der Wirksamkeit des zu ihrer Darstellung benutzten Malzaufgusses ein, aber dieser
Verlust ist geringer, als bei der gewöhnlichen Darstellungsweise des Diastas mit
größeren Mengen absoluten Alkohols.
Wenn man nach der Abscheidung der wirksamen Substanz durch die so eben angegebene
Behandlung mit Alkohol, die erhaltene weingeistige Lösung mit neuen Mengen stärkeren
Alkohols behandelt, bis kein weiterer Niederschlag mehr erfolgt, so erhält man ein
Product, welches sich von dem vorher erhaltenen unterscheidet: 1) durch seine
vollständige Löslichkeit in Wasser, ohne einen Rückstand zu hinterlassen; 2) durch
einen schwachen Grad von Wirksamkeit, in Folge deren es höchstens seine 2000 fache
Gewichtsmenge an Stärkmehl zu verflüssigen vermag; 3) durch einen geringeren
Stickstoffgehalt (von 3 bis 4 Proc); 4) durch einen fast gänzlichen Mangel an
Drehungsvermögen – eine Eigenschaft, welche uns berechtigt, diese Substanz
als optisch neutral zu bezeichnen, um sie von der
wirksamen Substanz zu unterscheiden, welche optisch
thätig ist. Der in der alkoholischen Lösung nach der Abscheidung dieser
beiden Substanzen verbleibende Rest besteht nur aus Traubenzucker, welcher durch den
Gährungsproceß in Alkohol übergeführt werden kann.
1000 Theile Malz, welchem mittelst Wasser seine bei gewöhnlicher Temperatur löslichen
Bestandtheile entzogen worden sind, geben bei den erwähnten Behandlungen mit Alkohol
beiläufig die nachstehenden Producte:
stickstoffhaltige, in Wasser unlösliche Substanz von geringer
Wirksamkeit
5 Thle.
wirksame, in Wasser lösliche, in Alkohol von 68 Proc.
unlösliche, sehr stickstoffreiche Substanz
10 Thle.
optisch neutrale, schwach wirksame, in Alkohol von 68 Proc.
lösliche, dagegen in Alkohol von 88 Proc. unlösliche,
wenig Stickstoff enthaltende Substanz (Payen's Diastas)
16 Thle.
––––––
im Ganzen
31 Thle.
Berücksichtigen wir, daß diese 31 Tausendtheile durch Zusatz von Alkohol bis zum
Ausbleiben jedes weiteren Niederschlages, also mittelst desselben Verfahrens gefällt
werden, welches zur Darstellung des rohen Diastas angewendet wird, so müssen wir
zugeben, daß dieses letztere in der Menge von 3 Proc. im Malze enthalten ist; ferner
daß unsere rohe, wirksame, mittelst dreier Volume Alkohol niedergeschlagene Substanz
0,015 vom Gewicht des Malzes ausmacht, und daß in diesen Producten 0,01 lösliche
Substanz, der wirksamste der durch Alkohol ausgeschiedenen Bestandtheile, zugegen
ist. Endlich müssen wir zugeben, daß in dem gereinigten eigentlichen Diastas unsere
optisch neutrale Substanz vorhanden ist und die Hälfte desselben ausmacht. Diese
sämmtlichen Beobachtungen sprechen, wenn wir sie mit den Eigenschaften des von Payen und Persoz als solches
bezeichneten gereinigten Diastases vergleichen, dafür, daß letzteres nichts anderes
ist, als unsere neutrale Substanz, welche allem Anscheine
nach selbst nichts anderes ist, als ein Product der durch die wiederholte Behandlung
mit Alkohol veränderten wirksamen Substanz.
Behandelt man einen Malzaufguß mit Lösungen von adstringirenden Substanzen, z.B. von Tannin,
Galläpfeln, Sumach etc., so erhält man einen reichlichen flockigen
Niederschlag, welcher sich ebenso leicht abscheiden läßt, als die durch Alkohol
hervorgebrachten Niederschläge. Diese, in kaltem Wasser fast ganz unlöslichen Körper
sind Verbindungen von Tannin oder Gerbsäure mit der wirksamen Substanz des Malzes,
in denen letztere die Rolle der Basis zu spielen scheint. Dem auf diese Weise mit
überschüssigem Tannin behandelten Malzaufgusse wird dadurch fast sein ganzer Gehalt
an dem wirksamen Bestandtheile entzogen, wie dieß aus seinem Verhalten gegen
Stärkekleister hervorgeht; wogegen der Niederschlag, obschon er in Wasser unlöslich
ist, auf Stärkekleister in der Wärme sehr kräftig einwirkt und die Zuckerbildung
ebenso rasch und ebenso vollständig hervorruft, als die durch drei Volume Alkohol
erhaltenen Niederschläge. Indessen zeigt sich auch hier, daß die mittelst Alkohol
ausgeschiedenen Körper nicht so kräftig wirken wie die Aufgüsse, aus denen sie
dargestellt sind, so daß auch in diesem Falle die wirksame Substanz allem Anscheine
nach durch das Tannin etwas verändert worden ist.
Diese Verbindung von Tannin und wirksamer Substanz enthält etwa 0,09 bis 0,1
Stickstoff, und da das Tannin oder die Gerbsäure ungefähr ein Fünftel der Verbindung
ausmacht, so kann man annehmen, daß die in letzterer enthaltene wirksame Substanz
nicht unter 0,125 Stickstoff enthält, daher sie bezüglich ihrer Zusammensetzung sich
den Eiweißkörpern
nähert, während dadurch
gleichzeitig die Unreinheit der durch die Behandlung mit Alkohol erhaltenen Producte
bewiesen wird. Diesen Thatsachen gegenüber erscheint es uns nicht angemessen, den
Namen Diastas, mit welchem seit langer Zeit eine gemengte
und unreine Substanz bezeichnet wurde, beizubehalten. Berücksichtigen wir den
basischen Charakter der von uns dargestellten Substanz, sowie die große
Aehnlichkeit, welche dieselbe sowohl hinsichtlich ihrer basischen Natur, als auch
ihrer chemischen Zusammensetzung mit den organischen Pflanzenbasen zeigt, so dürfte
es ohne Zweifel dem Geiste der chemischen Nomenclatur weit besser entsprechen, wenn
wir für unser neues Product den Namen Maltin vorschlagen.
Die oben erwähnte Verbindung dieses Körpers mit Gerbsäure wäre dann ein wahres gerbsaures Maltin.
Die Wirksamkeit dieser Verbindung, ihre leichte und billige Darstellung, ihre
Haltbarkeit, ihre Anwendbarkeit für die verschiedenen Zwecke, zu denen Malz
erforderlich ist, dürften bald zur fabrikmäßigen Darstellung derselben führen,
welche zweckmäßig in der unten angegebenen Weise mit dem Brennerei- und
Bierbrauereibetriebe zu verbinden seyn wird. Das Malz gibt 0,10 bis 0,11 rohes
gerbsaures Maltin, und da man annehmen kann, daß dieses Product beinahe rein ist, so
muß es 0,08 Maltin enthalten.
Nachdem wir die Veränderung, welche das Malz oder sein Aufguß bei der Temperatur von
+ 75° C. und darüber erleidet, kennen gelernt haben, wenden wir uns zu den
Vorgängen, welche bei niedrigeren Temperaturgraden
stattfinden. Zunächst stellten wir Versuche an mit Stärkekleister, der bei +
70° C. mit Stärkmehl, wie es aus dem Handel bezogen wird, und mit 20 Th.
destillirten Wassers bereitet worden war, nachdem wir uns überzeugt hatten, daß
diese Gewichtsverhältnisse zur Erzielung wenn nicht der besten, so doch recht guter
Resultate die günstigsten sind. Wir beobachteten bei diesen Versuchen die
nachstehenden Erscheinungen:
1) Ein Theil Malz, welches bei der Temperatur von + 70° C. auf 1000 Th.
Stärkmehl eine deutliche Wirkung nicht hat, vermag dieselbe Stärkmehlmenge
vollständig zu verflüssigen, wenn die Reaction bei + 50° C. oder unterhalb
dieser Temperatur eingeleitet wird; es findet dann zwar vollständige Verflüssigung
statt, aber die Zuckerbildung bleibt unvollständig. Geht die Reaction bei + 25 bis
30° C. vor sich, so erfolgt die Verflüssigung weniger vollständig und weniger
rasch, wohingegen die Zuckerbildung stärker und vollkommener ist.
2) Versetzt man Stärkekleister bei + 50° oder einer noch niedrigeren
Temperatur mit 1 Th. Malz, so vermag dieses 100 Th. Stärkmehl so vollständig in Zucker
umzuwandeln, wie 20 bis 25 Thle. Malz bei + 70° C.
3) Ein Theil Malz verflüssigt 100 Th. Stärkmehl bei der Temperatur von 70°
binnen neun Minuten; allein bei dieser Temperatur kann die Zuckerbildung nicht
vollständig vor sich gehen, indem das Malz dann nur drei Viertel von der Wirkung
hervorzubringen vermag, welche man unter den günstigsten Bedingungen zu erreichen im
Stande ist. Dieselbe Malzmenge ruft in derselben Quantität Stärkmehl bei +
50° C. die Verflüssigung binnen fünfundzwanzig Minuten hervor; bei der
Temperatur von 25 bis 30° tritt die Verflüssigung erst nach Verlauf von zwei
bis drei Stunden vollständig ein. In den beiden letzten Fällen findet aber
vollständige Zuckerbildung statt; freilich ist die dazu erforderliche Zeit
verschieden: bei + 30° tritt sie langsamer ein, als bei + 50°, jedoch
ohne daß ein Unterschied in der Vollständigkeit der Zuckerbildung bemerkbar
wäre.
4) Ruft man die Zuckerbildung mit einer im Verhältnisse zu der des angewendeten
Stärkmehls sehr geringen Malzmenge hervor, so fällt das Endresultat um so
vollständiger aus, je niedriger die bei dem Versuche herrschende Temperatur war;
wohingegen die Wirkung zwischen + 60° und + 70° gleich Null seyn kann,
was z.B. bei Anwendung von 0,001 Malz der Fall ist. Unter solchen Verhältnissen
entzieht sich oft eine größere oder geringere Menge Stärkmehl der Reaction gänzlich,
d.h. dieser Antheil wird nicht einmal verflüssigt, noch weniger aber saccharificirt;
allein im Allgemeinen ist diese Wirkung, bei sonst gleichbleibenden Bedingungen, um
so größer, je weniger Wasser angewendet wurde. Wenn man z.B. einen aus 1 Th.
Stärkmehl und 20 Th. Wasser bereiteten Kleister bei + 40° oder bei einer noch
niedrigeren Temperatur mit 0,01 Malz versetzt, so entzieht sich 1/7 bis 1/6 des
Kleisters der Reaction gänzlich. Dabei zeigt sich die merkwürdige Erscheinung, daß dieser nicht angegriffene Stärkekleister, sobald er,
selbst unter den günstigsten Bedingungen, mit größeren Malzmengen zusammen
kommt, weder zur Verflüssigung gebracht, noch saccharificirt werden kann,
während er doch durch Säuren immer noch angegriffen und saccharificirt
wird. Demnach hat das Stärkmehl unter diesen Verhältnissen eine Modificirung
erlitten. Wir glauben die Bemerkung gemacht zu haben, daß ein solcher Stärkekleister
mehr Stickstoff enthält als normales Stärkmehl.
Stärkmehl, bei + 70° mit dem 50 fachen seines Gewichtes an destillirtem Wasser
zu Kleister angemacht, erleidet keine Verflüssigung, selbst dann nicht, wenn der
Kleister mehrere Tage lang der Einwirkung einer Temperatur von + 50°
ausgesetzt wird.
Derselbe Kleister, bei derselben Temperatur, aber nicht mit destillirtem, sondern mit
Wasser aus der Seine, und zwar auf die Weise bereitet, daß die eine Hälfte der
angegebenen Wassermenge zum ersten Anmachen des Kleisters bei + 70° genommen
und die andere Hälfte zugesetzt wurde, sobald der Kleister die Temperatur von +
50° angenommen hatte, verflüssigte sich nach Verlauf von zwanzig bis
fünfundzwanzig Stunden.
Derselbe Versuch, mit Kleister, der mit Wasser aus dem Ourcq und aus der Dhuite
bereitet worden, angestellt, lieferte gleiche Resultate; die vollständige
Verflüssigung trat nach zwanzig bis fünfundzwanzig Stunden ein. Bei Wiederholung
dieses Versuches mit Wasser aus Pariser Brunnen, aus der Seine, dem Ourcq und der
Dhuite, welches vorher abgekocht worden war, trat keine Verflüssigung ein.
Kalt bereitete Aufgüsse von roher Gerste, Weizen und Roggen verflüssigen und
saccharificiren den Stärkekleister bei + 50° vollständig, während sie bei der
Temperatur von + 70° ohne Wirkung bleiben. Ebenso verhält sich Kleber, das
von der Kleberbereitung herrührende Waschwasser und das Wasser von der
Stärkefabrication. Diese Flüssigkeiten müssen offenbar eine dem Maltin analoge, wenn
nicht mit demselben identische wirksame Substanz enthalten. Mittelst Tannin gelingt
es, einen unlöslichen wirksamen Körper aus ihnen abzuscheiden, während sie selbst
ihre Wirksamkeit theilweise oder gänzlich einbüßen.
Wird Maltin oder gerbsaures Maltin unter den vorhin bezeichneten
Temperaturverhältnissen mit Stärkekleister in Berührung gebracht, so rufen sie in
dem letzteren Wirkungen hervor, welche mit den durch das Malz oder Malzinfusum
hervorgerufenen identisch sind.
Alle diese Thatsachen berechtigen zu folgenden Schlüssen:
1) Das Maltin besitzt die wirksamen Eigenschaften des Malzes oder eines in der Kälte
oder bei niedriger Temperatur bereiteten Malzaufgusses im Maximum. Durch alle bisher
angewendeten Methoden zur Abscheidung der wirksamen Substanz wird dieselbe merklich
verändert und die zur Darstellung des Diastas angegebenen Verfahren geben nur ein
Gemenge von verschiedenen Producten (Kohlenhydrat, Dextrin etc.) mit der in höherem
oder geringerem Grade veränderten wirksamen Substanz.
2) Der Gehalt des Malzes an Maltin oder wirksamer Substanz beträgt mindestens 1
Proc., und dieses Maltin vermag das Ein- bis Zweimalhunderttausendfache
seines Gewichtes an Stärkmehl zu verflüssigen; es vermag ferner mindestens die
zehntausendfache Gewichtsmenge Stärkmehl vollständig und leicht in Zucker umzuwandeln.
Diese Resultate sind sehr verschieden von den mit dem Diastas erzielten Ergebnissen,
wornach dasselbe das Zweitausendfache seines Gewichtes an Stärkmehl umzuwandeln
vermag. (Dieses Umwandlungsvermögen ist, soweit es die Umsetzung des Stärkmehls in
Zucker betrifft, nicht genau bestimmt worden; Guérin, welcher dasselbe mit Hülfe des Gährungsprocesses zu messen
versuchte, mußte 0,07 Diastas anwenden, um das Stärkmehl vollständig in Zucker
umzuwandeln.) Andererseits war bisher der Fehler in Bezug auf das Malz weit größer,
indem behauptet wurde, daß dasselbe nur 1 bis 2 Tausendtheile wirksamer Substanz
enthalte, während es unseren Untersuchungen zufolge ungefähr 1 Proc. davon enthält;
nehmen wir nun diesen Gehalt zu 1 Tausendtheil an, so wäre das Malz im Vergleiche
mit Diastas, nur das Zweifache, und wenn wir 2 Tausendtheile annehmen, höchstens das
Vierfache seines Gewichtes an Stärkmehl umzuwandeln im Stande und dieß entspricht
genau dem in der Fabrikpraxis erzielten Resultate.
Den obigen Zahlenangaben zufolge vermag das Malz nach unseren Beobachtungen das
Ein- bis Zweitausendfache seiner Gewichtsmenge an Stärkmehl zu verflüssigen
und die hundertfache Gewichtsmenge zu saccharificiren, nämlich unter den oben
besprochenen bisher nicht erkannten Bedingungen, unter denen man vom Malze und vom
Maltin, sowohl als Verflüssigungs- wie als Saccharificirungsmittel, den
größtmöglichen Nutzen ziehen kann.
3) Der wirksame Bestandtheil des Malzes ist wesentlich stickstoffhaltig und folglich eiweißartiger Natur; er besitzt ein starkes
Linksdrehungsvermögen und wird durch Wärme und andere
Agentien sehr verändert, indem er durch dieselben allem Anschein nach in eine in
Wasser unlösliche und gleichzeitig unwirksame Substanz umgewandelt wird. Uebrigens
scheint diese Substanz in allen Körpern, in denen sie zugegen ist, so in den
Cerealien, in mehreren natürlichen Wässern etc. stets dieselbe zu seyn und dieselbe
chemische Constitution zu besitzen.
4) Das Maltin wird aus den Flüssigkeiten, in denen es vorhanden ist, durch
gewöhnlichen Alkohol von 87 bis 90 Volumprocenten niedergeschlagen; ebenso durch
Gerbsäure, womit es ein wirkliches Salz bildet, welches ungeachtet seiner
Unlöslichkeit auf Stärkekleister bei höherer Temperatur sehr kräftig einwirkt, was
darauf hindeutet, daß das gerbsaure Maltin im Stärkekleister in der Wärme löslich
seyn muß.
5) Da das Malz 1 Procent Maltin enthält, also hundert Mal mehr als zur Verflüssigung
und Saccharificirung des im Malze enthaltenen Stärkmehls erforderlich ist, so kann
man mit Benutzung der im Vorstehenden mitgetheilten Beobachtungen aus dem Malze eine bedeutende Quantität
wirksamer Substanz extrahiren, welche gewöhnlich verloren geht, nach ihrer
Abscheidung aber in der Industrie nutzbringende Verwerthung finden wird.
6) Stärkmehl sowie Getreide und andere stärkmehlhaltige Substanzen können mit einer
Quantität Malz, welche höchstens 1/100 der Gewichtsmenge des zu verarbeitenden
Stärkmehls beträgt oder mit einer äquivalenten Menge seines Aufgusses oder seines
vorher extrahirten und getrockneten wirksamen Bestandtheils (Maltin) saccharificirt
werden. Dieß läßt sich leicht dadurch erreichen, daß man die stärkmehlhaltige
Substanz bei + 70° C. mit mindestens ihrer fünfzehnfachen Gewichtsmenge
Wasser in Kleister verwandelt und dann das Malz bei der Temperatur von + 50°,
oder darunter, zusetzt.
7) Das Maltin läßt sich in Branntweinbrennereien und
Bierbrauereien mit geringen Kosten durch das nachstehende
Verfahren darstellen.
Man müßte zunächst das Malz in einem Braubottich bei gewöhnlicher Temperatur oder bei
höchstens 30° C. mit der vier- bis fünffachen Wassermenge
durcharbeiten und die klar gewordene Flüssigkeit nach etwa einstündigem Stehenlassen
abziehen; dann müßte man diese Maceration mit derselben Wassermenge wiederholen und
die Flüssigkeit nach Verlauf von etwa einer halben Stunde abzapfen.
Die auf diese Weise erhaltenen Flüssigkeiten müßten in besondere Gefäße gebracht und
in denselben mit Aufgüssen von Lohe, Sumach oder anderen Adstringentien behandelt
werden; nach gehörig langem Absitzenlassen müßte man die Niederschläge in Säcke aus
dicht gewebter Leinwand füllen und in einer Hebelpresse einem kräftigen, aber
langsam gesteigerten Drucke unterwerfen, ganz wie Preßhefe, worauf das Product bei
niedriger Temperatur zu trocknen wäre.
Den im Bottich bleibenden Rückstand müßte man mit Wasser von 65 bis 66° C.
behandeln, um das in ihm enthaltene Stärkmehl zu verwerthen; auf diese Weise würde
man für die Branntweinbrennereien, die Brauereien oder die Stärkezuckerfabrication
sehr geeignete Auszüge mit genügendem Maltingehalt erhalten.
Uebrigens könnte man auch das Malz direct mit kochendem Wasser behandeln, so daß das
Stärkmehl bei ungefähr 70° C. in Kleister umgewandelt würde; dann müßte
sofort die Temperatur durch Zusatz von kaltem Wasser auf 50° erniedrigt
werden; hierauf müßte 1 Proc. Malz in Form von feinem Mehle oder 1/10000 Maltin
zugesetzt und nun auf gewöhnliche Weise weiter verfahren werden.
Wollte man das Maltin mit Hülfe von Alkohol gewinnen, so müßte zum Einteigen des
Malzes weniger Wasser genommen werden; dann müßte man wiederholt auspressen, die
abgelaufene Flüssigkeit durch dicht gewebte Leinwand oder durch Taylor'sche Filter filtriren, hierauf mit drei
Raumtheilen Alkohol von 90 Volumprocenten behandeln, um das Maltin niederzuschlagen,
und schließlich letzteres trocknen. Aus der alkoholhaltigen Flüssigkeit könnte der
Alkohol abdestillirt und die zuckerhaltigen Rückstände könnten in Gährung versetzt
werden, um dadurch den unvermeidlichen Verlust an Alkohol wieder auszugleichen.
– Selbstverständlich wäre die letztere der von uns vorgeschlagenen Methoden
nur für Branntwein- und Spiritusfabriken zu empfehlen.